Verwaltungsrecht

Entfernung aus dem Beamtenverhältnis wegen Nähe zur “Reichsbürgerbewegung”

Aktenzeichen  AN 13a D 18.00600

Datum:
29.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 33461
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BDG § 5 Abs. 1, § 10, § 13 Abs. 1, § 38 Abs. 1, § 63 Abs. 2
BBG § 60 Abs. 1 S. 3, § 77 Abs. 1 S. 1
GG Art. 20 Abs. 3

 

Leitsatz

1. Die beamtenrechtliche Treuepflicht gebietet, den Staat und seine geltende Verfassungsordnung zu bejahen. Sie fordert mehr als eine nur formal korrekte, im Übrigen uninteressierte, kühle, innerlich distanzierte Haltung gegenüber Staat und Verfassung; sie fordert vom Beamten insbesondere, dass er sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren. (Rn. 235) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dies ist nicht gewährleistet, wenn ein Beamter als „Reichsbürger“ oder Anhänger der „Reichsbürgerbewegung“, aber auch unabhängig von der Zugehörigkeit zu dieser Bewegung und dem Verfolgen dieser Theorien die Geltung des Grundgesetzes und die verfassungsmäßigen Strukturen der Bundesrepublik Deutschland in Frage stellt. (Rn. 236) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Pflicht zum Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist unteilbar und nicht auf den dienstlichen Raum beschränkt. (Rn. 237) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Entfernung eines aktiven Beamten aus dem Beamtenverhältnis als disziplinare Höchstmaßnahme verfolgt neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung auch die Zwecke der Generalprävention, der Gleichbehandlung und der Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels durchgreifender Milderungsgründe das Vertrauen endgültig zerstört, erweist sich die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als erforderliche und geeignete Maßnahme, den aufgezeigten Zwecken der Disziplinarmaßnahme Geltung zu verschaffen. (Rn. 252) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Disziplinarklage führt in Anwendung der § 10 Abs. 1, 13 Abs. 2 BDG zur Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis, da der Beklagte durch ein schweres innerdienstliches Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat.
I.
Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf.
Der Beklagte wurde im Disziplinarverfahren ordnungsgemäß belehrt und angehört (§ 20 BDG). Er konnte sich gemäß § 30 BDG abschließend äußern.
Gemäß § 34 Abs. 2 BDG wird die Disziplinarklage bei Beamten durch die oberste Dienstbehörde, bei Ruhestandsbeamten durch den nach § 84 BDG zur Ausübung der Disziplinarbefugnisse zuständigen Dienstvorgesetzten erhoben. Die oberste Dienstbehörde kann ihre Befugnis nach Satz 1 durch allgemeine Anordnung ganz oder teilweise auf nachgeordnete Dienstvorgesetzte übertragen; die Anordnung ist im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen.
Gemäß Ziffer II. 2. der Anordnung zur Durchführung des Bundesdisziplinargesetzes für den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern vom 31. Januar 2002, BGBl I S. 580, geändert durch Anordnung vom 16. Oktober 2008, BGBl I S. 2015, wird die Zuständigkeit zur Erhebung der Disziplinarklage gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte auf die in § 1 Abs. 1 Nr. 2 und 3 der Verordnung zu § 82 des Bundesdisziplinargesetzes genannten Vorgesetzen im Rahmen ihrer Zuständigkeit gemäß der Anordnung über die Ernennung und Entlassung von Beamtinnen und Beamten im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern vom 29. Februar 2008 übertragen.
Vorliegend ergibt sich die Zuständigkeit des Präsidenten der Direktion der Bundesbereitschaftspolizei für die Erhebung der Disziplinarklage aus § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung zu§ 82 des Bundesdisziplinargesetzes vom 16. Oktober 2008, BGBl I, S. 2004.
Die Klageschrift entspricht den Anforderungen des § 52 Abs. 1 BDG.
II.
Durch das Ergebnis der gerichtlichen Beweisaufnahme und die im behördlichen Disziplinarverfahren getroffenen Feststellungen sind die nachfolgend dargestellten Sachverhalte, die dem Beklagten in der Disziplinarklage zu Last gelegt wurden, zur vollen Überzeugung der Kammer erwiesen:
1. Ausweislich der vom Landratsamt … im Disziplinarverfahren vorgelegten Antragsunterlagen beantragte der Beklagte am 5. Dezember 2013 die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises. Im Antragsformular gab er unter der Rubrik „Angaben zu meiner Person (Antragsteller/in)“ als Geburtsstaat und Wohnsitzstaat jeweils „Königreich Bayern“ an. Er habe die deutsche Staatsangehörigkeit durch Abstammung gemäß § 4 Abs. 1 RuStAG 1913 erworben. Unter Ziffer 4 „Angaben zu meinen anderen Staatsangehörigkeiten“ gab der Beklagte an, er habe durch Abstammung gemäß § 4 Abs. 1 RuStAG 1913 seit der Geburt die Staatsangehörigkeit des Königreichs Bayern.
Der Beklagte hat diesen Sachverhalt nicht bestritten.
2. Ausweislich der schriftlichen Stellungnahme von Herrn KHK …, KPI …- K 5, vom 13. Februar 2017 wurde der Beklagte am 2. April 2014 auf dem Weg zur Gaststätte … in … kontrolliert. Unter den damaligen Gästen der Gaststätte befanden sich zwei bekannte „Reichsbürger/Selbstverwalter“.
Den hierzu von Herrn PHK … in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen kann entnommen werden, dass es sich bei den in der Stellungnahme genannten Personen um Herrn … und Herrn … handelt. Letzterer hat das von Herrn PHK … ebenfalls übergebene Skript „Deine wichtigsten Helfer um Deine Rechte zu sichern!“ verfasst, in welchem die These aufgestellt wird, die Bundesrepublik Deutschland sei nicht souverän und könne deshalb keine „Staatsangehörigkeit ausstellen“.
Im Rahmen der im Anwesen des Beklagten durchgeführten Durchsuchung (hierzu nachfolgend unter 4.) wurde ein weiteres von Herrn … gefertigtes Dokument vorgefunden, in welchem u.a. behauptet wird, dass es in der Bundesrepublik kein Beamtentum mehr gebe.
Der Beklagte hat zu dem Vorfall am 2. April 2014 angegeben, er könne sich an diesen nicht mehr erinnern.
3. Am 24. Januar 2017 wurde der Beklagte im Zusammenhang mit einem am selben Tag in der Gaststätte … in … stattfindenden Treffen von Personen, die der Reichsbürgerbewegung zugeordnet werden, einer Personenkontrolle unterzogen, bei welchem er sich mit seinem Dienstausweis auswies.
Nach dem Besuch der Gaststätte kehrte der Beklagte an die Kontrollstelle zurück, um mit den eingesetzten Beamten über ein Verwarnungsgeld zu sprechen, das gegenüber einem Teilnehmer an dem Treffen in der Gaststätte …verhängt worden war.
Bei einem nachfolgenden Gespräch mit Herrn PHK* …kam der Beklagte auf die Geschehnisse in Georgensgmünd zu sprechen, bei welchen am 19. Oktober 2016 ein SEK-Beamter von einem der Reichsbürgerszene zuzurechnenden Wohnungsinhaber erschossen worden war. Der Täter wurde mit Urteil des LG … vom 23.10.2017 – … wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
Der Beklagte betonte in dem Gespräch zwar zunächst, er sei kein „Reichsbürger“. Anschließend sprach er jedoch von einer Verschwörung, dass die zweite von sieben Stufen begonnen habe und stellte infrage, ob der genannte Polizist tatsächlich ums Leben gekommen sei. Zudem behauptete der Beklagte, dass die Rechte und Befugnisse der Bundesrepublik Deutschland durch die Besatzungsmächte eingeführt worden seien. Herr PHK* …erklärte hierzu in der Zeugeneinvernahme, er habe aus der Äußerung des Beklagten den Schluss gezogen, dass der Beklagte die Auffassung vertrete, es gebe eigentlich keine gültigen Gesetze. Ob der Beklagte jedoch letzteres tatsächlich ausgesprochen habe, sei ihm heute nicht mehr erinnerlich.
Der unter Ziffer 3. genannte Sachverhalt ist zur Überzeugung der Kammer durch die glaubhaften Angaben des als Zeugen einvernommenen PHK … erwiesen.
Der genannte Sachverhalt kann im Disziplinarverfahren verwertet werden, da die Polizeiinspektion … gemäß Art. 40 Abs. 1 PAG in der bis 31. Juli 2017 gültigen Fassung berechtigt war, ihre Erkenntnisse an die Bundespolizeiabteilung … weiterzugeben, wodurch diese Gegenstand des Disziplinarverfahrens wurden. Nach dieser Bestimmung kann die Polizei personenbezogene Daten an andere Polizeidienststellen übermitteln, soweit dies zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben erforderlich ist. Dies gilt auch für Datenübermittlungen an Polizeidienststellen anderer Länder oder des Bundes.
Die rechtliche Bewertung hat die übermittelnde Stelle vorzunehmen. Die Bandbreite der polizeilichen Aufgaben hat der Gesetzgeber in Art. 2 Abs. 1 bis 4 BayPAG festgelegt (Schmidbauer/Steiner, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, 4. A. 2014, Rn. 5 zu Art. 40 BayPAG a.F.). Ausreichend ist, dass die übermittelten Daten allein oder in der Zusammenschau mit anderen grundsätzlich zur Begründung einer Gefahr geeignet sind (BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Möstl/Schwabenbauer, 8. Edition, Rn. 6 zu Art. 40 BayPAG a.F.).
Aufgrund der Äußerungen des Beklagten bei der Personenkontrolle am 24. Januar 2017 und seines Besuches der Gaststätte …, als dort ein Treffen von Personen stattfand, die der Reichsbürgerbewegung zuzuordnen sind, bestand hinreichender Anlass zu der Annahme, dass der Beklagte als Beamter der Bundespolizei der Reichsbürgerszene nahestehen oder dieser gar angehören könnte. Das dadurch gefährdete Rechtsgut der Allgemeinheit, nämlich das Vertrauen in die Integrität von Polizeibeamten und deren jederzeitiges Eintreten für die freiheitliche Ordnung des Grundgesetzes im Sinne des Art. 20 GG, begründet zumindest eine abstrakte Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und hat deutlichen Vorrang vor dem Interesse des Beklagten, dass die bei der Personenkontrolle getroffenen Feststellungen nicht an seinen Dienstherrn weitergeleitet werden.
4. Bei der Durchsuchung des Anwesens des Beklagten wurden am 4. Mai 2017 die unter I. dieses Beschlusses genannten Gegenstände sowie gespeicherte Daten sichergestellt, die einen Bezug zum Gedankengut der Reichsbürgerszene aufweisen.
Mit Ausnahme der Dateien, die auf dem PC-Tower Asus unter dem Dateipfad „…“ gespeichert waren, und damit nicht zweifelsfrei der Urheberschaft des Beklagten zugeordnet werden können, sind die aufgefundenen Gegenstände zur Überzeugung der Kammer dem Beklagten zumindest als Besitzer zuzurechnen.
Nach dem Ergebnis der gerichtlichen Beweisaufnahme hat der Beklagte bei der Durchsuchung nicht erklärt, dass die sichergestellten Gegenstände nicht ihm, sondern seiner Lebensgefährtin gehörten. Er hat lediglich darauf verwiesen, dass der PC-Tower Asus von ihm und seiner Lebensgefährtin gemeinsam genutzt werde.
Auch in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 28. Mai 2017 ist der Beklagte nicht auf die Eigentumsverhältnisse an den genannten Gegenständen eingegangen. Erstmals im Schreiben seines damaligen Bevollmächtigten vom 13. Oktober 2017 wurde vorgetragen, der Beklagte sei lediglich Eigentümer der Flyerwerbung des Vereins … sowie des Buches des Autors Daniel Prinz „Wenn das die Deutschen wüssten…“. Zudem stamme von den sichergestellten Dateien lediglich das Asservat Nr. 1.1.3.2.7 von ihm.
Es wäre jedoch zu erwarten gewesen, dass der Beklagte als Polizeivollzugbeamter, der mit den rechtlichen Rahmenbedingungen einer Durchsuchung vertraut sein sollte, bereits bei der Durchsuchung, spätestens aber in seiner ersten schriftlichen Stellungnahme nach der Durchsuchung darauf hingewiesen hätte, dass die sichergestellten Gegenstände (abgesehen von den von seinem damaligen Bevollmächtigten genannten Ausnahmen) nicht ihm, sondern seiner Lebensgefährtin gehören.
Zudem trägt das bei der Durchsuchung aufgefundene Dokument „Wie ein Gerichtstermin und Urteil abgewendet wurde“ den handschriftlichen Vermerk „Danke, …“, ein weiteres Indiz, dass die Unterlagen dem Beklagten gehören.
Die Kammer deshalb davon aus, dass lediglich die unter dem Dateipfad „…“ gespeicherten Dateien nicht zu Lasten des Beklagten verwertet werden können.
Im Übrigen bestehen gegen die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung und die Verwertung der sichergestellten Dokumente und Dateien keine Bedenken.
Behörden, die selbst über Beamte verfügen, die Ermittlungspersonen i. S. d. § 152 GVG sind, können die verwaltungsgerichtlichen Beschlüsse nach § 27 BDG ohne Einschaltung der Staatsanwaltschaft unmittelbar durch diese vollziehen lassen. Das gilt insbesondere für die Bundespolizei. Nach § 12 Abs. 5 Satz 1 BPolG sind Beamte im Vollzugsdienst der Bundespolizei, die mindestens vier Jahre dem Polizeivollzugsdienst angehören, Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft nach § 152 GVG und haben damit die Rechte und Pflichten der Polizeibeamten nach der StPO. In dieser Funktion sind sie zur Ausführung von Beschlüssen nach § 27 befugt und hierzu bei entsprechenden Weisungen ihrer Vorgesetzten auch verpflichtet (Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Rn. 50 zu § 27 BDG m.w.N.).
Zwar wurden bei der Durchsuchung der Wohnung entgegen § 105 Abs. 2 StPO keine Zeugen hinzugezogen. Nach den glaubhaften Angaben des als Zeugen einvernommenen PHK … hatte der Beklagte jedoch ausdrücklich auf die Zuziehung von Zeugen verzichtet. Dies ist rechtlich zulässig (BeckOK StPO/Hegmann, Rn. 22 zu § 105 StPO).
Bei der Durchsuchung wurden die Vorgaben des § 102 StPO beachtet. Dem Verdächtigen gehörende Sachen sind bewegliche Sachen, die in seinem Gewahrsam stehen, auf die Eigentumsverhältnisse kommt es nicht an. Ein Mitgewahrsam genügt für § 102 StPO (Löwe-Rosenberg, StPO, 26. A. 2014, Rn. 40 zu § 102).
Sämtliche sichergestellten Unterlagen bzw. Gegenstände standen im Gewahrsam des Beklagten als Wohnungsinhaber bzw. Fahrzeughalter. Bezüglich des PC-Tower Asus bestand zumindest Mitgewahrsam mit seiner Lebensgefährtin Frau …
5. Mit Schreiben vom 10. Oktober 2012 wandte sich der Beklagte in dem Verfahren mit dem Aktenzeichen … an das Amtsgericht … und legte Widerspruch/Einspruch ein. Der Beklagte wies darauf hin, dass das Schreiben des Amtsgerichts wegen fehlender Unterschrift ohnehin rechtsungültig sei. Gemäß § 117 in Verbindung mit § 275 StPO in Verbindung mit § 375 ZPO dürfe eine Kopie, Ausfertigung sich nicht vom Original unterscheiden. Sonst sei die Kopie oder die Ausfertigung nur ein Musterschreiben und als solches zu werten. Er weise darauf hin, dass das Schreiben des Gerichts keine Rechtskraft habe. Des Weiteren fordere er, dass ihm das Urteil mit Originalunterschrift des Richters zugestellt werde.
6. Am 5. Januar 2012 teilte der Beklagte nach Erhalt einer Verwarnung mit Verwarnungsgeld in Höhe von 20 EUR durch das Regierungspräsidium … folgendes mit:
„Hallo Frau …, Verwarnung ist leider nicht unterschrieben!
(Verstoß gegen § 126 BGB → persönliche Haftung) Das OWiG wurde am 11.10.2007 im Bundestag zur rückwirkenden Aufhebung beschlossen. Nach welcher Rechtsgrundlage verwarnen Sie mich? Bitte um Beachtung.“
III.
Aufgrund des unter II. dargestellten, zur Überzeugung der Kammer nachgewiesenen Sachverhalts sowie der Äußerungen des Beklagten im Disziplinarverfahren bzw. im Disziplinarklageverfahren steht zur vollen Überzeugung der Kammer fest, dass der Beklagte Gedankengut der Reichsbürgerszene (auch nach außen) vertritt.
Der Beklagte hat in seinem Antrag auf Feststellung der Staatsangehörigkeit (Staatsangehörigkeitsausweis) vom 5. Dezember 2013 beim Landratsamt … als seinen Geburts- und Wohnsitzstaat „Königreich Bayern“ angegeben und zudem erklärt, er besitze die Staatangehörigkeit des Königreichs Bayern. Dies ist ein für „Reichsbürger“ typisches Vorgehen und ist ein starkes Indiz dafür, dass der Beklagte vom Fortbestehen des Königreichs Bayern ausgeht und damit aber auch die Gründung des Bundeslandes Bayern sowie der Bundesrepublik Deutschland in Abrede stellt (vgl. OVG NW, B.v. 22.3.2017 – 3d 296/17.O, juris; VG Mageburg, B.v. 2.11.2016 – 15 B 32.16, juris).
Die von dem Beklagten für die Antragstellung genannte Begründung rechtfertigt keine andere Bewertung. Es bestand für die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises kein sachlicher Grund. Der Beklagte ist nach seinen eigenen Angaben seit dem 2. April 1990 bei der Bundespolizei tätig. Die Ernennung zum Lebenszeitbeamten erfolgte zum 7. Februar 1998. Seitens des Dienstherrn wurde und wird an der Eigenschaft des Beklagten als Deutscher im Sinne des Art. 116 GG und § 7 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG nicht gezweifelt, so dass der Beklagte gerade nicht verpflichtet war, dreizehn Jahre nach seiner Einstellung in den Polizeivollzugsdienst zum Nachweis seiner – nie bestrittenen – Staatsangehörigkeit einen Staatsangehörigkeitsausweis zu beantragen.
Auch die Behauptung des Beklagten, er habe wegen einer irreführenden Anleitung im Internet bei Ausfüllen des Antragsformulars fehlerhaft mehrfach „Königreich Bayern“ eingetragen, vermag den Beklagten nicht zu entlasten. Der Vordruck F enthält die eindeutige Formulierung „Angaben zu meiner Person (Antragsteller/in)“. Die Behauptung des Beklagten, er habe als Geburts- und Wohnsitzstaat „Königreich Bayern“ angegeben, da er seine Vorfahren habe nachweisen müssen, ist abwegig, da das Formular F eindeutig und völlig zweifelsfrei nur Angaben zur Person des Beklagten verlangt.
Auch die Erklärungen, die der Beklagte anlässlich der bei ihm durchgeführten Durchsuchung zu dem von ihm beantragten Staatsangehörigkeitsausweis gemacht hat, belegt, dass er dem Gedankengut der Reichsbürgerszene verhaftet ist. Denn der Beklagte betonte nochmals, dass es unbedingt erforderlich sei, das Königreich Bayern einzutragen, da sein Großvater im Königreich Bayern geboren worden sei. In diesem Zusammenhang stellte der Beklagte die These auf, dass es nur etwa 4 Millionen deutsche Staatsangehörige im Bundesgebiet gebe, aber nur die wenigsten Deutschen hierüber Bescheid wüssten. Auch dies ist eine typisches Gedankengut der Reichsbürgerszene.
Auch das Verhalten des Beklagten anlässlich der Personenkontrolle am 26. Januar 2017, als er auf dem Weg in die Gaststätte … war, in der ein Treffen von Personen aus der Reichsbürgerszene stattfand, belegt, dass der Beklagte diesem Personenkreis zuzurechnen ist. So kam der Beklagte ungefragt auf die Geschehnisse in Georgensgmünd zu sprechen, bei welchen am 19. Oktober 2016 ein SEK-Beamter durch einen Wohnungsinhaber aus der Reichsbürgerszene erschossen wurde. Über diesen Vorfall, der damals bereits drei Monate zurück lag, wurde in den Medien ausführlich berichtet. Der Beklagte sprach in diesem Zusammenhang von einer Verschwörung, und das die zweite von sieben Stufen erreicht sei. Er stellte infrage, dass der genannte Beamte tatsächlich ums Leben gekommen sei.
Diese Thesen wiederholte der Beklagte auch anlässlich der bei ihm durchgeführten Wohnungsdurchsuchung. Auch hier äußerte er Zweifel an der Richtigkeit der Berichte über den Todesfall in Georgensgmünd und daran, dass der SEK-Beamte bei der Beerdigung tatsächlich in dem Sarg bestattet worden sei.
Schließlich äußerte der Beklagte anlässlich der Kontrolle am 26. Januar 2017 auch, dass die in der Bundesrepublik Deutschland gültigen Gesetze solche der Alliierten seien.
Hinzu kommt, dass der Beklagte bereits am 2. April 2014 die Gaststätte … aufgesucht hat, als dort zwei bekannte Reichsbürger ein Treffen organisiert hatten.
Auch die am 4. Mai 2017 im Anwesen des Beklagten sichergestellten Gegenstände weisen einen eindeutigen Bezug zum Gedankengut der Reichsbürgerszene auf.
So fanden sich allein im Fahrzeug (VW Bus) des Beklagten 46 Flyer zum dem Buch „Wenn das die Deutschen wüssten…“ von Daniel Prinz, sowie weitere 300 derartiger Flyer in der Wohnung.
Unter www.amazon.de findet sich zu dem Buch folgende Inhaltsangabe:
„Wussten Sie, dass Ihr Personalausweis oder Ihr Reisepass nicht Ihre deutsche Staatsangehörigkeit bestätigt und fast alle Deutschen in ihrem eigenen Land staatenlos sind? Nein? Es gibt tatsächlich ein Dokument, welches die rechtmäßige Staatsangehörigkeit bescheinigt, aber es ist keines der beiden zuvor genannten. Nur wenige Deutsche sind im Besitz dieser speziellen Urkunde, z.B. viele Staatsanwälte, Notare, Bundespolizisten oder Politiker. Wussten Sie zudem, dass Gerichtsvollzieher in der BRD seit 2012 keine Beamten mehr sind oder dass die BRD selbst gar kein Staat ist – und auch nie war -, sondern eine von den Alliierten installierte Verwaltung, die großteils innerhalb einer „Firmenstruktur“ operiert? War Ihnen geläufig, dass wir bald in die „Vereinigten Staaten von Europa“ übergehen und die Menschen in „handelbare Waren” umfunktioniert werden? Haben Sie sich nicht auch schon gewundert, wieso aus dem Arbeitsamt eine „Agentur für Arbeit“ geworden ist oder warum Sie vor Gericht als „Sache“ behandelt werden und nicht als Mann oder Frau? Und Sie werden wahrscheinlich auch überrascht sein, wenn Daniel Prinz Ihnen die Rolle des Vatikans und der katholischen Kirche darlegt, die darin genauso verwickelt sind wie die City of London. War Ihnen bewusst, dass die Sklaverei in Wirklichkeit nie abgeschafft wurde?
Der Autor beantwortet nicht nur diese Fragen ausführlich, sondern zeigt zudem auf, welche höchst raffinierten und hinterhältigen Mechanismen eingesetzt werden, die uns alle versklavt haben und dafür sorgen sollen, dass wir aus dem gegenwärtigen, riesigen Hamsterrad nie ausbrechen. Im Buch kommt dabei auch ein Insider zu Wort, der mit weiteren brisanten Fakten aus dem Nähkästchen plaudert, z.B. auch, auf wie viele Menschen die Weltbevölkerung von der Elite reduziert werden soll. Wie ein roter Faden wird das gesamte Konstrukt offenbart, auf dem dieses Kontroll- und Machtsystem aufgebaut ist. Sie glauben, Sie wüssten als aufgewachter „Bürger“ tatsächlich bereits über alles Bescheid? Dann werden Sie spätestens hier eines Besseren belehrt.
Daniel Prinz bleibt jedoch bei all diesen Informationen nicht stehen. Er präsentiert im zweiten Teil des Buches auch tiefgreifende und fundierte Ideen und Lösungsansätze, die aufzeigen, wie wir uns aus diesem Sklavensystem wieder befreien und eine wirklich gerechte Welt in Frieden und Harmonie erschaffen können. Und bei dem Ganzen spielt Deutschland die Schlüsselrolle.“
Die große Zahl der Flyer für dieses Buch, die allein im Fahrzeug des Beklagten aufgefunden wurden, lässt nur den Schluss zu, dass der Beklagte für das genannte Buch aktiv Werbung betreibt, sich also die Thesen des Herrn Prinz, die BRD sei selbst gar kein Staat – und auch nie gewesen -, sondern eine von den Alliierten installierte Verwaltung, die überwiegend innerhalb einer „Firmenstruktur“ operiere, zu eigen macht.
Auch die sichergestellte DVD mit der Beschriftung „…, Urahnenerbe“ und „… Holocaust“ enthält Gedankengut der Reichsbürgerbewegung. Laut Wikipedia handele es sich bei Frau … um eine mehrmals verurteilte Holocaust-Leugnerin und Rechtsextremistin, … ist Begründer einer neopaganen-braun-esotherischen Bewegung aus dem deutschen rechten Milieu der „Selbstversorger“ und „völkischen“ Siedler.
Weiter wurden eine Visitenkarte mit der Bezeichnung „Die Exil-Regierung Deutsches Reich“ und Flyer mit dem Aufdruck „Kein Friedensvertrag! D seit 1945 besetzt!“, sowie eine Visitenkarte „Volksaufklärung“ mit der Handynummer von … aufgefunden. Letzterer betreibt die Homepage der …*). Auf dieser spricht Herr … die Leser mit „Geliebte Reichsbürger!“ an.
Ebenfalls sichergestellt wurden Einladungen für Treffen des Vereins „…“ in der Gaststätte … in … Der Beklagte ist nach eigenen Angaben Mitglied dieses Vereins. Einem ebenfalls sichergestellten Flyer des genannten Vereins ist zu entnehmen, dass dieser sich u.a. mit den Fragen beschäftigt, weshalb die BRD eine Verwaltung und kein Staat sei und weshalb BRD-Einwohner fast alle Staatenlose seien, typische Thesen, die von der Reichsbürgerszene vertreten werden.
Schließlich hat der Beklagte in seiner Stellungnahme vom 5. Januar 2012 in einem Verwarnungsgeldverfahren gegenüber dem Respektierungspräsidium … geäußert, dass das Ordnungswidrigkeitengesetz am 11. Oktober 2007 im Bundestag aufgehoben worden sei. Es gebe deshalb keine Rechtsgrundlage für die Festsetzung eines Verwarnungsgeldes. Darüber hinaus rügte der Beklagte – wie auch in seinem Schreiben vom 10. Oktober 2012 an das Amtsgericht … – das Fehlen einer Unterschrift, woraus sich eine persönliche Haftung des Adressaten seines Schreibens ergebe.
Auch dies sind reichsbürgertypische Thesen und Formulierungen (vgl. zum Ganzen: Caspar/Neubauer, Durchs wilde Absurdistan – oder: Wie „Reichsbürger“ den Fortbestand des Deutschen Reichs beweisen wollen, LKV 2012, 529; Caspar/Neubauer, „Ich mach´ mir die Welt, wie sie mir gefällt“ – Reichsbürger in der real existierenden Bundesrepublik Deutschland, LKV 2017, 1; Amadeu Antonio Stiftung, Die „Reichsbürger“: Überzeugungen, Gefahren und Handlungsstrategien, abrufbar unter:
https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/reichsbuerger_web.pdf).
Schließlich belegen die schriftlichen Ausführungen des Beklagten im Disziplinarverfahren, dass er Anhänger der Reichsbürgerbewegung ist und deren Gedankengut verinnerlicht hat.
So bestreitet er bereits die Existenz einer Reichsbürgerbewegung. Bei dieser handele es sich um eine „Phantasiebewegung eines Hobbyisten“. In der mündlichen Verhandlung verwahrte er sich ausdrücklich gegen die Verwendung des Begriffs „Reichsbürger“ durch den Vorsitzenden.
Die Existenz der Reichsbürgerbewegung muss jedoch gerade auch dem Beklagten als einem Beamten im Polizeivollzugsdienst bekannt sein.
Die Reichsbürgerbewegung entstand in den 1980er Jahren und tritt seit 2010 verstärkt in Erscheinung, seit 2013 auch mit Militanz. Der Bundesverfassungsschutz rechnet der Bewegung im September 2017 rund 15.000 Personen zu; davon gelten 900 Personen als Rechtsextremisten. Rund 13.000 Straftaten werden „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ seit deren Erfassung zugerechnet, davon 750 Gewaltdelikte (Quelle: Wikipedia). Die Zahl der der Reichbürgerszene zuzurechnenden Personen ist allein in Bayern bis Dezember 2017 auf ca. 3.500 Personen angestiegen (Nürnberger Nachrichten vom 27.12.2017).
Inzwischen gibt es ca. 19.000 sog. Reichsbürger und Selbstverwalter. 950 von ihnen werden als Rechtsextremisten eingestuft (SZ vom 28.10.2018).
Es gibt zudem eine Reihe von im Internet abrufbaren Publikationen, die sich mit der Reichbürgerbewegung befassen. So hat beispielsweise das Amt für Verfassungsschutz des Freistaats Thüringen eine Broschüre mit dem Titel „Reichsbürger“ – Querulanten oder Verfassungsfeinde?“, Stand September 2017 herausgegeben.
Die Argumentation des Beklagten beinhaltet für Anhänger der Reichsbürgerbewegung typische Formulierungen, die sich insbesondere in seinem Schreiben vom 28. Mai 2017 dokumentieren. Dort bezeichnet sich der Beklagte auf Seite 4 beispielsweise als „die Person …“ und spricht auf Seite 1 von „der Person … in der Funktion als Regierungsdirektor“.
Auch nachfolgend hat sich der Beklagte im Verfahren konsequent als „die Person …“ bezeichnet. Beide Formulierungen erwecken zumindest den Eindruck, als ob der Beklagte Zweifel an der Legitimation des Handelns von Herrn RD … hegt und sich selbst als eine außerhalb des Staatssystems der Bundesrepublik Deutschland sehende Person ansieht.
Der Beklagte bestreitet in dem genannten Schreiben erneut die Existenz der Reichsbürgerbewegung und spricht von einer Hexenjagd auf „Reichsbürger“. Er unterstellt, dass ungesetzliche Ermittlungen auf der Grundlage von Verordnungen durchgeführt würden, die von den Aliierten ausdrücklich verboten worden seien, womit der Beklagte erneut die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland zumindest teilweise in Frage stellt.
Der Beklagte hat durch sein Verhalten gegen die politische Treuepflicht nach § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG, § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verstoßen und damit seine Dienstpflichten verletzt.
Die Treuepflicht gebietet, den Staat und seine geltende Verfassungsordnung, auch soweit sie im Wege einer Verfassungsänderung veränderbar ist, zu bejahen und dies nicht bloß verbal, sondern insbesondere in der beruflichen Tätigkeit dadurch, dass der Beamte die bestehenden verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorschriften beachtet und erfüllt und sein Amt aus dem Geist dieser Vorschriften herausführt. Die politische Treuepflicht fordert mehr als eine nur formal korrekte, im Übrigen uninteressierte, kühle, innerlich distanzierte Haltung gegenüber Staat und Verfassung; sie fordert vom Beamten insbesondere, dass es sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren. Vom Beamten wird erwartet, dass er diesen Staat und seine Verfassung als einen hohen positiven Wert erkennt und anerkennt, für den einzutreten sich lohnt. Politische Treuepflicht bewährt sich in Krisenzeiten und in ernsthaften Konfliktsituationen, in denen der Staat darauf angewiesen ist, dass der Beamte Partei für ihn ergreift (BVerfG, B.v. 22.5.1975 – 2 BvL 13/73, juris).
Dies ist nicht gewährleistet, wenn ein Beamter als „Reichsbürger“ oder Anhänger der „Reichsbürgerbewegung“, aber auch unabhängig von der Zugehörigkeit zu dieser Bewegung und dem Verfolgen dieser Theorien die Geltung des Grundgesetzes und die verfassungsmäßigen Strukturen der Bundesrepublik Deutschland in Frage stellt (vgl. OVG NW, B.v. 22.3.2017 – 3d 296/17.O, juris; VG München, U.v. 8.2.2018 – M 19L DK 17.5914; VG Düsseldorf, B.v. 12.7.2017 – 35 L 2031/17.O. juris; B.v. 23.11.2016 – 35 K 13737/16, juris; VG Magdeburg, U.v. 20.3.2017 – 15 A 16/16, juris; VG München, B.v. 20.6.2016 – M 5 S 16.1250, juris; OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 21.5.2015 – 10 M 4/15 u.a., juris)
Der Beklagte hat durch den im Disziplinarverfahren nachgewiesenen Verstoß gegen die politische Treuepflicht vorsätzlich und schuldhaft ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen im Sinne § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen. Denn die Pflicht zum Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist unteilbar und nicht auf den dienstlichen Raum beschränkt (BVerwG, U.v. 28.11.2001 – 16 D 00.2077, juris; BayVGH, U.v. 28.11.2001 – 16 D 00.2077, juris; VG Mageburg, U.v. 30.3.2017 – 15 A 16/16, juris).
Nach § 13 Abs. 1 BDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßen Ermessen, insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, dem Persönlichkeitsbild und der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14, juris; U.v. 29.10.2013 – 1 D 1.12, BVerwGE 148, 192). Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (BVerfG, B.v. 8.12.2004 – 2 BvR 52/02, BVerfGK 4, 243). Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 20.10.2005 – 2 C 12.04, BVerwGE 124, 252).
Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amtes erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 2 BDG). Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden.
Da die Schwere des Dienstvergehens nach § 13 Abs. 1 BDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 Abs. 1 BDG aufgeführten Disziplinarmaßnahme zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzung, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, U.v. 20.10.2005 – 2 C 12.04, BVerwGE 124, 252).
Die in Ausfüllung dieses Rahmens zu treffende Bemessungsentscheidung führt gemäß § 13 Abs. 2 BDG zur Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis, weil er durch sein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn und auch der Allgemeinheit endgültig verloren hat.
Der Beklagte identifiziert sich mindestens seit Ende des Jahres 2013, als er die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises beantragt hat, mit dem Gedankengut der Reichsbürgerszene. Das Vorhalten von Flyern für das Buch „Wenn das die Deutschen wüssten…“ und von Einladungen für Treffen für den Verein „…“, in welcher der Beklagte Mitglied ist, belegt, dass der Beklagte weiterhin Gedankengut der Reichsbürgerszene vertritt. Dies zeigen auch die sonstigen, beim Beklagten sichergestellten Gegenstände, die einen entsprechenden Bezug aufweisen.
Der Beklagte leugnet bis heute die Existenz dieser Bewegung, insbesondere im Zusammenhang mit der Tötung eines SEK-Beamten am 19. Oktober 2016 in Georgensgmünd, ein für einen als Polizeibeamten im Hinblick auf die Faktenlage nicht hinnehmbares Verhalten. In der mündlichen Verhandlung forderte der Beklagte den Vorsitzenden dann sogar auf, den Begriff „Reichsbürger“ nicht zu verwenden. Es ist somit nicht erkennbar, dass sich der Beklagte inzwischen vom Gedankengut der Reichsbürgerszene gelöst hätte und nunmehr die Gewähr für künftig verfassungstreues Verhalten bieten würde.
Wie bereits ausgeführt setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (B.v. 22.5.1975 – 2 BvL 13/73; juris) die – für jede Art von Beamtenverhältnis geltende – Verfassungstreue bei Beamten mehr als nur eine formal-korrekte, im Übrigen uninteressierte, kühle sowie innerlich distanzierte Haltung gegenüber den wesentlichen Wertentscheidungen des Grundgesetzes voraus. Vielmehr ist der Beamte zur Aktivität verpflichtet, wie sich aus den Worten „bekennen“ und „eintreten“ ergebe. Die daraus resultierende Pflicht umfasst auch die Verpflichtung, alles zu unterlassen, was geeignet ist, den Anschein zu erwecken, verfassungsfeindliche Ansichten Dritter zu teilen oder zu fördern. Dabei darf sich der Beamte nicht passiv verhalten, da dies als stillschweigende Billigung des verfassungsfeindlichen Verhaltens gewertet werden könnte.
Für den Tatbestand der Ansehensschädigung als Teil des Wohlverhaltens ist es ausreichend, wenn ein Verhalten zur Beeinträchtigung von Achtung und Vertrauen geeignet ist, so dass eine tatsächliche Beeinträchtigung nicht erforderlich ist (BVerwG, U.v. 8.5.2011 – 1 D 20.00, juris; BVerfG, B.v. 5.12.2008 – 1 BvR 1318/07. juris; LAG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2010 – 10 Sa 308/10, juris VG Magdeburg, U.v. 8.6.2011 – 8 A 16/10 MD, juris), wobei vorliegend jedoch auch eine tatsächliche Beeinträchtigung zu bejahen ist.
Denn von einem Polizeivollzugsbeamten ist als einem Repräsentanten der staatlichen Ordnung zu erwarten, dass er die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und der staatlichen Gesetze respektiert und sein polizeiliches dienstliches und außerdienstliches Handeln danach bestimmt. Die Bürger und damit die Öffentlichkeit begegnen einem Polizeivollzugsbeamten, der – wie der Beklagte – sich mit der Reichsbürgerszene identifiziert und deren Gedankengut vertritt, mit Unverständnis, was zu einem Ansehensschaden des Berufs des Polizeivollzugsbeamten, der Polizei und der gesamten staatlichen Ordnung führt.
Durchgreifende Milderungsgründe, die es ermöglichen würden, von der Verhängung der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme abzusehen, sind nicht ersichtlich.
Das zu ahndende Verhalten des Beklagten stellt sich insbesondere nicht als unbedachte persönlichkeitsfremde Augenblickstat dar.
Es bestehen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass der Beklagte die ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen wegen einer krankhaften seelischen Störung im Zustand der erheblich verminderten Schuldfähigkeit i.S.d §§ 20, 21 StGB begangen hat.
Zugunsten des Beklagten ist zwar zu berücksichtigen, dass er bisher nicht straf- und disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten ist. Hierzu ist jedoch festzuhalten, dass auch langjähriges beanstandungsfreies dienstliches Verhalten jedenfalls bei gravierenden Dienstpflichtverletzungen in aller Regel nicht durchgreifend mildernd ins Gewicht fällt (vgl. BayVGH, U.v. 3.5.2018 – 16a D 15.2087, juris Rn. 61).
Unerheblich ist auch, dass der Beklagte sich wiederholt auf seine christliche Gesinnung und den Besitz mehrerer Exemplare des Grundgesetzes berufen hat, von denen er neben einer Bibel ein Exemplar in der mündlichen Verhandlung bei sich führte. Dies entkräftet nicht die im Verfahren festgestellten Fakten, die zur Überzeugung des Gerichts belegen, dass der Beklagte Gedankengut der Reichsbürgerszene (auch nach außen) vertritt.
Die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis ist auch nicht unverhältnismäßig. Das aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) folgende Verhältnismäßigkeitsgebot beansprucht auch bei der Verhängung von Disziplinarmaßnahmen Geltung. Danach muss die dem Beamten staatlicherseits auferlegte Belastung geeignet und erforderlich sein, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Zudem darf der Eingriff seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den vom Beamten hinzunehmenden Einbußen stehen. Die Entfernung eines aktiven Beamten aus dem Beamtenverhältnis als disziplinare Höchstmaßnahme verfolgt neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung auch die Zwecke der Generalprävention, der Gleichbehandlung und der Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels durchgreifender Milderungsgründe das Vertrauen endgültig zerstört, erweist sich die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als erforderliche und geeignete Maßnahme, den aufgezeigten Zwecken der Disziplinarmaßnahme Geltung zu verschaffen. Abzuwägen sind dabei das Gewicht des Dienstvergehens und des dadurch eingetretenen Vertrauensschaden einerseits und die mit der Verhängung der Höchstmaßnahme einhergehende Belastung andererseits. Ist das Vertrauensverhältnis wie hier gänzlich zerstört, erweist sich die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen. Die Auflösung des Dienstverhältnisses beruht dann nämlich auf der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem als für alle öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Folge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen (BVerwG, U.v. 14.10.2003 – 1 D 2.03, juris; BayVGH, U.v. 11.10.2017 – 16a D 15.2759, juris Rn. 56).
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

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