Verwaltungsrecht

Einstweilige Anordnung auf Versetzung in den “vorläufigen” Ruhestand bei Postnachfolgeunternehmen

Aktenzeichen  6 CE 16.2584

Datum:
28.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BEDBPStruktG § 4 Abs. 1 Nr. 2
BBG BBG § 54, § 55
VwGO VwGO § 123 Abs. 1 S. 2, § 146 Abs. 4 S. 1, S. 3, S. 6

 

Leitsatz

1 Die allgemeinen gesetzlichen Ruhestandsregelungen, wie auch die Vorruhestandsregelung des § 4 BEDBPStruktG, sehen eine „vorläufige“ Zurruhesetzung nicht vor. Sie wäre mit Blick auf den statusändernden Charakter dieser Maßnahme und die einzelnen Rechtsfolgen – ebenso wie eine „vorläufige“ Ernennung – mit der Formenstrenge des Beamtenrechts unvereinbar und kann deshalb mit einer einstweiligen Anordnung nicht erreicht werden. (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine einstweilige Anordnung auf uneingeschränkte Versetzung in den Ruhestand nimmt die Entscheidung in der Hauptsache vorweg und kommt nicht in Betracht, wenn keine Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen, weil eine anderweitige Verwendungsmöglichkeit (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 BEDBPStruktG) gegeben ist. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 5 E 16.857 2016-12-15 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 15. Dezember 2016 – B 5 E 16.857 – wird zurückgewiesen.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren und – insoweit unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts – für das erstinstanzliche Verfahren auf jeweils 19.114,62 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller steht als Postbetriebsinspektor (Besoldungsgruppe A 9) im Dienst der Antragsgegnerin und ist bei der Deutschen Post AG beschäftigt. Vom 1. Oktober 2015 bis 31. März 2016 war er für eine Tätigkeit bei der Kommunikationsgewerkschaft DPV Bayern e.V. beurlaubt. Nach Rückkehr aus einer Krankheit wird er seit dem 2. Mai 2016 – bislang ohne entsprechende förmliche Zuweisung – auf einem Regelarbeitsposten im Briefzentrum B. eingesetzt, dessen bisheriger Inhaber mit Ablauf des 30. September 2016 in den Ruhestand versetzt wurde.
Unter dem 12. April 2016 beantragte der Antragsteller seine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand nach § 4 BEDBPStruktG. Das wurde durch Bescheid vom 13. Oktober 2016 mit der Begründung abgelehnt, dass die Voraussetzungen für die Eingruppierung in eine für die Ruhestandsversetzung vorgesehenen Zielgruppen nicht erfüllt seien. Der Antragsteller legte hiergegen Widerspruch ein mit der Begründung, er werde gleichheitswidrig benachteiligt; darüber ist noch nicht entschieden.
Der Antragsteller hat am 18. November 2016 bei dem Verwaltungsgericht Würzburg den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn vorläufig, hilfsweise uneingeschränkt, gemäß § 4 BEDBPStruktG in den Ruhestand zu versetzen. Ein Anordnungsgrund ergebe sich daraus, dass nach Ablauf des 31. Dezember 2016 eine solche Ruhestandsversetzung gesetzlich nicht mehr möglich sei. Das Verwaltungsgericht Würzburg hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 1. Dezember 2016 an das Verwaltungsgericht Bayreuth verwiesen. Dieses hat den Antrag mit Beschluss vom 15. Dezember 2016 abgelehnt. Der Hauptantrag sei unzulässig, der Hilfsantrag jedenfalls unbegründet.
Mit seiner am 20. Dezember 2016 eingelegten Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzbegehren in der Sache weiter und beantragt,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 15. Dezember 2016 abzuändern und die Antragsgegnerin zu verpflichten,
den Antragsteller bis spätestens 31.12.2016 vorläufig/einstweilig bis zur Entscheidung der Hauptsache gemäß § 4 BEDBPStruktG in den (einstweiligen) Ruhestand zu versetzen,
hilfsweise den Antragsteller bis spätestens 31.12.2016 gemäß § 4 BEDBPStruktG in den Ruhestand zu versetzen,
hilfsweise über den Antrag des Antragstellers auf Versetzung in den Ruhestand gemäß § 4 BEDBPStruktG bis spätestens 31.12.2016 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Antragsgegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten verwiesen.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, aber unbegründet.
Die Gründe, die mit der Beschwerde fristgerecht dargelegt worden sind und auf deren Prüfung das Gericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 1, 3 und 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, die erstinstanzliche Entscheidung zu ändern. Der mit der Beschwerde weiter verfolgte und ergänzte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung muss aus den von dem Verwaltungsgericht angeführten Gründen ohne Erfolg bleiben.
1. Soweit der Antragsteller mit seinem Hauptantrag die Verpflichtung der Antragsgegnerin begehrt, ihn „vorläufig/einstweilen … in den (einstweiligen) Ruhestand“ zu versetzen, verfolgt er ein rechtswidriges Ziel.
Eine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand lässt das Gesetz nur in eng begrenzten Fällen zu, nämlich bei politischen Beamten (§ 54 BBG) und bei Beamten in einem Amt der Besoldungsgruppe B im Fall bestimmter organisatorischer Veränderungen und unter näher bezeichneten Voraussetzungen (§ 55 BBG). Zu diesen Gruppen zählt der Antragsteller nicht. Die allgemeinen gesetzlichen Ruhestandsregelungen, wie namentlich auch die hier inmitten stehende Vorruhestandsregelung des § 4 BEDBPStruktG, sehen eine „vorläufige“ oder „einstweilige“ Zurruhesetzung nicht vor. Eine solche wäre mit Blick auf den statusändernden Charakter dieser Maßnahme und die einzelnen Rechtsfolgen – ebenso wie eine „vorläufige“ Ernennung (dazu BayVGH, B. v. 12.5.2016 – 6 CE 16.371 – juris Rn. 6) – mit der Formenstrenge des Beamtenrechts unvereinbar und kann entgegen der Ansicht der Beschwerde auch nicht durch Rechtsschutzerwägungen gerechtfertigt werden.
2. Der erste Hilfsantrag ist zwar auf ein gesetzmäßiges Ziel gerichtet, nämlich auf die – uneingeschränkte – Versetzung in den Ruhestand gemäß § 4 BEDBPStruktG. Das würde indes zu einer „echten“ Vorwegnahme der Hauptsache führen, weil der Antragsteller bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes endgültig erreichen würde, was Ziel des Hauptsacheverfahrens ist. Dafür besteht kein Grund.
Eine Regelungsanordnung (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO) mit einer solchen Zielrichtung kommt nur ausnahmsweise in Betracht. Sie setzt voraus, dass die Vorwegnahme der Hauptsache zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes geboten ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch auf vorzeitige Zurruhesetzung begründet ist (vgl. BayVGH, B. v. 12.5.2016 – 6 CE 16.371 – juris Rn. 6 m. w. N.). Das ist nicht der Fall.
Nach § 4 Abs. 1 BEDBPStruktG können „Beamtinnen und Beamte nach § 1 Nr. 2“, also solche, die bei einem Postnachfolgeunternehmen in Bereichen mit Personalüberhang beschäftigt sind, bis zum 31. Dezember 2016 auf Antrag in den Ruhestand versetzt werden, wenn sie das 55. Lebensjahr vollendet haben (Nr. 1), ihre Verwendung in Bereichen mit Personalbedarf bei der sie beschäftigenden Aktiengesellschaft und in einem Tochter- oder Enkelunternehmen nicht möglich ist und der Aktiengesellschaft auch keine Verwendungsmöglichkeit in Verwaltungen bekannt ist (Nr. 2) und betriebliche oder betriebswirtschaftliche Belange nicht entgegenstehen (Nr. 3).
Zwar mag die vom Antragsteller angestrebte Vorwegnahme der Hauptsache zur Gewährung effektiven Rechtschutzes geboten sein, weil ein vorzeitiger Ruhestand nach § 4 Abs. 1 BEDBPStruktG vom Dienstherrn nur bis zum 31. Dezember 2016 ausgesprochen werden kann. Der in der Hauptsache verfolgte Anspruch verspricht aber schon deshalb keinen Erfolg, weil es an der tatbestandlichen Voraussetzung des § 4 Abs. 1 Nr. 2 BEDBPStruktG für eine vorzeitige Zurruhesetzung fehlt. Denn der Antragsteller kann, wie das Verwaltungsgericht überzeugend ausgeführt hat, auf einem regulären, seinem Statusamt entsprechendem Arbeitsposten beschäftigt werden, und zwar auf dem Posten, auf dem er nach dem Ende seiner Beurlaubung bereits – mit krankheitsbedingten Unterbrechungen – eingesetzt wurde. Dem hält die Beschwerde nichts Stichhaltiges entgegen. Dass der Antragsteller nach Rückkehr aus der Beurlaubung zunächst in den personalwirtschaftlichen Überhang gefallen und damit in einem Bereich mit Personalüberhang beschäftigt war, ist unerheblich. Um den Ausnahmecharakter des Vorruhestandes zu sichern, ist nämlich neben der Beschäftigung in Bereichen mit Personalüberhang – der Zulässigkeitsvoraussetzung nach § 1 Nr. 2 BEDBPStruktG – nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 BEDBPStruktG zusätzlich die fehlende anderweitige amtsangemessene Verwendungsmöglichkeit Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Versetzung in den (Vor-)Ruhestand (vgl. BT-Drs. 16/1938 S. 9; BVerwG, U. v. 19.3.2015 – 2 C 31/13 – juris Rn. 10 ff.). Eine solche ausreichende Verwendungsmöglichkeit besteht für den Antragsteller aber gerade, so dass eine Ruhestandsversetzung zwingend ausscheidet. Ob er dennoch einer der – postinternen – „Zielgruppen“ für die Vorruhestandsregelung zugeordnet werden könnte, ist unerheblich; denn selbst eine solche Eingruppierung würde die gesetzliche Voraussetzung nicht ersetzen.
Im Übrigen dürfte es an der Voraussetzung des § 4 Abs. 1 Nr. 3 BEDBPStruktG fehlen, weil der Zurruhesetzung des Antragstellers wohl betriebliche oder betriebswirtschaftliche Gründe entgegenstehen. Diese Begriffe sind weit zu verstehen. Betriebliche Belange umfassen jedes Interesse an der sachgerechten und reibungslosen Erfüllung der betrieblichen Aufgaben. Betriebswirtschaftlicher Belang ist jeder wirtschaftliche oder finanzielle Vorteil einer Weiterbeschäftigung des Beamten. Darauf darf sich die Antragsgegnerin jedenfalls bei summarischer Prüfung selbst für den Fall berufen, dass es sich bei der für den Antragsteller vorgesehenen – und anderweitig inzwischen nicht mehr besetzten – Stelle nicht um einen Regelarbeitsposten handeln sollte.
3. Fehlt es demnach an den tatbestandlichen Voraussetzungen für einen vorzeitigen Ruhestand nach § 4 Abs. 1 BEDBPStruktG, scheidet zwangsläufig auch der mit dem zweiten Hilfsantrag verfolgte Anspruch auf erneute, ermessensfehlerfreie Entscheidung aus.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 6 Satz 4 GKG. Eine Halbierung des danach maßgeblichen Wertes (6 x 3.185,77 Euro = 19.114,62 Euro) mit Blick auf den Charakter des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens ist nicht angezeigt, weil das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers auf eine Vorwegnahme der Hauptsache zielt. Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren wird daher von Amts wegen entsprechend heraufgesetzt (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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