Verwaltungsrecht

Entlassung eines Soldaten auf Zeit wegen arglistiger Täuschung

Aktenzeichen  M 21 K 18.922

Datum:
19.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 26494
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SG § 46 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 55 Abs. 1 S. 1
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Ein Soldat auf Zeit ist zu entlassen, wenn er seine Ernennung durch arglistige Täuschung herbeigeführt hat, weil er ein laufendes Ermittlungsverfahren wegen Vergewaltigung oder sexueller Nötigung vorsätzlich verschwiegen hat. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Beamtenbewerber muss den Verdacht einer erheblichen Straftat und eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens von sich aus offenbaren. (Rn. 31 und 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klage konnte trotz Ausbleibens des Klägers verhandelt und entschieden werden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid des BAPersBw vom 2. Mai 2017 und dessen Beschwerdebescheid vom 21. Juli 2017 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage der Entlassung des Klägers ist § 55 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SG. Danach ist ein Soldat auf Zeit insbesondere zu entlassen, wenn er seine Ernennung durch arglistige Täuschung herbeigeführt hat. Der Kläger hat seine Ernennung zum Soldaten auf Zeit durch arglistige Täuschung herbeigeführt, indem er das gegen ihn damals laufende, strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Vergewaltigung oder sexueller Nötigung vorsätzlich verschwiegen hat.
Insbesondere das Verschweigen von Tatsachen ist eine arglistige Täuschung, wenn die Ernennungsbehörde nach Tatsachen gefragt hat oder der Ernannte auch ohne Befragung weiß oder in Kauf nimmt, dass die verschwiegenen Tatsachen für die Entscheidung der Ernennungsbehörde erheblich sind oder sein können. Grundsätzlich trägt die Ernennungsbehörde die Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der Arglist. Allerdings trifft denjenigen, der objektiv unrichtige Angaben gemacht hat, im Hinblick auf die fraglichen inneren Tatsachen eine Mitwirkungspflicht. Er muss erläutern, aus welchen Gründen er nicht den zutreffenden Sachverhalt angegeben hat. Vermag er dies nicht nachvollziehbar darzutun, kann dies zu seinem Nachteil verwendet werden (vgl. zu all dem nur OVG NW, B.v. 19.5.2016 – 1 B 63/16 – juris Rn. 13 ff. m.w.N.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger seine Ernennung durch arglistige Täuschung herbeigeführt. Zwingende Rechtsfolge ist daher seine Entlassung nach §§ 55 Abs. 1 Satz 1, 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SG gewesen. Im Einzelnen:
Eine Besonderheit des Falles liegt darin, dass die Behördenakten den Bewerbungsbogen, auf den sich die Beklagte zulasten des Klägers bezieht, nicht beinhalten. Deshalb kann die Beklagte nicht durch diesen Bewerbungsbogen nachweisen, dass sie den Kläger – was der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten entsprechen mag – nach der Tatsache eines anhängigen strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gefragt hat. Darauf kommt es aber im Fall des Klägers auch nicht an.
Durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist seit Langem klargestellt, dass der Beamtenbewerber (von sich aus) zur Offenbarung solcher für die Willensbildung der Ernennungsbehörde erheblichen Umstände verpflichtet ist, die eine strafbare Handlung im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 2 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) ergeben oder den Verdacht einer solchen Handlung erzeugen können (vgl. BVerwG, U.v. 14.11.1969 – VI C 10.66 – ZBR 1970, 87/88 m.w.N.). Diese Wertung ist jedenfalls auf die vorliegende Fallkonstellation übertragbar.
Nach der Einsatzmeldung des Polizeipräsidiums T. vom 9. Mai 2016 war dem Kläger bereits ab diesem Zeitpunkt der gegen ihn im Raum stehende, erhebliche strafrechtliche Vorwurf der Vergewaltigung oder sexuellen Nötigung bekannt. Nach der Wertung der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hätte der Kläger den Verdacht dieser strafbaren Handlung der Beklagten ab diesem Zeitpunkt sofort von sich aus mitteilen müssen. Das hat der Kläger unstreitig nicht getan.
Insoweit hat er nach Überzeugung des Gerichts auch arglistig gehandelt. Er hat jedenfalls in Kauf genommen, dass die verschwiegene Tatsache dieses offenen Ermittlungsverfahrens für die Entscheidung der Ernennungsbehörde erheblich ist oder sein kann. Das war für einen Soldatenbewerber wie den Kläger, der das Gymnasium besucht hat, angesichts der Schwere des strafrechtlichen Vorwurfs, der damals gegen ihn im Raum gestanden hat, ohne weiteres auf der Hand gelegen. Als zutreffend wird der Schluss auf ein arglistiges Verhalten des Klägers auch durch sein Verhalten nach seiner Ernennung bestätigt. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat er bis zur aktenkundigen Belehrung durch seinen ehemaligen Zugführer beim Antreten schlicht und einfach gehofft, dass der gegen ihn erhobene strafrechtliche Vorwurf der Beklagten nie bekannt wird. Dafür spricht insbesondere, dass der Kläger ausweislich der Vernehmungsniederschrift seines ehemaligen Zugführers damals damit gerechnet hatte, dass „in diesem Fall wohl nichts mehr kommen werde“. Entsprechend hatte sich der Kläger schon in seiner Stellungnahme vom 3. April 2017 zu der beabsichtigten Entlassung eingelassen. Schon vor diesem Hintergrund vermögen die persönlichen Erläuterungen des Klägers dazu, aus welchen Gründen er den zutreffenden Sachverhalt nicht angegeben hat, nicht zu überzeugen. Im Kern laufen diese „Erläuterungen“ des Klägers lediglich auf seine nicht näher dargelegte Behauptung hinaus, ihm sei nicht bewusst gewesen, das Ermittlungsverfahren sofort melden zu müssen.
Vorausgesetzt ist für den erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen der arglistigen Täuschung und der Ernennung, dass die Ernennungsbehörde ohne die Täuschung tatsächlich, insbesondere unter Berücksichtigung ihrer damaligen Verwaltungspraxis, von der Ernennung jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt abgesehen haben würde. Es genügt somit für die Kausalität, dass die Behörde ohne die Täuschung den Bewerber nicht, wie geschehen, alsbald ernannt, sondern zunächst weitere Prüfungen und Erwägungen angestellt, gegebenenfalls ein näheres Gespräch mit dem Bewerber geführt hätte und erst sodann auf vervollständigter Grundlage über die Bewerbung entschieden hätte (vgl. Plog/Wiedow, BBG, Stand September 2014, § 14 Rn. 16 m.w.N.).
Dementsprechend hat die Beklagte nachvollziehbar vorgetragen, sodass der erforderliche Kausalzusammenhang entgegen der Auffassung der Klägerbevollmächtigten gegeben ist.
Da es sich bei der Entlassung nach §§ 55 Abs. 1 Satz 1, 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SG um eine gebundene Entscheidung handelt, war für die von den Klägerbevollmächtigten angesprochenen Ermessenserwägungen zu Gunsten des Klägers von vornherein rechtlich kein Raum.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 Sätze 1 und 2 ZPO.

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