Verwaltungsrecht

Eilrechtsschutz wegen unrichtiger Abschlussmitteilung des BAMF

Aktenzeichen  M 28 E 17.47451

Datum:
26.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 30597
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 123
AsylG § 10 Abs. 1, Abs. 2 S. 4, § 38 Abs. 1, § 75 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Das BAMF hat eine gegenüber der Ausländerbehörde abgegebene, unrichtig gewordene Abschlussmitteilung zu korrigieren bzw. zu widerrufen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Rechtsschutzbedürfnis für gerichtlichen Eilrechtsschutz besteht nicht, wenn das BAMF nicht um Korrektur der unrichtig gewordenen Abschlussmitteilung ersucht wurde.  (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Anträge gemäß § 80 Abs. 5 VwGO und gemäß § 123 VwGO werden abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist iranische Staatsangehöriger. Am 7. Dezember 2015 stellte er einen Asylantrag.
Mit Schreiben vom 15. September 2016 lud das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Antragsteller zur Anhörung am 12. Oktober 2016. Die Ladung wurde dem Antragsteller unter der Zustellanschrift „H… 55, … M…“ mit Zustellungsurkunde gemäß § 3 VwZG i.V.m. § 180 ZPO im Wege der Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten erfolgreich zugestellt.
Mit Bescheid vom 1. Februar 2017, zur Post gegeben mit Schreiben vom gleichen Tage, entschied das Bundesamt, dass die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werde (Ziffer 1.), der Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt werde (Ziffer 2.), der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt werde (Ziffer 3.), Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 4.), forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung bzw. im Falle einer Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen, andernfalls werde er in den Iran abgeschoben (Ziffer 5.) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6.). Dieser Bescheid sollte dem Antragsteller wiederrum unter der Adresse „H… 55, … M…“ mit Zustellungsurkunde zugestellt werden. Der Zustellversuch blieb indes erfolglos. Auf der Zustellungsurkunde vermerkte der Postbedienstete am 3. Februar 2017: „Adressat unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln.“
Mit Schreiben vom 28. März 2017 teilte das Bundesamt der Ausländerbehörde im Wege einer Abschlussmitteilung u.a. mit, dass die Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigter und auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft jeweils unanfechtbar abgelehnt worden seien sowie dass der subsidiäre Schutzstatus oder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG nicht vorlägen. Bestandskraft sei am 18. Februar 2017 eingetreten. Der Bescheid gelte als zugestellt am 3. Februar 2017.
Am 4. September 2017 ließ der Antragsteller durch seine Bevollmächtigten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben. Diese Klage, über die noch nicht entschieden ist, wird unter dem Aktenzeichen M 28 K 17.47449 geführt. Ferner ließ der Antragsteller ebenfalls am 4. September 2017 beantragen,
festzustellen, dass der Klage aufschiebende Wirkung zukommt, soweit mit ihr Nr. 5 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 1. Februar 2017 angefochten worden ist,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, der Ausländerbehörde sofort mitzuteilen, dass die Frage der Bestandskraft des Bescheids vom 1. Februar 2017 angesichts der anhängigen Klage im Zeitpunkt der zu treffenden Eilentscheidung abweichend von der Abschlussmitteilung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge nicht feststeht,
hilfsweise im Rahmen der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Bestandskraftvermerk zu widerrufen.
Zur Begründung ließ der Antragsteller u.a. ausführen: Er habe bei einer persönlichen Vorsprache bei der Ausländerbehörde am 24. August 2017 ein Schreiben mit der Mitteilung erhalten, dass sein Asylverfahren bestandskräftig abgeschlossen und er zur Ausreise verpflichtet sei. Der Bescheid sei ihm nicht ausgehändigt worden. Die Bevollmächtigte habe am 28. August 2017 sowohl die Ausländerbehörde als auch die Antragsgegnerin angeschrieben mit der Bitte, den Bescheid zuzustellen. Bis dato sei keine Rückmeldung erfolgt. Dem Antragsteller sei bei einer persönlichen Vorsprache am 29. August 2017 eine Kopie des Bescheids ausgehändigt worden. Zur Vorlage kam eine eidesstattliche Versicherung des Antragstellers mit u.a. folgendem Inhalt: Er sei seit 1. Oktober 2016 in der H… 51 untergebracht gewesen. Die Niederschrift zur Anhörung habe er persönlich nach der Anhörung am 12. Oktober 2016 vom Bundesamt erhalten. Bei dieser Anhörung habe er auch angeben, dass er in der H… 51 untergebracht sei bzw. man habe die neue Adresse der gültigen Gestattung entnommen. Man habe ihnen auch mitgeteilt, dass die Anmeldung beim Einwohnermeldeamt über die Unterkunftsleitung erfolgen würde. Er habe den Bescheid des Bundesamts nicht erhalten, jedoch ein Schreiben von der AOK zugestellt bekommen.
Mit Schreiben vom 5. September 2017 legte das Bundesamt seine Akten vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegte Akte des Bundesamts verwiesen.
II.
Die Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO sowie – im Haupt- und Hilfsantrag – nach § 123 VwGO sind unzulässig. Ihnen fehlt jeweils das Rechtschutzbedürfnis.
1. Der Antrag auf Feststellung, dass der Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5. des Bescheids vom 1. Februar 2017 aufschiebende Wirkung zukommt, ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
Die Klage des Antragstellers vom 4. September 2017 (M 28 K 17.47449) gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 1. Februar 2017 hat – soweit es sich um eine Anfechtungsklage handelt – gemäß § 75 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 38 Abs. 1 AsylG bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. Insbesondere hat das Bundesamt den Asylantrag nicht als offensichtlich unbegründet (§ 36 AsylG) abgelehnt und dem Antragsteller die in § 38 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AsylG genannte Ausreisefrist gesetzt. Diese aufschiebende Wirkung entfällt vorliegend auch nicht etwa deshalb, weil im Klageverfahren die Einhaltung der Klagefrist zu prüfen sein wird: Denn nur ein offensichtlich unzulässiger Rechtsbehelf hat keine aufschiebende Wirkung (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 80 Rn. 13 m.w.N.). Von einer offensichtlich unzulässigen Klage kann vorliegend indes angesichts des Vorbringens in der Antragsbegründung und des Inhalts der Akten des Bundesamts keine Rede sein: Zwar steht vorliegend durchaus im Raum, dass die Zustellung des Bescheids vom 1. Februar 2017 gemäß § 10 Abs. 2 Satz 4 AsylG mit der Aufgabe zur Post an die Adresse „H… 55, … M…“ als bewirkt gilt, sollte der Antragsteller dem Bundesamt entgegen seiner Verpflichtung nach § 10 Abs. 1 AsylG seine neue Anschrift „H… 51, … M…“ nicht unverzüglich angezeigt haben. Indes hat der Antragsteller in seiner eidesstattlichen Versicherung u.a. vorgetragen, er habe bei der Anhörung angeben, dass er in der H… 51 untergebracht sei bzw. man habe die neue Adresse der gültigen Gestattung entnommen. In der Tat geht auch aus dem Anhörungsprotoll hervor, dass sich der Antragsteller bei der Anhörung mit seiner Aufenthaltsgestattung ausgewiesen hatte. Es wird im Klageverfahren zu prüfen sein, ob und ggf. wann der Bescheid vom 1. Februar 2017 zugestellt wurde und ob die Klagefrist versäumt wurde. Von einer offensichtlich unzulässigen Klage, die von vornherein keine aufschiebende Wirkung hätte, kann indes keine Rede sein.
Hat die Klage vom 4. September 2017 mithin aufschiebende Wirkung, dann bestünde ein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung dieser aufschiebenden Wirkung nur dann, wenn die Antragsgegnerin irrtümlich davon ausgehen sollte, die Klage habe keine aufschiebende Wirkung (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 80 Rn. 109 m.w.N.). Diesbezüglich hat der Antragsteller indes nichts vorgetragen und ist auch sonst nichts ersichtlich geworden: Insbesondere gibt hierfür die Abschlussmitteilung des Bundesamts an die Ausländerbehörde mit Schreiben vom 28. März 2017 nichts her, da zu diesem Zeitpunkt die Klage vom 4. September 2017 noch gar nicht erhoben war. Es ist dem Gericht auch nicht bekannt geworden, dass das Bundesamt nach Klageerhebung zu erkennen gegeben hätte, es gehe von einem Fehlen der aufschiebenden Wirkung aus.
2. Der Antrag gemäß § 123 VwGO, die Antragsgegnerin zu verpflichten, der Ausländerbehörde sofort mitzuteilen, dass die Frage der Bestandskraft des Bescheids vom 1. Februar 2017 angesichts der anhängigen Klage im Zeitpunkt der zu treffenden Eilentscheidung abweichend von der Abschlussmitteilung des Bundesamts nicht feststehe, sowie hilfsweise die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Bestandskraftvermerk zu widerrufen, ist im Haupt- und Hilfsantrag ebenfalls wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
Zwar ist die Abschlussmitteilung des Bundesamts an die Ausländerbehörde mit Schreiben vom 28. März 2017 durch die Klageerhebung am 4. September 2017 zwischenzeitlich unrichtig geworden. Die Antragsgegnerin ist deshalb auch gehalten, die Abschlussmitteilung zu korrigieren bzw. zu widerrufen. Ein Rechtsschutzbedürfnis für gerichtlichen Eilrechtsschutz nach § 123 VwGO setzt indes voraus, dass der jeweilige Antragsteller den jeweiligen Antragsgegner zuvor mit der Sache befasst hatte (VGH BW, B. v. 22.7.2004 – 6 S 19/04 – juris Rn. 2 m.w.N.). Die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes ist nur notwendig, wenn der jeweilige Antragsgegner nicht freiwillig zur Abhilfe bereit ist. In vorliegendem Fall gibt es jedenfalls derzeit keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass sich die in Anspruch genommene Antragsgegnerin weigerte, die unrichtig gewordene Abschlussmitteilung zu korrigieren bzw. zu widerrufen. Bevor mithin der Antragsgegner gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann, muss er sich an das Bundesamt wenden und dieses zur Korrektur bzw. zum Widerruf der unrichtig gewordenen Abschlussmitteilung auffordern. Sollte das Bundesamt sich weigern oder nachweislich untätig bleiben, mag sich der Antragsteller erneut an das Gericht wenden und um gerichtlichen Rechtsschutz nachsuchen.
Nach alldem war der gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfreie Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen