Aktenzeichen M 5 S 19.50043
AsylG § 71 Abs. 1
VwVfG § 51 Abs. 1-3
Leitsatz
1 Vorläufiger Rechtsschutz zur Sicherung eines geltend gemachten Anspruchs auf Wiederaufgreifen und ggf. positive Bescheidung des wiederholten Asylantrags ist mittels eines Antrags nach § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO zu suchen, gerichtet auf vorläufige Unterlassung der angeordneten Abschiebung, indem der Antragsgegnerin bspw. aufgegeben wird, der für die Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass vorläufig nicht aufgrund der früheren Mitteilung und der bestandskräftigen Abschiebungsanordnung abgeschoben werden darf. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2 Hat der Antragsteller keine Umstände bzw. Wiederaufgreifensgründe iSd §§ 71 Abs. 1 Hs. 1 AsylG, 51 Abs. 1 VwVfG dargetan, aufgrund derer eine für ihn günstigere Entscheidung in der Sache möglich erscheint, ist der gestellte Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens ieS bereits unzulässig. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben pakistanischer Staatsangehöriger paschtunischer Volkszugehörigkeit und sunnitischen Glaubens. Er hat erstmalig am 9. Juni 2016 in der Bundesrepublik Deutschland einen Asylantrag gestellt. Mit Bescheid vom 19. April 2017 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden „Bundesamt“) diesen Asylantrag als unbegründet ab (Nr. 1 bis 4), drohte dem Antragsteller die Abschiebung nach Pakistan an (Nr. 5) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate (Nr. 6). Am 2. Mai 2017 stellte der Antragsteller ausweislich eines EURODAC-Eintrags einen Asylantrag in Italien. Das gegen den Bescheid des Bundesamts vom. 19. April 2017 angestrengte Klageverfahren (VG München, M 5 K 17.38371) wurde mit Beschluss vom 27. Dezember 2018 eingestellt.
Am 14. März 2018 reiste der Antragsteller erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am selben Tag erneut einen Asylantrag. Aufgrund des EURODAC-Eintrags, wonach der Antragsteller bereits am 2. Mai 2017 einen Asylantrag in Italien gestellt hatte, richtete das Bundesamt am 22. März 2018 ein Wiederaufnahmeersuchen an Italien, welches die italienischen Behörden nicht beantworteten. Mit Bescheid vom 26. April 2018 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers vom 14. März 2018 als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 2), ordnete die Abschiebung nach Italien an (Nr. 3) und befristet das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf sechs Monate (Nr. 4). Der dagegen angestrengte Eilantrag wurde abgelehnt (VG München, B.v. 26.6.2018 – M 23 S 18. 51605), das angestrengte Klagverfahren wurde nach Untertauchen des Antragstellers eingestellt (VG München, B.v. 2.11.2018 – M 23 K 18.51604).
Noch vor einer Vollziehung der Abschiebungsanordnung vom 26. April 2018 stellte der Antragsteller am 7. Januar 2019 erneut einen förmlichen Asylantrag. Bei seiner Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags am 7. Januar 2019 gab er gegenüber dem Bundesamt an, dass seine Situation in Italien damals sehr schlecht gewesen sei. Er habe drei Tage in einem Park übernachtet. Zudem sei er von Italienern mit einem Messer überfallen worden. Manchmal habe er das Gefühl, im Schlaf zu ersticken.
Mit Bescheid vom 10. Januar 2019 lehnte das Bundesamt den Antrag vom 7. Januar 2019 als Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 26. April 2018 ab. Italien sei aufgrund des dort gestellten Asylantrags für die Entscheidung über das Asylgesuch zuständig. Gründe für eine Rücknahme des Bescheids vom 26. April 2018 bestünden nicht. Die Voraussetzungen für ein Wideraufgreifen des Verfahrens lägen nicht vor. Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) seien nicht ersichtlich. Der Bescheid wurde am 16. Januar 2019 zur Post gegeben. Einen Zustellungsnachweis enthält die Behördenakte nicht.
Am 28. Januar 2019 hat der Antragsteller Klage zur Niederschrift bei Gericht gegen den Bescheid vom 10. Januar 2019 erhoben (Az. M 5 K 19.50042) und gleichzeitig wörtlich beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung nimmt er Bezug auf seine Angaben gegenüber dem Bundesamt und weist darauf hin, dass er in Italien weder Hilfe noch Unterkunft erhalten habe. Er befürchte, bei einer Rückkehr nach Italien auf der Straße leben zu müssen.
Die Antragsgegnerin hat ihre Akten zu den verschiedenen Asylanträgen des Antragstellers vorgelegt, ohne sich in der Sache zu äußern.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
1. Der Antrag war gem. §§ 122 Abs. 1, 88 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 123 Abs. 1 VwGO auszulegen. Denn das wahre Rechtsschutzziel des Antragstellers besteht darin, seine bereits rechtskräftig angeordnete Abschiebung nach Italien aufgrund des Bescheids der Antragsgegnerin vom 26. April 2018 bis zu einer gerichtlichen Entscheidung über seine Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 10. Januar 2019 zu verhindern, mithin der Antragsgegnerin die Durchführung von Abschiebungsmaßnahmen vorläufig zu untersagen.
Denn ist – wie im Falle des Antragstellers – die ursprüngliche Abschiebungsanordnung bereits unanfechtbar und damit bestandskräftig geworden und will der Betroffene eine nachträgliche Veränderung der Sach- oder Rechtslage geltend machen, muss er beim Bundesamt gem. §§ 71 AsylG, 51 Abs. 1 bis 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens stellen und im Hauptsacheverfahren gegebenenfalls im Wege der Verpflichtungsklage eine Sachentscheidung erzwingen. Vorläufiger Rechtsschutz zur Sicherung des geltend gemachten Anspruchs auf Wiederaufgreifen und ggf. positive Bescheidung des wiederholten Asylantrags ist dann mittels eines Antrags nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu suchen, gerichtet auf vorläufige Unterlassung der angeordneten Abschiebung, indem der Antragsgegnerin bspw. aufgegeben wird, der für die Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass vorläufig nicht aufgrund der früheren Mitteilung und der bestandskräftigen Abschiebungsanordnung abgeschoben werden darf (vgl. NdsOVG, B.v. 20.6.2017 – 13 PA 104/17 – juris; BayVGH, B.v. 21.4.2015 – 10 CE 15.810, 10 C 15.813 – juris; siehe zu den weiterhin vertretenen Gestaltungsmöglichkeiten Müller in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 71 Rn. 60).
2. Der als Eilantrag gem. § 123 Abs. 1 VwGO zulässige Antrag ist jedoch unbegründet.
a) Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Denn die Hauptsacheklage hat bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung keine Aussicht auf Erfolg. Der Antragsteller hat voraussichtlich keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens, sodass die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Sicherung dieses Anspruchs nicht vorliegen.
Denn der gestellte Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens i.e.S. ist bereits unzulässig, da der Antragsteller keine Umstände bzw. Wiederaufgreifensgründe i.S.d. §§ 71 Abs. 1 Halbs. 1 AsylG, 51 Abs. 1 VwVfG dargetan hat, aufgrund derer eine für ihn günstigere Entscheidung in der Sache möglich erscheint (vgl. zur Verortung dieses Erfordernisses als Zulässigkeitsvoraussetzung BayVGH, B.v. 17.5.1989 – 3 B 88.03544 – juris; Falkenbach in Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, Stand: 1.1.2019, § 51 Rn. 12). Soweit der Antragsteller zur Begründung seines Wiederaufgreifenbegehrens darauf abstellt, er habe während seines Aufenthalts in Italien weder Hilfe noch Unterkunft erhalten und befürchte, bei einer Rückkehr nach Italien auf der Straße leben zu müssen, handelt es sich nämlich um Umstände, die bereits zum Zeitpunkt seiner zweiten Asylantragsstellung beim Bundesamt am 14. März 2018 (entsprechend dem Bescheid v. 26. April 2018) existierten und dort vom Antragsteller auch weitestgehend vorgebracht worden sind (siehe Bl. 69 f. der Asylakte zum Az. 7448067 – 461). Eine geänderte Sache- oder Rechtslage (§ 51 Abs. 1 Nr. VwVfG), neue Beweismittel (Nr. 2) oder Restitutionsgründe (Nr. 3) hat der Antragsteller mithin nicht glaubhaft gemacht.
Gründe für einen Anspruch des Antragstellers auf ein Wiederaufgreifen i.w.S. sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen.
b) Darüber hinaus ist zweifelhaft, ob vorliegend überhaupt ein Anordnungsgrund gegeben ist. Denn es ist nicht ersichtlich, ob bzw. dass dem Antragsteller aufgrund der mit Bescheid vom 26. April 2018 angeordneten Abschiebung nach Italien diese unmittelbar bevorstehend tatsächlich droht. Allein der Umstand, dass sich das Bundesamt berühmt, dass der bestandskräftige Bescheid vom 26. April 2018 eine Abschiebung des Antragstellers nach Italien zulasse, genügt hierfür nicht. Gegen eine Eilbedürftigkeit spricht auch, dass seit Bestandskraft des Bescheids keinerlei Vollzugsmaßnahmen ersichtlich sind. Es ist kein Anhalt dafür gegeben, dass sich daran absehbar etwas ändern würde.
3. Die Kosten waren dem Antragsteller als unterlegenem Beteiligten aufzuerlegen, § 154 Abs. 1 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).