Verwaltungsrecht

Entlassung eines Beamten auf Widerruf bei mangelnder charakterlicher Eignung

Aktenzeichen  6 CS 19.481

Datum:
2.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 8704
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 12 Abs. 1 S. 1
VwGO § 80 Abs. 5
VwVfG § 28 Abs. 1, § 45 Abs. 1 Nr. 3
BPolBG § 2
BBG § 34 Abs. 4 S. 2, § 37 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Zur Rechtfertigung der Entlassung eines Beamten auf Widerruf genügt jeder sachliche, das heißt nicht willkürliche Grund. Der gesetzliche Begriff „jederzeit“ hat nicht nur eine zeitliche, sondern auch eine sachliche Komponente. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Entlassung eines Beamten auf Widerruf ist mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes vereinbar, wenn der Beamte aufgrund mangelnder Eignung, Befähigung oder fachlicher Leistung den Anforderungen der Laufbahn nicht gerecht wird. Für die Entlassung genügen berechtigte Zweifel, ob der Beamte die persönliche oder fachliche Eignung für ein Amt in der angestrebten Laufbahn besitzt. Die Entlassung ist nicht von dem Nachweis eines Dienstvergehens abhängig. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Entlassung eines Beamten auf Widerruf bedarf keiner Sachverhaltsaufklärung nach disziplinarrechtlichen Vorschriften. Die Entlassungsbehörde hat vielmehr nach dem allgemeinen verfahrensrechtlichen Untersuchungsgrundsatz den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, wobei sie Art und Umfang der Ermittlungen von Amts wegen bestimmt und nicht an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten gebunden ist. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Unterfall der persönlichen Eignung ist die charakterliche Eignung. Hierfür ist die Einschätzung entscheidend, inwieweit der Beamte der von ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht werden wird. Zweifel an der charakterlichen Eignung können sich sowohl aus dem dienstlichen als auch aus dem außerdienstlichen Verhalten ergeben. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
5. Der laut hörbare und für die Umstehenden anlasslose Ausruf „Sieg Heil!“ in einem dienstlichen Unterkunftsgebäude begründet Zweifel daran, dass der Beamte Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 5 S 18.989 2019-02-13 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 13. Februar 2019 – B 5 S 18.989 – wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.656,97 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen seine fristlose Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf im Vorbereitungsdienst.
Er war mit seiner Ernennung zum Beamten auf Widerruf am 1. September 2016 in den Dienst als Polizeimeisteranwärter in die Bundespolizei eingetreten. Mit Bescheid der Bundespolizeiakademie vom 10. Juli 2017 entließ ihn die Antragsgegnerin gemäß § 2 BPolBG in Verbindung mit § 37 Abs. 1 BBG wegen mangelnder persönlicher (charakterlicher) Eignung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf und ordnete nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung der Entlassungsverfügung an. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller habe am 1. September 2016 im Flur eines Unterkunftsgebäudes deutlich hörbar „Sieg Heil!“ gerufen. Diese Äußerung begründe unabhängig von der strafrechtlichen Relevanz des Handelns Zweifel an der Verfassungstreue und an der charakterlichen Eignung für den Polizeivollzugsdienst. Die Zweifel an der charakterlichen Eignung würden verstärkt durch ein überwiegend negatives Persönlichkeits- und Leistungsbild, das der zuständige Lehrgruppenleiter aufgrund der bisherigen Leistungen erstellt habe. Zwar sei bei Ausübung des Entlassungsermessens die gesetzliche Vorgabe zu berücksichtigen, dass Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst die Gelegenheit gegeben werden solle, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung abzulegen. Eine Entlassung aus dem Vorbereitungsdienst komme aber dann in Betracht, wenn ernsthafte Zweifel bestünden, dass der Beamte das Ziel des Vorbereitungsdienstes, nämlich den Erwerb der Befähigung für die angestrebte Beamtenlaufbahn, erreichen könne. Davon sei auszugehen.
Den Widerspruch des Antragstellers wies die Bundespolizeiakademie mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2018 als unbegründet zurück. Über die daraufhin erhobene Klage zum Verwaltungsgericht ist bislang nicht entschieden.
Am 20. September 2018 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen, hilfsweise die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuheben. Das Verwaltungsgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 13. Februar 2019 abgelehnt. Es bestünden bereits Bedenken, ob der Antrag wegen des langen Zuwartens überhaupt noch als zulässige Rechtsausübung angesehen werden könne. Das könne dahinstehen, weil er jedenfalls in der Sache keinen Erfolg habe.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, mit der er seinen (Haupt- und Hilfs-) Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz in vollem Umfang weiterverfolgt.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig (§ 146 Abs. 1, 4 VwGO), aber unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Entlassungsverfügung vom 10. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Juli 2018 wiederherzustellen, hilfsweise die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuheben. Die Gründe, die der Antragsteller mit seiner Beschwerde fristgerecht dargelegt hat und auf deren Prüfung das Gericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 i.V.m. Satz 1 und 3 VwGO), führen zu keiner anderen Beurteilung.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist unbegründet. Das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Entlassungsverfügung überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Die fristlose Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ist – bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes angezeigten summarischen Prüfung – rechtmäßig, sodass der Rechtsbehelf in der Hauptsache voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird (1.). Es besteht ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug dieser Maßnahme; die Begründung, welche die Bundespolizeiakademie hierfür gegeben hat, genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO (2).
1. Die fristlose Entlassung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf durch Bescheid vom 10. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Juli 2018 ist rechtmäßig.
a) Ob die Bundespolizeiakademie den Antragsteller ursprünglich zu allen für entscheidungserheblich angesehenen Gesichtspunkten, insbesondere zu dem im Rahmen einer Gesamtbetrachtung berücksichtigten „Persönlichkeits- und Leistungsbild“, ausreichend angehört hat, kann dahinstehen. Ein etwaiger Verstoß gegen das Anhörungsgebot des § 28 Abs. 1 VwVfG ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, jedenfalls dadurch gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG geheilt, dass der Antragsteller seine Einwendungen im Wege des Widerspruchs vortragen konnte und die Behörde diese ausweislich der Begründung des Widerspruchsbescheids zur Kenntnis genommen und bei ihrer Entscheidung in Erwägung gezogen hat. Die Rüge, in der Entlassungsverfügung selbst sei insoweit kein „Sachverhalt“ für das zugrunde gelegte Persönlichkeits- und Leistungsbild dargelegt worden, geht fehl; denn die Bescheidsgründe enthalten – wenn auch nicht unter der Überschrift „Sachverhalt“ – eine umfangreiche Zusammenstellung sehr konkreter Anknüpfungstatsachen aus dem Ausbildungszeitraum Februar bis Juni 2017 (S. 10 bis 13 des Bescheids). Ob diese inhaltlich tragen, ist keine Frage der formellen Anhörungspflicht, sondern der materiellen Rechtmäßigkeit.
b) Die Entlassung ist materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.
aa) Rechtsgrundlage für die Entlassung des Antragstellers ist § 2 BPolBG in Verbindung mit § 37 Abs. 1 BBG. Danach können Beamte auf Widerruf jederzeit entlassen werden. Der gesetzliche Begriff „jederzeit“ hat nicht nur eine zeitliche, sondern auch eine sachliche Komponente. Es genügt zur Rechtfertigung der Entlassung jeder sachliche, das heißt nicht willkürliche Grund (BVerwG, U.v. 9.6.1981 – 2 C 48.78 – BVerwGE 62, 267/268).
Das dem Dienstherrn bei einem Beamtenverhältnis auf Widerruf allgemein eingeräumte weite Entlassungsermessen ist durch § 37 Abs. 2 Satz 1 BBG dahin eingeschränkt, dass Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst Gelegenheit gegeben werden soll, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung abzulegen. Diese Vorschrift schränkt die Möglichkeit der Entlassung nicht nur dort ein, wo der Vorbereitungsdienst als allgemeine Ausbildungsstätte im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG qualifizieren ist (etwa OVG RhPf, B.v. 30.7.2004 – 2 B 11152/04 – NVwZ-RR 2005, 253 zur Entlassung eines Studienreferendars aus dem Vorbereitungsdienst), sondern auch dort, wo ein Vorbereitungsdienst – wie hier – für eine Beamtenlaufbahn abgeleistet wird, dessen Abschluss nicht den Zugang zu einer Beschäftigung außerhalb des Beamtenverhältnisses ermöglicht (z.B. OVG NW 18.2.2019 – 6 B 1551/18 – juris Rn. 17 m.w.N. zur Entlassung eines Kommissaranwärters). Die Sollvorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 1 BBG erlaubt allerdings Ausnahmen im Einzelfall. Voraussetzung hierfür ist, dass die Entlassungsgründe mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes im Einklang stehen (BVerwG, B.v. 26.1.2010 – 2 B 47.09 – juris Rn. 6).
Die Entlassung ist mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes vereinbar, wenn der Beamte aufgrund mangelnder Eignung, Befähigung oder fachlicher Leistung den Anforderungen der Laufbahn – mit Blick auf den Antragsteller also des (mittleren) Polizeivollzugsdienstes – nicht gerecht wird. Insoweit genügen entgegen der Ansicht der Beschwerde bereits berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde, ob der Beamte die persönliche oder fachliche Eignung (i.S.v. § 9 Satz 1 BBG) für ein Amt in der angestrebten Laufbahn besitzt (BVerwG, U.v. 9.6.1981 – 2 C 48.78 – BVerwGE 62, 267/268; BayVGH, B.v. 13.11.2014 – 3 CS 14.1864 – juris Rn. 22; OVG Bremen, B.v. 13.7.2018 – 2 B 174/18 – juris Rn. 9; OVG NW, B.v. 18.2.2019 – 6 B 1551/18 – juris Rn. 20). Die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ist daher nicht von dem Nachweis eines Dienstvergehens abhängig (vgl. Zängl in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, § 23 BeamtStG Rn. 209).
Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der Dienstherr seine Annahme, es lägen Eignungszweifel vor, auf einen zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt gestützt, er den Rechtsbegriff der Eignung nicht verkannt und bei der von ihm zu treffenden Prognoseentscheidung allgemeingültige Wertmaßstäbe beachtet und auch sonst keine sachwidrigen Erwägungen angestellt hat (OVG NW, B.v. 27.9.2017 – 6 B 977/17 – juris Rn. 4).
bb) In Anwendung dieser Maßstäbe ist die Entlassung des Antragstellers rechtlich nicht zu beanstanden. Die Bundespolizeiakademie ist weder von einem unzureichend oder unzutreffend ermittelten Sachverhalt ausgegangen noch hat sie mit der Annahme von begründeten Zweifeln an der persönlichen Eignung des Antragstellers für ein Amt als Polizeivollzugsbeamter die Grenzen ihres Beurteilungs- und Ermessensspielraums überschritten.
(1) Entgegen der Ansicht der Beschwerde bedurfte es keiner besonderen oder weitergehenden Sachverhaltsaufklärung nach disziplinarrechtlichen Vorschriften. Die Entlassungsvorschrift des § 37 BBG verlangt – anders als § 34 Abs. 4 Satz 2 BBG für die Entlassung von Beamten auf Probe wegen eines Dienstvergehens, das im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit mindestens eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte – nicht die entsprechende Anwendung der §§ 21 bis 29 des Bundesdisziplinargesetzes. Die Entlassungsbehörde hat vielmehr nach dem allgemeinen verfahrensrechtlichen Untersuchungsgrundsatz des § 28 Abs. 1 VwVfG den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, wobei sie Art und Umfang der Ermittlungen von Amts wegen bestimmt und nicht an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten gebunden ist. Dem genügt die Sachverhaltsaufklärung der Bundespolizeiakademie nicht nur hinsichtlich des – im äußeren Hergang unstreitigen – Ausrufs „Sieg Heil!“ am Abend des 1. September 2016 im Flur eines dienstlichen Unterkunftsgebäudes, sondern auch mit Blick auf das in den folgenden Ausbildungsmonaten vom Antragsteller gezeigte Leistungs- und Persönlichkeitsbild. Dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt und das eingeleitete Disziplinarverfahren nicht fortgeführt worden ist, steht weder der Verwertung der dabei gewonnenen Erkenntnisse noch der Entlassungsentscheidung selbst entgegen.
(2) Die Bundespolizeiakademie durfte aufgrund der tatsächlichen Feststellungen, die sie in nicht zu beanstandender Weise getroffen und in der Entlassungsverfügung aufgeführt hat, davon ausgehen, dass berechtigte Zweifel an der persönlichen Eignung des Antragstellers für ein Amt des Polizeivollzugsdienstes in der Bundespolizei bestehen und damit ein Grund für die sofortige Entlassung vorliegt.
In das Beamtenverhältnis darf nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 BBG nur berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Gemäß § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG gehört es zu den Grundpflichten eines Beamten, sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten. Die Verfassungstreuepflicht ist ein hergebrachter und zu beachtender Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinn von Art. 33 Abs. 5 GG und zudem ein Merkmal der persönlichen Eignung im Sinn von Art. 33 Abs. 2 GG (vgl. Battis, BBG, 5. Aufl. 2017, § 7 Rn. 10 m.w.N.).
Ein (weiterer) Unterfall der persönlichen Eignung ist die charakterliche Eignung. Hierfür ist die Einschätzung entscheidend, inwieweit der Beamte der von ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht werden wird. Das erfordert eine – dem Dienstherrn vorbehaltene und von den Verwaltungsgerichten nur eingeschränkt überprüfbare – wertende Würdigung aller Aspekte des Verhaltens des Beamten, die einen Rückschluss auf die für die charakterliche Eignung relevanten persönlichen Merkmale zulassen (BVerwG, B.v. 20.7.2016 2 B 17.16 – juris Rn. 26; OVG Bremen, B.v. 13.7.2018 – 2 B 174.18 – juris Rn. 10). Die Zweifel können sich sowohl aus dem dienstlichen als auch aus dem außerdienstlichen Verhalten ergeben.
Die Bundespolizeiakademie ist auf der Grundlage der von ihr getroffenen Feststellungen ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass begründete Zweifel an der persönlichen (charakterlichen) Eignung des Antragstellers bestehen.
Der Antragsteller hat am 1. September 2016, dem Tag des Dienstantritts, abends im Flur eines Unterkunftsgebäudes im Beisein von zwei weiteren Polizeimeisteranwärtern die Parole „Sieg Heil!“ gerufen, und zwar so laut, dass sie von einer Ausbilderin in ihrer Unterkunft gehört wurde. Diese Parole hat einen offenkundigen nationalsozialistischen Symbolgehalt, was dem Antragsteller auch bewusst war. Auch wenn er sie wohl nicht öffentlich geäußert und deshalb den objektiven Straftatbestand des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht erfüllt hat, so hat er sie doch im Beisein von zwei Kollegen in einem Unterkunftsgebäude und für andere deutlich hörbar gerufen. Zur Erklärung hat er zunächst, die Idee des einen Kollegen für eine Ausrede aufgreifend und wie später eingestanden, wahrheitswidrig angegeben, er habe seinen Begleitern lediglich eine wenige Tage zuvor erlebte Begebenheit geschildert. Später gab er an, er habe mit dem Ausruf lediglich sein missbilligendes Erstaunen über Gebäude und Erscheinungsbild der besichtigten Unterkunft zum Ausdruck bringen wollen. Aus der Sicht der beiden Kollegen erfolgte der Ausruf allerdings ohne erkennbaren Grund.
Schon der laut hörbare und für die Umstehenden anlasslose Ausruf „Sieg Heil!“ in einem dienstlichen Unterkunftsgebäude begründet Zweifel daran, dass der Antragsteller Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten. Der Ausruf mag aus jugendlicher Unbesonnenheit erfolgt und kein Ausdruck entsprechender politischer Gesinnung sein. Gleichwohl erweckt die lautstarke Verwendung einer eindeutig und für jeden erkennbar nationalsozialistischen Parole den Eindruck einer ideologischen Nähe. Hinzu treten Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers für den Polizeivollzugsdienst, auf welche sich die Bundespolizeiakademie im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ohne Rechtsfehler gestützt hat und welche die Entlassung selbstständig tragen.
Zum einen stellt der laute Ausruf der Parole – unabhängig vom Gesichtspunkt der Verfassungstreue – ein nicht unerhebliches Dienstvergehen dar, auch wenn er außerhalb der Dienstzeit, allerdings innerhalb einer dienstlichen Unterkunft gegenüber Anwärterkollegen, erfolgt ist. Der Antragsteller hat damit gegen die ihm nach § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG obliegende Pflicht verstoßen, sich innerhalb und außerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten. Ein Beamter ist im Interesse des Vertrauens der Öffentlichkeit in eine im freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat verpflichtete Beamtenschaft gehalten zu vermeiden, dass er durch sein Verhalten in vorhersehbarer und ihm daher zurechenbaren Weise den Anschein setzt, sich mit dem Nationalsozialismus zu identifizieren oder auch nur mit ihm zu sympathisieren. Im Interesse der Akzeptanz und der Legitimation staatlichen Handelns ist er verpflichtet, bereits den Schein der Identifikation mit einem im freiheitlichen Rechtsstaat diametral entgegengesetzten Gedankengut und mit Vereinigungen zu vermeiden, die sich zu einem solchen Gedankengut bekennen. Schon das zurechenbare Setzen eines solchen Scheins stellt eine Dienstpflichtverletzung dar (vgl. BVerwG, U.v. 17.5.2001 – 1 DB 15.01 – NVwZ 2001, 1410/1412; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 14.6.2013 – OVG 6 S 1.13 – juris Rn. 36). Eine solche muss sich der Antragsteller vorhalten lassen. Dass der laute „Sieg Heil!“- Ruf den Schein der Sympathie für den Nationalsozialismus hervorruft, war für ihn erkennbar.
Zum anderen verstärkt das in der Entlassungsverfügung dargelegte und anhand einer Reihe von konkreten Umständen belegte Persönlichkeits- und Leistungsbild, das der Antragsteller in den Ausbildungseinheiten über mehr als ein halbes Jahr hinweg gezeigt hat, die Zweifel an seiner charakterlichen Eignung für den Polizeivollzugsdienst. Aus der teilweise mangelnden Distanz- und Respektlosigkeit gegenüber Ausbildern und Vorgesetzten, dem Mangel an Engagement für die Ausbildung, den überwiegend ungenügenden Leistungen durfte die Antragsgegnerin den Schluss ziehen, dass der Antragsteller der von ihm als Polizeivollzugsbeamter erwarteten Loyalität, Zuverlässigkeit und Dienstauffassung nicht genügen wird. Zwar mag sein Diensteifer dadurch erlahmt sein, dass gegen ihn als Folge des „Vorfalls“ am 1. September 2016 nicht nur ein Straf- und Disziplinarverfahren geführt worden ist, sondern er teilweise auch von Unterrichten entbunden und über eine sich hinziehende Zeitdauer „im Fokus“ der Ausbilder war. Insoweit muss der Antragsteller sich aber entgegenhalten lassen, dass er diese – selbstverschuldeten – Umstände nicht als besonderen Ansporn zur Bewährung verstanden, sondern im Gegenteil mit deutlich eingeschränkter Leistung reagiert hat.
(3) Die Antragsgegnerin durfte aus diesen Gründen ohne Rechtsfehler von begründeten Zweifeln an der persönlichen (charakterlichen) Eignung des Antragstellers für den Polizeivollzugsdienst ausgehen, die seiner Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe oder Lebenszeit entgegenstehen würden. Deshalb war es gerechtfertigt, ihn in Ausnahme zu der Sollvorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 1 BBG aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf entlassen, ohne ihm die Möglichkeit zu geben, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung abzulegen.
2. Das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der angefochtenen Entlassungsverfügung überwiegt das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Das ist von der Bundespolizeiakademie, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet worden. Aufgrund der die fristlose Entlassung rechtfertigenden Zweifel an der persönlichen Eignung des Antragstellers für die angestrebte Laufbahn wird der Sofortvollzug insbesondere gerechtfertigt durch das öffentliche Interesse an einem ungestörten Dienstbetrieb und durch das fiskalische Interesse, einen wohl ungeeigneten Anwärter nicht bis zum rechtskräftigen Anschluss des voraussichtlich erfolglosen Hauptsacheverfahrens zu alimentieren.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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