Aktenzeichen W 3 S 18.32283
VwVG § 6 Abs. 1, § 9, § 12
VO (EG) Nr. 2725/2000
Leitsatz
1 § 15 und § 16 AsylG sind in ihrer Geltung über den Abschluss des Asylverfahrens hinaus angelegt, denn die EURODAC-Verordnung entfaltet in Verbindung mit dem Schengen-System ihre Wirkung über den Abschluss eines nationalen Asylverfahrens hinaus und soll illegale Migration sowie ggf. erneute Asylantragstellung unter anderem Namen verhindern. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2 Hat das Bundesamt es seit Jahren, sowohl während des Asylverfahrens als auch nach dessen rechtskräftigem Abschluss, versäumt, die erkennungsdienstliche Behandlung durchzuführen, führt die Anordnung der zwangsweisen Vorführung zu einer Veränderung der Beurteilung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu Lasten des Betroffenen, wenn nicht zugleich ausgeführt wird, dass und aus welchen Gründen ein milderes Mittel nicht gegeben ist. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren W 3 K 18.32282 gegen Ziffer 2. des Bescheides des Bundesamtes für … vom 31. Oktober 2018 wird angeordnet.
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren W 3 K 18.32282 gegen Ziffer 1. des Bescheides des Bundesamtes für … anzuordnen, wird abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens haben die Antragstellerin und die Antragsgegnerin jeweils zur Hälfte zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Die zur Person nicht ausgewiesene Antragstellerin, nach ihren eigenen Angaben eine am … … 1996 geborene äthiopische Staatsangehörige, beantragte am 9. November 2011 beim Bundesamt für … (im Folgenden: Bundesamt) die Gewährung politischen Asyls. Mit Bescheid vom 19. Dezember 2013 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1.) und den Antrag auf Asylanerkennung (Ziffer 2.) als offensichtlich unbegründet ab und erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Ziffer 3.). Zudem wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4.) und die Antragstellerin wurde unter Abschiebungsandrohung nach Äthiopien aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen (Ziffer 5.). Mit Urteil vom 7. April 2014 hob das Gericht im gegen den Bescheid vom 19. Dezember 2013 gerichteten Klageverfahren W 3 K 14.30023 Ziffer 4. und die Androhung der Abschiebung nach Äthiopien in Ziffer 5. des Bescheides des Bundesamtes auf und verpflichtete die Beklagte festzustellen, dass bei der Antragstellerin ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Das Urteil ist rechtkräftig.
Mit Bescheid vom 30. Mai 2014 stellte das Bundesamt fest, dass ein Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Äthiopien vorliegt.
Mit Schreiben vom 15. Oktober 2018, gerichtet an den vormaligen Bevollmächtigten der Antragstellerin, lud das Bundesamt die Antragstellerin zur erkennungsdienstlichen Behandlung am 30. Oktober 2018 in B. Mit Schreiben vom 18. Oktober 2018 wies der vormalige Bevollmächtigte der Antragstellerin auf die Beendigung seines Mandats mit Abschluss des Asylverfahrens hin.
Mit Schreiben vom 23. Oktober 2018, gerichtet an die Antragstellerin persönlich, lud das Bundesamt diese zur erkennungsdienstlichen Behandlung am 30. Oktober 2018 in B. Dies wurde damit begründet, das Bundesamt sei gesetzlich verpflichtet, jeden Asylbewerber erkennungsdienstlich zu behandeln. Durch die EURODAC-Verordnung bestehe auch eine europarechtliche Verpflichtung, diese Daten zu erheben. Im Regelfall erfolge die erkennungsdienstliche Behandlung im Rahmen des Asylverfahrens, bevor die Entscheidung über den Asylantrag ergehe. Im vorliegenden Fall sei dies versehentlich unterblieben. Um die bestehenden Verpflichtungen dennoch zu erfüllen und sicherzustellen, dass die Antragstellerin und keine andere Person künftig für die Antragstellerin bestimmte Schreiben und Ausweisdokumente erhalte, müsse die erkennungsdienstliche Behandlung nachgeholt werden. Das Schreiben wurde der Antragstellerin am 25. Oktober 2018 per Postzustellungsurkunde zugestellt. Die Antragstellerin erschien nicht zur erkennungsdienstlichen Behandlung und äußerte sich nicht.
Mit Bescheid vom 31. Oktober 2018 ordnete das Bundesamt gegenüber der Antragstellerin die nachträgliche Durchführung einer erkennungsdienstlichen Behandlung im Sinn des § 15 Abs. 2 Nr. 7 i.V.m. § 16 Abs. 1 AsylG an, die die Abnahme von Fingerabdrücken und die Aufnahme eines digitalen Lichtbildes umfasst. Als Termin für die Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung wurde der 19. November 2018 um 11:00 Uhr in B. festgesetzt. Der Antragstellerin wurde für den Fall, dass sie zum angeordneten Termin nicht erscheine, die zwangsweise Vorführung zur Außenstelle des Bundesamtes für … in B. sowie die zwangsweise Abnahme von Fingerabdrücken und die zwangsweise Aufnahme eines digitalen Lichtbildes angedroht. Zur Begründung wurde ausgeführt, es sei erforderlich, dass Asylantragsteller, die nicht erkennungsdienstlich behandelt worden seien, nachträglich einer solchen Behandlung unterzogen werden würden. Die Antragstellerin habe die erkennungsdienstlichen Maßnahmen gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 7 i.V.m. § 16 Abs. 1 Satz 1 AsylG zu dulden. Die Mitwirkungspflicht bestehe auch noch nach Abschluss des Asylverfahrens. Die zuständigen Behörden seien unabhängig vom Ausgang oder vom Stand des Asylverfahrens zur Identitätsfeststellung verpflichtet. Die Ladung werde im Falle der Nichtbefolgung durch Zwangsmaßnahmen nach den Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vollstreckt. Mildere Zwangsmittel als der angedrohte unmittelbare Zwang seien im vorliegenden Fall nicht geeignet, das Ziel einer unverzüglichen Identitätsfeststellung zu erreichen. Zwangsgeld und Zwangshaft seien untunlich, die Ersatzvornahme scheide aus. Daher komme alleine der unmittelbare Zwang in Betracht. Dieser verletze nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Da eine erkennungsdienstliche Behandlung bislang nicht durchgeführt worden sei, sei eine zwangsweise Durchsetzung auch erforderlich. Der Bescheid wurde der Antragstellerin am 3. November 2018 per Postzustellungsurkunde zugestellt.
Am 11. November 2018 ließ die Antragstellerin im Verfahren W 3 K 18.32282 Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg gegen den Bescheid vom 31. Oktober 2018 erheben und zugleich im vorliegenden Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom 11. November 2018 gegen den Bescheid vom 31. Oktober 2018 anzuordnen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, die Antragstellerin habe nach bestandskräftig abgeschlossenem Asylverfahren eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3 AufenthG erhalten. Das Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung überwiege das Vollzugsinteresse. Dies ergebe sich daraus, dass der angegriffene Bescheid offensichtlich rechtswidrig sei. Die Antragstellerin unterliege keiner Mitwirkungspflicht im Sinn des § 15 Abs. 2 AsylG mehr, da das Asylverfahren abgeschlossen sei. Ebenfalls mit dem Abschluss mittels einer Schutzgewährung entfielen die entsprechenden Verpflichtungen. Darüber hinaus bestehe eine Verpflichtung zur Durchführung einer erkennungsdienstlichen Behandlung nur hinsichtlich derjenigen Ausländer, die um Asyl nachsuchten. Die Antragstellerin suche jedoch nicht um Asyl nach. Auch die Verfahrensrichtlinie lege nur Mitwirkungspflichten bist zum Schluss des Anerkennungsverfahrens fest. Der Gesetzgeber selbst gehe davon aus, dass eine Mitwirkungspflicht nach bestandskräftiger Zuerkennung eines Schutzstatus entfalle, dies deswegen, weil er eine entsprechende Rechtsgrundlage für eine zusätzliche Mitwirkungspflicht im Widerrufs- und Rücknahmeverfahren gerade gesetzlich schaffe. Die Androhung des unmittelbaren Zwangs sei offenkundig rechtswidrig, weil unverhältnismäßig. Als milderes Mittel hätte ein Zwangsgeld angedroht werden können. Im Rahmen der Abwägung sei das Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung höher einzustufen als das Interesse am Sofortvollzug.
Die Antragsgegnerin beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Dies wurde damit begründet, nach Ansicht des Bundesamtes habe die Klage bereits aufschiebende Wirkung.
Im Übrigen wird auf das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Parteien sowie auf den Inhalt der einschlägigen Verwaltungsakten des Bundesamtes, welche dem Gericht in elektronischer Form vorliegen, sowie auf den Inhalt der Gerichtsakten W 3 K 18.32282 und W 3 K 14.30023 Bezug genommen.
II.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist das Begehren der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 31. Oktober 2018 anzuordnen; dies bezieht sich sowohl auf Ziffer 1. des Bescheides, mit welchem die Durchführung einer erkennungsdienstlichen Behandlung angeordnet wird, als auch auf Ziffer 2. des Bescheides, mit welcher der Antragstellerin unmittelbarer Zwang angedroht wird für den Fall, dass sie der in Ziffer 1. enthaltenen Anordnung nicht nachkommt. Dies ergibt sich aus § 18 Abs. 1 Satz 2 VwVG.
Der Antrag ist zulässig. Gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 Satz 1 AsylG hat die Klage der Antragstellerin im Verfahren W 3 K 18.32282 keine aufschiebende Wirkung. § 75 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist im vorliegenden Fall anwendbar, denn der Rechtsstreit findet seine Rechtsgrundlage im Asylgesetz, nämlich in dessen § 15 und § 16. Hat die Behörde § 15 AsylG herangezogen, ist grundsätzlich von einer asylrechtlichen Streitigkeit auszugehen (Hailbronner, AuslR, Kommentar, Stand: Mai 2017, § 15 AsylG Rn. 74; VG Leipzig, B.v. 19.6.2018 – 7 L 647/18.A – juris Rn. 7; VG Chemnitz, B.v. 21.2.2018 – 6 L 77/18.A – juris Rn. 12; Bergmann in Bergmann/Dienelt, AuslR, Kommentar, 12. Aufl. 2018, § 16 AsylG Rn. 26).
Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht durch Beschluss die aufschiebende Wirkung einer Klage auch in derartigen Fällen anordnen, in denen sie gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Satz 1 AsylG kraft bundesgesetzlicher Regelung ausgeschlossen ist.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 31. Oktober 2018 bleibt hinsichtlich dessen Ziffer 1. erfolglos. Demgegenüber ist hinsichtlich dessen Ziffer 2. dem Antrag stattzugeben und insoweit die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Anordnung der nachträglichen Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen (Ziffer 1. des angegriffenen Bescheides) anzuordnen, ist unbegründet.
Das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO ist ein vom Hauptsacheverfahren losgelöstes, eigenständiges, als Ermessensentscheidung des Verwaltungsgerichts ausgestaltetes Verfahren. Das Gericht hat die verschiedenen Interessen zu ermitteln und abzuwägen.
Dabei lässt sich aus § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO zunächst eine generalisierende Interessenabwägung des Gesetzgebers dahingehend erkennen, dass ein grundsätzlicher Vorrang des öffentlichen Vollzugsinteresses statuiert wird. Allerdings muss auch in diesem Rahmen insbesondere die von Art. 19 Abs. 4 GG geforderte Funktion, Rechtsschutz gerade auch gegen schwere und zukünftig unabänderliche Beeinträchtigungen zu liefern, beachtet werden. Lässt sich hinreichend eindeutig feststellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, kann regelmäßig kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes bestehen. Demgegenüber ist im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO die gesicherte Feststellung der offensichtlichen Rechtmäßigkeit ausreichend, um den Sofortvollzug zu rechtfertigen. Kann keine eindeutige Antwort auf die Frage nach der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts gegeben werden, ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen, in deren Rahmen auch Aussagen über die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu treffen und zu berücksichtigen sind (Hoppe in Eyermann, VwGO, Kommentar, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 85 bis 94 m.w.N.).
In diesem Rahmen ergibt die Prüfung der Anordnung einer nachträglichen Durchführung erkennungsdienstlicher Behandlung (Ziffer 1. des Bescheides vom 31.10.2018), dass die hiergegen gerichtete Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Denn diese Anordnung wird sich voraussichtlich als rechtmäßig erweisen.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist der Ausländer persönlich verpflichtet, bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Nach § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylG ist er insbesondere verpflichtet, die vorgeschriebenen erkennungsdienstlichen Maßnahmen zu dulden. Welche erkennungsdienstlichen Maßnahmen vorgeschrieben sind, ergibt sich aus § 16 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 AsylG. Hiernach ist die Identität eines Ausländers, der um Asyl nachsucht, durch erkennungsdienstliche Maßnahmen zu sichern. In diesem Rahmen dürfen nur Lichtbilder und Abdrucke aller zehn Finger aufgenommen werden.
Unstreitig sind diese Vorschriften im Rahmen eines laufenden Asylverfahrens anwendbar und zu berücksichtigen. Sie müssen aber entgegen der Meinung des Bevollmächtigten der Antragstellerin auch nach dem Abschluss des Asylverfahrens durch Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG und Ablehnung des Asylantrags im Übrigen Anwendung finden.
Bei der Beantwortung der Frage, inwieweit § 15 und § 16 AsylG nach Abschluss des Asylverfahrens noch anwendbar sind, ist zunächst § 15 Abs. 5 AsylG zu beachten, wonach durch die Rücknahme des Asylantrags die Mitwirkungspflichten des Ausländers nicht beendet werden (kritisch hierzu Bergmann in Bergmann/Dienelt, AuslR, Kommentar, 12. Aufl. 2018, § 15 Rn. 14). Eine weitere ausdrückliche Regelung zur Fortgeltung dieser Vorschriften bei anderweitiger Beendigung des Asylverfahrens als durch Rücknahme ist im Asylgesetz nicht vorhanden.
Allerdings finden sich in der Bundestagsdrucksache 12/2062 vom 12. Februar 1992 zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Asylverfahrensgesetzes, mit welchen die §§ 15 und 16 AsylG erstmals eingeführt worden sind, Hinweise auf das Ziel des Gesetzgebers, diesen Vorschriften auch nach Beendigung des Asylverfahrens prinzipiell Geltung zu verschaffen. In der Begründung zum Gesetzesentwurf werden unter Ziffer A.II.5. flankierende Maßnahmen zu Beschleunigung von Asylverfahren erläutert. Hierzu gehört gemäß Ziffer A.II.5., 5.1 die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für eine generelle (Hervorhebung in der Bundestagsdrucksache selbst) erkennungsdienstliche Behandlung von Asylbewerbern. Unter Ziffer B., zu Art. 1, zu § 16 wird unter Bezugnahme auf die Erläuterung in Ziffer A.II.5., 5.1 darauf abgestellt, dass sich Fälle mehren, in denen Asylsuchende gleichzeitig oder nacheinander unter verschiedenen Namen und unter Verschweigen des anhängigen oder abgeschlossenen anderweitigen Asylverfahrens einen weiteren Asylantrag stellen. Die Aufdeckung von Mehrfachanträgen setzt daher Maßnahmen der Identitätssicherung und einen entsprechenden Abgleich auch bei den Personen voraus, die bei der Asylantragstellung einen echten Pass vorlegen.
Der Gefahr, dass ein Asylsuchender, dessen Antrag ganz oder – wie im vorliegenden Fall – teilweise abgelehnt worden ist, hernach unter Verschweigen des abgeschlossenen Asylverfahrens und unter einem anderen Namen einen weiteren Asylantrag stellt, kann nur dann effektiv begegnet werden, wenn die Pflicht zur – zuvor versäumten – erkennungsdienstlichen Behandlung über den Abschluss des Asylverfahrens hinaus fortbesteht und umgesetzt wird.
Auch die Motive für die Änderung des Asylgesetzes (damals: Asylverfahrensgesetzes) zum 1. Januar 2002 sprechen für die Fortgeltung der §§ 15 und 16 AsylG über die Beendigung des Asylverfahrens hinaus. Mit der Änderung von § 16 AsylG sollte eine Anpassung an die EURODAC-Verordnung (VO (EG) Nr. 2725/2000 des Rates vom 11.12.2000, ABl. L 316/1 vom 15.12.2000) erfolgen. Diese Verordnung hat das Ziel, die Anwendung des Dubliner Übereinkommens wirksam zu gestalten (Erwägung 3). Daher sind gemäß Erwägung 6 die Mitgliedstaaten zu verpflichten, allen Personen, die internationalen Schutz beantragen, unverzüglich die Fingerabdrücke abzunehmen. Erwägung 8 sieht eine lange Speicherung der Daten vor wegen der Möglichkeit, dass Drittstaatsangehörige, die in einem Mitgliedstaat internationalen Schutz beantragt haben, während eines mehrere Jahre umfassenden Zeitraums auch in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz stellen. Auf dieser Grundlage verpflichtet Art. 4 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung die Mitgliedstaaten zur entsprechenden Abnahme des Abdrucks aller Finger. Eine Löschung der Daten erfolgt nach Art. 6 und Art. 7 der Verordnung nach Ablauf von zehn Jahren oder dann, wenn die Person die Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaates erworben hat (vgl. auch die entsprechenden Regelungen in der VO (EU) Nr. 603/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013, ABl. L 180/1 vom 29.6.2013, Erwägungen 4, 17 und 22 und Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 10d), Art. 12 und Art. 13).
Die Änderungen des damaligen Asylverfahrensgesetzes zum 1. Januar 2002 dienten auch der Anpassung an die EURODAC-Verordnung (vgl. BT-Drs. 14/7386, S. 36 und S.59).
Da aber die EURODAC-Verordnung in Verbindung mit dem Schengen-System, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, ihre Wirkung über den Abschluss eines nationalen Asylverfahrens hinaus entfaltet und eine illegale Migration und gegebenenfalls erneute Asylantragstellung unter anderem Namen verhindern soll, ergibt sich hieraus, dass auch § 15 und § 16 AsylG in ihrer Geltung über den Abschluss des Asylverfahrens hinaus angelegt sind (vgl. auch Hailbronner, AuslR, Kommentar, Stand: Mai 2017, § 16 AsylG Rn. 8; Jobs in Gemeinschaftskommentar zum Asylgesetz, Stand: März 2018, § 16 AsylG Rn. 8; BVerwG, U.v. 5.9.2013 – 10 C 1/13 – juris Rn. 21 f.; VG Leipzig, B.v. 19.6.2018 – 7 L 647/18.A – juris für den Fall der erkennungsdienstlichen Behandlung einer Person, die ihren Asylantrag zuvor zurückgenommen hatte; VG Chemnitz, B.v. 21.2.2018 – 6 L 77/18.A – juris für den Fall der erkennungsdienstlichen Behandlung einer Person, der zuvor die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden war).
Aus alledem ergibt sich, dass die Antragsgegnerin zu Recht im Bescheid vom 31. Oktober 2018, Ziffer 1., § 15 Abs. 2 Nr. 7, § 16 AsylG angewendet hat.
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im vorliegenden Fall erfüllt. Die Antragstellerin hat durch ihren damaligen Vormund am 9. November 2011 beim Bundesamt die Anerkennung als Asylberechtigte beantragt. Weitere Voraussetzungen sind für die Anwendung von § 16 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylG nicht vorgeschrieben. Damit wird die Klage im Verfahren W 3 K 18.32282 gegen Ziffer 1. des Bescheides vom 31. Oktober 2018 voraussichtlich keinen Erfolg haben.
Im Rahmen der Abwägung des Gerichts ist neben den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zudem das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin daran, in Deutschland lebende Asylsuchende eindeutig identifizieren zu können, zu berücksichtigen, dies gerade auch im Hinblick darauf, dass in der Vergangenheit bei einer größeren Anzahl von Asylsuchenden eine erkennungsdienstliche Behandlung entgegen den Vorschriften nicht vorgenommen worden ist und dies zu verschiedenen Problemen wie Mehrfachantragstellungen, unkontrollierter Binnenmigration innerhalb der Europäischen Union und Schwierigkeiten bei der Verfolgung von Straftaten geführt hat. Unter diesem Aspekt ist ein hohes Interesse der Antragsgegnerin vorhanden, baldmöglichst diesen Problemen zu begegnen und ihren oben genannten europäischen Verpflichtungen nachzukommen und damit möglichst alle Personen, die in der Bundesrepublik Deutschland um Asyl nachgesucht haben, auch nachträglich erkennungsdienstlich zu behandeln.
Demgegenüber ist das Interesse der Antragstellerin, von einer erkennungsdienstlichen Behandlung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens W 3 K 18.32282 verschont zu bleiben, geringer zu gewichten, weil die entsprechenden Daten, sollte der Klage im Verfahren W 3 K 18.32282 wider Erwarten stattgegeben werden, auch wieder gelöscht werden können. Damit wäre das vom Antragstellerbevollmächtigten ins Feld geführte Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht dauerhaft beeinträchtigt.
Damit war der vorliegende Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hinsichtlich Ziffer 1. des Bescheides vom 31. Oktober 2018 abzulehnen.
Demgegenüber ist hinsichtlich der Androhung unmittelbaren Zwangs in Ziffer 2. des Bescheides die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Die hiergegen gerichtete Klage im Verfahren W 3 K 18.32282 wird Erfolg haben. Bescheide auf der Grundlage von Vorschriften des Asylgesetzes werden nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Bundes vollstreckt. Die Antragsgegnerin stützt die angedrohte Zwangsmaßnahme auf § 6 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Buchst. c, § 12, § 13 VwVG. Nach § 6 Abs. 1 VwVG kann der Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, u.a. dann mit den Zwangsmitteln des § 9 VwVG durchgesetzt werden, wenn – wie im vorliegenden Fall – dem Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung beigelegt ist. Nach § 9 Abs. 1 VwVG sind Zwangsmittel die Ersatzvornahme, das Zwangsgeld und der unmittelbare Zwang. Nach § 9 Abs. 2 VwVG muss das Zwangsmittel in einem angemessenen Verhältnis zu seinem Zweck stehen. Führt die Ersatzvornahme oder das Zwangsgeld nicht zum Ziel oder sind sie untunlich, so kann die Vollzugsbehörde gemäß § 12 VwVG den Pflichtigen zur Handlung, Duldung oder Unterlassung zwingen.
Dies bedeutet, dass unmittelbarer Zwang das an letzter Stelle stehende Zwangsmittel ist. Dies folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips. Dies vorausgesetzt, führt ein Zwangsgeld als milderes Mittel nur dann nicht zum Ziel, wenn es bereits erfolglos angewendet worden ist oder wenn bereits vor der Anwendung feststeht, dass es nicht zum Ziel führen kann. Untunlich ist ein Zwangsgeld dann, wenn sein Einsatz zwar erfolgversprechend ist, der unmittelbare Zwang aber im konkreten Einzelfall wirksamer ist, die Verpflichtung durchzusetzen, die andere Zwangsmittel also weniger geeignete Mittel darstellen. Diese Voraussetzung liegt insbesondere dann vor, wenn bedeutenden Rechtsgütern unmittelbar drohende Gefahren abzuwenden sind. In einem solchen Fall können die Verzögerungen durch den Versuch, den Willen des Pflichtigen durch ein milderes Zwangsmittel zu beugen, nicht in Kauf genommen werden (Mosbacher in Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG/VwZG, Kommentar, 11. Aufl. 2017, § 12 VwVG Rn. 7 bis 10 m.w.N.).
Auf dieser Grundlage ist festzustellen, dass die Androhung unmittelbaren Zwangs im vorliegenden Fall unverhältnismäßig ist.
Die Antragsgegnerin legt im angegriffenen Bescheid zwar dar, dass mildere Zwangsmittel als der angedrohte unmittelbare Zwang nicht geeignet sind, das Ziel einer unverzüglichen Identitätsfeststellung zu erreichen; dies wird allerdings nicht mit einer Begründung belegt. Insbesondere ist nicht erkennbar, woraus die Antragsgegnerin das Unverzüglichkeitserfordernis ableitet. Auch aus den von der Antragsgegnerin vorgelegten Akten ist eine derartige Begründung nicht erkennbar. Zwar hat die Antragsgegnerin die Antragstellerin mit Schreiben vom 23. Oktober 2018 zur erkennungsdienstlichen Behandlung am 30. Oktober 2018 eingeladen, ohne dass die Antragstellerin dieser Einladung Folge geleistet hat; dieses Schreiben ist der Antragstellerin jedoch erst am 25. Oktober 2018 zugestellt worden. Hierbei handelte es sich um ein einfaches, nicht in Bescheidsform gekleidetes Schreiben. Die der Antragstellerin verbleibende Frist von der Zustellung des Schreibens bis zum festgesetzten Termin betrug gerade einmal fünf Tage. Von Zwangsmitteln ist in dem Schreiben nicht die Rede. Zwar ist die Antragstellerin zum festgesetzten Termin nicht erschienen, jedoch kann angesichts der äußerst kurzen Zeitspanne, angesichts ihrer im Schreiben benannten Obliegenheit, die Fahrt zum Termin und zurück selbst zu organisieren und zu finanzieren, und angesichts der fehlenden Bescheidsform nicht davon ausgegangen werden, dass die Androhung eines Zwangsgeldes nicht dafür geeignet wäre, das Ziel der (unverzüglichen) Identitätsfeststellung zu erreichen.
Weiterhin hat die Antragsgegnerin im angegriffenen Bescheid zwar ausgeführt, ein Zwangsgeld sei untunlich, sie hat dies jedoch nicht einmal ansatzweise begründet. Somit ist nicht erkennbar, warum der unmittelbare Zwang im konkreten Einzelfall wirksamer sein sollte, die Verpflichtung durchzusetzen, als ein eigentlich erfolgversprechendes Zwangsgeld. Insbesondere ist nicht erkennbar, welchem bedeutenden Rechtsgut unmittelbare Gefahren drohen, sollte die Antragstellerin nicht unverzüglich erkennungsdienstlich behandelt werden, dies umso mehr, als die Antragsgegnerin die Durchführung einer erkennungsdienstlichen Behandlung seit dem 9. November 2011 versäumt hat und selbst nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils im Verfahren W 3 K 14.30023 am 24. Mai 2014 weit über vier Jahre vergangen sind, bevor die Antragsgegnerin die Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen in Angriff genommen hat.
Die im angefochtenen Bescheid enthaltene Begründung, da bei der Antragstellerin noch keine erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt worden sei, sei die zwangsweise Vorführung erforderlich, ist nicht nachvollziehbar. Denn dieses Versäumnis ist allein der Antragsgegnerin anzulasten und darf nicht zu einer Veränderung der Beurteilung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu Lasten der Antragstellerin führen. Vielmehr wäre die zwangsweise Vorführung lediglich dann erforderlich, wenn kein milderes Mittel wie z.B. die Androhung eines Zwangsgeldes gegeben wäre. Hierfür findet sich im angegriffenen Bescheid jedoch gerade keine Begründung.
Da sich somit eindeutig feststellen lässt, dass Ziffer 2. des angefochtenen Bescheides offensichtlich rechtswidrig ist und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt, kann kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung dieser Androhung bestehen.
Damit ist die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 2. des angegriffenen Bescheides anzuordnen und der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 1. des Bescheides abzulehnen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit aus § 83b AsylG.