Aktenzeichen 10 C 19.1785
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
1. Im Prozesskostenhilfeverfahren dürfen hinsichtlich der Erfolgsaussichten die Anforderungen nicht überspannt werden. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit in dem Sinn, dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss, ist nicht erforderlich, sondern es genügt bereits eine sich bei summarischer Überprüfung ergebende Offenheit des Erfolgs (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist der Zeitpunkt der Bewilligungsreife, der gegeben ist, sobald die vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen vorliegen und die Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme angehört worden ist (Rn. 9). (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
Au 1 S 19.998 u.a. 2019-08-19 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
Mit ihrer Beschwerde verfolgen die Antragstellerinnen ihren in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe weiter.
Die Antragstellerinnen beantragten nach dem erfolglosen Abschluss ihrer Asylverfahren die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen, was die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 31. Mai 2019 ablehnte. Die Antragstellerinnen erhoben hiergegen am 5. Juli 2019 Klage mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zur Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnisse zu verpflichten (Au 1 K 19.997); weiterhin beantragten sie, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Regierung von Schwaben mitzuteilen, dass eine Abschiebung der Antragstellerinnen nicht vor bestandkräftigem Abschluss des Titelerteilungsverfahrens erfolgen darf (Au 1 S 19.998). Für beide Verfahren beantragten sie die Gewährung von Prozesskostenhilfe.
Das Verwaltungsgericht lehnte mit Beschluss vom 19. August 2019 die Anträge im Eilverfahren sowie den Antrag auf Prozesskostenhilfe sowohl für das Klagewie auch für das Eilverfahren ab. Gegen diesen Beschluss erhoben die Antragstellerinnen am 4. September 2019 durch Schriftsatz ihres Bevollmächtigten Beschwerde. Eine Begründung wurde angekündigt, erfolgte jedoch nicht.
Bezüglich der Beschwerde gegen die Ablehnung der Eilanträge wird auf den Beschluss des Senats vom 28. Oktober 2019 im Verfahren 10 CS 19.1787 Bezug genommen.
Wegen der Einzelheiten wird ergänzend auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt, weil die Voraussetzungen dafür nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht vorliegen.
Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V. mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Hinsichtlich der Erfolgsaussichten dürfen die Anforderungen nicht überspannt werden. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit in dem Sinn, dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss, ist nicht erforderlich, sondern es genügt bereits eine sich bei summarischer Überprüfung ergebende Offenheit des Erfolgs. Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nämlich nicht selbst bieten, sondern ihn erst zugänglich machen (stRspr d. BVerfG, vgl. z.B. B.v. 4.8.2016 – 1 BvR 380/16 – juris Rn. 12; B.v. 28.7.2016 – 1 BvR 1695/15 – juris Rn. 16 f.; B.v. 13.7.2016 – 1 BvR 826/13 – juris Rn. 11 f.; B.v. 20.6.2016 – 2 BvR 748/13 – juris Rn. 12).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist der Zeitpunkt der Bewilligungsreife, der gegeben ist, sobald die vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen vorliegen und die Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme angehört worden ist. Im vorliegenden Fall ist der maßgebliche Zeitpunkt der 5. August 2019, als die Behördenakten und die Stellungnahme der Antragsgegnerin beim Verwaltungsgericht eingegangen waren.
Die Antragstellerinnen haben keine Begründung für ihre Beschwerde vorgelegt. Die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts durch den Senat ergibt, dass dieses zu Recht davon ausgegangen ist, dass ihre Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten hat. Das Verwaltungsgericht hat ausführlich und zutreffend dargelegt, dass die Eilanträge bereits unzulässig sind. Die Antragstellerinnen waren aufgrund ihres unerlaubten Aufenthalts vollziehbar ausreisepflichtig, so dass eine (eventuelle) Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den (Ablehnungs-)Bescheid vom 31. Mai 2019 ihnen keinen rechtlichen Vorteil bringen könnte. Im Übrigen sei der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auch unbegründet, weil die Antragstellerinnen aller Voraussicht nach keinen Anspruch auf die Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnisse hätten. Ihnen stehe bereits die Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 AufenthG entgegen; ein Rechtsanspruch im Sinn des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG bestehe nicht. Die ausführliche und ins Einzelne gehende Begründung des Verwaltungsgerichts lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Entscheidend ist nach Auffassung des Senats, dass der Ehemann bzw. Vater der Antragstellerinnen, der mittlerweile ebenfalls eingereist ist und von dem sie Aufenthaltsrechte (§ 30 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. f AufenthG) ableiten wollen, nicht mit ihnen zusammenlebt und dies nach eigenen Angaben auch nicht beabsichtigt, nachdem er sich bereits mehrere Jahre ohne die Antragstellerinnen in Italien aufgehalten hat. Weiter steht den Antragstellerinnen, wie das Verwaltungsgericht ebenso zu Recht festgestellt hat, aller Voraussicht nach auch kein Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu, da ihre Asylverfahren unanfechtbar erfolglos abgeschlossen und sie auch mittlerweile im Besitz von nigerianischen Pässen sind. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auch hier auf den angefochtenen Beschluss verwiesen. Ebenso zutreffend ist, dass der Antrag nach § 123 VwGO unzulässig ist, weil die Antragsgegnerin der Regierung von Schwaben keine rechtliche bindenden Mitteilungen bzw. Weisungen erteilen kann.
Nach alldem bestanden zum maßgeblichen Zeitpunkt im Klagewie im Eilverfahren keine hinreichenden Erfolgsaussichten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil die nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) anfallende Gebühr streitwertunabhängig ist.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).