Verwaltungsrecht

Einstellung des Verfahrens – Nichterscheinen zur persönlichen Anhörung

Aktenzeichen  M 4 S 16.36485

Datum:
11.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
VwGO VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist nicht ausreichend, um das Nichterscheinen zur persönlichen Anhörung zu entschuldigen, da sich der Bescheinigung nicht entnehmen lässt, dass der Antragsteller aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage war, am Anhörungstermin teilzunehmen.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt), mit dem sein Asylverfahren eingestellt wurde.
Der Antragsteller gibt an, senegalesischer Staatsangehöriger zu sein und stellte am 5. Mai 2015 einen Asylantrag.
Mit Schreiben vom 29. August 2016 wurde der Antragsteller zu einem Termin zur persönlichen Anhörung am … September 2016 geladen. Der Kläger ließ am … September 2016 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom … September 2016 vorlegen, die ihm Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich … September 2016 bescheinigte. Mit Schreiben vom 2. Dezember 2016 wurde ein erneuter Termin auf den … Dezember 2016 anberaumt. Die Ladung wurde dem Antragsteller gemäß der Postzustellungsurkunde am 7. Dezember 2016 zugestellt. Zur Anhörung erschien der Antragsteller nicht.
Mit Bescheid vom 23. Dezember 2016 stellte das Bundesamt das Asylverfahren des Klägers ein, sein Asylantrag gelte als zurückgenommen (1.). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes -AufenthG- lägen nicht vor (2.). Der Antragsteller werde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Sollte der Antragsteller die Ausreisefrist nicht einhalten, werde er in den Senegal abgeschoben. Er könne auch ein einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei (3.). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (4.).
Die Antragsgegnerin begründete den Bescheid im Wesentlichen damit, dass dem Antragsteller der Termin zur persönlichen Anhörung am … Dezember 2016 mitgeteilt worden sei. Er sei jedoch ohne genügende Entschuldigung nicht erschienen. Daher werde nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG vermutet, dass der Antragsteller das Verfahren nicht betreibe. Von einer gesonderten Aufforderung zur Stellungnahme zu eventuell schutzwürdigen Belangen, die bei der Entscheidung zur Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots berücksichtigt werden können, sei gemäß § 28 Verwaltungsverfahrensgesetz -VwVfG- abgesehen worden. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Im Übrigen wird auf den Bescheid verwiesen.
Mit Telefax vom 30. Dezember 2016 erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers Klage (M 4 K 16.36482) und beantragte gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-,
die aufschiebende Wirkung der Klage wieder herzustellen.
Über die Klage ist noch nicht entschieden.
Der Bevollmächtigte begründete den Antrag damit, dass der Antragsteller den Termin zur Anhörung nicht habe wahrnehmen können, da er nach einer Operation an diesem Tage zu einer Kontrolluntersuchen habe vorsprechen müssen. Zur Glaubhaftmachung würden der Arztbrief vom … Dezember 2016 sowie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom gleichen Tage beigelegt. Im Übrigen wird auf den Schriftsatz verwiesen.
Die Antragsgegnerin legte die Akten vor, äußerte sich sonst jedoch nicht im Verfahren.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- sowie die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO bleibt erfolglos.
Die Einstellung des Verfahrens aufgrund einer gesetzlichen Vermutung der Zurücknahme des Asylantrags ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Auch das Vorliegen von Abschiebungsverboten ist nicht erkennbar, so dass eine Aussetzung der Abschiebung im Ergebnis nicht geboten ist.
I.
Das Gericht geht gemäß § 122 Abs. 1 i. V. m. § 88 VwGO in sachgerechter Auslegung des Antrags davon aus, dass sich der Eilantrag nicht gegen das auf § 11 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 AufenthG gestützte Aufenthalts- und Einreiseverbot nach der Abschiebung (Ziffer 4. des Bescheids) richtet. Ein derartiger Antrag wäre mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig (NdsOVG, B. v. 14.12.2015 – 8 PA 199/15 – juris Rn. 5; ausführlich ebenso VG München, B. v. 19.1.2016 – M 21 S 16.30019 – S. 8 f. des BA zur Notwendigkeit einer Verpflichtungsklage für die Befristungsentscheidung m. umfangr. Nachw.).
II.
Im Übrigen ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden. Er ist aber nicht begründet.
1. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall eines gesetzlichen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) ganz oder teilweise anordnen. Hierbei hat das Gericht selbst abzuwägen, ob die Interessen, die für einen gesetzlich angeordneten sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen oder die, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung sprechen, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht als alleiniges Indiz zu berücksichtigen (z. B. BVerwG, B. v. 25.3.1993 – Az. 1 ER 301/92 – juris Rn. 3). Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein, weil er zulässig und begründet ist, so wird im Regelfall nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig, besteht ein öffentliches Interesse an seiner sofortigen Vollziehung und der Antrag bleibt voraussichtlich erfolglos. Sind die Erfolgsaussichten bei summarischer Prüfung als offen zu beurteilen, findet eine eigene gerichtliche Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.
2. Nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG wird vermutet, dass der Ausländer das Verfahren nicht betreibt, wenn er einer Aufforderung zur Anhörung gemäß § 25 AsylG nicht nachgekommen ist. Diese Vermutung kann nach Satz 2 widerlegt werden, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 Nummer 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen ist, auf die er keinen Einfluss hatte. Gemäß § 33 Abs. 4 AsylG ist der Ausländer auf die nach den Absätzen 1 und 3 eintretenden Rechtsfolge schriftlich und gegen Empfangsbestätigung hinzuweisen.
Gemessen an diesen Maßstäben war die Einstellung des Verfahrens rechtmäßig, da der Antragsteller zur Anhörung nicht erschienen ist und die Vermutung des Nichtbetreibens des Verfahrens nicht widerlegen konnte.
a) Der Antragsteller ist zur persönlichen Anhörung am … Dezember 2016 nicht erschienen.
b) Zu dieser Anhörung war er ordnungsgemäß geladen worden und auch entsprechend § 33 Abs. 4 AsylG belehrt worden. Die Ladung war ihm ausweislich der Postzustellungsurkunde am 7. Dezember 2016 von einem Postbediensteten persönlich übergeben worden. Die Ladung enthielt auch eine den Voraussetzungen des § 33 Abs. 4 AsylG entsprechende Belehrung (siehe S. 58 der Bundesamtsakte).
c) Vorliegend konnte der Antragteller die Vermutung nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG auch nicht widerlegen. Daran ändert auch die Vorlage des Arztbriefes und des Attests im Rahmen des Gerichtsverfahrens nichts.
Zum einen wurden das Attest bzw. der Arztbrief über die Untersuchung am 16. Dezember 2016 schon nicht unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern, vorgelegt. Nach Aktenlage legte der Antragsteller die Dokumente erstmalig im gerichtlichen Eilverfahren mit Telefax vom 30. Dezember 2016 über seinen Bevollmächtigten vor. Insbesondere das Attest stammt jedoch vom … Dezember und hätte folglich schon wesentlich früher vorgelegt werden können.
Zum anderen ist die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch nicht ausreichend, um das Nichterscheinen zur persönlichen Anhörung zu entschuldigen. Der Antragsteller hätte eine Bescheinigung über seine Verhandlungsunfähigkeit vorlegen müssen, worauf er auch in der Ladung zum Anhörungstermin hingewiesen worden war. Einer bloßen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung lässt sich nicht entnehmen, dass der Antragsteller aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage war, am Anhörungstermin teilzunehmen. Dies gilt umso mehr, als sich aus dem vorgelegten Arztbrief ergibt, dass der Antragsteller nicht akut krank war, sondern lediglich eine Kontrolluntersuchung durchgeführt wurde.
3. Die Ablehnung mit der Folge des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung erfasst auch die Verneinung des Vorliegens von (nationalen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Auch zum Vorliegen von Abschiebungsverboten hat der Antragsteller bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung nichts vorgetragen, was ein Abweichen von der Bewertung im angegriffenen Bescheid rechtfertigt.
Die allgemein harten Lebensbedingungen im Senegal eröffnen keine Berufung auf den Schutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Zwar ist nach der Auskunftslage (Bericht des Auswärtigen Amtes im Hinblick auf die Einstufung der Republik Senegal als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG vom 21.11.2015 (Stand August 2015), dort zu Ziffer IV.1 – S. 15) davon auszugehen, dass die Versorgungslage im Senegal schlecht ist. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen kann der zurückkehrende Ausländer Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aber nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei seiner Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, d. h. gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 – 1 C 5/01 – BVerwGE 115, 1 m. w. N.; BVerwG, U. v. 29.9.2011 – 10 C 24/10 – NVwZ 2012, 451 Rn. 20).
Das kann beim Antragsteller nicht angenommen werden. Dieser ist als junger arbeitsfähiger Mann in der Lage, wie jeder andere dort Lebende in der vergleichbaren Situation, seinen Lebensunterhalt im Senegal durch eigene Tätigkeit sicherzustellen. Eine drohende Lebensgefahr ist bei einer Rückkehr nach der Auskunftslage nicht erkennbar
Damit ist insgesamt die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassenen Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist nicht geboten.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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