Aktenzeichen M 25 K 15.4690
HAuslG § 21 Abs. 1
GFK Art. 34
Leitsatz
Ein öffentliches Interesse iSd § 8 Abs. 2 StAG ergibt sich nicht aus dem Status des Betroffenen als heimatloser Ausländer. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 6. Oktober 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband nach §§ 8, 9 StAG. Auch der hilfsweise gestellte Antrag, den Beklagten zur Neuverbescheidung seines Antrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten, ist unbegründet, § 113 Abs. 5 VwGO.
Der Kläger kann seine Einbürgerung nicht nach § 9 StAG erreichen, da er weder Ehegatte noch Lebenspartner eines deutschen Staatsangehörigen ist.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einbürgerung gemäß 8 Abs. 1 StAG im Ermessensweg bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 StAG, da dieser Anspruch eine Ermessensreduktion auf Null erfordern würde.
Denn die Einbürgerung des Klägers scheitert an der fehlenden strafrechtlichen Unbescholtenheit des Klägers gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG. Danach kann ein Ausländer eingebürgert werden, wenn er weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn aufgrund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist. Hinsichtlich der Beachtlichkeit strafrechtlicher Verurteilungen gilt die Regelung des § 12a Abs. 1 StAG, mehrere Verurteilungen zu Geld- oder Freiheitsstrafen sind dabei zusammenzuzählen, § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG. Die zusammengezählten Verurteilungen (LG … v. …6.1999, Freiheitsstrafe 1 Jahr und 10 Monate auf Bewährung; AG … v. …7.2008, Geldstrafe 10 Tagessätze zu je 30,00 Euro) ergeben insgesamt eine Geldstrafe von 660 Tagessätzen bzw. eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr, 10 Monaten und 10 Tagen. Der Strafrahmen des § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 StAG wird somit erheblich überschritten. Die Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung i.S. des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG sind damit nicht gegeben. Diese beachtlichen Verurteilungen stehen der Einbürgerung des Klägers solange entgegen, als eine Tilgung im Bundeszentralregister noch nicht erfolgt ist (vgl. BVerwG, U.v. 5.6.2014 – 10 C 4/14 – juris). Laut Mitteilung des Bundesamtes für Justiz vom 2. April 2014 läuft die Tilgungsfrist bis zum 29. Juli 2018. Die Einbürgerungsbehörde ist grundsätzlich an die Tilgungsentscheidungen des Bundeszentralregisters gebunden (vgl. Berlit in GK-StAR, § 12a Rn. 16).
Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 StAG, nach denen aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte im Ermessenswege von der Voraussetzung der Straffreiheit des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG abgesehen werden kann, liegen nicht vor.
Ein öffentliches Interesse i.S. des § 8 Abs. 2 StAG ist nur gegeben, wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein sich vom Durchschnittsfall eines Einbürgerungsbewerbers abhebendes spezifisch-staatliches Interesse an der Einbürgerung besteht, das es ausnahmsweise rechtfertigen kann, den Ausländer trotz Nichterfüllung der Voraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG einzubürgern (VGH BW, U.v. 6.11.2013 – 1 S 244/13 – juris; OVG Saarl, U.v. 28.6.2012 – 1 A 35/12 – juris).
Ein derart spezifisch-staatliches Interesse an der Einbürgerung des Klägers ergibt sich nicht aufgrund des Status des Klägers als heimatloser Ausländer. Denn diesem Status und dem besonderen Schicksal heimatloser Ausländer hat der Gesetzgeber durch das Gesetz über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet (HAuslG) vom 25. April 1951 (BGBl. I S. 269, zuletzt geändert durch Art. 7 des Zuwanderungsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl. I S. 1950) hinreichend Rechnung getragen. Gemäß § 21 Abs. 1 HAuslG ist die Einbürgerung heimatloser Ausländer unter erheblich erleichterten Bedingungen vorzunehmen. Die Beachtlichkeitsgrenze für die Berücksichtigung von Verurteilungen ist hier im Vergleich zur Regelung des § 12a Abs. 1 StAG erheblich heraufgesetzt, § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 2. Halbsatz HAuslG. Diese Verurteilungen stehen, solange die Tilgung im Bundeszentralregister noch nicht erfolgt ist, dem Einbürgerungsanspruch des Klägers nach § 21 Abs. 1 HAuslG entgegen. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen im Urteil vom 6. Juli 2016 im Verfahren M 25 K 15.4688 Bezug genommen.
Auch das Wohlwollensgebot des Art. 34 GFK bzw. des Art. 32 des Übereinkommens vom 28. September 1954 über die Rechtsstellung der Staatenlosen (BGBl. 1976 II S. 473/1977 II S. 235 – StlÜb) begründen kein öffentliches Interesse i.S. des § 8 Abs. 2 StAG, sondern sind lediglich im Rahmen der Ermessensentscheidung gemäß § 8 Abs. 1 StAG zu berücksichtigen (BVerwG, B.v. 23.12.1993 – 1 B 61/93 –).
Auch eine besondere Härte als Voraussetzung für ein Absehen von der Voraussetzung der Straffreiheit des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG ist zu verneinen. Eine besondere Härte muss nämlich durch atypische Umstände des Einzelfalles bedingt sein und gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen werden und deshalb durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest entscheidend abgemildert werden können (BVerwG, B.v. 6.2.2013 – 5 PKH 13/12 – juris). Die fehlende Straffreiheit des Klägers i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG ist jedoch nicht Folge der verweigerten Einbürgerung und kann auch nicht durch die Einbürgerung vermieden werden. Die vom Kläger angeführten Unannehmlichkeiten bei Reisen außerhalb des Schengen-Raums stellen keine besondere Härte in diesem Sinne dar. Keine besondere Härte liegt auch in dem Umstand, dass die nunmehr 17 Jahre zurückliegende Verurteilung durch das Landgericht … * nur deshalb noch im Bundeszentralregister erfasst ist, weil der Kläger 9 Jahre später vom Amtsgericht … wegen einer Bagatellstraftat verurteilt wurde. Dieser Umstand ist weder durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen, noch könnte er durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest abgemildert werden (OVG NW, B.v. 4.12.2014 – 19 E 1189/14 – juris).
Da die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 Abs. 2 StAG nicht vorliegen, ist ein Ermessen des Beklagten nach dieser Vorschrift nicht eröffnet.
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die vom Gericht nur eingeschränkt überprüfbaren Ermessenserwägungen des Beklagten (§ 114 VwGO), wonach selbst bei Annahme der Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 StAG im Ermessenswege nicht von der Voraussetzung der Straffreiheit abgesehen wird, nicht zu beanstanden sind. Der Beklagte hat die besondere Situation des Klägers als heimatloser Ausländer sowie den Aufenthalt seit Geburt im Bundesgebiet angemessen berücksichtigt, jedoch das öffentliche Interesse an der Straffreiheit höher gewichtet.
Da die Voraussetzung der Straffreiheit des Klägers nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG nicht gegeben ist und von diesem Erfordernis auch nicht abgesehen werden kann, ist auch der hilfsweise gestellte Antrag, den Beklagten unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 6. Oktober 2015 zu einer Neuverbescheidung des Antrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten, unbegründet.
Die Klage ist somit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Die Voraussetzungen des § 124a Abs. 1 VwGO für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor.