Aktenzeichen 9 CE 16.523
ZPO § 222 Abs. 1
BGB § 188 Abs. 2 Alt. 1
Leitsatz
1 Für ein im Wege der einstweiligen Anordnung geltend gemachtes Auskunftsbegehren fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Antragsteller sich nicht bereits zuvor an die Behörde gewandt hat. Mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg kann deshalb auch keine Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte, noch zu erhebende Beschwerde gegen den das Auskunftsbegehren zurückweisenden Beschluss des Verwaltungsgerichts gewährt werden. (redaktioneller Leitsatz)
2 Zudem besteht kein Anordnungsgrund, weil es nicht dringlich ist, dem Antragsteller Auskunft über den Zustand seiner von der Behörde anderweitig untergebrachten Tiere und die entstandenen Kosten zu erteilen, worin auch eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache liegen würde. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
RN 4 E 16.185 2016-02-23 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 23. Februar 2016, mit dem der Antrag der Antragstellerin im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf Auskunftserteilung abgelehnt wurde, wird abgelehnt.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vom Landratsamt L. Auskunft insbesondere über Kosten, die durch die Fortnahme von 29 Pferden entstanden sind.
Mit Bescheid vom 17. Dezember 2015 ordnete das Landratsamt L. gegenüber der Antragstellerin, die sich seit 23. Oktober 2015 in Haft befindet, die Fortnahme und anderweitige pflegliche Unterbringung von 29 Pferden aus der Haltung M. … in … E. an. Die Anordnung wurde für sofort vollziehbar erklärt. Mit Klage vom 5. Februar 2016, über die noch nicht entschieden ist, beantragte die Antragstellerin u. a., das Landratsamt zu verpflichten, ihr Auskunft über Verbleib, Gesamtkosten der Unterbringung, des Transports, Tierarztbehandlung, Klinikaufenthalt usw. fortgenommener Pferde zu erteilen (Az. RN 4 K 16.184). Gleichzeitig wurde wegen des Auskunftsersuchens ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Die Antragstellerin beantragte ferner, ihr Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Das Verwaltungsgericht Regensburg lehnte mit Beschluss vom 23. Februar 2016, zugestellt mit Postzustellungsurkunde am 25. Februar 2016, den Antrag der Antragstellerin auf vorläufigen Rechtsschutz und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz sei unzulässig, weil die Antragstellerin keinen vorhergehenden Antrag beim Landratsamt L. gestellt habe. Zudem sei weder der Anspruch, auf den sich ihr Auskunftsbegehren stütze, noch eine Dringlichkeit der Auskunftserteilung dargelegt.
Mit ihrer persönlich erhobenen „sofortigen Beschwerde“ vom 3. März 2016, eingegangen beim Verwaltungsgerichtshof am 11. März 2016, wendet sich die Antragstellerin gegen die Ablehnung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz. Ein bestimmter Antrag wurde nicht gestellt.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Mit Schriftsatz vom 2. Juni 2016 beantragte die Antragstellerin die Gewährung von Akteneinsicht, die ihr mit gerichtlichem Schreiben vom 15. Juni 2016 gewährt wurde. Mit Schreiben vom 5. Juli 2016 machte die Antragstellerin weitere Ausführungen und lehnte den Berichterstatter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Dieses Ablehnungsgesuch wurde mit Beschluss vom 27. September 2016 zurückgewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II. Der Senat legt das als „sofortige Beschwerde“ bezeichnete Schreiben der anwaltlich nicht vertretenen Antragstellerin vom 3. März 2016 zu ihren Gunsten dahin aus, dass Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Rechtsanwältin P. … für eine beabsichtigte Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 22. Februar 2016, mit dem der Antrag der Antragstellerin im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf Auskunftserteilung der ihr fortgenommen Pferde abgelehnt wurde, beantragt wird.
1. Nach dem abschließend geregelten Rechtsmittelsystem der VwGO ist eine „sofortige Beschwerde“ nicht vorgesehen, so dass das Schreiben der Antragstellerin vom 3. März 2016 zunächst als Einlegung einer Beschwerde verstanden werden könnte. Eine solche wäre jedoch unzulässig und damit nach § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO kostenpflichtig (Nr. 5240 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) zu verwerfen, weil sie nicht durch einen gemäß § 67 Abs. 4 Satz 3 VwGO vertretungsberechtigten Prozessbevollmächtigten eingelegt worden ist (§ 67 Abs. 4 Satz 1 und 2 VwGO). Die Antragstellerin wurde hierauf in der Rechtsbehelfsbelehrung des angefochtenen Beschlusses hingewiesen. Einer erneuten Einlegung des Rechtsmittels durch eine in § 67 Abs. 2 VwGO bezeichnete Person oder Organisation steht der Ablauf der Frist des § 147 Abs. 1 VwGO entgegen (vgl. BayVGH, B. v. 8.2.2016 – 4 CS 16.217 – juris Rn. 5).
2. Da die Antragstellerin im Schreiben vom 3. März 2016 zusätzlich beantragt, die „Rechtsanwältin P. … dem Verfahren beizuordnen“, entspricht es ihrem Rechtsschutzbegehren, ihr Schreiben als Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte, noch zu erhebende Beschwerde auszulegen (§ 88 VwGO). Der Antrag kann aber auch bei einer solchen Auslegung keinen Erfolg haben.
a) Ein Prozesskostenhilfeantrag muss zunächst vollständig innerhalb der Beschwerdefrist des § 147 Abs. 1 VwGO gestellt werden (vgl. BVerwG, B. v. 18.8.2009 – 8 B 79/09 – juris Rn. 2). Dies ist vorliegend weder beim Verwaltungsgerichtshof noch beim Ausgangsgericht erfolgt.
Der Schriftsatz der Antragstellerin vom 3. März 2016 ist nicht innerhalb der Frist des § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO beim Verwaltungsgerichtshof (§ 147 Abs. 2 VwGO) eingegangen, sondern erst am 11. März 2016 und damit einen Tag nach Fristablauf (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB). Der Beschluss des Verwaltungsgerichts wurde der Antragstellerin mit Postzustellungsurkunde am 25. Februar 2016 zugestellt (vgl. VGH BW, B. v. 25.6.2001 – 11 S 2290/00 – juris Rn. 5 m. w. N.).
b) Der Antrag der Antragstellerin auf Auskunftserteilung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bietet nach dem im Verfahren der Prozesskostenhilfe maßgeblichen Prognosemaßstab auch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO).
Im Rahmen der Prüfung hinreichender Erfolgsaussichten nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO dürfen die eigentliche Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht aus dem Hauptsacheverfahren in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorverlagert und die Anforderungen nicht überspannt werden (BVerfG, B. v. 28.1.2013 – 1 BvR 274/12 – juris Rn. 12). Der Erfolg muss nicht gewiss sein; es genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, die bereits gegeben ist, wenn ein Obsiegen ebenso infrage kommt, wie ein Unterliegen (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 166 Rn. 26). Nach diesem Maßstab bleibt der Antrag erfolglos.
aa) Dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hinsichtlich des Auskunftsbegehrens fehlt es – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat – bereits am Rechtsschutzbedürfnis, weil nicht ersichtlich ist, dass sich die Antragstellerin vor Antragstellung bei Gericht mit einem entsprechenden Antrag an das Landratsamt L. gewandt hat. Das Vorbringen der Antragstellerin in Ihren Schriftsätzen vom 3. März 2016 und 5. Juli 2016 ist nicht substantiiert und nicht geeignet, ein entsprechendes Begehren zu belegen. Die Antragstellerin hat sich zwar offenbar an viele verschiedene Stellen gewandt, bereits aus ihrem eigenen Vortrag wird jedoch nicht ersichtlich und ist nicht nachvollziehbar, dass auch tatsächlich ein entsprechendes Schreiben rechtzeitig an das Landratsamt L. gesandt wurde. Eine Kontrolle der Postlisten der Justizvollzugsanstalt kommt jedenfalls im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht in Betracht, zumal dies auch nicht entscheidungserheblich sein dürfte, weil sich insoweit weder der Inhalt noch der Zugang entsprechender Schreiben belegen lässt. Unabhängig davon sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich oder substantiiert vorgetragen, dass ausnahmsweise eine sofortige Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes geboten wäre.
Darüber hinaus wurde der Antragstellerin mit Schreiben des Landratsamts L. vom 8. April 2016 eine Auskunft hinsichtlich der bisher entstandenen Kosten erteilt. Damit ist jedenfalls das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz insoweit entfallen (Happ in Eyermann, a. a. O., § 123 Rn. 34; Buchheister in Wysk, VwGO, 2. Aufl. 2016, § 123 Rn. 13).
bb) Es kann offenbleiben, auf welche Rechtsgrundlage die Antragstellerin ihr Auskunftsbegehren stützt und ob sie einen Anordnungsanspruch nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO glaubhaft gemacht hat, denn es ist jedenfalls – wie auch das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat – kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Abgesehen davon, dass durch die Erteilung der Auskunft mit Schreiben vom 8. April 2016 jedenfalls die Dringlichkeit insoweit entfallen ist (vgl. Happ in Eyermann, a. a. O., § 123 Rn. 53 f., 40), hat die Antragstellerin auch insgesamt keine besondere Dringlichkeit dargelegt. Die bloße Berufung darauf, sie müsse über den Zustand der Tiere und die entstandenen Kosten Kenntnis haben, genügt jedenfalls nicht. Im Übrigen läuft die Erteilung der begehrten Auskünfte im Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes auf eine Vorwegnahme der Hauptsache hinaus, die nur zulässig wäre, wenn ein Abwarten der Hauptsache für die Antragstellerin schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte (vgl. BVerwG, B. v. 10.2.2011 – 7 VR 6.11 – juris Rn. 6). Auch hierzu ist nichts vorgetragen oder ersichtlich.
Eine Kostenentscheidung ist nicht erforderlich, weil das Prozesskostenhilfeverfahren gerichtsgebührenfrei ist. Auslagen i. S. d. § 118 Abs. 1 Satz 5 ZPO sind nicht entstanden; die im Prozesskostenhilfeverfahren entstandenen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 118 Abs. 1 Satz 4 VwGO).
Die Entscheidung ergeht nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 1 Satz 1 ZPO ohne mündliche Verhandlung.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).