Aktenzeichen Au 5 K 18.1428
BayBO Art. 75
VwZVG Art. 36
Leitsatz
1 Ein auf Art. 4 Abs. 2 S. 2 BayAbgrG gestütztes abgrabungsaufsichtliches Einschreiten kommt schon im Fall der formellen Illegalität von über die genehmigte Planung hinausgehenden Abgrabungsarbeiten in Betracht. (Rn. 21 und 24) (redaktioneller Leitsatz)
2 An die Ermessensausübung bei der Untersagung unzulässiger Abgrabungsarbeiten sind nur geringe Anforderungen zu stellen, weil in der Regel ein öffentliches Interesse daran besteht, die Fortführung unzulässiger Abgrabungsarbeiten zu verhindern. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage ist in der Sache unbegründet.
Der Bescheid vom 12. Juli 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Verfügung in Ziffer 1 des Bescheides zur Einstellung des Kies- und Sandabbaus einschließlich der Wiederverfüllung ist rechtmäßig.
a) Rechtsgrundlage der Einstellungsverfügung in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides ist die abgrabungsrechtliche Generalklausel in Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayAbgrG. Gemäß Art. 4 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayAbgrG wachen die Abgrabungsbehörden darüber, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die für Anlagen nach Art. 1 BayAbgrG gelten, sowie die auf Grund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden, und können in Wahrnehmung dieser Aufgaben die erforderlichen Maßnahmen treffen. Die streitgegenständliche Kiesgrube der Klägerin ist eine Anlage im Sinne des Art. 1 BayAbgrG. Es handelt sich hierbei um eine Abgrabung zur Gewinnung von nicht dem Bergrecht unterliegenden Bodenschätzen.
b) Die Voraussetzungen der Norm sind vorliegend erfüllt, da die Abgrabungsarbeiten in der ausgeübten Art und Weise öffentlich-rechtlichen Vorschriften widersprechen.
Zum einen sind die Abgrabungsarbeiten formell illegal, da sie nicht der Genehmigungssituation entsprechen. Zum anderen ist aufgrund der sicherheitsrechtlichen Bedenken in Bezug auf die Standsicherheit und den Schutz des Grundwassers ein Einschreiten geboten.
Bereits die formelle Illegalität der vorliegenden, über die genehmigte Planung hinausgehenden Abgrabungsarbeiten reicht aus, um ein auf Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayAbgrG gestütztes abgrabungsaufsichtliches Einschreiten zu stützen. Das abgrabungsaufsichtliche Einschreiten gemäß Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayAbgrG ist hierbei mit einer Baueinstellung nach Art. 75 BayBO vergleichbar. Bereits der Entstehungsgeschichte des BayAbgrG lässt sich die enge Beziehung zum Bauordnungsrecht entnehmen, da die Materie des Abgrabungsrechts, vor der Schaffung des BayAbgrG im Jahre 1999, in der Bayerischen Bauordnung geregelt war. Hinzukommt, dass die BayBO und das BayAbgrG im Grundsatz dieselbe Struktur und Systematik aufweisen. Dies spricht dafür, dass sämtliche Maßnahmen, für deren Erlass in den Art. 75 und 76 BayBO Sonderbefugnisnormen bestehen, im Abgrabungsrecht über die abgrabungsrechtliche Generalklausel erlassen werden können und zudem die hinsichtlich der Art. 75 und Art. 76 BayBO entwickelten Grundsätze, vorbehaltlich etwaiger abgrabungsrechtlicher Besonderheiten, auf die Konstellation des abgrabungsaufsichtlichen Einschreitens nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayAbgrG übertragen werden können (VG München, U.v. 16.2.2017 – M 11 K 16.3938 – juris Rn. 21).
Dem Genehmigungsbescheid vom 20. November 2012 und den genehmigten Eingabeplänen ist zu entnehmen, dass eine Abbautiefe von 457,00 m ü. NN im östlichen Bereich und 453,00 m ü. NN im westlichen Bereich genehmigt wurde. Aus den vom Landratsamt vorgenommenen Baukontrollen ergibt sich, dass die genehmigte Abbautiefe auf dem Grundstück mit der Fl.Nr. … um mindestens 0,62 m bis 1,82 m überschritten wurde. Zuletzt wurde von Klägerseite angezweifelt, wie die Ermittlung dieses Maßes überhaupt stattgefunden habe, da das Landratsamt selbst davon ausgehe, dass es keinen festen Höhenfixpunkt gebe. In der mündlichen Verhandlung hat der Baukontrolleur aber nachvollziehbar dargelegt, wie die Abbautiefe in derartigen Fällen gemessen wird. Dabei werde die in den Planunterlagen eingezeichnete Geländeoberkante als Bezugshöhe festgelegt. Das umliegende Baufeld könne dann als Bezugspunkt für die Gerätehöhe herangezogen werden, da es vorliegend sehr eben gestaltet ist. Mit Hilfe von Winkelmessungen und dem Sinussatz könne dann festgestellt werden, wie tief die Abbausohle sei. Der Schwankungsbereich der Messung liege dabei bei bis zu 20 cm. Damit steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die im Bescheid festgelegten Abbautiefen überschritten wurden. Die von der Klägerin vorgelegte neue hydrogeologische Stellungnahme vom 13. November 2018, in der an der NE-Ecke des streitgegenständlichen Grundstücks eine Abbautiefe von 455 m ü. NN anstatt 457 m ü. NN für zulässig erachtet wird, ändert nichts an der rechtlichen Bewertung. Rechtliche Grundlage für die Abgrabungsarbeiten bildet die bestandskräftige Abgrabungsgenehmigung mit den dort festgelegten Abbautiefen, an die sich die Klägerin zu halten hat. Außerdem ist in Ziffer 6.9 des Bescheides vom 20. November 2012 ausdrücklich geregelt, dass bei neuen Erkenntnissen zum höchsten Grundwasserstand die Abbautiefe nach Abstimmung mit dem Landratsamt/Wasser-wirtschaftsamt zu korrigieren und anzupassen ist. Eine solche Abstimmung ist nicht erfolgt. Im Übrigen wurde das neue Gutachten auch erst nach Bescheiderlass vorgelegt.
Des Weiteren wurde die Auflage Nr. 6.13 des Bescheides vom 20. November 2012 hinsichtlich der Böschungswinkel von maximal 36 Grad zum Feldweg und maximal 45 Grad zu den Nachbargrundstücken nicht eingehalten. Dies hat die Klägerin nochmals in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt. Damit liegt ein Verstoß gegen eine bestandskräftige Auflage vor, der ebenfalls zu der Anordnung einer Einstellung der Abgrabungsarbeiten berechtigt (vgl. VG München, B.v. 2.12.2010 – M 1 S 10.4478 – juris).
Da die durchgeführten Abgrabungsarbeiten aufgrund der Abweichung von der Genehmigungslage formell illegal waren, konnte die Einstellungsverfügung auf der Grundlage des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayAbgrG erlassen werden (vgl. VG München – U.v. 16.2.2017 – M 11 K 16.3938 – juris Rn. 21).
Aufgrund der im Raum stehenden sicherheitsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Standsicherheit ist zudem von einer Gefahrenlage für Leib und Leben von Personen auszugehen. Aufgrund des zu steilen Böschungswinkels besteht die Gefahr eines Abrutschens bzw. Einsturzes der Böschung und damit eine Gefährdung von Leib und Leben von Personen, die sich an oder in der Kiesgrube aufhalten bzw. dort tätig sind.
Nachdem die Abgrabungsarbeiten der Genehmigungslage widersprechen, entspricht die angeordnete Einstellung der Arbeiten auch pflichtgemäßem Ermessen. In der Regel besteht ein öffentliches Interesse, die Fortführung unzulässiger Abgrabungsarbeiten zu verhindern. Wegen der Vergleichbarkeit der Einstellung nach BayAbgrG mit der Baueinstellung nach Art. 75 BayBO ist auch im vorliegenden Fall von einem intendierten Ermessen auszugehen (vgl. zu Art. 75 BayBO u.a. BayVGH, B.v. 2.8.2000 – 1 ZB 97.2669 – juris Rn. 5). An die Ermessensüberprüfung sind daher nur geringe Anforderungen zu stellen (vgl. Decker in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand: März 2018, Art. 75 Rn. 83 ff.). Anhaltspunkte für das Vorliegen von Ermessensfehlern im Rahmen der eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung nach § 114 VwGO sind im Übrigen nicht ersichtlich.
2. Die in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides enthaltene Anordnung, einen fünf Meter breiten Sicherheits- bzw. Abstandsstreifen mit einem Böschungswinkel von 45 bzw. 36 Grad anzubringen, ist ebenfalls rechtmäßig.
Rechtsgrundlage hierfür ist ebenfalls die Generalklausel des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayAbgrG. Die Anordnung dient der Einhaltung der Genehmigungslage und Erfüllung der Auflage Nr. 6.13 im Bescheid vom 20. November 2012. Es handelt sich demzufolge um eine Konkretisierung der bereits aus dem bestandskräftigen Bescheid bestehenden Pflichten. Diese im angefochtenen Bescheid konkretisierte Verpflichtung war aufgrund der rechtswidrigen Situation und der Gefahrenlage auch erforderlich.
Die in Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides enthaltene Anordnung, im Bereich der Abbausohle, welche tiefer als nach dem genehmigten Bauvorlagen ausgeführt worden sei, ausschließlich nur örtliches Kiesmaterial zu verfüllen, soweit dies für die Verfüllung nach Ziffer 2 erforderlich ist, ist ebenfalls rechtmäßig. Sie konkretisiert die Art der Ausführung der in Ziffer 2 angeordneten Verfüllungsarbeiten. Bereits in Nr. 6.15 der Genehmigung vom 20. November 2012 wurde festgelegt, dass nur örtlich anfallender Abraum sowie unbedenkliches Bodenmaterial verfüllt werden darf. Zudem dient die Verpflichtung dem Schutz des Grundwassers. Da aufgrund der von der Genehmigungslage abweichenden Abbautiefe die Einhaltung des Abstands vom 2 m zum höchsten Grundwasserstand (vgl. Auflage Nr. 6.9 des Bescheids vom 20. November 2012) nicht mehr gewährleistet war, durfte zum Schutz des Grundwassers nur eine Verfüllung mit örtlichem Kiesmaterial erfolgen. Die Einhaltung des gemäß des Eckpunktepapiers des Bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen erforderlichen Abstandes von 2 m zum höchsten Grundwasserstand ist nach den Aussagen des hydrogeologischen Gutachtens vom 24. Januar 2012, das Bestandteil der Abgrabungsgenehmigung ist, nur bei einer Einhaltung des Niveaus von 457 m ü. NN im Osten und 453 m ü. NN im Westen gewährleistet (S. 7 des Gutachtens). In der Abbausohle, die den Abstand von 2 m zum höchsten Grundwasserstand nicht wahrt, darf deshalb kein ortsfremdes Material verfüllt werden. Das hydrogeologische Gutachten vom 13. November 2018, auf das die Klägerin sich nunmehr bezieht, lag zum einen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses noch nicht vor. Zudem sieht es in der SW-Ecke nunmehr ein Niveau von 455 m ü. NN und damit sogar eine geringere Abbautiefe als im Genehmigungsbescheid vor. Dies lässt Rückschlüsse auf den Schwankungsbereich des Grundwassers zu und rechtfertigt es, die im Bescheid auf Grundlage des damaligen hydrogeologischen Gutachtens festgesetzten Werte weiterhin als verbindlich anzusehen. Alleine die bestandskräftige Abgrabungsgenehmigung vom 20. November 2012 mit den dort festgelegten Abbautiefen gewährt deshalb der Klägerin die Befugnis zum Abbau.
Auch bei den Anordnungen in den Ziffern 2 und 3 des Bescheides handelt es sich um Ermessensentscheidungen. Der gerichtliche Prüfungsumfang ist hinsichtlich des Ermessens nach § 114 Satz 1 VwGO eingeschränkt. Die Notwendigkeit einer Ermessensbetätigung wurde vom Landratsamt erkannt und das Ermessen ausgeübt. Für das Vorliegen von Ermessensfehlern ist weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.
3. Die in Ziffer 5 des Bescheides enthaltenen Zwangsgeldandrohungen für den jeweiligen Fall der Nichterfüllung der in den Ziffern 1 bis 3 des Bescheides angeordneten Verpflichtungen genügen den rechtlichen Anforderungen der Art. 31, 36 VwZVG. Die Zwangsgeldandrohungen sind nach den einzelnen Verpflichtungen aus den jeweiligen Ziffern des Bescheides differenziert und hinreichend bestimmt formuliert.
Die Höhe der jeweiligen angedrohten Zwangsgelder hält sich in dem in Art. 31 Abs. 2 VwZVG eröffneten Rahmen und ist auch im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung der Verpflichtungen angemessen.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.