Aktenzeichen W 8 K 18.30540
Leitsatz
Nach Ägypten zurückkehrende Asylbewerber sind in der Regel keiner spezifischen Gefährdung aufgrund ihres Asylantrags im Ausland ausgesetzt. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. Januar 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG sowie für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Gericht folgt im Ergebnis sowie in der wesentlichen Begründung dem angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Das Gericht ist insbesondere auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugt, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Ägypten politische Verfolgung oder sonst eine ernsthafte Gefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
Ein Ausländer darf gemäß § 3 ff. AsylG nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Verfolgungshandlungen müssen an diese Gründe anknüpfend mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (siehe zum einheitlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – BVerwGE 140, 22; U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – BVerwGE 136, 377). Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist letztlich, ob es zumutbar erscheint, dass der Ausländer in sein Heimatland zurückkehrt (BVerwG, U.v. 3.11.1992 – 9 C 21/92 – BVerwGE 91, 150; U.v. 5.11.1991 – 9 C 118/90 – BVerwGE 89, 162). Über das Vorliegen einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegebenen Gefahr politischer Verfolgung entscheidet eine wertende Gesamtbetrachtung aller möglichen verfolgungsauslösenden Gesichtspunkte, wobei in die Gesamtschau alle Verfolgungsumstände einzubeziehen sind, unabhängig davon, ob diese schon im Verfolgerstaat bestanden oder erst in Deutschland entstanden und von dem Ausländer selbst geschaffen wurden oder ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem nach der Flucht eingetretenen Verfolgungsgrund und entsprechend den schon in dem Heimatland bestehenden Umständen gegeben ist (BVerwG, U.v. 18.2.1992 – 9 C 59/91 – Buchholz 402.25, § 7 AsylVfG Nr. 1).
Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat ein Kläger (oder eine Klägerin) seine (ihre) Gründe für seine politische Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO). Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. Bei den in die eigene Sphäre des Klägers fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, muss er eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, den Abschiebungsschutz lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. Bleibt ein Kläger hinsichtlich seiner eigenen Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 106.84 – BVerwGE 71, 180).
Dem Kläger ist es nicht gelungen, die für seine Ansprüche relevanten Gründe in der dargelegten Art und Weise geltend zu machen. Unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass eine begründete Gefahr (politischer) Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestand bzw. besteht oder sonst eine ernsthafte Gefahr drohte oder droht. Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers war wesentlicher Ausreisegrund seine wirtschaftliche Lage bzw. die wirtschaftliche Situation seiner Familie.
Eine politische Verfolgung droht dem Kläger auch nicht sonst bei einer Rückkehr, etwa wegen seines Auslandsaufenthalts oder seiner Asylantragstellung in Deutschland. Nach Ägypten zurückkehrende Asylbewerber sind nach der Auskunftslage in der Regel keiner spezifischen Gefährdung aufgrund ihres Asylantrages im Ausland ausgesetzt. Staatliche Maßnahmen als Reaktion auf Asylanträge im Ausland sind nicht bekannt (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten vom 14.4.2018, Stand: März 2018, S. 15 und 19; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Ägypten vom 16.4.2018, S. 34). Eine betreffende Strafverfolgung verfolgt überdies jedenfalls keine asylerhebliche Zielsetzung, selbst wenn eine illegale Ausreise, also ein Verlassen des Landes ohne gültige Papiere, mit einer Strafe geahndet werden könnte. Selbst eine drohende Bestrafung wäre weder flüchtlings- noch sonst schutzrelevant (vgl. im Ergebnis ebenso VG Augsburg, U.v. 20.3.2018 – Au 6 K 17.34310 – juris; VG Berlin, U.v. 20.2.2018 – 32 K 79.17 A – juris; U.v. 15.2.2018 – 32 K 266.17 A – juris).
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung drohen könnte, und die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung einer Abschiebung nicht entgegenstehen (§ 60 Abs. 6 AufenthG).
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung sinngemäß vorgebracht hat, ihm drohe Gefahr von den Leuten, die ihm 4.500,00 EUR für seine Flucht ausgeliehen hätten, deshalb könne er nicht mehr in Ägypten leben, ist dem schon entgegenzuhalten, dass seine Aussage insoweit widersprüchlich ist, weil er demgegenüber beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Rahmen seiner Anhörung am 16. Dezember 2016 (Bl. 71 der Bundesamtsakte) angegeben hat, seine Flucht habe 4.500,00 EUR gekostet, 2.000,00 EUR stammten aus seinen Ersparnissen, die restlichen 2.500,00 EUR habe er als Schulden aufgenommen. Zudem hat der Kläger bis auf einen pauschale Aussage in der mündlichen Verhandlung, dass er wegen dieser Leute, die ihm das Geld für die Flucht geliehen hätten, nicht mehr leben könne, nicht konkretisiert und substanziiert, warum und inwieweit ihm welche Gefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit wegen seiner Schulden drohen sollte. Abgesehen davon sind Schulden nichts Außergewöhnliches. Das Gericht hält es für möglich und zumutbar, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Ägypten eine Arbeit aufnehmen und aus seinem Verdienst seine möglichen Gläubiger ratenweise befriedigen kann. Zudem steht für den Kläger theoretisch auch die Möglichkeit, sich in einem anderen Landesteil von Ägypten, etwa in einer der Großstädte, niederzulassen, sodass seine Gläubiger überhaupt nicht mitbekommen müssten, dass er sich in Ägypten aufhält. Für den Kläger bestünde insofern eine zumutbare inländische Aufenthaltsalternative.
Nach dem vorstehend Gesagten sind weiter insgesamt betrachtet keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG oder von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt wären.
Im Übrigen wird auf den angefochtenen Bundesamtsbescheid Bezug genommen – in dem schon ausführlich dargelegt ist, dass das Existenzminimum des Klägers bei einer Rückkehr gesichert ist und Grundversorgung sowie die medizinische Versorgung in Ägypten gewährleistet sind (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten vom 14.4.2018, Stand: März 2018, S. 18 f.; Auskunft vom 20.1.2017 an das VG Düsseldorf; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Ägypten vom 16.4.2018, S. 30 ff.) – und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Der Kläger ist noch jung und erwerbsfähig; ihm ist zuzumuten, zur Sicherung seines Existenzminimums den notwendigen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit zu erwirtschaften und gegebenenfalls auf die Unterstützung durch Familienangehörige der in Ägypten noch lebenden Großfamilie sowie auf weitere Hilfemöglichkeiten zurückzugreifen. Zudem hat der Kläger einen Hauptschulabschluss in Deutschland erreicht, der ebenso wie seine erworbenen Deutschkenntnisse bei einer Rückkehr nach Ägypten hilfreich sein können (vgl. ebenso VG Augsburg, U.v. 20.3.2018 – Au 6 K 17.34310 – juris; VG Berlin, U.v. 20.2.2018 – 32 K 79.17 A – juris; U.v. 15.2.2018 – 32 K 266.17 A – juris; VG Münster, U.v. 15.1.2018 – 9 K 2580/16 .A – juris).
Auch aus der Minderjährigkeit resultiert kein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis. Dem mittlerweile fast 18-jährigen Kläger, der dann das Kindesalter verlässt (BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Ägypten vom 16.4.2018, S. 27 f.), ist neben weiteren Hilfemöglichkeiten – wie auch in der Vergangenheit – in Ägypten eine Arbeitsaufnahme zur Sicherung seines Existenzminimums möglich.
Schließlich sind auch die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots rechtlich nicht zu beanstanden, insoweit kann auf den streitgegenständlichen Bundesamtsbescheid Bezug genommen werden.
Ohne dass es entscheidungserheblich darauf ankommt, ist ergänzend noch anzumerken, dass realistischer Weise nicht anzunehmen ist, dass der Kläger tatsächlich vor Erreichung der Volljährigkeit (in Ägypten mit 21 Jahren) abgeschoben wird. Denn nach § 58 Abs. 1a AufenthG hat sich die Behörde vor Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers zu vergewissern, dass dieser im Rückkehrstaat einem Mitglied seiner Familie, einem zur Personensorge Berechtigten oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird. Dabei ist dem Kindeswohl Rechnung zu tragen. Es dürfen keine vernünftigen Zweifel mehr verbleiben. Die Ausländerbehörde hat die betreffenden Ermittlungen dem Minderjährigen in einer überprüfbaren Weise mitzuteilen. Gegen die Entscheidung der Ausländerbehörde einer Abschiebung trotz Minderjährigkeit steht dem Betreffenden gerichtlicher Rechtsschutz zu. Nach Erreichen der Volljährigkeit könnte der Kläger mit Hinweis auf Änderung der Sach- und Rechtslage beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen Folgeantrag stellen (vgl. zum Ganzen etwa Hocks in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 58 AufenthG Rn. 29). Auch wegen der in der Praxis allgemein bestehenden mangelnden Kooperationsbereitschaft ägyptischer Behörden (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten vom 14.4.2018, Stand: März 2018, S. 19 f.) ist nicht mit einer tatsächlichen Rückführung unbegleiteter Minderjähriger nach Ägypten zu rechnen.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG abzuweisen.