Verwaltungsrecht

Erfolglose Darlegung von Wiedereinsetzungsgründen

Aktenzeichen  22 ZB 17.1234

Datum:
14.8.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 121538
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 60 Abs. 1, § 67 Abs. 4 S. 1, S. 2, § 124a Abs. 4 S. 1

 

Leitsatz

Für den Erfolg eines Antrags auf Wiedereinsetzung aufgrund eines nicht formgerecht gestellten Antrags auf Zulassung der Berufung ist es notwendig darzulegen, dass die nicht formgerechte Einlegung unverschuldet im Sinne des § 60 Abs. 1 VwGO erfolgte. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 16 K 16.2855 2017-03-21 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgelehnt.

Gründe

1. Der Kläger (E. K. junior) hat erfolglos Anfechtungsklage gegen eine erweiterte Gewerbeuntersagung zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben; das Verwaltungsgericht hat diese Klage mit Urteil vom 21. März 2017 abgewiesen. Das Urteil wurde ihm am 13. Juni 2017 zugestellt.
Am 23. Juni 2017 beantragte der Kläger persönlich (ohne eine zur Prozessführung zugelassene Person oder Organisation) beim Verwaltungsgericht die Zulassung der Berufung. Das Verwaltungsgericht legte den Antrag und die Akten dem Verwaltungsgerichtshof vor. Unter dem 30. Juni 2017 wies die Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichtshofs den Kläger nochmals darauf hin, dass – wie schon in der Rechtsmittelbelehrung des angegriffenen Urteils stehe – sich die Beteiligten vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof bei allen, auch bei den das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof einleitenden Prozesshandlungen (außer im Prozesskostenhilfeverfahren) durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen müssten. Der Kläger reagierte nicht.
Unter dem 14. Juli 2017 wies der Verwaltungsgerichtshof den Kläger darauf hin, dass er das Vertretungserfordernis nicht beachtet und einen formgerechten Berufungszulassungsantrag auch nicht fristgerecht nachgeholt habe; hierzu könne er sich binnen zwei Wochen äußern.
Am 28. Juli 2017 zeigten die jetzigen Bevollmächtigten des Klägers ihr Mandat telefonisch an; auf ihre Bitte wurde ihnen am selben Tag der Brief des Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Juli 2017 per Fax übermittelt. Mit Telefax gleichfalls vom 28. Juli 2017 baten die Bevollmächtigten um Akteneinsicht, die ihnen gewährt wurde.
Am 10. August 2017 beantragte der Kläger (nun durch seine Bevollmächtigten) mittels Telefax die Zulassung der Berufung und Wiedereinsetzung in die versäumte Frist für den Antrag auf Zulassung der Berufung; er erklärte, über den Wiedereinsetzungsantrag möge vorab entschieden werden. Er habe die Frist für den Antrag auf Zulassung der Berufung unverschuldet versäumt. Die Schreiben des Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Juni 2017 und vom 14. Juli 2017 seien seinem Vater (E. K. senior), der unter derselben Anschrift wie der Kläger wohne, übergeben worden, der Vater habe sie dem Kläger aber erst am 28. Juli 2017 ausgehändigt; der Kläger habe sich daraufhin sofort an einen Rechtsanwalt gewandt. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass ein Verschulden nicht anzunehmen sei, wenn eine dritte Person, die nicht Bevollmächtigter des Betroffenen sei, eine Zustellung in Empfang genommen und nicht weitergeleitet habe. Zu seinem Vortrag legte der Kläger mittels Briefpost am 11. August 2017 eine eidesstattliche Versicherung vom 7. August 2017 vor.
2. Der nunmehr gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat keinen Erfolg, weil nicht dargelegt ist, dass der Kläger die Frist für die Stellung eines (wirksamen) Antrags auf Zulassung der Berufung unverschuldet versäumt hat.
Die Frist, um deren Versäumnis es vorliegend geht, ist die Monatsfrist nach § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO für den Antrag auf Zulassung der Berufung, die am Donnerstag, 13. Juli 2017, abgelaufen ist (die diesem Fristablauf zugrundeliegenden Annahmen, nämlich u.a. eine wirksame Zustellung des vollständigen Urteils am 13. Juni 2017 und eine dem Urteil beigefügte richtige Rechtsmittelbelehrung, sind durch die Akten belegt bzw. die Postzustellungsurkunde nachgewiesen und werden vom Kläger auch nicht in Frage gestellt). Der Kläger hat die Frist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO deswegen versäumt, weil das Schriftstück des Klägers vom 23. Juni 2017, mit dem er die Zulassung der Berufung beantragen wollte, das Verwaltungsgericht zwar fristgerecht (am selben Tag) erreicht hat, jedoch keine wirksame Antragstellung darstellt, weil diese entgegen der Rechtsmittelbelehrungim angegriffenen Urteil und entgegen § 67 Abs. 4 Sätze 1 und 2 VwGO nicht durch einen Prozessbevollmächtigten erfolgte. Darin liegt das Verschulden des Klägers im Sinn des § 60 Abs. 1 VwGO.
Der Sachvortrag des Klägers im Schriftsatz vom 10. August 2017, mit dem er seinen Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 60 VwGO begründet, sowie die zur Glaubhaftmachung beigefügte eidesstattliche Versicherung vom 7. August 2017 sind für diese Fristversäumnis nicht relevant. Denn der Vortrag des Klägers betrifft ausschließlich die Frage, wann der Kläger von den Mitteilungen des Verwaltungsgerichtshofs Kenntnis erlangt hat und warum dies erst so spät (nämlich in Bezug auf die Nachricht vom 30.6.2017 erst vier Wochen und in Bezug auf die Nachricht vom 14.7.2017 erst zwei Wochen nach dem Erstelldatum) der Fall gewesen ist. Dagegen verhält sich weder der schriftsätzliche Vortrag noch die eidesstattliche Versicherung zu der ausschlaggebenden Frage, weshalb der Kläger die verspätete Einlegung eines formgerechten Berufungszulassungsantrags nicht verschuldet haben soll.
Die Ursache dafür, dass der Berufungszulassungsantrag nicht sowohl fristgerecht als auch formgerecht gestellt wurde, wurde – wie oben geschildert – schon vor den genannten Schreiben des Verwaltungsgerichtshofs (vom 30.6. und vom 14.7.2017) gesetzt; dass diese Schreiben – dem Vortrag des Klägers zufolge – erst verspätet dem Kläger ausgehändigt wurden, hat auf diese Ursache keinen Einfluss haben können. Dass der – gesetzlich nicht gebotene – gerichtliche Hinweis vom 30. Juni 2017 (der den Kläger nicht rechtzeitig erreicht haben soll) möglicherweise den Kläger – nochmals – darauf hätte aufmerksam machen können, dass der Antrag auf Zulassung der Berufung von einem Prozessbevollmächtigten im Sinn von § 67 Abs. 4 Sätze 1 und 2 VwGO gestellt werden muss, ändert an dieser Ursächlichkeit nichts.
Die vom Kläger mandatierte Rechtsanwaltskanzlei hat im Schriftsatz vom 10. August 2017 außerdem „vorsorglich“ beantragt, die Frist zur Begründung des Zulassungsantrags zu verlängern. Dieser Antrag geht aber ins Leere und bedarf keiner Entscheidung, weil diese gesetzliche Frist nicht verlängert werden kann (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 224 Abs. 2 ZPO).

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