Aktenzeichen M 5 K 16.2713
Leitsatz
Aggressives und beleidigendes Verhalten gegenüber einer Vielzahl von Personen im beruflichen Kontext rechtfertigen eine negative Prognose des Dienstherrn dahingehend, dass er Zweifel an der charakterlichen Eignung des Referendars für den Lehrerberuf hegt und den Betriebsfrieden in so erheblicher Weise gestört sieht, dass ein Verbleib des Referendars im Vorbereitungsdienst auch zum Zwecke der Ausbildung nicht tragbar erscheint. (Rn. 16 – 24) (Rn. 16 – 24) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Entlassungsbescheid des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 17. Mai 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
1. Die streitgegenständliche Entlassung beruht auf § 23 Abs. 4 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (BeamtStG). Demnach können Beamtinnen und Beamte auf Widerruf jederzeit entlassen werden, wobei ihnen Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und zur Ablegung der Prüfung gegeben werden soll. Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal setzt die Entlassung eines Beamten auf Widerruf nach § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG einen sachlichen Grund voraus (BVerwG, B.v. 7.9.1980 – 2 B 8/90 – juris, Rn. 5 m.w.N.; Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: November 2017, § 23 BeamtStG, Rn. 194). Einen solchen sachlichen Grund kann das Fehlen der persönlichen, insbesondere charakterlichen Eignung des Beamten darstellen. Derartige Eignungsmängel müssen nicht positiv festgestellt werden; es genügen vielmehr bereits berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde, ob der Beamte die persönliche Eignung für sein Amt besitzt (BVerwG, U.v. 9.6.1981 – 2 C 48/78 – BVerwGE 62, 267 ff., juris Rn. 20). Entsprechendes gilt, wenn der Beamte auf Widerruf – wie hier – einen Vorbereitungsdienst für eine Beamtenlaufbahn ableistet. Soweit nach § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG dem Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst Gelegenheit zu dessen Beendigung und zur Ablegung der Prüfung gegeben werden soll, bedeutet das lediglich eine Einschränkung des dem Dienstherrn eingeräumten weiten Ermessens dahin, dass die Entlassung nur aus Gründen statthaft ist, die mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes im Beamtenverhältnis auf Widerruf in Einklang stehen (BVerwG, U.v. 9.6.1981, a.a.O., Rn. 21; BayVGH, B.v. 3.3.1994 – 3 CS 93.3817 – juris Rn. 21; B.v. 7.1.2005 – 3 CE 07.2688 – juris Rn. 30). Der Dienstherr verfügt insoweit über einen Beurteilungsspielraum, als die Einschätzung der persönlichen und charakterlichen Eignung ein personenbezogenes Werturteil voraussetzt (VG München, U.v. 6.7.2004 – M 5 K 03.3884 – Rn. 19). Das Gericht kann die Entscheidung des Dienstherrn daher nur daraufhin überprüfen, ob sie an Beurteilungsfehlern leidet, insbesondere, ob der Dienstherr den anzuwendenden gesetzlichen Rahmen sowie die anzuwendenden Begriffe richtig erkannt, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe beachtet, den Sachverhalt richtig erfasst und keine sachfremden Erwägungen angestellt hat.
2. Die Annahme von Zweifeln an der charakterlichen Eignung des Klägers durch den Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstanden. Ermessensfehler hinsichtlich der Entscheidung, den Kläger aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf zu entlassen, sind nicht erkennbar. Es ist insbesondere nichts gegen die Einschätzung des Beklagten einzuwenden, das Verhalten des Klägers sei nicht mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes in Einklang zu bringen, sodass ein weiteres Unterrichten auch zu Ausbildungszwecken unzumutbar sei. Der Kläger hat sich weder in der Art und Weise verhalten, wie es von einem Beamten, insbesondere von einem Lehrer mit Vorbildfunktion, zu erwarten ist, noch hat er sich für sein unangemessenes Verhalten entschuldigt bzw. ein Fehlverhalten eingesehen. Ein Eignungsmangel in gesundheitlicher Hinsicht war hingegen nach den Ausführungen des vom Gericht beauftragten Gutachters nicht anzunehmen. Nachdem auffallend war, dass der Kläger innerhalb weniger Tage gegenüber einer Vielzahl von Personen Auffälligkeiten zeigte, war der Frage nachzugehen, ob gesundheitliche Gründe für das Verhalten ausschlaggebend waren. Nach dem Gutachten von PD Dr. P. vom 20. Juni 2017 liegen beim Kläger keine gesundheitlichen Einschränkungen vor, auf die die Auffälligkeiten zurückgeführt werden könnten.
Das Fehlverhalten steht fest aufgrund der Vorfälle, die der Kläger zum Teil selbst eingeräumt hat, und die durch schriftliche Stellungnahmen der Beteiligten sowie die Zeugeneinvernahme in der mündlichen Verhandlung vom 11. Dezember 2017 dokumentiert und belegt sind. Zwar sind die Vorfälle in einem sehr kurzen Zeitraum aufgetreten, gleichwohl handelt es sich um eine augenfällige Häufung massiven Fehlverhaltens gegenüber verschiedenen Personen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass das Fehlverhalten bereits nach sehr kurzer Zeit an der Mi.-Schule auftrat. Die Situation stellt sich gerade nicht so dar, dass der Kläger nach einem längeren Zeitraum unproblematischen Verhaltens auffällig geworden ist, sondern dass – jedenfalls an dieser Schule – sehr zeitnah zu seinem Dienstantritt die entsprechenden Konfliktsituationen auftraten. Selbst wenn es zu entsprechenden Konfliktsituationen kommen sollte, kann von einem Beamten verlangt werden, dass er beherrscht reagiert und nicht ausfallend oder gar beleidigend wird. Das gilt selbst dann, wenn sich der Beamte ungerecht behandelt fühlen sollte. Das ist für eine gedeihliche Zusammenarbeit notwendig, da Konflikte am Arbeitsplatz und beim Umgang mit Kollegen und insbesondere mit Schülern im Alltag immer wieder auftreten. Sofern beim Kläger persönliche Differenzen mit der Schulleiterin bestanden haben sollten, hätte er diese auf sachliche Weise klären müssen.
Aus den dienstlichen Stellungnahmen und der Zeugeneinvernahme in der mündlichen Verhandlung ergibt sich, dass der Kläger daneben auch mit weiteren Kollegen und anderem Schulpersonal in Konflikt geraten war. Aus den Zeugenaussagen war nicht erkennbar, dass die Zeugen die Unwahrheit gesagt haben oder den Kläger (zu Unrecht) belasten wollten. Weshalb sich die Vorfälle anders zugetragen haben sollten, ist nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht substantiiert dargelegt. Anhaltspunkte dafür, dass die Schulleiterin dem Kläger gegenüber wie behauptet von vornherein negativ eingestellt gewesen sei, waren nicht zu erkennen. Darüber hinaus wird aus den Aktenvermerken ersichtlich, dass nicht nur gegenüber Kollegen, sondern auch gegenüber Schülern mehrfach unangemessene Äußerungen getätigt wurden.
Nach Aussage der Schulleiterin sei der Kläger in einer Besprechung am 4. Februar 2016 zur verspäteten Eintragung der Schulnoten aufgesprungen, habe ihre Unterlagen in Form eines Notizblattes weggenommen und den Raum verlassen. Der Kläger räumt das selbst ein und hat das entsprechende stark zerknitterte Blatt in der mündlichen Verhandlung vorgezeigt. Soweit der Kläger meint, er habe die Schulleiterin nicht als „rechtsradikal“, sondern als „recht radikal in ihren Ansichten“ bezeichnet, hat die Schulleiterin sich wiederholt an die Äußerung „rechtsradikal“ erinnert. Es hätte am Kläger gelegen, ein entsprechendes Missverständnis aufzuklären. Dahingehend sind aber nicht ansatzweise Bemühungen von seiner Seite ersichtlich. Dabei fällt auf, dass der Beamte an der Schule immer wieder Anspielungen mit rechtsradikalem Bezug geäußert hat, ohne hierfür einen konkreten Anlass zu benennen. Es passt in diesen thematischen Zusammenhang, dass der Kläger am 1. Februar 2016 im Sekretariat vor den Mitarbeitern und anwesenden Eltern laut gerufen haben soll, dies sei eine „Nazi Schule“. Dass der Kläger tatsächlich nicht „Nazi“, sondern „Bazi“ gesagt haben soll, ist wenig glaubhaft. Insbesondere hat die Schulleiterin angegeben, der Kläger habe das Wort „Nazi“ buchstabiert, also „N-A-Z-I-Schule“ gerufen. Ein Missverständnis ist daher ausschließbar.
Auch der in einer von drei Personen unterzeichneten dienstlichen Stellungnahme vom 4. Februar 2016 geschilderte Vorfall passt in diesen Kontext. Demnach sei der Kläger nach dem Gespräch mit der Schulleiterin über die Noteneintragung in ein Treffen von Kollegen in der Biologiesammlung gekommen und habe unter anderem gesagt: „Gelobt sei Jesus Christus, die Nazis sind tot; der Hausmeister hat Hans und Sophie Scholl verraten und unser Hausmeister ist noch schlimmer, daher mache ich lieber ein Bild von meinem Arbeitsplatz.“ Die zu diesem Vorfall einvernommene Zeugin G. konnte sich zwar nicht mehr an das wörtliche Zitat erinnern, hat jedoch bekundet, der Kläger habe merkwürdige Dinge gemurmelt, die mit „Nazis“ und „Hitler“ zu tun gehabt hätten. Die Zeugin G. habe sich wegen vorangegangener Erfahrungen mit dem Kläger zurückgehalten und den Kläger nicht darauf angesprochen. Sie habe im Vorfeld Gespräche zwischen Kollegen und dem Kläger mitbekommen, bei denen es unangenehm oder latent aggressiv wurde, wenn vom Kläger eine Handlung verlangt worden sei. Sie habe dies als beängstigend empfunden und den Kontakt mit dem Kläger daher gemieden. Beim streitgegenständlichen Vorfall am 4. Februar 2016 habe dann jedoch eine Kollegin den Kläger auf seine Äußerungen angesprochen und sinngemäß zur Antwort erhalten, dass sie doch in den Spiegel schauen solle, sie würde doch „aus dem Ghetto kommen“. Schließlich habe er angefangen vom Arbeitsplatz Fotos zu machen. Die Zeugin bestätigt mit ihrer Aussage nicht nur den in der dienstlichen Stellungnahme dokumentierten Vorfall, sondern auch, dass mit dem Kläger kein störungsfreies Betriebsklima möglich gewesen ist. Sie hat demnach Situationen miterlebt, in denen der Kläger gegenüber Dritten auf aggressive Weise reagiert hat. Das passt in das vom Beklagten skizzierte Bild des Klägers.
Auch hat die Zeugin Z., die beim Vorfall um den Mensabetreiber beteiligt gewesen ist, die beleidigende Haltung des Klägers ihr gegenüber nachvollziehbar und glaubhaft bekundet. Nach ihrer Aussage sei sie auf die heftige Diskussion zwischen dem Kläger und Mensapächter aufmerksam geworden und habe daher nach dem Rechten sehen wollen. Der Kläger habe dem Mensapächter vorgeworfen, seinen Betrieb schwarz zu betreiben, und ihm deutlich gemacht, dass er als Lehrer „über ihm stehe“. Als die Zeugin Z. versucht habe, die Situation zu beruhigen, habe der Kläger den oberbayerischen Dialekt der Zeugin bemängelt. Das deckt sich mit der in den Akten enthaltenen Stellungnahme des Mensabetreibers, wonach der Kläger nicht nur ihn selbst, sondern auch die Zeugin Z. beleidigt habe.
Weiterhin hat der Zeuge W., der das Notenportal der Schule betreut, bei seiner Zeugeneinvernahme glaubhaft geschildert, dass der Kläger sich ihm gegenüber unangemessen verhalten habe. Als dieser sich aus dem Portal ausgesperrt habe, sei er in unhöflicher Weise an den Zeugen herangetreten und habe verlangt, dass ihm sofort geholfen werde. Er habe den Portalzugang des Klägers aufgrund der unmittelbar bevorstehenden Schulstunde nicht sofort entsperren können, dies aber etwa eine Stunde später erledigt. Der Kläger habe geäußert „mia san mia und mia san wichtig“, er könne sich selbst „verarschen“ und dass „er älter“ als der Zeuge W. sei. Nach den Schilderungen des Zeugen W. hat sich der Kläger aus nicht nachvollziehbaren Gründen despektierlich verhalten bzw. geäußert, obwohl kein vernünftiger Anlass dazu gegeben war.
Auf Grundlage dieser Vorfälle durfte der Dienstherr Zweifel an der charakterlichen Geeignetheit des Beamten hegen und diesen aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf entlassen. Die Bewertung des Dienstherrn, dass sich der Kläger nicht für den Lehramtsberuf eignet und daher die Ziele des Vorbereitungsdienstes nicht erreicht werden können, ist aufgrund der Vorkommnisse rechtlich nicht zu beanstanden. Wegen der gezeigten Verhaltensweisen war eine gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht möglich. Innerhalb kürzester Zeit sind von verschiedenen Seiten des Schulpersonals und der Schülerschaft Beschwerden an die Schulleiterin herangetragen worden. Durch seine Äußerungen und aggressiven Reaktionen hat der Kläger den Betriebsfrieden wesentlich gestört. Weder kritische Hinweise zum Lehrverhalten des Klägers – der sich als Lehramtsreferendar noch in der Ausbildung befand und daher einer fachlichen Kontrolle bzw. Anleitung bedurfte – noch eine kollegiale Zusammenarbeit waren möglich. Aus den Ausführungen der Zeugin G. war zu entnehmen, dass sich diese trotz der verhältnismäßig kurzen aktiven Dienstzeit des Klägers an der Schule bereits von den dessen aggressiven Reaktionen eingeschüchtert fühlte. Die Vorfälle rechtfertigen eine negative Prognose des Dienstherrn dahingehend, dass er zum Einen Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers für den Lehrerberuf hegt, zum Anderen den Betriebsfrieden in so erheblicher Weise gestört sieht, dass ein Verbleib des Klägers im Vorbereitungsdienst auch zum Zwecke der Ausbildung nicht tragbar erscheint. Die Erklärungen des Klägers, er sei seinerseits unangemessen behandelt worden bzw. die Schulleiterin sei ihm voreingenommen entgegengetreten, können demgegenüber nicht durchgreifen und die gezeigten Verhaltensweisen nicht rechtfertigen, da die Reaktionen – selbst wenn dies zuträfe – aufgrund der extremen Art und Weise in keinem Verhältnis dazu stehen. Hinzu kommen die unangebrachten Äußerungen hinsichtlich Schülern, die in den Akten dokumentiert sind.
Die Entlassung des Klägers ist auch verhältnismäßig und zulässig, auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass er sich im Vorbereitungsdienst befand und nach der gesetzlichen Regelung des § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG Gelegenheit zu dessen Beendigung gegeben werden soll. Denn die Entlassung des Widerrufsbeamten beruht auf Gründen, die mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes in Einklang stehen. Das dem Kläger zur Last gelegte Fehlverhalten ist so schwerwiegend, dass eine weitere Tätigkeit des Beamten auch im Rahmen der Ausbildung als Lehramtsreferendar den Schülern, den Kollegen und der Schulleitung sowie dem im Schulbetrieb tätigen Personal nicht zumutbar ist.
3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).