Verwaltungsrecht

Entlassung eines Soldaten auf Zeit wegen Betäubungsmittelkonsums

Aktenzeichen  M 21 S 17.1190

Datum:
11.8.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5 S.1, § 96 Abs. 1
SG SG § 7, § 11, § 17 Abs. 2 S. 1, § 55 Abs. 5
WDO WDO § 143 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Durch den Konsum von Betäubungsmitteln inner- wie außerhalb der Kaserne verletzt der Soldat seine Dienstpflicht im Kernbereich, weil dies unmittelbar die Einsatzbereitschaft der Truppe gefährdet (stRspr, BeckRS 9998, 51034). Der Soldat auf Zeit kann deshalb fristlos entlassen werden (§ 55 Abs. 5 SG). (Rn. 17 und 19) (redaktioneller Leitsatz)
2 Vor der Entlassung des Soldaten auf Zeit wegen schuldhafter Verletzung seiner Dienstpflichten nach § 55 Abs. 5 SG muss der Dienstherr nicht die Schuldfeststellung im Disziplinarverfahren abwarten, weil beide Verfahren rechtliche unabhängig voneinander sind und einen unterschiedlichen Zweck verfolgen. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 6.915,75 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller stand bis zum 10. Februar 2017, an dem ihm die hier streitgegenständliche Entlassungsverfügung ausgehändigt wurde, im Dienst der Antragsgegnerin. Er war am 1. April 2015 als ungedienter Freiwilliger in der Laufbahn der Mannschaften des Truppendienstes in die Bundeswehr eingetreten. Am 24. November 2015 war er in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen worden und hatte zuletzt den Dienstgrad eines Hauptgefreiten (Besoldungsgruppe A4Z) erreicht. Seine Dienstzeit war auf acht Jahre festgesetzt worden und hätte mit Ablauf des 31. März 2023 geendet. Seinen Dienst hatte er zuletzt bei der 1./Gebirgsjägerbataillon 233 in Mittenwald verrichtet.
Bereits am 1. April 2015 hatte er u.a. schriftlich bestätigt, gemäß ZDv 10/5 „Leben in der militärischen Gemeinschaft“ Nr. 404 Abs. 4 über die strafrechtlichen, disziplinaren und dienstrechtlichen Folgen des Missbrauchs von Betäubungsmitteln belehrt worden zu sein (vgl. Personalakte Abschnitt C, Unterabschnitt V, Blatt 4).
Unter dem 12. Januar 2017 beantragte der zuständige Kompaniechef bei dem Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBw) nach § 55 Abs. 5 SG die fristlose Entlassung des Antragstellers aus der Bundeswehr. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller habe bei seiner Vernehmung am 1. Dezember 2016 zugegeben, dass er am 28. November 2016 in seinem innerhalb der E.-kaserne abgestellten Privatfahrzeug einen Joint geraucht habe. Bei einer (richterlich angeordneten) Durchsuchung seiner Stube durch Feldjäger ebenfalls am 1. Dezember 2016 seien in seinem Spind eindeutig dem Konsum von Marihuana zuordenbare Utensilien gefunden worden und an der Durchsuchung beteiligte Landespolizeibeamte hätten hierbei mittels eines Schnelltests eindeutig Rückstände von Marihuana nachgewiesen. Zudem habe ein Streichtest an der Jacke des Antragstellers Rückstände von Amphetamin angezeigt. Damit stehe fest, dass der Antragsteller in jüngster Vergangenheit Betäubungsmittel konsumiert habe. Er sei am 23. November 2015 in der 3./GebJgBtl 233 darüber belehrt worden, dass ihm als Soldat der Konsum von Betäubungsmitteln ausdrücklich verboten sei und bereits die erstmalige Feststellung ihres Konsums oder Besitzes zur Entlassung führen könne. Für die weitere Ausübung des militärischen Dienstes sei er charakterlich nicht geeignet. Der Bataillonskommandeur schloss sich dem Entlassungsantrag am 12. Januar 2017 an.
Bei seiner Vernehmung am 1. Dezember 2016 hatte der Antragsteller auf Vorhalt der obigen Feststellungen angegeben, er habe bei seiner Einstellung kein Hehl daraus gemacht, dass er vor seiner Zeit bei der Bundeswehr Betäubungsmittel konsumiert habe. Nach der Weihnachtsfeier der 2./GebJgBtl 233 am 28. November 2016 habe er mit verschiedenen Kameraden weitergefeiert und Alkohol getrunken. Nach Mitternacht hätten drei Kameraden vorgeschlagen, noch einen Joint zu rauchen. Zur Ausführung dieses Vorhabens habe der Antragsteller sein Privatfahrzeug zur Verfügung gestellt, den Joint habe einer der anderen beigesteuert. An weitere Umstände könne er sich wegen seiner Alkoholisierung in dieser Nacht nicht mehr erinnern. Er konsumiere seit Längerem nicht mehr regelmäßig Betäubungsmittel. Seit seiner Einstellung in die Bundeswehr sei dies das erste Mal gewesen und dazu sei es auch nur deshalb gekommen, weil er betrunken gewesen sei. Die in seinem Spind aufgefundenen, dem Konsum von Marihuana zuzuordnenden Utensilien habe er früher zu dem unterstellten Zweck benutzt, zuletzt habe er sie aber nur deshalb in seinem Besitz gehabt, weil er noch nicht dazugekommen sei, sie vereinbarungsgemäß einem anderen Hauptgefreiten zu überlassen.
Mit am 10. Februar 2017 ausgehändigtem Bescheid des BAPersBw vom 30. Januar 2017 wurde der Antragsteller gemäß § 55 Abs. 5 SG mit Ablauf des Aushändigungstages aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit entlassen. Zur Begründung wurden zunächst die Ausführungen im Entlassungsantrag wiederholt. Ergänzend wurde ausgeführt, der Antragsteller befinde sich derzeit im zweiten Dienstjahr. Er habe gestanden, in der Nacht vom 28. November 2016 Betäubungsmittel konsumiert zu haben. Hierdurch habe er insbesondere gegen seine Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG), seine Pflicht zum Gehorsam (§ 11 Abs. 1 SG), seine Wohlverhaltenspflicht (§ 17 Abs. 2 SG) sowie seine Pflicht zur Gesunderhaltung (§ 17 Abs. 4 SG) schwerwiegend verstoßen und damit das in ihn als Soldaten auf Zeit gesetzte Vertrauen grob missbraucht. Zudem habe er damit den Verdacht begründet, Straftaten nach § 29 BtMG begangen zu haben. Die vorsätzlich begangenen Taten stellten schwerwiegende Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 23 Abs. 1 SG dar. Der Konsum von Betäubungsmitteln sei Soldaten nach der Zentralen Richtlinie A2-2360/0-0-2 Nr. 503 innerhalb und außerhalb des Dienstes verboten. Dieses Verhalten widerspreche nachhaltig der Erwartung gesetzestreuen und befehlsgemäßen Verhaltens, beeinträchtige – auch durch seine negative Vorbildwirkung – die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr, lasse einen gravierenden Mangel an Rechts- und Pflichtbewusstsein sowie an Zuverlässigkeit erkennen und könne daher in den Streitkräften nicht geduldet werden. Die Entlassung sei auch aus generalpräventiven Gründen zur Abschreckung etwaiger Nachahmungstäter geboten. In dem pflichtwidrigen Verhalten sei zudem ein schwerwiegender Vertrauensbruch zu erblicken. Alles in allem sei bei einem Verbleiben des Antragstellers im Dienst die militärische Ordnung ernstlich gefährdet.
Mit Verfügung vom 18. Januar 2017 wurde wegen desselben Sachverhalts gegen den Antragsteller eine Disziplinarbuße von 1.500,00 € verhängt.
Am 16. Februar 2017 legte der Antragsteller durch seine Bevollmächtigten gegen die Entlassungsverfügung vom 30. Januar 2017 Beschwerde ein. Zur Begründung wurde vorgetragen, eine Entlassung nach § 55 Abs. 5 SG komme nur bei einer schuldhaften Verletzung von Dienstpflichten in Betracht. Eine solche sei jedoch – abgesehen vom Fall eines rechtskräftigen Strafurteils, bei dem nach § 84 WDO grundsätzlich von einer Bindungswirkung des festgestellten Sachverhalts auszugehen sei – nur dann nach § 145 Abs. 2 WBO für die Verwaltungsgerichte bindend festgestellt, wenn der Soldat wegen eines Dienstvergehens rechtskräftig disziplinar gemaßregelt worden sei. Bis dahin gelte gemäß Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 6 Abs. 2 EMRK die Unschuldsvermutung, welche zur Folge habe, dass jegliche Maßnahme, welche an schuldhaftes Handeln anknüpfe, bis zum Nachweis der Schuld in einem ordnungsgemäßen Verfahren in der dafür vorgeschriebenen Form zu unterbleiben habe. Zumindest hätten die Gerichte bei ihrer ergebnisoffenen Entscheidungsfindung aufgeschlossen für die Argumente der Verteidigung zu sein. Unter diesen Umständen verbiete es sich im vorliegenden Fall, von einem gesicherten Sachverhalt auszugehen. Weder das eingeleitete Strafverfahren noch das Disziplinarverfahren seien rechtskräftig abgeschlossen. Auch das Dienstvergehen sei nicht ordnungsgemäß und rechtskräftig seitens des Disziplinarvorgesetzten festgestellt worden. Aus diesem Grund stelle sich die angefochtene Verfügung als rechtswidrig dar.
Mit am 27. März 2017 zugestelltem Beschwerdebescheid vom 21. März 2017 wies das BAPersBw die Beschwerde zurück. Zur Begründung wurden die bisherigen Ausführungen wiederholt. Ergänzend wurde ausgeführt, die ausgesprochene Entlassung entspreche mangels atypischer Umstände als gesetzliche Regelfallentscheidung sachgerechter Ermessensausübung. Die Unschuldsvermutung stehe der fristlosen Entlassung nach § 55 Abs. 5 SG nicht entgegen. Hierbei handle es sich um eine eigenständige, vom Disziplinarrecht unabhängige Maßnahme. Die für den Eingriff notwendigen Feststellungen seien von der Entlassungsdienststelle getroffen worden. Eine Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 23 Abs. 1 SG stehe fest. Schuldform und Schwere der Dienstpflichtverletzung spielten für die Entlassung keine Rolle.
Hiergegen erhob der Antragsteller am 27. April 2017 durch seine Bevollmächtigten bei dem Verwaltungsgericht München Klage mit dem Antrag,
den Bescheid des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 30. Januar 2017 in der Gestalt des Beschwerdebescheides vom 21. März 2017 aufzuheben. Hierüber ist noch nicht entschieden (Az. M 21 K 17.1902).
Gleichzeitig beantragte er durch seine Bevollmächtigten nach § 80 Abs. 5 VwGO,
die aufschiebende Wirkung der Beschwerde anzuordnen.
Zur Begründung der Klage und des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO wurde das Vorbringen im Beschwerdeverfahren wiederholt.
Die Antragsgegnerin beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde ist zulässig. Insbesondere fehlt es ihm nicht am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Zwar weist die Antragsgegnerin zu Recht darauf hin, dass der Antragsteller im Falle des Obsiegens so gestellt würde, als sei er niemals entlassen worden. Dies lässt das Rechtsschutzinteresse aber nicht entfallen, denn der Antragsteller ist infolge der streitigen Verfügung jedenfalls derzeit daran gehindert, seinen Dienst auszuüben und erhält im Übrigen auch keinen Sold.
Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Hierbei trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung (vgl. z.B. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, zu § 80, Rn. 71, m.w.N.) darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind – die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht alleiniges Indiz zu berücksichtigen (Schmidt, a.a.O., Rn. 72).
Die demnach zu treffende Ermessensentscheidung fällt im vorliegenden Fall zu Ungunsten des Antragstellers aus, weil der von ihm erhobenen Klage keine Erfolgsaussichten zukommen. Aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage bestehen gegen die Rechtmäßigkeit der von der Antragsgegnerin erlassenen Entlassungsverfügung vom 30. Januar 2017 in der Gestalt des Beschwerdebescheides vom 21. März 2017 keine rechtlichen Bedenken. Das private Interesse des Antragstellers an der Anordnung der kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 VwGO, § 23 Abs. 6 Satz 2 WBO) ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage ist daher gegenüber dem vom Gesetzgeber aufgrund der o.g. Vorschriften allgemein bejahten öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Maßnahme nachrangig.
Nach § 55 Abs. 5 SG kann ein Soldat auf Zeit während der ersten vier Dienstjahre fristlos entlassen werden, wenn er seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat und sein Verbleiben in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde. Diese Vorschrift soll die personelle und materielle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr gewährleisten. Die fristlose Entlassung stellt ein Mittel dar, um eine Beeinträchtigung der uneingeschränkten Einsatzbereitschaft zu vermeiden. Bereits aus dem Wortlaut des § 55 Abs. 5 SG ergibt sich, dass diese Gefahr gerade als Auswirkung einer Dienstpflichtverletzung des Soldaten drohen muss. Dies ist von den Verwaltungsgerichten aufgrund einer nachträglichen Prognose zu beurteilen (vgl. BVerwG vom 28.01.2013 – 2 B 114.11 – juris Rn. 8 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall steht mit einer für das summarische Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hinreichenden Sicherheit fest, dass der Antragsteller, der zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Entlassungsverfügung noch keine vier Dienstjahre zurückgelegt hatte, seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat. Ausweislich des in der vorgelegten Entlassungsakte (Blatt 18/19) befindlichen Protokolls über seine Vernehmung hat er eingeräumt, in der Nacht des 28. November 2016 an dem gemeinschaftlichen Marihuana-Konsum mehrerer Soldaten in dem von ihm hierfür zum Zwecke der Geheimhaltung dieses Vorgangs zur Verfügung gestellten Privatfahrzeug beteiligt gewesen zu sein. Damit steht bereits zur Überzeugung des Gerichts fest, dass er wissentlich und ersichtlich ohne sich auf Schuldausschließungsgründe berufen zu können durch den Konsum von Betäubungsmitteln, welcher Soldaten innerhalb und außerhalb des Dienstes verboten ist, die Zentrale Richtlinie A2-2360/0-0-2 Nr. 503 verletzt und damit seinen Dienstpflichten zuwidergehandelt hat. Bestätigt wird dieses Geständnis durch die Aussage des Hauptgefreiten S. vom selben Tag, wonach dieser ca. sechs Wochen vor seiner Vernehmung zusammen mit dem Antragsteller in dessen Fahrzeug einen Joint geraucht habe. Eine weitere Bestätigung findet sich in seiner gesamten Vorgeschichte, welche deutliche Hinweise über einen früheren gewohnheitsmäßigen Missbrauch von Betäubungsmitteln enthalten, wozu sich der Antragsteller auch offen bekennt. Auf die zusätzlichen Feststellungen der Feldjäger- und zugezogenen Landespolizeikräfte, welche den Sachverhalt auch naturwissenschaftlich-objektiv erhärten und bestätigen, kommt es damit bereits nicht mehr an.
Der Konsum von Betäubungsmitteln innerwie außerhalb der Kaserne stellt nach ständiger Rechtsprechung eine Dienstpflichtverletzung dar (vgl. BVerwG vom 15.03.2000 – 2 B 98.99 – NVwZ 2000, 1186 = Buchholz 310 § 114 VwGO Nr. 48; BayVGH vom 17.03.2005 – 15 B 01.327 – NZWehrR 2005, 260). Ein solches Verhalten verletzt die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) sowie die Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG) im militärischen Kernbereich, weil es unmittelbar die Einsatzbereitschaft der Truppe gefährdet. Regelmäßig liegt darin auch ein Verstoß gegen die Gehorsamspflicht (§ 11 SG), wenn der Soldat wie hier über das Verbot des unbefugten Besitzes und des Konsums von Betäubungsmitteln belehrt worden ist.
Der Antragsgegnerin ist es nicht verwehrt, ihre Entscheidung über eine Entlassung nach § 55 Abs. 5 SG auf den durch den Dienstvorgesetzten ermittelten und dem BAPersBw schriftlich übermittelten Sachverhalt zu stützen. Die über die Entlassung entscheidende personalbearbeitende Stelle ist im Rahmen ihrer Entscheidungsgewalt befugt, die vorliegenden Beweismittel zur Ermittlung des Sachverhalts selbst und unabhängig vom Ausgang eines strafrechtlichen Verfahrens zu bewerten. Dabei kommt in Konkretisierung des Untersuchungsgrundsatzes (§ 96 Abs. 1 VwGO) und unter Wahrung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, auf deren Ausgestaltung der Betroffene allerdings Einfluss nehmen kann, sowohl im Behördenals auch im Gerichtsverfahren die Feststellung von Tatsachen im Wege des Urkundenbeweises durch Auswertung des Inhalts von Vernehmungsprotokollen in Betracht (BVerwG vom 28.07.2011 – 2 C 28.10 – BVerwGE 140, 199 = DÖD 2011, 282 = NVwZ-RR 2011, 986 = DokBer 2012, 43 = Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 60). Daraus folgt, dass die Entlassungsverfügung hier durchaus ohne Verstoß gegen die von dem Antragsteller geltend gemachte Unschuldsvermutung auf das zusammengetragene Aktenmaterial gestützt werden konnte; davon abgesehen hat er seine Unschuld vorliegend nicht einmal behauptet.
Überdies liegt auch kein Verfahrensfehler darin, dass die Antragsgegnerin nicht die im Rahmen eines Disziplinarverfahrens erfolgende Schuldfeststellung abgewartet, sondern stattdessen sogleich aufgrund des ermittelten Sachverhalts den Antragsteller entlassen hat. Das behördliche Verfahren nach § 55 Abs. 5 SG ist kein Disziplinarverfahren. Vielmehr zielt die fristlose Entlassung allein auf den Schutz der Bundeswehr vor künftigem Schaden ab (vgl. BVerwG vom 24.09.1992 – 2 C 17.91 –BVerwGE 91, 62 = DokBer B 1993, 31 = DVBl 1993, 392 = NVwZ-RR 1993, 501 = IÖD 1993, 26 = Buchholz 236.1 § 55 SG Nr. 13). Nicht jeder eine Entlassung nach § 55 Abs. 5 SG rechtfertigende Sachverhalt ist daher gleichzeitig Anlass für eine Disziplinarmaßnahme, wie umgekehrt nicht jedes disziplinarrechtlich erhebliche Verhalten im Rahmen des § 55 Abs. 5 SG relevant wird. Vielmehr stehen beide Verfahren rechtlich unabhängig nebeneinander. Dies wird im Übrigen auch durch die Regelung des § 143 Abs. 1 WDO bestätigt, wonach sich nur ein gerichtliches Disziplinarverfahren und die Entlassung nach § 55 Abs. 5 SG wechselseitig ausschließen.
Das Verbleiben des Antragstellers in seinem Dienstverhältnis würde schließlich die militärische Ordnung der Bundeswehr ernstlich gefährden. Da die sich auf eine umfangreiche Judikatur stützenden Ausführungen der Antragsgegnerin zu diesem Punkt von dem Antragsteller im Verfahren nicht angegriffen wurden und auch kein fehlerhafter Ermessensgebrauch gerügt wurde, nimmt das Gericht zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen unter Absehen von der weiteren Darstellung der Beschlussgründe auf diese Ausführungen, denen es folgt, Bezug (§ 117 Abs. 5 VwGO analog).
Der Antrag war nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG, wobei die Hälfte des fiktiven Jahressolds des Antragstellers im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (www.bverwg.de/informationen/streitwertkatalog.php) noch einmal zu halbieren war.

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