Aktenzeichen M 32 K 16.35723
AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
GG Art. 16a
Leitsatz
1 Knüpft eine behauptete Zwangsrekrutierung druch eine bestimmte Gruppierung (“Mullahs”) weder an Rasse, Religion, Nationalität, politische Überzeugung oder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe des Betroffenen an, scheidet die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG aus. (Rn. 10) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 In einem flächen-und bevölkerungsmäßig großen Land wie Pakistan ohne funktionierendes Meldewesen ist es grundsätzlich möglich, in einer der größeren Städte dauerhaft der Aufmerksamkeit der lokalen Behörden oder eines potentiellen Verfolgers zu entgehen. Potentiell Verfolgte können daher in den Großstädten aufgrund der dortigen Anonymität unbeheliigt leben. (Rn. 10) (red. LS Clemens Kurzidem)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen, gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unbegründet.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
Die Klage bleibt ohne Erfolg.
Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG, noch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG, noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG, noch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 34 und 38 AsylG, die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots in § 11 AufenthG.
Das Gericht folgt der zutreffenden Begründung des streitgegenständlichen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) und führt ergänzend aus:
Eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG scheidet aus. Die behauptete Verfolgung durch die Mullhas – so sie überhaupt glaubwürdig vorgetragen ist – knüpft nicht an ein rechtlich relevantes Merkmal i.S.d. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b AsylG an. Die behauptete Entführung des Klägers geschah nicht wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmtem sozialen Gruppe. Es handelt sich um eine Zwangsrekrutierung durch eine Gruppierung, die selbstverständlich zu verurteilen ist, aber nichts mit politischer Verfolgung oder Flüchtlingsschutz zu tun hat. Des Weiteren ging die vom Kläger behauptete Verfolgung nicht von einem rechtlich relevanten Verfolgungsakteur i.S.v. § 3c AsylG aus. Die vom Kläger durchaus vage als „Mullhas“ bezeichnete Verfolgergruppe ist kein nichtstaatlicher Verfolgungsakteur im Sinne des § 3c Nr. 3 AsylG, da der Kläger nicht dargelegt hat, dass vor dieser Gruppe erwiesenermaßen nicht Schutz durch die in § 3c Nr. 1 und 2 AsylG genannten staatlichen Strukturen, z.B. die Polizei, gewährt werden kann (zum Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren siehe ausführlich VG München, U.v. 15.2.2019 – M 32 K 16.35712). Außerdem besteht nach § 3e AsylG für den Kläger eine inländische Fluchtalternative. Die Voraussetzungen, nämlich dass der Kläger in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und er in diesen Landesteil reisen, dort aufgenommen werden und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt, sind erfüllt. Nach der aktuellen Erkenntnislage (Auswärtiges Amt, Lagebericht, Stand August 2018, S. 20) können potentiell Verfolgte in den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Karachi, Peshawar oder Multan aufgrund der dortigen Anonymität unbehelligt leben. In einem flächen- und bevölkerungsmäßig großen Land wie Pakistan (Fläche 880.000 m², ca. 200 Mio. Einwohner) ohne funktionierendes Meldewesen ist es grundsätzlich möglich, in einer der größeren Städte dauerhaft der Aufmerksamkeit der lokalen Behörden oder eines potentiellen Verfolgers zu entgehen (Auswärtiges Amt, Stellungnahme an VG Leipzig vom 15.1.2014). Besondere individuelle Ausschlussgründe sind beim Kläger nicht ersichtlich. Der Kläger ist ein gesunder erwerbsfähiger Mann, der auch in anderen Landesteilen Pakistans seinem Beruf als Friseur nachgehen und dort seinen und seiner Familie Lebensunterhalt wird sichern können.
Der Kläger hat ebenso keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG. Wie bei der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft fehlt es bereits an einem rechtlich relevanten Akteur und besteht eine inländische Fluchtalternative (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG).
Es besteht auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Die Klage war von daher abzuweisen. Da es aus dem Vortrag des Klägers rechtlich offensichtlich ist, dass damit kein Anspruch auf Asylanerkennung oder Zuerkennung des internationalen Schutzes begründet werden kann und sich dem Gericht die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt, war die Klage gemäß § 30 Abs. 1 AsylG insoweit als offensichtlich unbegründet abzuweisen. Es sei im Übrigen bemerkt, dass die Klage gegen die Entscheidung über die Versagung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG bereits offensichtlich unzulässig ist (§ 78 Abs. 1 AsylG), da sich die am 15. Dezember 2016 erhobene Klage erst mit ergänzendem Schriftsatz des Bevollmächtigten des Klägers vom 21. Januar 2019 und damit weit außerhalb der zweiwöchigen Klagefrist nach § 74 Abs. 1 AsylG auch gegen diese Entscheidung richtete.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Dieser Urteil ist unanfechtbar, § 78 Abs. 1 AsylG.