Verwaltungsrecht

Erfolglose Asylklage eines georgischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  B 1 K 18.30557

Datum:
9.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15186
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 3e, § 3d, § 4
AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 5 u. 7

 

Leitsatz

1. Bei einer Ausreise auf dem Luftweg ist eine systematische staatliche Verfolgung in Georgien fernliegend, da bei der Ausreise aus Georgien strenge Pass- und Identitätskontrollen stattfinden.  (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der georgische Staat ist bei Übergriffen privater Dritter schutzwillig und schutzfähig.  (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG), die Asylanerkennung (Art. 16a Abs. 1 GG), die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (§ 4 AsylG) oder die Feststellung eines national begründeten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch im Übrigen erweist sich der angegriffene Bescheid als rechtmäßig und verletzt den Kläger somit nicht in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
In der Sache selbst folgt das Gericht der zutreffenden Begründung des Bescheids des Bundesamts vom 01.03.2018 und sieht insoweit von einer gesonderten Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Ergänzend hierzu sind zum Klagevorbringen sowie zur Sache noch die folgenden Ausführungen veranlasst:
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG. Er hat eine begründete Furcht vor Verfolgung wegen seiner politischen Überzeugung nicht glaubhaft gemacht.
Völlig zu Recht hat das Bundesamt im angegriffenen Bescheid zunächst festgestellt, dass angesichts der Ausreise auf dem Luftweg eine systematische staatliche Verfolgung fernliegend ist. Denn nach der Auskunftslage finden bei der Ausreise aus Georgien strenge Pass- und Identitätskontrollen statt (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien vom 27.08.2018, S. 16). Würde es sich im Fall des Klägers tatsächlich um eine systematische staatliche Verfolgung handeln, wäre es ihm nicht möglich gewesen, unbehelligt auf dem Landweg auszureisen (vgl. S. 14 des Sitzungsprotokolls). Dies gilt erst recht angesichts des Umstandes, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, es habe sich um Mitarbeiter des „Kriminaldienstes“ gehandelt, die den Kläger bedroht hätten (S. 13 des Sitzungsprotokolls).
Zutreffend hat das Bundesamt auch ausgeführt, dass sich die vom Kläger geschilderten Probleme in erster Linie auf den Sohn des Kreisverwalters in Telawi beziehen. Es ist daher vom Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative i.S.v. § 3e AsylG auszugehen. Dass eine solche in Tiflis besteht, hat der Kläger selbst unter Beweis gestellt, da er mit den „Leuten aus Telawi“ in Tiflis keine Probleme gehabt hat (S. 12 des Sitzungsprotokolls). Soweit sich der Kläger darauf berufen hat, dass er in der Zeit in Tiflis Probleme mit „Kriminellen“ oder „Kriminaldienstmitarbeitern“ gehabt hat, kann er auch unter diesem Gesichtspunkt nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft beanspruchen. Denn er hat selbst angegeben, dass ihm in dem einen Jahr vor der Ausreise in Tiflis nichts Konkretes widerfahren ist (S. 12 des Sitzungsprotokolls). Die (vorgeblichen) bloßen Bedrohungen sind scheinbar folgenlos geblieben. Insbesondere ist der Antragsteller in dieser Zeit nicht geschlagen worden. Davon, dass die Drohungen gegenüber den Familienangehörigen des Klägers in die Tat umgesetzt worden wären, hat er ebenfalls nichts berichtet. Zudem ist die vom Kläger insoweit geschilderte Bedrohungssituation nicht glaubhaft. Denn hätte es sich bei den Personen, von denen er bedroht worden sei, tatsächlich um Kriminalbeamte gehandelt, hätten diese – jedenfalls bei einem ernstzunehmenden Verfolgungswillen – die ihnen in dieser Eigenschaft zur Verfügung stehenden Mittel genutzt, um den Kläger zum Austritt aus der Partei zu bewegen. Er hat indes geschildert, dass er in dem Jahr in Tiflis keine konkreten Verfolgungshandlungen erdulden musste und dass ihm insbesondere keine Drogen oder Waffen untergeschoben oder sonst Straftaten angehängt worden seien (S. 14 des Sitzungsprotokolls). Außerdem ist auch insoweit nochmals zu unterstreichen, dass staatliche Institutionen die Möglichkeiten gehabt hätten, eine Ausreise des Klägers auf dem Luftweg zu verhindern. Darüber hinaus festzustellen, dass der Kläger die in der mündlichen Verhandlung geschilderten Bedrohungen in Tiflis bei seiner Anhörung beim Bundesamt (so) nicht geschildert hat, was als zusätzlicher Gesichtspunkt gegen die Glaubhaftigkeit seiner diesbezüglichen Angaben in der mündlichen Verhandlung spricht.
Was die vom Kläger geltend gemachten Bedrohungen in Tiflis angeht, ist jedoch jedenfalls eine interne Schutzmöglichkeit i.S.v. § 3e AsylG im Übrigen Gebiet (Kern-)Georgiens gegeben. Es ist dem Kläger möglich und zumutbar, sich in einem anderen Landesteil an einem Ort niederzulassen, an dem ihm keine Verfolgung droht. Denn eine landesweite Verfolgung kann auf Basis seiner Angaben im Rahmen seiner persönlichen Anhörung sowie seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung nicht angenommen werden. Soweit der Kläger beim Bundesamt gegen das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative eingewandt hat, dass ihm „in Westgeorgien die dortige Mentalität“ nicht liege, verfängt dieser Einwand nicht. Anhaltspunkte dafür, dass ihm die Inanspruchnahme einer internen Schutzmöglichkeit in einer der dortigen Städte nicht i.S.v. § 3e AsylG zumutbar wäre, lässt sein diesbezüglicher Vortrag nicht erkennen.
Überdies ist der Kläger bei Bedrohungen durch nichtstaatliche Akteure – eine staatliche Verfolgung scheidet aus (s.o.) – vorrangig auf die Inanspruchnahme der in Georgien bestehenden Schutzmöglichkeiten zu verweisen. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bei einer geltend gemachten Bedrohung durch (wie hier) nichtstaatliche Akteure würde gem. § 3c Nr. 3 AsylG voraussetzen, dass der georgische Staat erwiesenermaßen nicht willens oder nicht in der Lage wäre, i.S.d. § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten. Dies ist jedoch nicht der Fall. Nach der Auskunftslage arbeiten die Sicherheitsbehörden im Sinne ihres Auftrags (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien vom 10.11.2016, S. 4). Das georgische Polizei- und Justizwesen hat in den letzten Jahren einen drastischen Wandel erfahren. Durch umfassende Reformen, verbunden mit einem Austausch von großen Teilen des Polizeipersonals und der Einrichtung des Amts eines Ombudsmanns für Bürgerbeschwerden und Menschenrechtsverletzungen, wurden erhebliche Fortschritte in den Bereichen Verwaltungskontrolle, Korruptionsbekämpfung und Strafverfolgung erzielt. Die Umgestaltung der Polizei hin zu einem transparenten, serviceorientierten Verwaltungsorgan hat für die georgische Regierung hohe Priorität (vgl. die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 19.07.2012 an das VG Sigmaringen, Gz. 508-9-516.80/47214). Nach den zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln ist davon auszugehen, dass der georgische Staat bei Übergriffen privater Dritter schutzwillig und schutzfähig ist (ebenso z.B. VG Würzburg, U.v. 07.08.2017 – W 7 K 16.32468 – juris Rn. 23; VG Augsburg, B.v. 06.06.2016 – Au 6 S 16.30662 – juris Rn. 25). Dass der georgische Staat sich auch im Fall des Klägers als schutzbereit erweist, hat dieser nicht durchgreifend infrage gestellt, zumal er eine (ernstzunehmende) Verfolgung durch Polizeimitarbeiter („des Kriminaldienstes“) nicht glaubhaft gemacht hat.
2. Aus denselben Gründen, die zur Versagung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führen, bleibt die Klage auch erfolglos, soweit mit ihr die Asylanerkennung (Art. 16a Abs. 1 GG) und die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (§ 4 AsylG) begehrt wird. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, droht dem Kläger (u.a. wegen interner Schutzmöglichkeiten) keine politische Verfolgung i.S.v. Art. 16a Abs. 1 GG. Dies gilt auch für den Eintritt eines ernsthaften Schadens i.S.v. § 4 AsylG, wobei gem. § 4 Abs. 3 AsylG die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend gelten.
3. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Insbesondere wird der Kläger prognostisch erneut dazu in der Lage sein, eine zumindest existenzsichernde Lebensgrundlage zu erhalten, wie es ihm bereits vor der Ausreise möglich war. Er ist gesund und arbeitsfähig, sodass er auf den Einsatz seiner Arbeitskraft zu verweisen ist. Vor diesem Hintergrund ist eine Verletzung von Art. 3 EMRK durch die Abschiebung nicht beachtlich wahrscheinlich. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob die (nunmehr ebenfalls in der Bundesrepublik Deutschland befindlichen) Familienangehörigen des Klägers in die Rückkehrprognose mit einzubeziehen sind oder nicht, da der Kläger auch mit seiner Familie in Georgien in der Lage war, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten und dies prognostisch erneut sein wird.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylG. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung basiert auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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