Verwaltungsrecht

Entzug des akademischen Grades “Dr. med.” wegen Täuschung

Aktenzeichen  7 ZB 16.1531

Datum:
17.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 105531
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, Nr. 5
BayVwVfG Art. 48

 

Leitsatz

Wird eine Dissertation entgegen der abgegebenen Erklärung nicht selbstständig, sondern in Mitautorenschaft mit dem Doktorvater erstellt, kann der akademische Grad rückwirkend wegen Täuschung über die eigene wissenschaftliche Arbeit entzogen werden (Art. 48 BayVwVfG). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 2 K 15.692 2016-06-29 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung des durch die Universität W. (Beklagte) im Jahr 2003 verliehenen akademischen Grades „Dr. med.“.
Die Beklagte hatte dem Kläger mit Bescheid vom 17. Juli 2014 den akademischen Grad „Dr. med.“ rückwirkend entzogen (Art. 48 BayVwVfG), weil der Kläger über die Eigenständigkeit der wissenschaftlichen Promotionsleistung getäuscht habe. Die Dissertation sei entgegen der vom Kläger abgegebenen Erklärung nicht selbstständig, sondern in Zusammenarbeit mit Prof. K. (Mitautor), dem Doktorvater des Klägers, verfasst worden. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 2015 zurück. Auf die Gründe der Bescheide wird Bezug genommen.
Das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg hat die gegen die genannten Bescheide gerichtete Klage mit Urteil vom 29. Juni 2016 abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil verwiesen.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung macht der Kläger geltend, an der Richtigkeit des Urteils bestünden ernstliche Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Rechtssache weise außerdem besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten auf und habe grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO). Das Gericht habe die Umstände des Einzelfalls nicht berücksichtigt und die „über das normale Maß hinausgehende intensive Betreuung von Prof. K.“ einseitig dem Kläger angelastet. Der Kläger habe keinen Täuschungsvorsatz gehabt und bei der Beklagten auch keinen Irrtum erregt. Der Umstand, dass Prof. K. „einen intensiven und im Sprachstil und Diktion prägenden Einfluss auf die Arbeiten der Doktoranden ausübte“ sei bei der Beklagten allgemein bekannt gewesen. Grundsätzlich klärungsbedürftig sei ferner die Frage, „inwiefern bloße Protokollierungen der Arbeitsergebnisse des Doktoranden durch den Doktorvater das Erfordernis der Eigenständigkeit und selbstständigen Anfertigung einer Dissertation beeinträchtigen können“. Die gerichtliche Entscheidung beruhe schließlich auf einem Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), weil das Verwaltungsgericht Prof. K. und „die Korrektoren der Dissertation“ nicht als Zeugen vernommen habe. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Bevollmächtigten des Klägers vom 19. September 2016 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. An der Richtigkeit des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Beklagte hat dem Kläger zu Recht den verliehenen akademischen Grad „Dr. med.“ rückwirkend entzogen. Der Senat folgt den ausführlichen Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Im Hinblick auf das klägerische Vorbringen im Zulassungsverfahren ist lediglich ergänzend zu bemerken:
Das Verwaltungsgericht hat bei seiner Prüfung der streitgegenständlichen Bescheide entgegen der Ansicht des Klägers die Umstände des Einzelfalls hinreichend berücksichtigt. Es hat das Vorliegen der für die rückwirkende Entziehung des akademischen Grades „Dr. med.“ einschlägigen gesetzlichen Voraussetzungen (insbesondere Art. 48 BayVwVfG) im Einzelnen geprüft und dabei die „über das normale Maß hinausgehende intensive Betreuung von Prof. K.“ keineswegs „einseitig dem Kläger angelastet“. Es hat vielmehr mit ausführlicher Begründung festgestellt, dass die klägerische Dissertation gemeinsam durch den Kläger und Prof. K. erarbeitet wurde, ohne dass diese Zusammenarbeit im Promotionsverfahren kenntlich gemacht worden ist. Das Verwaltungsgericht hat ebenso festgestellt, dass der Kläger die Verleihung des akademischen Grades durch eine bewusste Täuschung der Beklagten über die selbstständige Erstellung der Dissertation erwirkt hat und es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Zusammenarbeit des Klägers mit Prof. K. bei der Erarbeitung der Dissertation seinerzeit allen am Promotionsverfahren beteiligten Stellen bekannt gewesen ist.
2. Die Rechtssache weist entgegen der Ansicht des Klägers weder besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, noch hat sie grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO). Das Verwaltungsgericht und der Senat haben bereits über ähnliche Rechtsstreitigkeiten (Entziehung verliehener akademischer Grade durch die Beklagte), in denen jeweils Prof. K. als Doktorvater im Promotionsverfahren beteiligt gewesen ist, entschieden, sodass die maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände bekannt sind (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 5.2.2016 – 7 ZB 15.1073 – juris; BayVGH, B.v. 4.2.2016 – 7 ZB 15.1072 – juris). Grundsätzlich klärungsbedürftig ist in diesem Zusammenhang auch nicht die Frage, „inwiefern bloße Protokollierungen der Arbeitsergebnisse des Doktoranden durch den Doktorvater das Erfordernis der Eigenständigkeit und selbstständigen Anfertigung einer Dissertation beeinträchtigen können“, weil es für die gerichtliche Entscheidung nicht auf den Umstand einer „Protokollierung“ von Arbeitsergebnissen, sondern auf die Feststellung ankommt, dass Prof. K. und der Kläger in zahlreichen gemeinsamen Besprechungen den Text der Dissertation in gemeinsamer Zusammenarbeit formuliert haben.
3. Die gerichtliche Entscheidung beruht schließlich auch nicht deshalb auf einem Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), weil das Verwaltungsgericht Prof. K. und „die Korrektoren der Dissertation“ nicht als Zeugen vernommen hat.
Sind – wie hier – keine förmlichen Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung gestellt worden, so bestimmt das Gericht den Umfang seiner Aufklärung des Sachverhalts nach seinem pflichtgemäßen Ermessen. Die Grenzen dieses Ermessens überschreitet das Gericht nur, wenn es Ermittlungen unterlässt, die sich nach den Umständen des Einzelfalles von seinem Rechtsstandpunkt aus hätten aufdrängen müssen (vgl. z.B. BayVGH, 5.2.2016 – 7 ZB 15.1073 – juris Rn. 11 m.w.N.). Der Kläger hat jedoch im Zulassungsverfahren keine substantiierten Gründe dargelegt, weshalb über die in den Akten befindlichen tatsächlichen Feststellungen und Angaben hinaus ergänzende Zeugeneinvernahmen veranlasst und welche entscheidungserheblichen Beweisfragen noch zu klären gewesen wären.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 3 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 18.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
5. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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