Aktenzeichen B 1 K 17.30608
Leitsatz
Aus Abchasien geflüchtete ethnische Georgier unterliegen in sonstigen Teilen Georgiens keinen Benachteiligungen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
1. Die zulässigen Klagen haben in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid des Bundesamts vom 8. Februar 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Diese haben weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG noch auf Asylanerkennung noch Gewährung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG bzw. auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Die Abschiebungsandrohung nach Georgien und die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Gericht verweist zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die zutreffende Begründung in dem angefochtenen Bescheid.
Ergänzend ist zum Vorbringen der Kläger im gerichtlichen Verfahren Folgendes auszuführen:
a. Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4, Abs. 1 AsylG ist nicht gegeben.
Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft dann nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG). Dabei ist sowohl bei der Prüfung des Flüchtlingsschutzes (§ 60 Abs. 1 AufenthG, § 3 Abs. 1 AsylG) als auch des subsidiären Schutzes durch die unionsrechtlichen Abschiebungsverbote als Prognosemaßstab einheitlich der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzulegen. Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ist ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird (Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG). Danach besteht bei vorverfolgt Ausgereisten die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Diese Beurteilung obliegt tatrichterlicher Würdigung im Rahmen freier Beweiswürdigung (hierzu: BVerwG, U. v. 27. April 2010, Az. 10 C 5/09).
Gemessen an diesen Grundsätzen haben die Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Ihnen droht bei einer Rückkehr nach Georgien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmittelbare individuelle oder kollektive Verfolgung aufgrund einer der in § 3 AsylG genannten Verfolgungsgründe.
Soweit die Kläger vortragen, dass sie vor ihrer Ausreise aus Georgien lange Jahre in Abchasien gelebt hätten und von dort vertrieben worden seien, begründet dies kein Bleiberecht in Deutschland. Wie bereits oben ausgeführt, ist die Flüchtlingseigenschaft nur dann zuzuerkennen, wenn der Asylbewerber im gesamten Staatsgebiet keine ihm zumutbare Möglichkeit hat, vor Verfolgung aus den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründen (Rasse, Religion, Nationalität, politische Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe) sicher zu leben und er auch nicht den Schutz des Staates in Anspruch nehmen kann.
In Georgien dauern zwei ungelöste Territorialkonflikte an: Die Landesteile Abchasien (Größe Thüringens, ca. 200.000 Einwohner) und Südossetien (Größe eines Landkreises, ca. 35.000 Einwohner) betrachten sich – unterstützt darin von Russland und wenigen Staaten in Lateinamerika und Pazifik – als unabhängig und suchen die weitere Annäherung an Russland. Die Zentralregierung in Tiflis hat keine Verwaltungshoheit über diese Gebiete. Dort haben sich de-facto politische Systeme mit Regierung, Parlament und Justiz etabliert (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10. November 2016, S. 9 f.). Das Auswärtige Amt stellt zudem fest, dass mit den Kämpfen um Abchasien (1992/93) erhebliche ethnische Verschiebungen einhergegangen sind, Georgier mussten das Gebiet verlassen und befinden sich nun als „Binnenflüchtlinge“ im georgischen Hauptterritorium, teilweise in prekären Wohnverhältnissen und gesellschaftlich nur teilweise integriert. Nach den Ausführungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (BFA), Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Georgien vom 2. November 2016 sind von den 200.000 aus Abchasien geflüchteten ethnischen Georgiern zwischen 40.000 und 60.000 zurückgekehrt, insbesondere in die Region Gali. Daher leben in Abchasien kaum noch georgisch-stämmige Bewohner. Das Recht auf Rückkehr der Vertriebenen wird von den dortigen de facto-Behörden verwehrt. Es liegen Hinweise vor, dass Bewohner dieses Gebiets bzw. Angehörige der georgischen/megrelischen Bevölkerung in Abchasien staatlich benachteiligt werden und einer ethnischen Diskriminierung ausgesetzt sind, die als zielgerichtet auf die weitere Reduzierung ihres Umfangs bewertet wird (Lagebericht, a.a.O., S. 10).
Gemessen an diesen Ausführungen kann damit nicht ausschlaggebend sein, wie sich die Situation für die Kläger in Abchasien darstellen würde bei einer angedachten Rückkehr nach Georgien. Es ist somit irrelevant, wenn die Kläger vortragen, in dem Landesteil Abchasien wegen ihrer georgischen Volkszugehörigkeit oder deshalb verfolgt worden zu sein, weil der Vater des Klägers zu 1 auf georgischer Seite gekämpft hat. Wenn der Kläger zu 1 zudem angibt, dass er in Abchasien als Abchasier galt (Angaben in der mündlichen Verhandlung, S. 4 der Sitzungsniederschrift) und er in der dortigen Verwaltung mitgearbeitet hat, wirft die die angegebene Verfolgung und Vertreibung Zweifel auf. Nach klägerischem Vorbringen haben sie vor ihrem angegebenen Aufenthalt in Abchasien im Stammland Georgien gelebt, sind dort zur Schule gegangen, haben dort gearbeitet, sind daher mit den dortigen Strukturen und Gegebenheiten vertraut. Der Kläger zu 1 ist als georgisch-stämmiger Flüchtling registriert worden und hat ab 1992 im Stammland Georgien gelebt. Die soziale und gesellschaftliche Situation ist demzufolge auch nicht mit der der sog. „Binnenflüchtlingen“ zu vergleichen, die oftmals immer noch in prekären Verhältnissen leben. Vielmehr lebten die Kläger in normalen Verhältnissen. Für die Kläger steht bei einer Rückkehr nach Georgien das gesamte Staatsgebiet (mit Ausnahme des Teils Abchasien) als Niederlassungsmöglichkeit zur Verfügung. Den Klägern war es auch möglich, nach dem Verlassen des Elternhauses im Jahre 2005 nach Batumi zu gehen und dort ihren Lebensunterhalt sicherzustellen. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Kläger vom georgischen Staat Repressalien zu befürchten hätten. Das im Mai 2014 verabschiedete Anti-Diskriminierungsgesetz gewährt allen Bürgern die gleichen Rechte und den gleichen Schutz vor Diskriminierung im privaten und öffentlichen Raum. Ein vom georgischen Parlament eingesetzter unabhängiger Ombudsmann beobachtet die Wahrung der Menschenrechte im Land und klärt Vorfälle auf. Seine Kompetenzen und Sanktionsmöglichkeiten sind beschränkt, aber seine Behörde, die sich stetig vergrößert und inzwischen über 170 Mitarbeiter hat, meldet sich öffentlich regelmäßig zu vielen Themen kritisch zu Wort (S. 5). In Zentralgeorgien leben Abchasen und Georgier ungehindert nebeneinander. Es sind keinerlei Übergriffe, Schlechterstellungen oder Benachteiligungen bekannt bzw. werden weder von NGOs noch von den offiziellen Organisationen solche Fälle geschildert. Georgien (Zentralgeorgien) ist sehr bemüht Abchasen und Südosseten nicht zu benachteiligen (BFA, a.a.O., S. 42). Es sind zudem keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die georgischen Behörden aus einer Rückkehr georgischer Volkszugehöriger in ihre Heimatregion (in Abchasien oder Südossetien) negative Rückschlüsse zögen, es wurden sogar Rückkehrbeihilfen zur Instandsetzung der Häuser gewährt. Insbesondere ist den georgischen Behörden auch bekannt, dass Personen zwischen Abchasien und dem Bezirk um Zugdidi hin- und herreisen. In den wichtigsten öffentlichen Quellen gibt es keine Hinweise auf staatliche Repressionsmassnahmen gegen georgische Staatsangehörige mit ossetischer oder abchasischer Volkszugehörigkeit. Es bestehen zudem Anhaltspunkte dafür, dass Personen sich einmal als Georgier und ein andermal als Osseten ausgeben, abhängig davon, worin sie gerade Vorteile sehen (D-A-CH-Kooperation Asylwesen Deutschland-Österreich-Schweiz, Georgien, Basisinformationen, vom 26. November 2012, S. 13, 21). Gleiches dürfte auch für Abchasier gelten. Zumindest ist dies den Schilderungen des Klägers zu 1 zu seiner Person zu entnehmen.
Aus alledem ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts, dass die Kläger bei einer Rückkehr nach Georgien von staatlicher Seite keine Verfolgungshandlungen zu befürchten hätten.
Eine Anerkennung als Flüchtling wegen einer befürchteten Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure (§ 3c Nr. 3 AsylG) scheidet bereits deshalb aus, weil – das Vorbringen der Kläger als wahr unterstellt – keine Verfolgung aufgrund der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründe gegeben ist. Soweit der Kläger zu 1 vorbringt, Abchasier würden ihn überall in Georgien finden, ist dies reichlich unsubstantiiert. Zudem stellt sich die Frage, warum die Kläger lange Jahre in Abchasien leben konnten und erst in 2014 das Problem mit dem Vater des Klägers zu 1 aufgekommen sein soll. Darüber hinaus wären die Kläger auf die Inanspruchnahme staatlichen Schutzes zu verweisen.
b. Aus den unter a. dargestellten Gründen scheidet eine Anerkennung als Asylberechtigte ebenso aus. Außerdem sind die Kläger über einen sicheren Drittstaat auf dem Landweg ins Bundesgebiet eingereist mit der Folge, dass ein Asylanspruch nicht gegeben ist (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26 a Abs. 2 AsylG).
c. Den Klägern droht bei einer Rückkehr nach Georgien auch kein ernsthafter Schaden i.S.v. § 4 AsylG.
Den Klägern droht bei einer Rückkehr nach Georgien weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Asyl) noch Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG). Sie laufen auch nicht Gefahr, wegen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts einer ersthafte individuelle Bedrohung ausgesetzt zu sein (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG).
§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG liegt ersichtlich nicht vor.
Soweit der Kläger zu 1 vorträgt, er (bzw. die Klägerin zu 2) werde von dem Vater der Klägerin zu 2 mit dem Tode bedroht, ist das Gericht zum einen der Überzeugung, dass eine derartige Gefährdungslage bei einer Rückkehr nicht vorliegt und zum anderen ist der Kläger darauf zu verweisen, sich bei einer Bedrohung seiner Person an die georgischen Behörden zu wenden.
Nach § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3c Abs. 3 AsylG kommen als verfolgende Akteure neben dem Staat auch nichtstaatliche Akteure in Betracht, sofern der Staat oder Organisationen nach § 3c Nr. 2 AsylG nicht in der Lage oder willens sind, wirksamen Schutz vor Verfolgung zu gewährleisten.
Bei Anlegung des Maßstabs der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im Hinblick auf eine Gefährdung bei Rückkehr ins Heimatland geht das Gericht davon aus, dass die Kläger unverfolgt in Bezug auf die von ihnen vorgetragenen Schwierigkeiten mit dem Vater der Klägerin zu 2 ausgereist sind und auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie bei einer Rückkehr mit schwerwiegenden Gefahren für Leib und Leben zu rechnen haben.
Ausschlaggebend ist, dass die Kläger von 2010 bis 2014 ihrem eigenen Vorbringen nach in Abchasien gelebt haben. Damit waren sie einem Zugriff des Vaters der Klägerin zu 2 oder anderen Personen auf georgischem Gebiet entzogen. Der Ausreiseentschluss wurde auch nicht wegen einer aktuell bestehenden Bedrohungslage durch Familienmitglieder gefasst, sondern wegen der von Klägerseite vorgetragenen Ereignisse in Abchasien. Die Kläger haben sich danach noch eine geraume Zeit in Georgien aufgehalten, bis sie die Papiere zur Ausreise beisammen hatten. Eine Bedrohung durch den Schwiegervater unmittelbar als den die Ausreise prägenden Entschluss wurde nicht geltend gemacht. Sie haben auch gar nicht versucht, nach nunmehr neun Jahren in Abchasien in Georgien eine neue Existenz aufzubauen. Allein die angeblichen mündlich überbrachten Drohungen waren nicht ausreichend, sogleich an eine Ausreise zu denken, zumal das Gericht davon ausgeht, dass seit dem vom Kläger zu 1 geschilderten Vorfall in Batumi (vor 2008) kein weiterer tätlicher Übergriff stattgefunden hat.
Der Kläger zu 1 hat beim Bundesamt angegeben (Seite 91 der Bundesamtsakte), dass sie sich nach dem Verlassen Abchasiens vom 15. Mai bis zur Ausreise am 15. Juli 2014 in Zugdidi aufgehalten hätten (ähnlich die Klägerin zu 2, vgl. S. 97 der Bundesamtsakte). Wenn dem so gewesen wäre, wäre davon auszugehen, dass der Vater der Klägerin zu 2 aufgrund seiner angeblich guten Kontakte hiervon hätte erfahren müssen. Denn wenn er nach Klägerangaben in der Lage gewesen ist, die Kläger in Abchasien durch Mittelsmänner aufzuspüren, wäre es für ihn dann auch ein Leichtes gewesen, dies in der unmittelbaren Umgebung seines Wohnorts zu erfahren. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin zu 2 angegeben, dass sie nach der Flucht aus Abchasien zunächst für eine Woche nach Batumi und dann zum Patenonkel des Klägers zu 1 nach Tiflis gegangen seien. Der Kläger zu 1 hat angegeben, dass sie sich in Tiflis beim Taufpaten versteckt hätten. Aus diesen unterschiedlichen Schilderung ist der Schluss zu ziehen, dass an den Angaben betreffend die Bedrohungslage durch den Vater der Klägerin zu 2 begründete Zweifel angebracht sind. Denn entweder waren die Kläger, so sie sich in Zugdidi aufgehalten hätten, keiner Bedrohung ausgesetzt, trotz der Anwesenheit des Vaters der Klägerin zu 2, oder sie haben sich in der Hauptstadt Tiflis unbehelligt aufhalten können, was dafür spricht, dass sie dort auch weiterhin leben können.
Schließlich spricht gegen eine das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Kläger bedrohende Lage, dass für die Kläger keine unmittelbare Veranlassung bestanden hat, nach Abchasien zu gehen. Das Gericht glaubt den Klägern die geschilderte anhaltende Bedrohungslage nicht. Während der Kläger zu 1 angibt, dass zwischen einem Übergriff durch den Schwiegervater und der Ausreise nach Abchasien eine längere Zeitspanne gelegen habe (es muss nach Klägerangaben vor der Geburt des Klägers zu 4, also vor dem Januar 2008 gewesen sein), trägt die Klägerin zu 2 einen zweiten Übergriff in 2010 vor. Demgegenüber hat der Kläger zu 1 angegeben, bereits im zeitlichen Umfeld des von ihm geschilderten Angriffs den Plan gehabt zu haben, nach Abchasien zu gehen, also vor dem Januar 2008. Wenn aber ein Übergriff des Schwiegervaters der tatsächliche Auslöser für die Übersiedlung nach Abchasien gewesen wäre, würde hierzu die Aussage des Klägers zu 1 nicht passen, geschweige denn, dass nicht nachvollziehbar ist, weshalb der Kläger zu 1 diesen weiteren Angriff nicht angegeben hat. Das Gericht muss daher den Schluss ziehen, dass es diesen zweiten Übergriff nicht gegeben hat. Selbst wenn der Schwiegervater in 2008 den Kläger geschlagen haben sollte, hat die Familie noch zwei Jahre dort gelebt, ohne dass es zu weiteren Übergriffen gekommen ist. Befremdlich ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Kläger zu 1 und 2 in Zugdidi im Jahre 2009 geheiratet haben, im direkten Umfeld des Vaters bzw. Schwiegervaters mit dessen angeblich weitreichenden Kontakten, während er bei seiner Anhörung beim Bundesamt angegeben hat, dass die Eltern der Klägerin zu 2 mit der Heirat nicht einverstanden gewesen seien und sie deshalb nach Batumi gegangen seien.
Das Gericht ist daher zu der Überzeugung gelangt, dass die Kläger Georgien nicht aus begründeter Furcht vor einer unmenschlichen oder erniedrigenden Gefahr (und auch nicht vor einer konkreten individuellen Gefahr i.S.v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) verlassen haben, sondern aus anderen Motiven. In diesem Zusammenhang ist als ein weiterer Mosaikstein auch zu berücksichtigen, dass der Kläger zu 1 bei seiner Anhörung am 22. Oktober 2014 im Hinblick auf eine Überstellung nach Polen darauf verwiesen hat, dass er in Deutschland wegen seiner gesundheitlichen Probleme bleiben wolle.
Selbst wenn man unterstellen würde, dass die Bedrohung durch den Schwiegervater des Klägers zu 1 bestanden hätte, ist damit nicht gesagt, dass sich dies bei einer Wiedereinreise fortsetzen würde. Zunächst sind die Kläger darauf zu verweisen, dass sie in einer größeren Stadt, wie z.B. der Hauptstadt Tiflis mit ca. 1 Million Einwohnern leben könnten, wie sie dies offensichtlich vor ihrer Ausreise nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung bereits getan haben. Rechtliche Hindernisse gegen ein Umziehen zwecks Ausweichen etwaiger unmittelbar erfahrener Diskriminierung bestehen nicht (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, a.a.O., S. 9). Die Kläger haben offenbar vor ihrer Ausreise (die Klägerin zu 2 gibt an, auch vor der Reise nach Abchasien) Hilfe vom Patenonkel des Klägers zu 1 erhalten. Er hat auch angegeben, in Georgiern noch zwei Cousins zu haben (Bl. 89 der Bundesamtsakte). Sie haben daher mehrere Anlaufstellen und müssen sich darauf verweisen lassen, dass sie versuchen, mit deren Hilfe erneut in Georgien Fuß zu fassen.
Außerdem wären die Kläger gehalten, sich an die georgische Polizei und die sonstigen Sicherheitsbehörden zu wenden und um Schutz nachzusuchen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die georgische Polizei im Rahmen der jeder schutzgewährenden Stelle verfügbaren Möglichkeiten (einen vollkommenen Schutz wird die Polizei keines Staates sicherstellen können) nicht schutzwillig oder schutzbereit wäre. Sollten die Kläger der Auffassung sein, dass die Polizei aus Rücksichtnahme einem Verfolger gegenüber zu nachsichtig oder tatsächlich nicht schutzwillig wäre, steht es den Klägern offen, sich bei höheren Stellen oder dem Ombudsmann zu beschweren und ein Einschreiten der Sicherheitskräfte herbeizuführen (vgl. BFA, a.a.O., S. 22 und 28f.; Lagebericht des Auswärtigen Amtes, a.a.O., S. 8f).
Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist das Gericht aber der Überzeugung, dass bei einer Rückkehr eine derartige Gefährdungssituation für die Kläger landesweit nicht gegeben ist, vielmehr sind sie darauf zu verweisen, notfalls in einem anderen Landesteil Georgiens ihren Aufenthalt zu nehmen.
Schließlich sind auch die Voraussetzungen der Nr. 3 des § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG nicht gegeben. Denn zum einen liegt in Georgien derzeit kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt mehr vor, zum anderen steht den Klägern mit dem Kernland Georgien ein für sie zumutbares Gebiet zur Wiederansiedlung zur Verfügung (vgl. diesbezüglich den Verweis auf § 3e Abs. 1 AsylG).
d. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor.
Anhaltspunkte dafür, dass bei einer Rückkehr der Kläger nach Georgien ein Verstoß gegen die Bestimmungen der EMRK, insbesondere gegen Art. 3 EMRK gegeben wären, sind nicht ersichtlich. Die Kläger haben vor ihrer Ausreise in Georgien ihren Lebensunterhalt für viele Jahre eigenständig bestritten. Die Situation in Georgien ist nicht dergestalt, dass ihnen das nunmehr nicht mehr möglich wäre (vgl. zur allgemeinen sozialen und wirtschaftlichen Lage in Georgien: Lagebericht vom 10. November 2016, S. 12 ff.; IOM Länderinformationsblatt Georgien Dezember 2015; BFA, a.a.O., S. 22 ff.).
Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG ist nicht ersichtlich. Nach dieser Vorschrift besteht ein Abschiebungsverbot dann, wenn bei einer Rückkehr in den Heimatstaat sich in absehbarer Zeit eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit realisiert. Gefahren, denen die Bevölkerung allgemein oder einzelne Bevölkerungsgruppen, denen die Kläger angehören, ausgesetzt sind (z.B. eine schlechte ökonomische Bedingungen), bleiben unberücksichtigt. Es ist den Klägern zumutbar, wie ihren Landsleuten auch, das Existenzminimum durch eigene Arbeit sicherzustellen. Außerdem sind sie ggf. auf die Beantragung von Sozialleistungen zu verweisen. Rückkehrer nach Georgien können die gewöhnlichen, wenn auch unzureichenden Sozialleistungen einschließlich einer kostenlosen medizinischen Basisversorgung in Anspruch nehmen(Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10. November 2016, S. 2). Das seit dem 6. Februar 2014 in Kraft getretene Gesetz über IDPs aus den besetzten Gebieten Georgiens gewährt den Vertriebenen ohne Unterschied 45 GEL monatlich, so deren Bruttoeinkommen 1.250 GEL nicht übersteigt. Familien, die unter der Armutsgrenze leben, können um Sozialhilfe ansuchen (BFA, a.a.O., S. 52 ff.).
Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger eine medizinische Versorgung benötigen würden, zu der sie im Herkunftsland keinen Zugang hätten, sind nicht gegeben.
Das Gericht hat die vorgelegten Unterlagen, die den Klägern eine gute Integration bescheinigen, zur Kenntnis genommen ebenso wie die in der mündlichen Verhandlung zutage getretenen guten Sprachkenntnisse insbesondere der Kinder. In die Gesamtwürdigung war dies indes zu Gunsten der Kläger im Hinblick auf ein Bleiberecht auf der Grundlage des vorliegenden Asylverfahrens nicht einzubeziehen. Das Gericht hat im Asylklageverfahren zu beurteilen, ob den Klägern bei einer Rückkehr nach Georgien Gefahren drohen, die Prüfung erstreckt sich mithin nur auf sog. zielstaatsbezogene Sachverhalte, d.h. Umstände im Herkunftsland.
e. Der Bescheid des Bundesamtes gibt schließlich hinsichtlich der Ziffer 5, wonach die Kläger unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise aufgefordert worden ist, keinen Anlass zu Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegenüber den Klägern entgegenstünden, nicht ersichtlich.
f. Die Entscheidung des Bundesamts, das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 bis 3 AufenthG auf 30 Monate zu befristen, gibt im Rahmen der dem Gericht möglichen Überprüfung (vgl. § 114 VwGO) keinen Anlass zur Beanstandung (vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 28.11.2016 – 11 ZB 16.30463).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 159 Satz 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf§ 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.