Aktenzeichen 3 CS 16.200
BGB BGB § 387
VwGO VwGO § 80 Abs. 5, § 88, § 123
Leitsatz
1 Die Aufrechnung mit einer Gegenforderung ist weder einen Verwaltungsakt noch eine Vollziehung des die betreffende Forderung konkretisierenden Leistungsbescheids, sondern eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung. Deshalb ist im Eilverfahren ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Aufrechnung nicht statthaft. (redaktioneller Leitsatz)
2 Der von einem Rechtsanwalt gestellte und aufrechterhaltene Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO kann nicht in einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO umgedeutet werden. (redaktioneller Leitsatz)
3 Für eine einstweilige Anordnung gegen die Aufrechnung einer Rückforderung aus überzahlten Versorgungsbezügen gegen die laufenden Versorgungsbezüge besteht unter dem Gesichtspunkt einer Existenzgefährdung kein Anordnungsrund, wenn dem Beamten noch erhebliche Bezüge verbleiben. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
RO 1 S 15.2115 2016-01-15 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.848,36 € festgesetzt.
Gründe
I.Der 1926 geborene Antragsteller wurde zum 1. März 1987 als Regierungsdirektor (BesGr A 15) wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt und bezieht seitdem Versorgungsbezüge. Seit 18. März 1987 ist er als Rechtsanwalt zugelassen.
Nachdem dem Antragsgegner bekannt geworden war, dass der Antragsteller seit 1. August 1991 auch eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhält, wurden die Versorgungsbezüge mit unanfechtbarem Bescheid vom 10. März 2015 ab 1. April 2015 in Höhe der aktuellen Rente (239,01 € abzüglich eines Härtebetrags von 40% = 143,41 €) zum Ruhen gebracht und auf 4.174,49 € (brutto) festgesetzt.
Mit Bescheid vom 26. Oktober 2015 wurden die Versorgungsbezüge für die Zeit ab 1. November 2005 bis 31. März 2015 nach Art. 85 BayBeamtVG, § 55 BeamtVG gekürzt und in Höhe von insgesamt 15.393,45 € nach Art. 7 Abs. 2 BayBeamtVG, § 52 Abs. 2 BeamtVG zurückgefordert. Nach Zurückweisung seines Widerspruchs mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 2015 hat der Antragsteller hiergegen am 12. November 2015 Klage erhoben (RO 1 K 15.1953), über die bislang noch nicht entschieden ist.
Mit Schreiben vom 3. Dezember 2015 erklärte das Landesamt für Finanzen die Aufrechnung des Rückzahlungsbetrags mit den Ansprüchen auf laufende Versorgungsbezüge in Höhe des pfändbaren Betrags von 800,– € ab 1. Januar 2016. Daraufhin erstreckte der Antragsteller seine Klage auch auf die Aufrechnung.
Am 5. Dezember 2015 beantragte der Antragsteller,
die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, die Rückforderung sei grob ermessensfehlerhaft und unverhältnismäßig, verstoße gegen das Rückwirkungs- und Übermaßverbot und gegen das Rechtsstaatsprinzip sowie das Grundrecht auf Eigentum. Er sei zu 100% schwerbehindert, fast 90 Jahre alt, gehbehindert, beinahe erblindet und leide an Alzheimer. Er beantrage den Erlass der Rückforderung aus Billigkeits- und Härtegründen. Er hafte nicht rückwirkend auf 10 Jahre in unzulässiger Analogie zu §§ 819, 820 BGB. Er sei 1986 nicht verpflichtet gewesen, seine Rente mitzuteilen, die er erst ab 1991 bezogen habe. Er habe aufgrund seines hohen Alters und seiner Behinderung die Hinweise zur Mitteilungspflicht nicht lesen und einordnen können. Er habe seine Einkommensteuerbescheide im Kindergeld- und Beihilfeverfahren vorgelegt. Er beantrage deshalb die Beiziehung der Kindergeld- und Beihilfeakten.
Mit Beschluss vom 15. Januar 2016, dem Antragsteller zugestellt am 19. Januar 2016, hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO sei unzulässig. Selbst wenn man ihn in einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO umdeute, seien weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die Höhe der Überzahlung sei zutreffend. Art. 85 BayBeamtVG bzw. § 55 BeamtVG sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Antragsteller könne sich auch nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Ein Verzicht auf die Rückforderung aus Billigkeitsgründen komme nicht in Betracht. Ohne nachvollziehbare Angaben seien keine Anhaltspunkte gegeben, dass der Antragsteller durch die Aufrechnung unzumutbar belastet werde.
Hiergegen richtet sich die vom Antragsteller am 25. Januar 2016 eingelegte und mit weiteren Schriftsätzen am 9. und 16. Februar 2016 sowie 8. März 2016 begründete Beschwerde, mit der der Antragsteller auf sein bisheriges Vorbringen Bezug nimmt und dieses wiederholt.
Der Antragsgegner beantragt mit Schriftsatz vom 25. Februar 2016,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zu Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Aufrechnung mit der Rückforderung überzahlter Versorgungsbezüge gegen die laufenden Versorgungsbezüge zu Recht abgelehnt. Die hiergegen vom Antragsteller innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO vorgetragenen Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist, führen zu keiner anderen Beurteilung.
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist unzulässig.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, B. v. 11.8.2005 – 2 B 2/05 – juris) und des erkennenden Senats (BayVGH, B. v. 17.12.2003 – 3 CS 03.2384 – juris) stellt die Aufrechnung mit einer Gegenforderung weder einen Verwaltungsakt noch eine Vollziehung des die betreffende Forderung konkretisierenden Leistungsbescheids, sondern vielmehr eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung dar (BayVGH, B. v. 13.10.2010 – 14 CS 10.2198 – juris). Dies gilt jedenfalls in Fällen, in denen – wie hier – die Aufrechnung mit einer lediglich durch Leistungsbescheid konkretisierten und geltend gemachten Gegenforderung infolge rechtsgrundloser Überzahlung von Versorgungsbezügen in Mitten steht (BVerwG, U. v. 11.8.2005 a. a. O.).
Diese Rechtsprechung steht auch nicht im Widerspruch zur Rechtsaufassung des Bundesfinanzhofs (vgl. BFHE 178, 306; 193, 254), wonach in Fällen, in denen es um die Aufrechnung öffentlich-rechtlicher Forderungen geht, deren Geltendmachung die Rücknahme des ursprünglichen bewilligenden Verwaltungsakts voraussetzt, die Aussetzung der Vollziehung beantragt werden kann.
Eine Umdeutung gemäß § 88 VwGO des durch einen Volljuristen und Rechtsanwalt gestellten und aufrechterhaltenen Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO in einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO ist nicht zulässig. Der Antragsteller hat ausdrücklich erklärt, dass er die Beschwerde auf § 80 Abs. 5 VwGO und nicht auf § 123 VwGO stützt, so dass er sich hieran auch festhalten lassen muss.
2. Selbst wenn man aber mit dem Verwaltungsgericht den unzulässigen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO in einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO umdeuten würde, hat der Antragsteller weder einen Anordnungsgrund noch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Es fehlt insoweit schon an einem Anordnungsgrund. Eine Existenzgefährdung durch die derzeitige Aufrechnung des Rückzahlungsbetrags mit den laufenden Bezügen in Höhe des pfändbaren Betrags von 800,– € monatlich ist angesichts des Umstands, dass der Antragsteller monatlich Versorgungsbezüge in Höhe von 4.174,49 € erhält, weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich. Ohne nähere Angaben sind auch keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Antragsteller durch die Aufrechnung unzumutbar belastet würde. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem pauschalen Hinweis auf das Alter und die Schwerbehinderung des Antragstellers. Er hat die von ihm behaupteten Erkrankungen nicht substantiiert glaubhaft gemacht, geschweige denn einen berücksichtigungsfähigen krankheitsbedingten Mehrbedarf dargelegt.
Darüber hinaus fehlt es auch an einem Anordnungsanspruch. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Rückforderung rechtmäßig ist und gegen die zugrunde liegenden Vorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierzu auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO), mit denen sich der Antragsteller auch nicht ansatzweise auseinandergesetzt hat. Vor diesem Hintergrund sind auch die Anträge, die Kindergeld- und Beihilfeakten beizuziehen, unbehelflich.
3. Die Beschwerde des Antragstellers war danach mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 3 GKG i. V. m. Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs 2013.