Aktenzeichen 16a D 15.2267
Leitsatz
1 Ein Beamter, der sich der Verbreitung pornographischer Schriften in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung gegenüber einer 15-jährigen, die ihm aufgrund seines Amtes zur Ausbildung und Erziehung besonders anvertraut ist, strafbar gemacht hat, beeinträchtigt das für die Ausübung seines Berufes erforderliche Vertrauen seines Dienstherrn und sein Ansehen in der Öffentlichkeit auf das Schwerste und macht sich untragbar. (Rn. 164) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der freie Verkauf der Romantrilogie „Fifty Shades of Grey“ rechtfertigt unter keinem denkbaren Gesichtspunkt, dass der Beklagte einer erst 15-jährigen Schülerin mit dem Anhang in einer E-Mail einen pornographischen Text mit detaillierten Schilderungen diverser sadomasochistischer Sexualpraktiken zumutet und damit eine erhebliche Grenzverletzung im Lehrer-Schüler-Verhältnis begeht. (Rn. 190) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 19 DK 15.1048 2015-08-17 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Gründe
Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Art. 11 BayDG) verhängt.
Der Beklagte hat ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen (1.). Die grundsätzliche Zuordnung des Dienstvergehens nach seiner Schwere zu einer der Disziplinarmaßnahmen nach Art. 6 BayDG richtet sich nach dem gesetzlich bestimmten Strafrahmen (2.1). Ein Beamter, der sich der Verbreitung pornografischer Schriften in Tateinheit mit vorsätzlicher Köperverletzung gegenüber einer 15-jährigen Schülerin, die ihm aufgrund seines Amtes zur Ausbildung und Erziehung besonders anvertraut ist, strafbar gemacht hat, beeinträchtigt das für die Ausübung seines Berufs erforderliche Vertrauen seines Dienstherrn und sein Ansehen in der Öffentlichkeit auf das Schwerste und macht sich untragbar. In diesem Fall ist die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens geboten (2.2). Die in der Rechtsprechung entwickelten „anerkannten“ Milderungsgründe kommen dem Beklagten nicht zugute (2.3). Die Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände ergibt, dass der Beklagte wegen des endgültigen Verlustes des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist (2.4).
1. Der dem Beklagten zur Last gelegte Sachverhalt, der dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts A. vom 2. Juni 2014 zugrunde liegt, steht gemäß Art. 25 Abs. 1, 55, 63 Abs. 1 Satz 1 BayDG für den Senat bindend fest. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Beklagte an die Schülerin A. K. die E-Mail-Anhänge „Phantasie.doc“, „Generalbeichte.doc“ und „Träume von Dir.doc“ versandt, wobei er sich mit der Versendung des E-Mail-Anhangs „Phantasie.doc“ der Verbreitung pornografischer Schriften in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung gemäß §§ 223, 230 I, 184 Abs. 1 Nr. 1, 52 StGB schuldig gemacht. Fest steht auch, dass der Beklagte mit der Schülerin in der Zeit von Sylvester 2011 bis September 2012 eine rege E-Mail-Korrespondenz – zumeist in den Nachstunden – unterhalten hat. Schlusspunkt dieses Kontakts war die E-Mail mit dem Betreff „Morgen“, die der Beklagte am 10. September 2012 versandte.
Der Einbeziehung der Anhänge „Generalbeichte“ und „Träume von Dir.doc“ in das Disziplinarverfahren steht Art. 15 Abs. 2 BayDG nicht entgegen. Zwar wurde der Beklagte insoweit (in zweiter Instanz) freigesprochen, das Maßnahmeverbot greift aber dann nicht, wenn ein disziplinarrechtlicher Überhang besteht. Ein disziplinarrechtlicher Überhang besteht, wenn ein Tatbestand, ohne eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit darzustellen, ein Dienstvergehen enthält (vgl. BVerwG, B.v. 5.5.2015 – 2 B 32/14 – juris Rn. 7; Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Stand: Aug. 2016, Art. 15 Rn. 58 f.). Das ist hier der Fall. Der Beklagte hat durch sein distanzloses Verhalten gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) verstoßen. Entsprechend des umfassenden Bildungsauftrags der Schule (Art. 1 und 2 BayEUG) hat ein Lehrer gegenüber den Schülern nicht nur die Pflicht zum Unterricht, sondern auch zur Erziehung unter Beachtung der Elternrechte. Er muss insbesondere die geistige und sittliche Entwicklung der ihm anvertrauten Kinder fördern und schützen. Schüler, Eltern, Dienstherr und Öffentlichkeit müssen sich unbedingt darauf verlassen können, dass Übergriffe von Lehrern auf Schüler unterbleiben. Deswegen bedarf er in besonderem Maße des uneingeschränkten Vertrauens sowohl des Dienstherrn als auch der Eltern, die ihre Kinder in die Obhut der Schule geben. Eltern und Öffentlichkeit müssen darauf vertrauen können, dass ein Lehrer seine minderjährigen Schüler nicht in verfängliche Situation bringt, die es als fraglich erscheinen lassen, dass er die psychische und physische Integrität, die Intimsphäre sowie die sexuelle Selbstbestimmung der Schüler in der gebotenen Weise respektiert. Bereits um den Schuldfrieden potentiell beeinträchtigende Sorgen der Eltern zu vermeiden, ist daher jedes Verhalten zu unterlassen, das den berechtigten Verdacht entsprechender Grenzüberschreitungen begründet (vgl. BVerwG, B.v. 1.3.2012 – 2 B 140/11 – juris Rn. 9). Damit besteht ein disziplinarer Überhang in Form der Verletzung der Wohlverhaltenspflicht, hier: sexuelle Grenzüberschreitungen gegenüber einer Schülerin.
Der Beklagte hat den ihm vorgeworfenen Sachverhalt im gerichtlichen Verfahren sowohl vor dem Verwaltungsgericht als auch vor dem Verwaltungsgerichtshof eingeräumt.
Der Beklagte hat das Dienstvergehen innerdienstlich begangen. Für die rechtliche Einordnung eines Verhaltens als innerdienstliche Pflichtverletzung kommt es in erster Linie auf die materielle Dienstbezogenheit an. Entscheidend für die rechtliche Einordnung eines Verhaltens als innerdienstliche Pflichtverletzung ist dessen kausale und logische Einbindung in ein Amt und die damit verbundene dienstliche Tätigkeit (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2001 – 1 D 55.99 – juris Rn. 57, U.v. 19.8.2010 – 2 C 5.10 – juris Rn. 9; U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Rn. 10). Diese kausale und logische Einbindung in das Amt des Beklagten als Lehrer ist gegeben. Der Ursachenzusammenhang folgt aus der Stellung des Beklagten gegenüber der Schülerin als ihr Lehrer (vgl. OVG NW, U.v. 30.3.3017 – 3d A 1512/13.O – juris Rn. 91/93; BayVGH, U.v. 13.6.2012 – 16a D 10.1098 – juris Rn. 39).
Der Beklagte hat durch sein Verhalten vorsätzlich und schuldhaft gegen die Pflicht verstoßen, die Gesetze zu beachten (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG i.V.m. §§ 223, 230 Abs. 1, 184 Abs. 1 Nr. 1, 52 StGB). Weiter hat er dadurch seine Pflicht zu einem achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) verletzt.
2. Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG und der dieser Vorschrift inhaltlich entsprechenden Bemessungsregelung des Disziplinargesetzes des Bundes ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 – ZBR 2016, 254 – juris Rn. 12 m.w.N.).
Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amts erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG). Nur so können die Integrität des Berufsbeamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden. Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 – ZBR 2016, 254 – juris Rn. 12/13).
2.1 Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 Abs. 1 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahme zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzungen, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für seine Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 – ZBR 2016, 254 – juris Rn. 16).
Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, greift der Senat auch bei innerdienstlich begangenen Straftaten nunmehr auf den Strafrahmen zurück und folgt damit der geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 – ZBR 2016, 254; B.v. 05.7.2016 – 2 B 24/16 – juris Rn. 14).
Vorliegend stellen die dienstpflichtverletzenden Handlungen, welche auch dem Urteil des Landgerichts A. zugrunde lagen, sehr schwere Dienstpflichtverletzungen dar. Dies ergibt sich schon daraus, dass für die Straftat einer vorsätzlichen Körperverletzung ein Strafrahmen von bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe besteht. Damit bewegt sich die Strafandrohung weit über dem mittelschweren Bereich (vgl. BVerwG, U.v. 24.11.2015 – 2 WD 15/14 – juris Rn. 51; U.v. 20.3.2014 – 2 WD 5.13 – juris). Begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht (hier sind es bis zu fünf Jahre), reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 – juris Rn. 20).
2.2. Die in Ausfüllung dieses Rahmens zu treffende Bemessungsentscheidung nach Maßgabe des Art. 14 BayDG führt zur Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis, weil er durch sein Dienstvergehen das Vertrauen des Klägers und auch der Allgemeinheit endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG).
Die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens ist hier wegen der konkreten Umstände des Dienstvergehens geboten.
Der Beklagte hat seine Nichteignung für den Lehrerberuf gezeigt. Ein Lehrer ist nach dem umfassenden Bildungsauftrag der Schule nicht nur zur Vermittlung von Wissen, sondern auch zur Erziehung der Kinder verpflichtet. Er muss insbesondere die geistige und sittliche Entwicklung der ihm anvertrauten Kinder fördern und schützen. Zudem muss der Lehrer in seiner Vorbildfunktion die verfassungsrechtlich geschützte Wertordnung glaubhaft vermitteln (vgl. BVerwG, U.v. 19.8.2010 – 2 C 5/10 – juris Rn. 17). Schüler, Eltern, Vorgesetzte und Öffentlichkeit müssen sich unbedingt darauf verlassen können, dass sexuelle Verfehlungen von Lehrern gegenüber Schülern unterbleiben. Die Wahrung der Integrität der Schüler, die Pflicht zur Gewährleistung ihrer behutsamen Entwicklung sowie Anspruch und Vertrauen der Schüler und Eltern darauf, dass Lehrer das Obhut- und Näheverhältnis zu den Schülern nicht zur Verfolgung eigener Bedürfnisse ausnutzen, verpflichten den Lehrer dazu, sich in sexueller Hinsicht uneingeschränkt korrekt – in Wort und Tat – zu verhalten (vgl. BayVGH, U.v. 9.4.2014 – 16a D 12.1439 – juris Rn. 91).
Der Inhalt des Anhangs „Phantasie.doc“ ist mit vorbenanntem Bildungsauftrag der Schule unvereinbar. Mit dem Versand der auf die Schülerin N. H. bezogenen sadomasochistischen Fantasien hat der Beklagte in erster Linie seine eigenen Bedürfnisse befriedigt, die Erfordernisse seines Berufs, insbesondere das der sexuellen Zurückhaltung, zurücktreten lassen und sich damit als Lehrer und Pädagoge untragbar erwiesen. Bereits die Einleitung „Ich stehe auf Frauen, wenn sie gestiefelt, gefesselt und geknebelt sind, sodass sie sich nicht wehren können, wenn sie gequält und gefickt werden“ ist Ausdruck eines Rollenverständnisses, das im Verhältnis zwischen Lehrer und Schülerin inakzeptabel ist. Hierbei ist nicht entscheidend, ob der Sadomasochismus erwachsener Sexualpartner gesellschaftlich akzeptiert ist oder nicht. Im Verhältnis Lehrer und (minderjähriger) Schülerin sind sexuelle Devianzen jeder Art fehl am Platz. In der Fantasie des Beklagten fixiert er die Schülerin mit den Armen in Handschellen an einem Querbalken an der Decke und mit den Füßen in einer Spreizstange, traktiert sie mit einem „Dildo“ und schlägt sie mit einer Reitpeitsche. Diese Fantasien einer anderen Schülerin mit dem Bemerken zu offenbaren, „Dich zu quälen finde ich das Widerlichste überhaupt. Wenn ich an Dich denke, dann denke ich an Schmusen und Streicheln, an Küssen und Zärtlichkeit. Dich zu fesseln ist schwer vorstellbar. Inzwischen kann ich mir Dich gefesselt vorstellen“ ist eine nicht akzeptable Grenzüberschreitung, zumal auch gegenüber der Schülerin A. K. nicht nur die hehre Liebe, sondern durchaus eine latente Gewaltvorstellung formuliert wird. Insgesamt hat der Beklagte mit der Versendung des Anhangs „Phantasie.doc“ (E-Mail vom 10.9.2012, 1:06 Uhr) in erheblicher Weise in die sittliche und sexuelle Entwicklung eines jungen Menschen eingegriffen, weil die Schülerin wegen ihrer fehlenden oder noch nicht hinreichenden Reife intellektuell und gefühlsmäßig die sexuellen Perversionen mit detaillierten Schilderungen diverser sadomasochistischen Fantasien mit vollkommener Unterwerfung gegenüber dem Beklagten als „Meister“ mit einer ihr namentlich bekannten Mitschülerin gar nicht oder nur sehr schwer verarbeiten konnte. Zum Zeitpunkt des strafrechtlichen Berufungsurteils hatte die Schülerin bereits weit über 65 Therapiestunden absolviert. Ein Ende der Therapie war seinerzeit nicht abzusehen.
Auch der Inhalt des Anhangs „Generalbeichte.doc“ der E-Mail vom 10.9.2012 (0:09 Uhr) wahrt nicht die im Lehrer-Schüler-Verhältnis zwingend erforderliche Distanz. Er stellt vielmehr eine eklatante Überschreitung der durch den pädagogischen Auftrag bestimmten Grenze zwischen Lehrer und Schülerin dar. So bezeichnet sich der Beklagte selbst als Sadist und schildert seine sexuellen sadomasochistischen Vorlieben detailliert und schonungslos, ebenso seinen Wunsch, seine Freundin aus Macht- und Kontrollgelüsten als Sklavin zu behandeln.
Auch der Anhang „Träume von dir.doc“, in der Beklagte der Schülerin A. K. seine Träume über sexuelle Annäherungen zwischen ihnen sowie die Ausübung des Geschlechtsverkehrs schildet („Leicht führt mein bestes Stück über Deinen Hügel. Es ist ein irres Gefühl. Spätestens jetzt steht er wie eine Eins. Die Arme um den anderen geschlungen, versunken in einem tiefen Kuss, kommen wir zusammen. Es geht ganz von selbst. Auf dem Tisch sitzend streckst Du mir Dein Becken entgegen. Ich dringe in dich ein, erst ein wenig, dann immer tiefer…“), lässt ein korrektes Lehrer-Schüler-Verhältnis missen. Auch hier hat der Beklagte in sexueller Hinsicht nicht die gebotene Zurückhaltung gezeigt, die einen Pädagogen als neutrale Instanz auszeichnet. Der Beklagte bekennt offen, dass er die sadistische Ader in sich nie ganz abstellen können wird und er auf junge Mädchen zwischen 13 und 17 steht. Dass er bei den Schilderungen seiner Sexualneigungen und seiner parthenophilen Sexualpräferenz nicht nur die Schülerin A. K., sondern auch andere, ihr bekannte Schülerinnen als Bezugsobjekte verwendet, intensiviert sein distanzloses Verhalten zusätzlich. Hinzu kommt, dass der Beklagte die Trennung der Schülerin von ihren Eltern und das Verlassen des Elternhauses und ein Hinwenden zu ihm thematisiert und so einen Interessenkonflikt schafft, der für einen Pädagogen inakzeptabel ist.
Mit einem korrekten Lehrer-Schüler-Verhältnis unvereinbar ist schließlich auch die E-Mail vom 19. September 2012 mit dem Betreff „Morgen“. Der Beklagte informiert die Schülerin über seine sexuellen Gewohnheiten („Du weißt, dass ich perverse Vorstellungen von Sex habe. Ich bin Fetischist.“) und thematisiert insbesondere Selbstbefriedigung bei sich („mindestens dreimal… am Tag“) und der Schülerin und bietet an, ihr Internetseiten zu sadomasochistischen Praktiken – aus denen er seine Anregungen und Fantasien hole – zu nennen. Zu berücksichtigen war schließlich auch, dass es sich bei dem Dienstvergehen nicht um ein einmaliges Fehlverhalten handelte, sondern der Email-Kontakt mit der Schülerin nahezu ein Jahr andauerte und die Schülerin erhebliche psychische Beeinträchtigungen erlitten hat. Insgesamt ist daher wegen des Versagens im Kernbereich der Dienstpflichten und der groben Verletzung des verfassungsrechtlichen Erziehungsauftrags (Art. 131 Abs. 2 BV) die volle Ausschöpfung des Orientierungsrahmens geboten.
2.3 Die in der Rechtsprechung entwickelten sogenannten „anerkannten“ Milderungsgründe kommen dem Beklagten nicht zugute. Solche können teilweise zu einer Disziplinarmaßnahme führen, die um eine Stufe niedriger liegt als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme, es sei denn, es liegen gegenläufige belastende Umstände vor (vgl. BVerwG, B.v. 15.6.2016 – 2 B 49/15 – juris Rn. 13).
2.3.1 Der Beklagte hat das Dienstvergehen nicht im Zustand einer im Sinne des § 21 StGB erheblich verminderten Schuldfähigkeit begangen, die regelmäßig einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis entgegensteht (vgl. BVerwG B.v. 9.2.2016 – 2 B 84.14 – juris Rn. 21; B.v. 4.7.2013 – 2 B 76.12 – juris Rn. 19).
Der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie S. hat dem Beklagten unter dem 26. Mai 2014 eine „ängstlich depressive Anpassungsstörung (ICD-10: F43.2) vor dem Hintergrund einer sozialen Konfliktlage“ fachärztlich bestätigt. Das Attest der Therapeutin Dr. D. vom 22. Januar 2014 kommt zu dem Schluss, dass es sich nicht um eine schicksalhafte Erkrankung des Beklagten, sondern um ein Fehlverhalten handele, dessen Folgeschäden nicht beihilfefähig seien. Beide Atteste schildern somit keine Kriterien, die den Schluss auf eine verminderte Schuldfähigkeit, erst recht nicht auf eine Schuldunfähigkeit zulassen. Vielmehr kommen die behandelnden Ärzte übereinstimmend zu dem Schluss, die Therapiebedürftigkeit des Beklagten resultiere ausschließlich aus den Folgen seines Fehlverhaltens. Da kein den Tatzeitraum betreffendes ärztliches Attest oder eine dahingehende Indikation vorgelegt worden ist, war der nicht weiter substantiierten Behauptung einer Persönlichkeitsstörung nicht nachzugehen, zumal der Bevollmächtigte des Beklagten in der mündlichen Verhandlung einräumte, dieser sei nicht kognitiv beeinträchtigt oder sonst in seiner Einsichtsfähigkeit gehindert gewesen. Umstände, auf Grund derer trotz erhaltener Einsichtsfähigkeit die Fähigkeit des Beklagten, die Tatsituation in ihrem Bedeutungsgehalt realistisch wahrzunehmen und einzuschätzen, beeinträchtigt gewesen könnten, hat der Beklagte nicht angezeigt. Solche Umstände sind auch nicht ersichtlich.
2.3.2 Anhaltspunkte für das Vorliegen weiterer sog. anerkannter Milderungsgründe wie „Handeln in einer einmaligen persönlichkeitsfremden Augenblickstat“ bestehen nicht. Die Dauerhaftigkeit der Pflichtverletzungen (E-Mail-Kontakt von Januar bis September 2012) schließt die Annahme einer persönlichkeitsfremden Tat aus. Von einem durch Spontaneität und Kopflosigkeit bestimmten Verhalten als Charakteristika der persönlichkeitsfremden Augenblickstat kann daher nicht ausgegangen werden (vgl. BVerwG, U.v. 18.2.2016 2 WD 19/15 – juris Rn. 55).
Der Milderungsgrund der freiwilligen Offenbarung des Fehlverhaltens vor Tatentdeckung durch einen bisher unbescholtenen Beamten (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 – juris Rn. 33) scheidet ebenfalls aus. Das Geständnis im Strafverfahren ist nicht als Milderungsgrund zu werten, da es nicht freiwillig vor drohender Entdeckung, sondern im Rahmen des bereits gegen den Beklagten eingeleiteten Strafverfahrens erfolgt ist (vgl. BayVGH, U.v. 18.3.2015 – 16a D 14.121 – juris Rn. 60).
2.4 Art. 14 Abs. 1 BayDG sowie das im Disziplinarverfahren geltende Schuldprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangen, dass – über die in der Rechtsprechung entwickelten „anerkannten“ Milderungsgründe hinaus – bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme sämtliche be- und entlastenden Gesichtspunkte ermittelt und von dem Gericht bei seiner Entscheidung berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 – juris Rn. 37).
Die Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände ergibt, dass der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist, weil er durch das Dienstvergehen das Vertrauen des Klägers und der Allgemeinheit endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG). Ein endgültiger Vertrauensverlust ist eingetreten, wenn die Gesamtwürdigung der bedeutsamen Umstände ergibt, dass der Beamte auch künftig seinen Dienstpflichten nicht nachkommen wird oder – wie hier – die Ansehensschädigung nicht wiedergutzumachen ist (vgl. BVerwG, U.v. 22.6.2006 – 2 C 11.05 – juris Rn. 24).
Wer sexuelle Fantasien, wie sie der Beklagte hat, gegenüber einer minderjährigen Schülerin formuliert, ist als Lehrer untragbar. Gegen den Beklagten spricht, dass er sich nicht nur über seine beamtenrechtlichen Dienstpflichten und jegliche pädagogische Erkenntnisse, sondern auch über die ausdrücklichen Forderungen der Eltern der Schülerin hinwegsetzte, wobei er die Schülerin auch zur Durchsetzung seiner Interessen gegen ihre Eltern aufbrachte und die Fortsetzung der Beziehung verheimlichte. Die der Schülerin übermittelten Fantasien gegenüber N. H. lassen Verständnis für die Menschenwürde einer jungen Frau vermissen. Insbesondere war die detaillierte Schilderung der mit der Schülerin N. H. erträumten Praktiken nicht erforderlich, um über das in dem Dokument „Generalbeichte.doc“ Geschilderte hinaus die Schülerin A. K. über seine sexuellen Vorlieben aufzuklären. Der Beklagte hat – so sein letztes Wort im strafrechtlichen Berufungsverfahren – der Schülerin A. K. zeigen wollen „was für eine besondere Frau sie für mich ist: Dass sie in mir eben keine SM Fantasien weckt, und dass sie damit die erste und einzige Frau ist, bei der mit das so geht“. Dieser Beweggrund entlastet den Beklagten nicht. Warum der Beklagte meinte, die Schülerin umfassend über seine sexuellen Vorlieben informieren zu müssen, kann der Senat nicht so recht nachvollziehen, zumal er den Versand des E-Mail-Anhangs „Phantasie.doc“ mit „ich bezweifle, dass Du das, was jetzt kommt, schön finden wirst“ einleitete. Belastend kommt hinzu, dass der Beklagte sehr wohl wusste, dass sein Verhalten verboten war. So hat der Beklagte beispielsweise in einer E-Mail am 21. Oktober 2012 seiner Schwester geschrieben, dass der Kontakt von Anfang an verboten gewesen sei und er der Schülerin „die Dinge“ nicht hätte schreiben dürfen. Auch in seiner E-Mail „Morgen“ vom 10. September 2012 thematisiert er gegenüber der Schülerin die Möglichkeit, dass er als Lehrer „fliegen könnte“ und er sich bereits nach einer Schreinerlehre erkundigt habe. Dem Beklagten als Lehrer mit einer hohen pädagogischen Verantwortung hätte klar sein müssen, dass er sich bereits mit der vermeintlichen „Liebesbeziehung“ mit der Schülerin A. K. und dem Austausch intimer Vorstellungen und Fantasien („Generalbeichte.doc“, „Träume von Dir.doc“ und E-Mail „Morgen“) für den Lehrerberuf untragbar gemacht hat. In „Generalbeichte.doc“ hat er ihr seine sadistischen Neigungen eingestanden. Eine objektive Notwendigkeit, die Schülerin umfassend an den ausgesprochen detailreichen Gewalt- bzw. Dominanzfantasien gegenüber ihrer Mitschülerin teilnehmen zu lassen, bestand nicht. Der Beklagte führte im Strafverfahren aus, er habe begriffen, dass er die Schülerin im Gegensatz zu allen anderen Frauen nicht habe verletzten wollen bzw. können. Dass Sex in Verbindung mit Gewalt für ihn mit ihr nicht vorstellbar sei. Er habe ihr sagen wollen, dass sie für ihn etwas Besonderes sei, unter allen anderen Frauen herausrage, weil er sie nicht verletzen wolle. Sie gerade damit verletzt zu haben, sei für ihn das Schlimmste an der ganzen Sache. Offensichtlich war es dem Beklagten wichtig, die Schülerin darüber zu informieren, dass er mit ihr keine sadomasochistische Beziehung pflegen möchte. Der Umstand, dass er dies überhaupt thematisiert hat und zudem der Schülerin die drastischen Schilderungen in „Phantasie.doc“ zumutete, zeigen mehr als deutlich, dass der Beklagte als Lehrer vollständig versagt hat und dass ein endgültiger Vertrauensverlust eingetreten ist.
Eine andere Beurteilung rechtfertigt auch der Einwand des Beklagten nicht, es könne nicht unberücksichtigt blieben, dass pornografische Schriften in Buchform im Buchhandel vertrieben würden. Es ist für den Senat nicht ansatzweise ersichtlich, unter welchem Gesichtspunkt dieser Umstand einem Vertrauensverlust entgegenstehen sollte. Der freie Verkauf der Romantrilogie „Fifty Shades of Grey“ rechtfertigt unter keinem denkbaren Gesichtspunkt, dass der Beklagte einer erst 15-jährigen Schülerin mit dem Anhang „Phantasie.doc“ einen pornografischen Text mit detaillierten Schilderungen diverser sadomasochistischer Sexualpraktiken zumutet und damit eine erhebliche Grenzverletzung im Lehrer-Schüler-Verhältnis begeht. Denn es besteht ein erheblicher Unterschied zwischen fiktiver erotischer, ggf. auch pornografischer Literatur (literarische Hardcore Romantik) und einer personalisierten pornografischen Fantasie, die ein Lehrer hinsichtlich einer seiner Schülerinnen verschriftlicht und einer anderen Schülerin, mit der eine „Liebesbeziehung“ zu haben glaubt, zuleitet, um ihr zeigen, wie sehr er sie angeblich „liebt“.
Die lange Dauer des bereits am 19. November 2012 eingeleiteten Disziplinarverfahrens kann nicht mildernd berücksichtigt werden. Im Disziplinarrecht kann die lange Verfahrensdauer nur unterhalb der Maßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis berücksichtigt werden. Ergibt die für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme erforderliche Gesamtwürdigung aller erschwerenden und mildernden Umstände des Dienstvergehens, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist, kann davon nicht abgesehen werden, weil das Disziplinarverfahren unangemessen lange gedauert hat. Ein Verbleib im Beamtenverhältnis ausschließlich aufgrund einer überlangen Verfahrensdauer lässt sich nicht mit dem Zweck der Disziplinarbefugnis, nämlich dem Schutz der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung und der Integrität des Berufsbeamtentums, vereinbaren. Diese Schutzgüter und der Grundsatz der Gleichbehandlung schließen aus, dass ein Beamter weiterhin Dienst leisten und als Repräsentant des Dienstherrn auftreten kann, obwohl er durch ein gravierendes Fehlverhalten untragbar geworden ist. Die Dauer des Disziplinarverfahrens ist nicht geeignet, das von dem Beamten zerstörte Vertrauensverhältnis wiederherzustellen (BVerwG, B.v. 10.10.2014 – 2 B 66/14 – juris Rn. 7 m.w.N.).
Eine anderweitige Verwendung des Beklagten – etwa im Bereich der Erwachsenenbildung, verbunden mit einer Disziplinarmaßnahme unterhalb der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis – kommt nicht als „mildere Maßnahme“ in Betracht. Wenn – wie hier – das Vertrauensverhältnis des Dienstherrn zu dem Beamten endgültig zerstört ist, weil er als Beamter „nicht mehr tragbar ist“ und es dem Dienstherr nicht zumutbar ist, das Beamtenverhältnis mit dem Beklagten fortzusetzen, muss der Frage, ob der Beamte anderweitig, ggf. in einer anderen Laufbahn eingesetzt werden kann, nicht nachgegangen werden (vgl. VG Hannover, U.v. 9.6.2015 – 18 A 131/14 – juris Rn. 83). Die Prüfung, ob der eines Dienstvergehens schuldige Beamte im Beamtenverhältnis verbleiben darf, hat sich auf sein Amt als Ganzes und nicht nur auf einen begrenzten Tätigkeitsbereich zu beziehen. Das Disziplinargericht kann einer Behörde nicht eine eingeschränkte Verwendung eines disziplinar in Erscheinung getretenen Beamten vorschreiben (vgl. BVerwG, U.v. 22.5.1996 – 1 D 72/95 – juris 19).
3. Angesichts des von Beklagten begangenen Dienstvergehens und der aufgezeigten Gesamtwürdigung ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht unverhältnismäßig. Der Beklagte hat ein besonders schweres Fehlverhalten gezeigt. Er hat die Vertrauensgrundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses endgültig zerstört. Seine Entfernung aus dem Dienst ist die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Die darin liegende Härte für den Beamten ist nicht unverhältnismäßig oder unvereinbar mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise. Sie beruht auf dem vorangegangenen Fehlverhalten des für sein Handeln verantwortlichen Beklagten, der sich bewusst gewesen sein muss, dass er hiermit seine berufliche Existenz aufs Spiel setzt.
Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist nicht wegen der damit einhergehenden „existentiellen Betroffenheit“ unverhältnismäßig. Ein Beamter, der das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn zerstört hat, kann nicht verlangen, dass sein Beamtenverhältnis aus Gründen der Vermeidung sozialer Härten unverändert beibehalten wird. Er darf dadurch zwar nicht unter das Existenzminimum fallen. Ihn davor zu bewahren, ist jedoch allein Aufgabe der sozialrechtlichen Vorschriften und Leistungen (vgl. BayVGH, U.v. 7.12.2016 – 16a D 14.1215 – juris Rn. 76 m.w.N.).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.
Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG, Art. 3 BayDG i.V.m. § 116 Abs. 1 VwGO).