Aktenzeichen 18 K 15.2602, 18 K 16.1370
ESchG § 3a, § 8 Abs. 1 Var. 1
GG Art. 3 Abs. 1
PIDV § 2 Nr. 3
BayAGPIDV Art. 1 Abs. 2
BaVwZVG Art. 8, Art. 9, Art. 31, Art. 36
BaVwVfG Art. 43 Abs. 2
Leitsatz
1. Eine Trophektodermbiopsie an muralen Trophektodermzellen zur Feststellung der Entwicklungsfähigkeit des Embryos stellt eine grundsätzlich nach § 3a Abs. 1 ESchG strafbare Präimplantationsdiagnostik dar. Trophektodermbiopsien sind nur unter den Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 und 3 ESchG in Verbindung mit der PIDV gerechtfertigt, d. h. nach einer zustimmenden Bewertung der zuständigen Ethikkommission in jedem Einzelfall in zugelassenen PID-Zentren. (amtlicher Leitsatz)
2 Auch Trophektodermbiopsien zur Bestimmung der Entwicklungsfähigkeit des Embryos fallen unter den Begriff der PID nach § 3a ESchG. (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Blastozyste, an dem die Untersuchung durchgeführt wird, ist ein Embryo im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG. Bezüglich des Merkmals der Entwicklungsfähigkeit ist nicht darauf abzustellen, ob der Embryo sich in die Gebärmutter einnisten kann oder ob eine Fehl- oder Totgeburt in Zukunft zu erwarten ist; Entwicklungsfähigkeit ist die Fähigkeit der befruchteten Eizelle zur Zellteilung (Anschluss an BayVGH BeckRS 2015, 55128). (redaktioneller Leitsatz)
4 Auch die muralen Trophektodermzellen sind Zellen eines Embryos im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG. Zum Embryo gehören danach, zumindest im Zustand vor seiner Einpflanzung, auch die Zellen, die für seine spätere Lebenserhaltung relevant sind. Nur weil bereits eine Ausdifferenzierung zwischen den Zellteilen innerhalb des Embryoblast, die zum zukünftigen Säugling bzw. der zukünftigen Plazenta werden, stattgefunden hat, kann eine Begrenzung der Eigenschaft als Embryo auf diejenigen Zellen, die der spätere Säugling werden, nicht erfolgen. (redaktioneller Leitsatz)
5 Auf die Pluripotenz oder Ausdifferenzierung der muralen TE-Zellen kommt es nicht maßgeblich an. Das wichtigste Schutzgut in Bezug auf Untersuchungen vor einer künstlichen Befruchtung ist die Verhinderung von ungerechtfertigten und nicht überwachten Selektionsentscheidungen zwischen mehreren Embryonen. (redaktioneller Leitsatz)
6 Die unterschiedliche Behandlung der Untersuchungsmethoden der Trophektodermbiopsie und der sog. Polkörperuntersuchung ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt, obwohl sie sich auf das gleiche Ziel beziehen (Parallelentscheidung VG München BeckRS 2016, 54332 – unzulässige vorbeugende Feststellungsklage). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Die Klagen werden abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten der Verfahren zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A. Die Klage M 18 K 15.2602 gegen den Bescheid vom 2. Juni 2015 ist teilweise unzulässig und teilweise unbegründet.
I.
Die Klage M 18 K 15.2602 gegen den Bescheid vom 2. Juni 2015 ist insoweit unzulässig, als er sich auf Ziffer I. 2. des Bescheids bezieht, da das StMGP der Klägerin mit Schreiben vom 30. Juni 2015 die Zulassung als Zentrum für Präimplantationsdiagnostik i. S. d. § 3 PIDV erteilt hat. Damit ist insoweit das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin entfallen. Soweit sich der Bescheid vom 2. Juni 2015 auf die Durchführung von Trophektodermbiopsien zur Feststellung monogener Erkrankungen bezieht, hat die Klägerin das Anfechtungsbegehren insoweit auf den Untersuchungszweck der Feststellung der Entwicklungsfähigkeit von Embryonen begrenzt. Im Übrigen ist die Klage zulässig.
II.
Die Klage ist im Übrigen unbegründet.
Nach Maßgabe des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist ein Bescheid aufzuheben, soweit er rechtswidrig ist und die Klägerin dadurch in ihren Rechten verletzt. Der Bescheid vom 2. Juni 2015 ist jedoch rechtmäßig.
1. Die Klägerin handelte nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG i. V. m. § 3a Abs. 4 ESchG ordnungswidrig. Die Sicherheitsbehörden können zur Erfüllung ihrer Aufgaben für den Einzelfall Anordnungen treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen, oder verfassungsfeindliche Handlungen zu verhüten oder zu unterbinden. Nach § 3a Abs.4 S.1 ESchG handelt ordnungswidrig, wer entgegen § 3a Absatz 3 Satz 1 ESchG eine PID vornimmt.
1.1 Die Klägerin nimmt mit den durchgeführten Trophektodermbiopsien eine PID vor. Auch Trophektodermbiopsien zur Bestimmung der Entwicklungsfähigkeit des Embryos fallen unter den Begriff der PID nach § 3a ESchG. Eine PID wird in § 3a Abs. 1 ESchG legaldefiniert als die genetische Untersuchung von Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer. Unstrittig ist zwischen den Parteien, dass mit der streitgegenständlichen Trophektodermbiopsie eine genetische Untersuchung in vitro vor dem intrauterinen Transfer vorliegt. Die Untersuchung an muralen Trophektodermzellen einer Blastozyste wird auch an Zellen eines Embryos nach § 3a Abs. 1 ESchG vorgenommen.
Die Blastozyste, d. h. der fünf Tage alte „Zellhaufen“, an dem die Untersuchung durchgeführt wird, ist ein Embryo im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG. Als Embryo gilt nach der Legaldefinition in § 8 Abs. 1 Variante 1 ESchG bereits die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist bezüglich des Merkmals der Entwicklungsfähigkeit nicht darauf abzustellen, ob der Embryo sich in die Gebärmutter einnisten kann oder ob eine Fehl- oder Totgeburt in Zukunft zu erwarten ist. Entwicklungsfähigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 Var. 1 ESchG ist die Fähigkeit der befruchteten Eizelle zur Zellteilung (so auch BayVGH, Beschluss vom 27.10.2015, Az 20 CS 15.1904 – juris Rz.20).
Einerseits ergibt sich das bereits aus der Formulierung des § 8 Abs. 2 ESchG: So „gilt“ die befruchtete Eizelle bereits in den ersten 24 Stunden ab dem Zeitpunkt der Kernverschmelzung als Embryo, es sei denn es lässt sich nachweisen, dass die befruchtete Eizelle nicht fähig ist sich über das Einzellstadium hinaus zu entwickeln.
In gesetzessystematischer Hinsicht ist aus § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG ein Rechtfertigungsgrund für eine PID zu entnehmen, wenn eine PID vorgenommen wird, um festzustellen, dass eine schwere Schädigung des Embryos vorliegt, die zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird. Wenn die Annahme der Entwicklungsfähigkeit auf das Kriterium gestützt würde, das eine Tot- oder Fehlgeburt zu erwarten sei, läge bereits kein Embryo im Sinne des § 8 Abs. 1 Var. 1 ESchG vor. Dann wären genetische Untersuchungen an solchen nichtentwicklungsfähigen Blastozysten keine strafbare PID nach § 3a Abs. 1 ESchG. Unter dieser Annahme würde § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG als eigener Rechtfertigungsgrund sinnentleert, da mangels Vorliegen aller Tatbestandsvoraussetzungen keine Rechtfertigung erforderlich wäre.
1.2 Entgegen der Ansicht der Klägerin sind auch die muralen Trophektodermzellen Zellen eines Embryos im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG. Diese mögen zwar bereits weitgehend ausdifferenziert sein und später atrophieren oder Teile des Chorion lavae werden. Dennoch sind sie noch Teil des Embryos im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG, da sie noch eine mit der zona pellicuda begrenzte Einheit darstellen. Zum Embryo im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG gehören, zumindest im Zustand vor seiner Einpflanzung, auch die Zellen, die für seine spätere Lebenserhaltung relevant sind. Nur weil bereits eine Ausdifferenzierung zwischen den Zellteilen innerhalb des Embryoblast, die zum zukünftigen Säugling bzw. der zukünftigen Plazenta werden, stattgefunden hat, kann eine Begrenzung der Eigenschaft als Embryo auf diejenigen Zellen, die der spätere Säugling werden, nicht erfolgen. Dies ergibt sich bereits aus Art. 8 Abs. 1 Var. 1 ESchG, der alle zukünftigen Zellen, die aus der befruchteten Eizelle stammen, als Embryo bzw. Zellen eines Embryos im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG definiert.
1.3 Auch das Argument der Klägerin, dass murale Trophektodermzellen keine Zellen im Sinne von § 2 Nr. 3 PIDV darstellen und daher nicht von § 3a ESchG und erst recht nicht von Art. 1 Abs. 2 BayAGPIDV erfasst werden, verfängt nicht. Wie unter 1.1 und 1.2 dargestellt, handelt es sich bei muralen Trophektodermzellen nach § 3a Abs. 1, 8 Abs. 1 Var. 1 ESchG um Zellen eines Embryos. Die zugegebenermaßen missverständliche Formulierung in § 2 Nr. 3 PIDV ändert hieran nichts (so auch BayVGH, Beschluss vom 27.10.2015, Az. 20 CS 15.1904 – juris Rz.21). Ein Definitionsausschluss von Zellen, die nicht mehr pluripotent sind, war vom Verordnungsgeber ausweislich der Begründung im Verordnungsentwurf des Bundesrats zu § 2 Nr. 3 PIDV (BR-Drs. 717/12 S. 16) nicht intendiert.
Auf die Pluripotenz oder Ausdifferenzierung der muralen TE-Zellen kommt es jedoch nicht maßgeblich an, da entgegen der Ansicht der Klägerin eine einengende Konkretisierung des Begriffs „Zelle eines Embryos“ gemäß § 3a Abs. 1 ESchG durch die Verordnung nicht möglich war. Nach der Ermächtigungsgrundlage der Verordnung in § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG durfte der Verordnungsgeber nur über die dort geregelten Punkte in seiner Verordnung Entscheidungen treffen. Eine Konkretisierung der Definition des Begriffes „Zellen eines Embryos“ aus § 3a Abs.1 ESchG ist nicht in der Ermächtigungsgrundlage enthalten, so dass der Verordnungsgeber hierüber keine Aussage treffen konnte. Des Weiteren ist aus dem Anwendungsbereich nach § 1 PIDV ersichtlich, dass der Verordnungsgeber auch lediglich die in § 3a Abs. 3 Satz 3 Nr. 1-4 ESchG benannten Punkte regeln wollte und nicht darüber hinaus den Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 ESchG einschränken wollte.
1.4 Unter Berücksichtigung der vorgenannten Punkte ist das Argument der Klägerin, dass eine Selektion zwischen Embryonen nicht stattfände, da lediglich diejenigen Blastozysten aussortiert würden, die später nach der Einpflanzung zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen würden, nicht stichhaltig. Eine Selektionsentscheidung liegt sehr wohl vor, da auch Embryonen mit Chromosomenaberrationen in den Schutzbereich des § 3a ESchG einbezogen wurden.
1.5 Nicht nachvollziehbar ist die Argumentation der Klägerseite, dass lediglich Trophektodermzellen entnommen würden und deshalb das Schutzgut des § 3a Abs. 1 ESchG nicht berührt werde. Bezüglich des Schutzguts „Unversehrheit des Embryos“ ist klar, dass mit Entnahme von Trophektodermzellen der Embryo nicht direkt in schwerer Weise geschädigt wird. Ziel der Untersuchung ist gerade, entwicklungsfähige Embryonen zu finden, damit sie eingesetzt werden können und zu einer erfolgreichen Schwangerschaft führen. Allerdings ist das wichtigste Schutzgut in Bezug auf Untersuchungen vor einer künstlichen Befruchtung die Verhinderung von ungerechtfertigten und nicht überwachten Selektionsentscheidungen zwischen mehreren Embryonen. Dieses Schutzgut wird durch das Anliegen der Klägerin, Trophektodermbiopsien zur Feststellung der Entwicklungsfähigkeit der Embryonen ohne das Einhalten der Anforderungen nach § 3a Abs. 2 und 3 ESchG durchzuführen, unterminiert. Der ärztliche Behandlungsvertrag mit den Patientinnen findet seine Grenze im § 3a ESchG.
1.6 Weder § 3a Abs.1 ESchG noch der streitgegenständliche Verwaltungsakt kann im Hinblick auf eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG wegen der unterschiedlichen Behandlung von Trophektodermbiopsie und der sog. Polkörperuntersuchung verfassungswidrig bzw. rechtswidrig sein. Die Polkörperuntersuchung wird an der noch nicht befruchteten Eizelle vorgenommen, um zu prüfen, ob diese Chromosomenaberrationen aufweist. Da Chromosomenaberrationen auch in der Samenzelle bestehen können und während der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle auftreten können, ist der Erkenntnisgewinn aus der Polkörperuntersuchung erheblich geringer. Zudem ist nach der Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers im Embryonenschutzgesetz das potentielle zukünftige Leben als schutzwürdig anerkannt. Dieses Potential liegt in der Eizelle noch nicht vor, so dass der maßgebliche ethische Schutzzweck bei der Selektion von Eizellen entfällt. Diese sachlichen Gründe rechtfertigen eine Ungleichbehandlung beider Untersuchungsmethoden, obwohl sie sich auf das gleiche Ziel beziehen.
1.7 Unstreitig ist, dass die Klägerin die streitgegenständlichen Untersuchungen vornahm bzw. weiterhin vornehmen möchte. Somit ist eine Handlung, die eine Ordnungswidrigkeit darstellt, zum Zeitpunkt des Bescheiderlass nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG i. V. m. § 3a ESchG gegeben.
2. Die Tathandlung, nämlich die Vornahme der Trophektodermbiopsien, war nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG und § 3a ESchG auch rechtswidrig.
Es müssten für eine Rechtfertigung zunächst die Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 Sätze 1 oder 2 ESchG alternativ und dann zusätzlich die Voraussetzungen des § 3a Abs. 3 Satz 1 und 2 EschG kumulativ vorliegen. Unstreitig wurde in keinem Fall die zustimmende Bewertung der Bayerischen Ethikkommission vor den Trophektodermbiopsien nach § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG eingeholt.
3. Die zwangsgeldbewehrte Untersagungsverfügung ist auch verhältnismäßig nach Art. 8 LStVG. Angesichts der Durchführung weiterer Trophektodermbiopsien nach dem Hinweis auf die geltende Rechtslage im Jahr 2014 ist kein milderes Mittel als die Untersagungsverfügung ersichtlich, um die Klägerin an der Durchführung der Trophektodermbiopsien zu hindern. Diese war auch angemessen, da als hohes Schutzgut der Schutz ungeborenen Lebens vor Selektionsentscheidungen und Verletzungen inmitten steht. Wie vom BayVGH in seinem Beschluss vom 27.10.2015 (Az 20 CS 15.1904 Rz.23) formuliert, mag das Anliegen der Klägerin, Patientinnen Fehlgeburten zu ersparen und damit die Erfolgsrate bei künstlichen Befruchtungen zu erhöhen, in Spannung mit den strengen Anforderungen des § 3a ESchG stehen. Allerdings hat der Gesetzgeber beim Erlass des § 3a ESchG die ethisch, humanitär, religiös und rechtlich schwierigen Konfliktsituationen im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik berücksichtigt und ist als Ergebnis zu einem grundsätzlichen Verbot der Präimplantationsdiagnostik gekommen, die nur durch Einhaltung der Anforderungen des § 3a Abs. 2 und 3 ESchG gerechtfertigt werden kann. Daher ist die Behörde bei der Abwägung der betroffenen Rechtsgüter zu Recht von einem Überwiegen der geschützten Rechtsgüter zum Schutz der Embryonen vor der körperlichen Unversehrtheit der Patientinnen und der Berufsfreiheit der Klägerin ausgegangen.
5. Der Bescheid ist auch ermessensfehlerfrei. Bei einem Verstoß gegen Strafgesetze (§ 3a Abs. 1 ESchG) hat die Behörde von vornherein einen nur geringen Ermessensspielraum. Die Geschäftsinteressen der Klägerin und die Interessen der betroffenen Paare sind im vorliegenden Fall miteinbezogen worden, jedoch ermessensfehlerfrei für weniger schwerwiegend als die Schutzgüter bezüglich der Embryonen gewertet worden. Eine außergewöhnliche Situation ist nicht ersichtlich.
B. Die Feststellungsklage bezüglich der Fälligstellung des Zwangsgeldes im Schreiben vom 10. Februar 2016 ist zulässig, jedoch unbegründet.
I.
Die Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO ist statthafte Klageart.
Das Interesse der Klägerin an der baldigen Feststellung ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht durch die Zahlung des Zwangsgeldes erloschen. Ob das konkrete, im Bescheid vom 2. Juni 2015 angedrohte Zwangsgeld fällig geworden ist, stellt eine Vollstreckungsvoraussetzung dar, die isoliert mit einer Feststellungsklage angegriffen werden kann. Das Interesse der Klägerin an der Feststellung liegt darin, dass diese bei Feststellung, dass das Zwangsgeld nicht fällig geworden ist, eine Rückzahlung verlangen kann. Gegenüber Behörden und Körperschaften des öffentlichen Rechts ist eine Feststellungsklage als ebenso effektives Mittel wie eine Leistungsklage auf Erstattung des bereits geleisteten Zwangsgeldes anzusehen, so dass bezüglich eines möglichen Rückzahlungsanspruchs die Feststellungsklage nicht nach § 43 Abs. 2 VwGO subsidiär ist.
II.
Die Feststellungsklage ist jedoch unbegründet.
Das angedrohte Zwangsgeld wird nach Art. 31, 36 BayVwZVG fällig, wenn einen Pflicht zur Unterlassung nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit erfüllt wird, Art. 31 Abs. 1, Abs. 3 Satz 3 BayVwZVG. Vorliegend wurde der Klägerin mit Bescheid vom 2. Juni 2015 eine ab Zustellung des Bescheids einzuhaltende Unterlassenpflicht, keine Trophektodermbiopsien mehr durchzuführen, auferlegt.
Die Klägerin hat dieser Pflicht zur Überzeugung des Gerichts zuwider gehandelt. Nach der von der Klägerin unbestrittenen Angabe der Familie S… wurden bei sechs Embryonen am 4. November 2015 durch das klägerische Labor in M… untersucht, ob sich Translokationsfehler auf Chromosomen des Trophektoderm befinden. Ein Embryo wurde daraufhin Frau S… eingepflanzt. Eine Aufklärung über die Voraussetzungen des § 3a Abs. 3 ESchG fand gegenüber dem Ehepaar S… nicht statt. Eine zustimmende Bewertung der Ethikkommission lag nicht vor. Dies stellt eine klare Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1 des Bescheids vom 2. Juni 2015 dar.
Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es für die Fälligkeit des Zwangsgelds nicht auf die von der Klägerin bestrittene Rechtmäßigkeit der Unterlassenspflicht an. Bei Vollstreckungsmaßnahmen ist es ausreichend, wenn ein gemäß Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG wirksamer, vollziehbarer Verwaltungsakt vorliegt. Bei der Fälligstellung handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt, so dass weder die Frage der richtigen Adressierung noch die einer mangelhaften Begründung relevant sind.
C. Die Anfechtungsklage gegen die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes im Bescheid vom 10. Februar 2016 ist zulässig, jedoch unbegründet.
I.
Die Klage ist zulässig. Die Klagefrist des § 74 VwGO ist bei Eingang der Klage bei Gericht nicht abgelaufen. Der Bescheid vom 10. Februar 2016 wurde zwar bereits am 19. Februar 2016 per Postzustellungsurkunde der Klägerin zugestellt, wohingegen die Klage erst am 22. März 2016 (einem Dienstag) bei Gericht einging. Jedoch hätte der Bescheid nach Maßgabe des Art. 8 Abs. 1 Satz 2 BayVwZVG an die Bevollmächtigten der Klägerin zugestellt werden müssen, da diese bereits mit Schreiben vom 7. Mai 2015 eine Vollmacht mit dem Betreff „Durchführung von Trophektodermbiopsien“ bei der Beklagten vorgelegt hatten. Da das Zwangsgeld auf dem durch die Bevollmächtigten angegriffenen Bescheid vom 2. Juni 2015 beruht, hätte die erneute Zwangsgeldandrohung nicht an die Klägerin selbst, sondern den Bevollmächtigten zugestellt werden müssen. Heilung trat nach Art. 9 BayVwZVG in dem Zeitpunkt ein, als Zugang bei den Bevollmächtigten vorlag. Mangels weiterer Anhaltspunkte ist nicht von einem Zugang vor dem 22. März 2016 auszugehen.
II.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Die erneute Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 10. Februar 2016 ist rechtmäßig. Im Rahmen der Begründung der erneuten Zwangsgeldandrohung kommt es nicht maßgeblich auf die Darlegung des Verstoßes gegen die ursprüngliche Zwangsgeldandrohung an, da das erste Zwangsgeld mit dem Verstoß von Gesetzes wegen fällig wird. Die Klägerin ist auch Adressatin des gegenständlichen Bescheides, wie die Adressierung eindeutig zeigt.
Eine erneute Androhung eines Zwangsmittels ist gemäß Art. 36 Abs. 6 S. 2 BayVwZVG erst zulässig, wenn die vorausgegangene Androhung erfolglos geblieben ist. Dies ist angesichts der bewiesenen Zuwiderhandlung der Klägerin am 4. November 2015 der Fall.
Auch die Höhe des Zwangsgelds ist entgegen der Ansicht der Klägerin angemessen. Um den nötigen Nachdruck zu erzielen, soll das Zwangsgeld so bemessen werden, dass der Pflichtige keinen Vorteil aus der Nichterfüllung der Anordnung ziehen kann; hierbei steht der Behörde innerhalb des gesetzlichen Rahmens des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG (15,- € bis 50.000,- €) ein weiter Entscheidungsspielraum zu, bei dem die Umstände des Einzelfalles und die persönlichen Verhältnisse des Pflichtigen zu berücksichtigen sind. Eine Begründung für die geschätzte Höhe des wirtschaftlichen Interesses ist regelmäßig nicht erforderlich (BayVGH, Beschluss v. 16.9.2010, Az. 1 CS 10.1803 – juris). Die Verdoppelung der Höhe des angedrohten Zwangsgeldes gegenüber einer erfolgslos gebliebenen Erstandrohung entspricht dabei üblicher und anerkannter Verwaltungspraxis (VG München, Urteil v. 13.5.2013, Az. M 8 K 12.2500, M 8 K 12.2942 – juris). Dass die Beklagte das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der Durchführung der Trophektodermbiopsien erheblich höher als von dieser angegeben einschätzt, wird von der Kammer nicht beanstandet. Bei einer Untersuchung von 6 Blastozysten verdient die Klägerin ausweislich der vorgelegten Rechnung des Ehepaares S… über 3.500 Euro. Da die Klägerin eines der wenigen Labore deutschlandweit besitzt, die die vorgenannte Untersuchung anbieten bzw. angeboten haben, kann bezweifelt werden, ob lediglich acht derartige Untersuchungen im Jahr von der Klägerin vorgenommen werden bzw. wurden.
D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wird auf die §§ 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 Var. 2 ZPO gestützt.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird bis zur Verbindung der Verfahren für das Verfahren M 18 K 15.2602 auf 30.000,- € sowie für das Verfahren M 18 K 16.1370 auf 20.000,- € und ab der Verbindung auf 50.000,- € festgesetzt (§ 52 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.