Aktenzeichen B 6 E 17.723
VwGO § 123
AsylG § 15 Abs. 2 Nr. 6
Leitsatz
Ein Ausbildungsduldung ist zu versagen, wenn der Ausländer nicht an der Beschaffung von Identitätspapiere mitwirkt. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Erteilung der Erlaubnis, eine Beschäftigung auszuüben.
Der Antragsteller ist irakischer Staats-, kurdischer Volks- und islamischer Religionszugehörigkeit. Er stellte am 05.10.2016 einen Asylantrag. Dieser wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 07.02.2017 und mit rechtskräftigem Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 31.07.2017 (zugestellt am 03.08.2017) abgelehnt. Personalpapiere legte er bislang nicht vor, da er solche (Personalausweis, Staatsbürgerschaftsurkunde und Reisepass) auf dem Weg nach Deutschland in einem Auto vergessen habe (Behördenakte B 3 K 17.30476, S. 40).
Seinen vorhergehenden Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis vom 05.10.2017 lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 13.07.2017 im Wesentlichen mit einer fehlenden Bleibeperspektive ab (§ 61 Abs. 2 Satz 1 AsylG). Die dagegen erhobene Klage sowie den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (B 3 K 17.32748 und B 3 E17.32747) nahm der Antragsteller jeweils zurück; die Verfahren wurden eingestellt (Beschlüsse vom 11.08.2017, Az. B 3 K 17.32748 und 25.08.2017, Az. B 3 E 17.32747).
Mit Schreiben vom 11.08.2017 teilte der Antragsteller dem Antragsgegner mit, er wolle von einer Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 31.07.2017 Abstand nehmen, sehe von einer freiwilligen Rückkehr in sein Heimatland, den Irak, dennoch ab. Da das Asylverfahren damit abgeschlossen sei, beantrage er die Duldung nach § 60a AufenthG aufgrund des seit zehn Jahren bestehenden Abschiebeverbots in den Irak. Weiterhin beantrage er die damit verbundene gesetzliche Regelung zur Genehmigung der Ausbildungsaufnahme nach § 60a Abs. 2 AufenthG und die Duldung für die Dauer der Ausbildung. Die eingereichte Klage gegen den ablehnenden Bescheid der Zentralen Ausländerbehörde vor dem Verwaltungsgericht Bayreuth (Erteilung einer asylrechtlichen Beschäftigungserlaubnis) könne somit zurückgenommen werden. Er behalte sich vor, eine einstweilige Anordnung beim Verwaltungsgericht Bayreuth zu beantragen.
Mit Schreiben vom 14.08.2017 hörte der Antragsgegner den Antragsteller zur beabsichtigten Ablehnung seines Antrags vom 11.08.2017 an. Es wurde insbesondere darauf abgestellt, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen ab dem Zeitpunkt der eintretenden vollziehbaren Ausreisepflicht aufgrund der infolge Passlosigkeit nicht geklärten Identität nicht vollzogen werden könnten. Der Antragsteller verwies dann mit Schreiben vom 19.08.2017 auf sein Schreiben vom 11.08.2017 und beantragte unverzügliche Bescheidserteilung.
Mit Bescheid vom 30.08.2017 wurde die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis zur Ausbildung zum Maler und Lackierer bei der Malerfirma B. in … abgelehnt. Es wurde zunächst ausgeführt, dass die Ablehnung auf § 61 Abs. 2 Satz 1 AsylG beruhe und dass die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht des Antragstellers noch nicht eingetreten sei. Die Erteilung einer Duldung gem. § 60a Abs. 2 AufenthG komme infolge der mangelnden Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht generell nicht in Frage. Des Weiteren bestehe der Anspruch gem. § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG auf Erteilung einer Ausbildungsduldung selbst im Falle einer vorliegenden Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht nur dann, wenn eine Berufsausbildung aufgenommen wird bzw. bereits aufgenommen wurde. Diese Genehmigung obliege jedoch der Zentralen Ausländerbehörde Bayreuth. Ein Anspruch auf diese Erteilung ergebe sich nicht aus § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG. Im Rahmen des öffentlichen Interesses sei die voraussichtliche Bleibeperspektive zu berücksichtigen. Aufgrund der Klageabweisung sei diese als gering anzusehen und es sprächen auch migrationspolitische Erwägungen gegen die Erteilung dieser Erlaubnis. Auch während des laufenden Asylverfahrens könne die vorzunehmende Ermessensentscheidung u.a. auf grundsätzliche migrationspolitische Erwägungen gestützt werden. Nach pflichtgemäßem Ermessen überwiege das öffentliche Interesse an einer Versorgung der beantragten Beschäftigungserlaubnis das private Erteilungsinteresse des Antragstellers.
Mit Schriftsatz vom 07.09.2017, eingegangen bei Gericht am 11.09.2017, erhob der Antragsteller Klage auf Aufhebung des Bescheids der Regierung von Oberfranken, Zentrale Ausländerbehörde und beantragte zudem:
„Eine einstweilige Anordnung zur Ausbildungsaufnahme wird gerichtlich entschieden.“
Sein Aufenthaltsstatus habe sich geändert, da er von einem Berufungsverfahren Abstand genommen habe, so dass in diesem Fall der § 60a Abs. 2 ff. AufenthG greife und die Erteilung einer Ausbildungsaufnahme und die Erteilung der Duldung für die Dauer der Ausbildung keine Ermessensentscheidung mehr darstelle. Er beantrage erneut die Genehmigung der Ausbildungsaufnahme nach § 60a Abs. 2 ff. AufenthG und die Duldung für die Dauer der Ausbildungsausübung. Zusätzlich werde eine Vereinbarung mit dem Ausbildungsbetrieb vom 28.08.2017 vorgelegt, wonach er jederzeit auch nach dem 01.09.2017 die Ausbildung beginnen könne (Gerichtsakte S. 7).
Die Verfahren wurden zunächst im asylrechtlichen Kontext unter den Aktenzeichen B 3 E 17.33023 und B 3 K 17.33024 und für die Zuständigkeit der 3. Kammer (Irak) angelegt. Aufgrund der mittlerweile eingetretenen vollziehbaren Ausreisepflicht und der nunmehr rein aufenthaltsrechtlichen Anspruchsgrundlage wurden die Verfahren in die Aktenzeichen B 6 E 17.723 und B 6 K 17.724 in der Zuständigkeit der für das Aufenthaltsrecht zuständigen 6. Kammer übergeführt.
Mit Schriftsatz vom 13.09.2017 beantragte der Antragsgegner sinngemäß, den Antrag abzulehnen.
§ 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG gebe keinen Anspruch auf Genehmigung der Ausbildung, sondern im Fall einer Aufnahme dieser lediglich auf die Duldung. Die Genehmigung zur Ausbildungsaufnahme obliege jedoch der Zentralen Ausländerbehörde Oberfranken, sofern die Voraussetzungen des § 60a Abs. 6 AufenthG nicht vorlägen. Bei Eintreten der Ausreisepflicht stehe ein Erwerbstätigkeitsverbot gem. § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG im Raum. Aufenthaltsbeendende Maßnahmen könnten lediglich aufgrund der Passlosigkeit des Antragstellers nicht vorgenommen werden. Der Antragsteller sei die über ihm obliegenden Pflichten zur Mitwirkung bei seiner Identitätsklärung sowie Passpflicht gem. § 3 AufenthG belehrt worden, dennoch seien bis zum heutigen Tag keinerlei Dokumente vorgelegt oder auch nur der Versuch der Beschaffung nachgewiesen worden. Die Identität des Antragstellers sei somit gänzlich ungeklärt. Auch im Falle einer möglichen Ermessensausübung falle die Entscheidung über die zu genehmigende Ausbildung somit zum Nachteil des Antragstellers aus.
Ergänzend wird auf die beigezogenen Asylakten des Antragstellers, die Gerichtsakte im Verfahren B 6 K 17.724, die vorgelegte Behördenakte und die Gerichtsakte in diesem Verfahren verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag auf „einstweilige Anordnung zur Ausbildungsaufnahme“ bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers zu 1 vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Voraussetzung ist, dass die Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft machen, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO.
Der mittlerweile vollziehbar ausreisepflichtige Antragsteller, dessen Ausreisefrist abgelaufen und der nicht zu einer freiwilligen Ausreise bereit ist, hat keinen Anspruch auf Aufnahme der begehrten Ausbildung glaubhaft gemacht. Deshalb liegt wegen des Beginns des Ausbildungsjahres zwar ein Anordnungsgrund, aber kein Anordnungsanspruch vor.
Der Eilantrag des Antragstellers ist in seinem wohlverstandenen Interesse gem. § 88 VwGO dahingehend zu verstehen, dass er die Aufnahme der Ausbildung als Maler und Lackierer nach Maßgabe der zu beachtenden aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen (§ 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG), d.h. mit der ausländerrechtlichen Erlaubnis dieser Erwerbstätigkeit (§ 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG) begehrt.
Einen entsprechenden Anordnungsanspruch hat der Antragsteller indes nicht glaubhaft gemacht; rein vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass der nur anfechtende Klageantrag in Hinblick auf die Erteilung einer Erlaubnis nicht zielführend sein kann.
Ein Anspruch auf Ausbildungsduldung setzt voraus, dass die Ausübung einer Erwerbstätigkeit gem. § 4 AufenthG erlaubt ist. Gem. § 4 Abs. 3 Satz 1 AufenthG dürfen Ausländer eine Erwerbstätigkeit nur ausüben, wenn ihr Aufenthaltstitel sie dazu berechtigt. Gem. § 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG kann einem Ausländer, der keine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Beschäftigung besitzt, die Ausübung einer Beschäftigung nur erlaubt werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit zugestimmt hat oder durch Rechtsverordnung bestimmt ist, dass die Ausübung der Beschäftigung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zulässig ist. Gem. § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG darf einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn aufenthaltsbeendende Maßnahme bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können.
Gemessen an diesen Maßstäben ist für den Antragsteller, der als mittlerweile bestandskräftig abgelehnter Asylbewerber einen Anspruch auf (lediglich Aussetzungs-) Duldung hat, nach gerichtlicher Einschätzung im Eilverfahren allen Anhaltspunkten nach das Erlaubnisermessen des Antragsgegners gem. § 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG nicht eröffnet, da § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG dem zwingend entgegensteht. Der Antragsteller, dessen Asylverfahren bis zum 04.09.2017 noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war, hat bislang in keiner Weise an der Beschaffung von Identitätspapieren, die Grundlage jeglicher Aufenthaltsbeendigung sind, mitgewirkt (§ 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylG), obwohl er entsprechend belehrt wurde (siehe Belehrung vom 26.01.2017, Behördenakte S. 62) und er anlässlich der Verlängerung der Aufenthaltsgestattung am 07.03.2017 auch die Unterschrift für den Erhalt der entsprechenden erneuten Belehrung „auf Anraten des Anwaltes“ verweigerte (Behördenakte, S. 71 ff.). Die Aufenthaltsgestattungen des Antragstellers enthalten den Zusatz „Die Angaben zur Person beruhen auf den eigenen Angaben des Inhabers. Ein Identifikationsnachweis durch Originaldokumente wurde nicht erbracht“ (Behördenakte S. 34 und S. 66). Der Einwand des Antragstellers im Schreiben vom 21.06.2017: „Läge eine definitiv nicht eindeutige Identität vor, hätte der Asylantrag vom BAMF nicht bearbeitet werden können. Damit ist die Frage der staatsbürgerlichen Identität hinfällig“ (Behördenakte S. 117 und S. 203), ist in diesem Zusammenhang durchaus befremdlich. Er belegt allerdings, dass der Antragsteller Bemühungen, zu seiner Identitätsklärung durch Vorlage entsprechender Papiere selbsttätig beizutragen, für entbehrlich hielt. Das sozusagen hilfsweise Angebot im Schreiben vom 21.06.2017: „Benötigen sie jedoch noch personale Klärung zur Identität, bin ich gerne bereit den Mitwirkungspflichten nach § 15 AsylG nachzukommen und über einen Anwalt weitere Papiere aus dem Heimatland zu besorgen“, ersetzt die notwendigen Eigenbemühungen nicht, zumal diese ohnehin für nicht erforderlich gehalten werden. Auch in der Zwischenzeit bis zur Entscheidung des Gerichts – die den bestandskräftigen Ablehnungsbescheid vom 13.07.2017, Behördenakte S. 127 ff., samt Identitätsproblematik und die erneute Antragstellung vom 11.08.2017 einschließt – ist für eine Initiative des Antragstellers zur Klärung seiner Identität durch Vorlage entsprechender Papiere nichts vorgetragen. Klargestellt wurde lediglich, dass er zu einer freiwilligen Ausreise nicht bereit ist.
Es liegt auf der Hand, dass aufenthaltsbeenden Maßnahmen beim vollziehbar ausreisepflichtigen Antragsteller mangels entsprechender Identitätsnachweise und Papiere, also aus Gründen, die er selbst herbeigeführt und zu vertreten hat (siehe Wertung in § 60a Abs. 6 Satz 2 AufenthG), derzeit nicht vollzogen werden können. Es spricht somit alles dafür, dass der angefochtene Versagungsbescheid vom 30.08.2017 schon deshalb rechtmäßig ist, weil der Antragsgegner die beantragte Beschäftigungserlaubnis gem. § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nicht erteilen durfte.
Der begehrten einstweiligen Anordnung zur Ausbildungsaufnahme steht im Übrigen auch das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen (siehe VG Bayreuth, B.v. 10.8.2017, Az. B 6 E 17.32713 juris, Rn. 28).
Lediglich ergänzend und ohne das es für diese Entscheidung darauf ankäme, sei hinzugefügt, dass auch in dem Fall, dass dem Antragsgegner eine Ermessensentscheidung gem. § 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG eröffnet wäre, nichts für eine Ermessensreduktion auf Null zugunsten der Erlaubnis der Ausübung einer Erwerbstätigkeit für den Antragsteller und somit einen entsprechenden Anordnungsanspruch des Antragstellers spricht. Das dem Antragsgegner durch § 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG eingeräumte Ermessen „kann … nur erteilt werden“ ist weit und stellt sich als Ausnahme zu der Regel dar, dass die Ausübung von Erwerbstätigkeit eines entsprechenden berechtigenden Aufenthaltstitels bedarf. Das Ermessen des § 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG wurde vom Gesetzgeber, dem eine solche Gestaltung vorbehalten ist, gerade nicht auf ein „soll erlaubt werden“ hingelenkt.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Der einstweilige Rechtsschutzantrag ist vorliegend auf Ausbildungsaufnahme gerichtet, so dass der Streitwert für die Abschiebung (Nr. 1.3) angesichts der zu erlangenden Aufenthaltssituation nicht hinreicht. Deshalb legt das Gericht den Hauptsachestreitwert in Höhe von 5.000,00 EUR zugrunde und setzt für den vorläufigen Rechtsschutz die Hälfte dieses Wertes an.