Verwaltungsrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis – Zwangsmittel zur Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins

Aktenzeichen  11 ZB 16.1086

Datum:
12.7.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 50110
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FeV § 47 Abs. 1
VwZVG Art. 19 Abs. 1 Nr. 1-3, Art. 29 Abs. 1-3, Art. 31 Abs. 1, Abs. 2, Art. 36 Abs. 1-3, Abs. 5, Abs. 6, Art. 37 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Verwaltungsakte, mit denen die Herausgabe einer Sache, die Vornahme einer sonstigen Handlung, eine Duldung oder eine Unterlassung gefordert wird, können im Wege des Verwaltungszwangs mit Zwangsmitteln vollstreckt werden (Art. 29 BayVwZVG) und zwar nicht nur bei Unanfechtbarekeit, sondern auch dann, wenn ein förmlicher Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat oder sofortige Vollziehung angeordnet ist (Art. 19 Abs. 1 BayVwZVG). Erst die Erklärung der Vollstreckungsmaßnahme für unzulässig, die rechtskräftige Aufhebung des zu vollstreckenden Verwaltungsakts, das offensichtliche Erlöschen der Verpflichtung oder ein entsprechendes Ersuchen der Anordnungsbehörde führt zur Einstellung der Vollstreckungsmaßnahme. (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein erstes Zwangsgeld von 250,- Euro und ein weiteres angedrohtes Zwangsgeld von 1.000,- Euro sind zur Erzwingung der Abgabe des Führerscheins in ihrer Höhe angemessen und nicht unverhältnismäßig. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

26 K 15.5471 2016-05-04 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 750,- Euro festgesetzt.

Gründe

I. Die Klage und der Antrag auf Zulassung der Berufung richten sich gegen die Fälligstellung eines Zwangsgelds und gegen die Androhung eines weiteren Zwangsgelds wegen der Nichtabgabe eines Führerscheins.
Nachdem die Klägerin der Aufforderung zur Vorlage des Gutachtens eines Arztes einer Begutachtungsstelle für Fahreignung über ihre Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht fristgemäß nachgekommen war, entzog ihr das Landratsamt Starnberg (im Folgenden: Landratsamt) mit Bescheid vom 6. August 2014 die Fahrerlaubnis, forderte sie auf, ihren Führerschein binnen einer Woche nach Zustellung des Bescheids abzugeben, drohte ihr für den Fall der Nichtabgabe des Führerscheins ein Zwangsgeld in Höhe von 250,- Euro an und ordnete hinsichtlich des Entzugs der Fahrerlaubnis und der Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins die sofortige Vollziehung des Bescheids an. Da die Klägerin den Führerschein nicht fristgerecht abgab, hat das Landratsamt das Zwangsgeld fällig gestellt und mit Bescheid vom 22. April 2015 ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 1.000,- Euro für den Fall angedroht, dass die Klägerin ihren Führerschein nicht binnen einer Woche nach Zustellung des Bescheids abgibt.
Zur Begründung des klageabweisenden Urteils vom 4. Mai 2016 hat das Verwaltungsgericht München ausgeführt, das Landratsamt habe das Zwangsgeld in Höhe von 250,- Euro am 22. April 2015 zu Recht fällig gestellt und ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 1.000,- Euro angedroht, da die Klägerin der für sofort vollziehbar erklärten Verpflichtung zur Abgabe ihres Führerscheins nicht fristgerecht nachgekommen sei.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung. Sie macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend und lässt zur Begründung ausführen, es habe kein berechtigter Anlass zu Zweifeln an ihrer Fahreignung bestanden. Die Zeugen zu den angeblichen Vorfällen seien unglaubwürdig. Sie sei noch nie im Straßenverkehr aufgefallen; die gegen sie eingeleiteten Strafverfahren seien eingestellt worden. Die Aufforderung zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens sei daher unverhältnismäßig gewesen. Außerdem habe die Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins im Zeitpunkt der Zwangsgeldandrohung noch nicht festgestanden. Das weitere Zwangsgeld sei unverhältnismäßig und überhöht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus der Antragsbegründung, auf die sich gemäß § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO die Prüfung im Zulassungsverfahren beschränkt (BayVerfGH, E. v. 14.2.2006 – Vf. 133-VI-04 – VerfGH 59, 47/52; E. v. 23.9.2015 – Vf. 38-VI-14 – BayVBl 2016, 49 Rn. 52; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 124a Rn. 54), ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
1. Das Landratsamt hatte die Fahrerlaubnis der Klägerin mit Bescheid vom 6. August 2014 wegen Nichtbeibringung des geforderten fachärztlichen Fahreignungsgutachtens entzogen (Nr. 1), sie zur Abgabe des Führerscheins innerhalb einer Woche nach Zustellung dieses Bescheids verpflichtet (Nr. 2), für den Fall der nicht fristgerechten Vorlage des Führerscheins ein Zwangsgeld in Höhe von 250,- Euro angedroht (Nr. 3) und die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 dieses Bescheids angeordnet (Nr. 4). Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnisverordnung – FeV) sind von einer deutschen Behörde ausgestellte nationale und internationale Führerscheine nach der Entziehung der Fahrerlaubnis unverzüglich der entscheidenden Behörde abzuliefern oder bei Beschränkungen oder Auflagen zur Eintragung vorzulegen. Die Verpflichtung zur Ablieferung oder Vorlage des Führerscheins besteht auch, wenn die Entscheidung – wie hier – angefochten worden ist, die zuständige Behörde jedoch die sofortige Vollziehung ihrer Verfügung angeordnet hat (§ 47 Abs. 1 Satz 2 FeV).
Verwaltungsakte, mit denen die Herausgabe einer Sache, die Vornahme einer sonstigen Handlung, eine Duldung oder eine Unterlassung gefordert wird, können im Wege des Verwaltungszwangs mit Zwangsmitteln vollstreckt werden (Art. 29 Abs. 1 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes – VwZVG). Zwangsmittel ist unter anderem das Zwangsgeld, das vor seiner Fälligstellung – wie hier im Bescheid vom 6. August 2014 geschehen – schriftlich unter Bestimmung einer Frist in bestimmter Höhe anzudrohen ist (Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, Art. 31 Abs. 1, Abs. 2, Art. 36 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, Abs. 5 VwZVG). Voraussetzung der Anwendung des Zwangsgelds ist, dass der Vollstreckungsschuldner seine Verpflichtung nicht rechtzeitig erfüllt (Art. 19 Abs. 2, Art. 31 Abs. 3 Satz 3, Art. 37 Abs. 1 Satz 1 VwZVG). Dies war vorliegend unstreitig der Fall; die Klägerin hatte ihren Führerschein im Zeitpunkt der Fälligstellung des Zwangsgelds in Höhe von 250,- Euro am 22. April 2015 trotz des angeordneten Sofortvollzugs der Verpflichtung noch nicht beim Landratsamt abgegeben. Da die erste Androhung des Zwangsgelds erfolglos geblieben ist, war auch die Androhung eines weiteren Zwangsgelds zulässig (vgl. Art. 36 Abs. 6 Satz 2, Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG).
Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, es habe kein Anlass zu Zweifeln an ihrer Fahreignung bestanden, die Gutachtensbeibringungsanordnung sei unverhältnismäßig gewesen und die Rechtmäßigkeit habe im Zeitpunkt der Zwangsgeldandrohung oder -fälligstellung noch nicht festgestanden. Verwaltungsakte können nicht nur dann vollstreckt werden, wenn sie nicht mehr mit einem förmlichen Rechtsbehelf angefochten werden können (Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG), sondern auch dann, wenn der förmliche Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat (Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG) oder wenn – wie hier – die sofortige Vollziehung angeordnet ist (Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG). Erst die Erklärung der Vollstreckungsmaßnahme für unzulässig, die rechtskräftige Aufhebung des zu vollstreckenden Verwaltungsakts, das offensichtliche Erlöschen der Verpflichtung oder ein entsprechendes Ersuchen der Anordnungsbehörde hätte zur Einstellung der Vollstreckungsmaßnahme geführt (Art. 22 VwZVG). Das war hier jedoch nicht der Fall.
Schließlich waren das fällig gestellte erste Zwangsgeld von 250,- Euro und das weitere angedrohte Zwangsgeld von 1.000,- Euro auch in ihrer Höhe angemessen und nicht unverhältnismäßig (Art. 29 Abs. 3 VwZVG). Das Zwangsgeld beträgt mindestens fünfzehn und höchstens 50.000,- Euro und soll das nach pflichtgemäßem Ermessen zu schätzende wirtschaftliche Interesse, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterbleiben der Handlung hat, erreichen (Art. 31 Abs. 2 VwZVG). Beide angedrohten Zwangsgelder bewegen sich im unteren Bereich des durch Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG eröffneten Rahmens und stehen in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck, die Klägerin dazu anzuhalten, ihrer Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins nach der Entziehung der Fahrerlaubnis nachzukommen.
2. Als unterlegene Rechtsmittelführerin hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 und § 52 Abs. 1, Abs. 3 GKG und den Empfehlungen in Nrn. 1.5 Satz 1, 1.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, Anh. § 164 Rn. 14).
4. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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