Verwaltungsrecht

Eilrechtsschutz gegen Abschiebungsandrohung mit Ausreisefrist von 30 Monaten

Aktenzeichen  AN 17 S 18.50240

Datum:
5.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 4416
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 5, Abs. 7
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2, § 35, § 36
VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

1 Hat ein Asylbewerber in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union bereits internationalen Schutz erhalten und soll dorthin abgeschoben werden, kommt der Klage gegen die Abschiebungsandrohung keine aufschiebende Wirkung zu. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2 Hat das Bundesamt statt der Ausreisefrist von nur einer Woche die Ausreisefrist auf 30 Monate ab Rechtskraft der Entscheidung über die Klage festgesetzt, können die Antragsteller während des Laufs der Klage nicht abgeschoben werden; einem Eilantrag auf Abschiebungsschutz fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. (Rn. 13 – 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Anträge werden abgelehnt.
2. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Die Anträge auf Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung werden abgelehnt.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine asylrechtliche Abschiebungsandrohung nach Rumänien.
Die Antragsteller, ein Ehepaar mit ihren Kindern, sind irakische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit und yezidischen Glaubens. Die Antragsteller zu 1) bis 7) reisten am 28. November 2017 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am selben Tag Asylanträge. Die Antragstellerin zu 8) wurde am 27. Dezember 2017 in Deutschland geboren.
Nach den Ermittlungen des Bundesamtes (EURODAC-Treffer) wurden von den Antragstellern zu 1) und zu 2) am 30. August 2016 in Bulgarien, am 9. April 2017 in Rumänien und am 18. bzw. 19. August in Ungarn Fingerabdrücke abgenommen und wurde ihnen am 3. August 2017 in Rumänien ein Schutzstatus gewährt.
Im Rahmen von Befragung bei der Bundespolizei, bei der Regierung von Mittelfranken und vor dem Bundesamt für … (Bundesamt) am 28. November 2017, 12. Dezember 2017 sowie 3. und 15. Januar 2018 gaben die Antragsteller zu 1) und zu 2) an, ihr Heimatland am 13. Juli 2016 verlassen zu haben und über die Türkei, Bulgarien, Serbien und Rumänien nach Deutschland, wo Geschwister der Antragsteller lebten, eingereist zu sein. In Bulgarien und Rumänien hätten sie zwangsläufig Asyl beantragen müssen. In Rumänien seien sie nicht gut behandelt worden. Sie seien psychisch krank. Der Antragsteller zu 1) nehme Medikamente.
Mit Bescheid vom 19. Februar 2018 lehnte das Bundesamt die Anträge der Antragsteller daraufhin als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 2), forderte die Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung – im Fall der Klageerhebung 30 Tage nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens – zu verlassen und drohte ihnen für den Fall der Nichtbefolgung die Abschiebung nach Rumänien an und stellte fest, dass die Antragsteller nicht in den Irak abgeschoben werden dürften (beides Ziffer 3) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4). Die beigefügte Rechtsmittelbelehrungverwies auf die Möglichkeit zur Klageerhebung innerhalb von zwei Wochen.
Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 27. Februar 2018, eingegangenen beim Verwaltungsgericht Ansbach am gleichen, erhoben die Antragsteller Klage und beantragten gemäß § 80 Abs. 5 VwGO,
die aufschiebende Wirkung der Klagen gegen die im Bescheid vom 19. Februar 2018 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen.
Weiterhin wurde Prozesskostenhilfe und Beiordnung der Prozessbevollmächtigten beantragt.
Zur Begründung berief sich die Antragstellerseite auf systemische Mängel im rumänischen Asylverfahren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Behördenakte und die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klagen gegen Ziffer 3 des Bescheides des Bundesamtes vom 19. Februar 2018 sind bereits unzulässig. Ihnen fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, da eine Abschiebung aufgrund des antragsgegenständlichen Bescheids bis zum Ablauf der in Ziffer 3 des Bescheids genannten Ausreisefrist nicht in Frage kommt und es der Eilanträge damit nicht bedarf.
Nach § 75 Abs. 1 AsylG kommt asylrechtlichen Klagen nur in den Fällen des § 38 Abs. 1 und §§ 73, 73b und 73c AsylG aufschiebende Wirkung zu, wobei vom Fall des § 38 Abs. 1 AsylG („sonstige Fälle“) ausgenommen ist u.a. der Fall nach § 36 Abs. 1 i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG bzw. nach § 35 AsylG, also der Fall, dass ein Asylbewerber in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union bereits internationalen Schutz erhalten hat und er dorthin abgeschoben werden soll. Um einen solchen Fall der Abschiebungsandrohung nach Rumänien handelt es sich vorliegend zwar, sodass den antragsgegenständlichen Klagen keine aufschiebende Wirkung zukommt und die Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO grundsätzlich als statthaft zu betrachten sind.
Die Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO sind auch fristgerecht. Zum einen sind sie innerhalb von einer Woche nach Zustellung des Bescheides und damit innerhalb der Frist des §§ 36 Abs. 3 Satz 1, 74 Abs. 1 AsylG eingegangen, zum anderen gilt aufgrund der fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung:, die als Rechtsmittelfrist unrichtig zwei Wochen benennt, die Jahresfrist gemäß § 36 Abs. 3 Satz AsylG i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO.
Den Anträgen fehlt jedoch das allgemeine Rechtschutzbedürfnis, weil sie den Antragstellern keinen tatsächlichen oder rechtlichen Vorteil bringen können. Die Antragsteller können vor der in Ziffer 3 des angefochtenen Bescheids festgesetzten Ausreisefrist von 30 Monaten nach Rechtskraft ihrer Klage ohnehin nicht abgeschoben werden, so dass es der gestellten Eilanträge nicht bedarf (vgl. ebenso VG Ansbach, AN 11 S 17.35257, B.v. 12.10.2017 – juris, AN 17 S 18.50054, B.v. 26.1.2018, zur Fehlerhaftigkeit der Fristsetzung der Abschiebungsandrohung siehe auch VG Ansbach, U.v. 29.1.2017, AN 3 K 17.51188).
Nach § 36 Abs. 1 AsylG folgt aus dem Tatbestand des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG zwar die Verpflichtung des Bundesamtes zur Setzung einer Ausreisefrist von nur einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides und greift umgekehrt nach § 38 Abs. 1 AsylG die Ausreisefrist von 30 Tagen nicht ein, weil kein „sonstiger Fall“ vorliegt. Jedoch hat das Bundesamt zwar objektiv rechtswidrig, aber zugunsten der Antragsteller eine Ausreisefrist von 30 Tagen festgesetzt und tenoriert, dass die Ausreisefrist von 30 Tagen im Falle der Klageerhebung erst ab dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu laufen beginnt. Aus den Gründen des Bescheides vom 19. Februar 2018 ergibt sich ebenfalls eindeutig, dass eine Ausreisefrist von 30 Tagen, im Fall der Klageerhebung gerechnet ab Rechtskraft der Gerichtsentscheidung, gewollt und nicht etwa versehentlich festgesetzt worden ist. Der Regelungsgehalt des Bescheides ist damit auch nicht aufgrund eines Widerspruchs zwischen Tenor und Gründen unklar.
Somit steht fest, dass die Antragsteller nicht vor 30 Tagen nach Rechtskraft der Entscheidung der erhobenen Klagen abgeschoben werden können. Dass das Bundesamt in Verkennung dieser Rechtslage von der Möglichkeit einer früheren Abschiebung ausgeht, ist nicht ersichtlich. Ein derartiger faktischer Vollzug droht nicht, so dass auch eine – nur ganz ausnahmsweise mögliche – gerichtliche Feststellung im Rahmen des Eilrechtsschutzes hier nicht veranlasst ist.
Aufgrund fehlender hinreichender Erfolgsaussichten sind auch die Anträge auf Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren unabhängig von den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Antragsteller abzulehnen, § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 114 ff ZPO.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.

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