Verwaltungsrecht

Einladung zur geheimen Wahl – Beschlussanfechtung

Aktenzeichen  29 C 4961/18 WEG

Datum:
1.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 14385
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG § 23, § 46 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Soll nach dem Beschluss der Wohnungseigentümer eine Abstimmung “mittels Stimmzettel” erfolgen, so haben sie beschlossen geheim abzustimmen, sofern sich bereits aus der Ladung ergab, dass ein Wohnungseigentümer die geheime Abstimmung wünscht.  (Rn. 21 – 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Befinden sich auf den Stimmzetteln die Wohnungsnummern, so ist das Abstimmungsverhalten individuell zuordbar und die Abstimmung nicht geheim.   (Rn. 14 und 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der in der Eigentümerversammlung vom 20.06.2018 unter TOP 8 zur Verwalterbestellung getroffene Beschluss wird für unwirksam erklärt.
2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 6.069,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Die Verwalterwahl zu TOP 8 hätte geheim stattfinden müssen, sie erfolgte jedoch durch Stimmzettel, die aufgrund der angegebenen Wohnungsnummer individuell zuordenbar waren und daher keiner geheimen Wahl entsprachen. Dies führt zur Unwirksamkeit des Beschlusses.
Die Eigentümer sind grundsätzlich frei zu bestimmen, ob sie namentlich oder geheim, mit Stimmzetteln, per Handzeichen, mittels Wahlmaschinen oder per Zuruf abstimmen möchten. Angesichts der in der Einladung gewählten Überschrift sowie dem erläuternden Text und der im Protokoll gewählten Überschrift sowie aufgrund der Aussage der Zeugen K., L. und F. steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass unter TOP 7 eine geheime Wahl mittels Stimmzetteln von den Eigentümern für TOP 8 beschlossen wurde.
Der Zeuge K. hat glaubhaft ausgesagt und sich insbesondere an eine Vielzahl von Details erinnern können und diese nachvollziehbar dargelegt. Er hat angegeben, sich daran zu erinnern, dass jemand den Einwand gebracht hätte, wie geheim denn die Wahl wäre, wenn der Name auf dem Stimmzettel angegeben sei.
Aus der Aussage des Zeugen F. ergibt sich, dass er derjenige war, der den vom Zeugen K. geschilderten Einwand gebracht hatte. Der Zeuge F. hat zwar als Vertreter der Klägerin ein Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens, allerdings kannte er die nachfolgende Aussage des Zeugen K. noch nicht.
Der Zeuge L2. hat angegeben, dass dargelegt wurde, im Falle einer geheimen Abstimmung werde per Stimmzettel abgestimmt. Der Zeuge L2. ist als Vertreter der Hausverwaltung daran interessiert einen korrekten Ablauf darzustellen. Nachdem seine Darstellung jedoch in diesem Punkt mit den Schilderungen der anderen Zeugen übereinstimmt, hält das Gericht auch seine Aussage insoweit für glaubhaft.
Aus den vorstehenden Aussagen steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass über den Abstimmungsmodus in der aufgeheizten Stimmung der Eigentümerversammlung gesprochen wurde und thematisiert wurde, dass die Wahl geheim stattfinden solle. Beschlossen wurde dann ausdrücklich lediglich eine Wahl mittels Stimmzetteln.
Der Beschluss, mittels Stimmzetteln abzustimmen, ist im Gegensatz zu einer Beschlussfassung mittels Handzeichen oder Zuruf, die notwendig namentlich stattfinden, hinsichtlich der Frage, geheim oder namentlich, ambivalent. Mittels Stimmzetteln kann genauso wie bei Wahlmaschinen namentlich oder geheim abgestimmt werden.
Aufgrund der Gesamtumstände wollten die Eigentümer jedoch eine geheime Wahl mittels Stimmzetteln durchführen. Hierfür sprechen die nachfolgenden Gesichtspunkte:
1. Anders lässt sich nicht erklären, dass einige der Eigentümer die kenntlichen Stimmzettel problematisierten, unabhängig davon, ob es sich lediglich um Zu- oder Ausrufe oder Getuschel gehandelt haben sollte.
2. Aufgrund der Fassung der Einladung und des Protokolls durften die Eigentümer davon ausgehen, dass darüber abgestimmt werde, ob eine geheime Wahl mittels Stimmzetteln erfolgen sollte. Dass eine namentliche Abstimmung mittels Stimmzetteln erfolgen sollte, stand nie zur Debatte. Es handelt sich auch nicht nur um eine „geringfügig anzupassende Überschrift“. Ausdrücklich und unzweideutig wurde im Einladungsschreiben darauf hingewiesen, dass eine Eigentümerin eine geheime Abstimmung möchte.
3. Prinzipiell ist ein Wahlmodus entweder namentlich oder geheim. Für eine nur vor der Verwaltung bzw. der auszählenden Verwaltungsbeirätin namentliche, aber im Übrigen geheime Wahl gibt es keinen ersichtlichen Grund. Beschlossen wurde ein solcher Wahlmodus jedenfalls nicht.
Denkbar wäre zwar auch, dass es sich um eine unschädliche übereinstimmende Falschbezeichnung gehandelt habe. Dafür bedarf es eines Konsenses, der jedoch nicht vorlag, da ja die Ausgestaltung der Wahlzettel hinterfragt wurde. Daher kommt es auch auf eine eventuelle frühere Übung, wie sie die Eigentümerin M. vorgetragen hat, nicht an.
Daher haben die Eigentümer eine geheime Wahl mittels Stimmzetteln beschlossen. Durchgeführt wurde jedoch eine namentliche Wahl mittels Stimmzetteln.
Eine Abstimmung unter Verletzung des beschlossenen Abstimmungsmodus ist ein schwerwiegenden Verfahrensfehler und führt daher zur Anfechtbarkeit des Beschlusses. Gründe, die die Kausalität des Verfahrensfehlers auf das Abstimmungsergebnis ausschließen könnten, sind nicht ersichtlich.
Dass die Verwaltungsbeirätin F. zuvor anonymisiert wegen einer neuen Verwaltung bei den Eigentümern ein Stimmungsbild erhoben hatte und zum damaligen Zeitpunkt jedenfalls vierzehn der selbst in der Anlage wohnenden Eigentümer an einer neuen Verwaltung interessiert waren und im Termin lediglich acht Eigentümer gegen die Verwaltung gestimmt haben, ist weder in der einen (ohnehin maximal vierzehn Stimmen) noch in der anderen Richtung (sechs Stimmen weniger als bei einer tatsächlich nicht namentlichen Abstimmung) für die Frage der Kausalität maßgeblich. Es steht jedem Eigentümer frei seine Meinung zu ändern und an solchen Erhebungen von Stimmungsbildern teilzunehmen oder nicht; Interesse an einer anderen Verwaltung bedeutet auch nicht, dass man sich nicht letztlich doch zu einer Wiederbestellung entschließt. Über das Abstimmungsverhalten der nicht in der Anlage wohnenden Eigentümer können nur Vermutungen aufgestellt werden.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

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