Aktenzeichen RN 14 K 18.31964
Anerkennungs-RL Art. 4 Abs. 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
Leitsatz
1. Mit dem Vorbringen, zu befürchten, von Leuten, die einen Asylbewerber nach einem von ihm verursachten Unfall verfolgt hätten, getötet zu werden, wird keine an ein flüchtlingsrechtlich relevantes Merkmale iSd § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG anknüpfende Verfolgung geltend gemacht. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist nicht Sinn des Asylverfahrens, einen Antragsteller durch die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus vor einer für eine begangene Tat angemessenen Bestrafung zu schützen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Insbesondere in den größeren Städten Sierra Leones ist es nach der Überzeugung des Gerichts möglich, unbehelligt von nichtstaatlichen Akteuren zu leben. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige, insbesondere fristgemäß erhobene (vgl. § 74 Abs. 1 Hs. 1 AsylG) Klage ist nicht begründet. Die Entscheidungen des Bundesamts, den Kläger nicht als Asylberechtigten anzuerkennen, ihm die Flüchtlingseigenschaft sowie den subsidiären Schutzstatus nicht zuzuerkennen, das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG zu verneinen und den Kläger unter Androhung seiner Abschiebung nach Sierra Leone zur Ausreise aufzufordern, sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO. Entsprechendes gilt für die vorgenommene Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Die vom Bundesamt gemäß den §§ 31 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 AsylG sowie den §§ 75 Nr. 12, 11 Abs. 2 AufenthG getroffenen Entscheidungen sind im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, der gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich ist, nicht zu beanstanden.
1. Die Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids (Ablehnung der Asylanerkennung) wurde mit der Klage nicht angegriffen. Insoweit ist der angegriffene Bescheid bestandskräftig geworden (vgl. VGH BW, U.v. 26.10.2016 – A 9 S 908/13 – juris).
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, wenn er Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist. Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Nr. 1) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet (Nr. 2), dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (Buchst. a)) oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will (Buchst. b)). Von einer Verfolgung kann nur dann ausgegangen werden, wenn der Einzelne in Anknüpfung an die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Merkmale Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a AsylG ausgesetzt ist. Erforderlich ist insoweit, dass der Ausländer gezielte Rechtsverletzungen zu befürchten hat, die ihn wegen ihrer Intensität dazu zwingen, in begründeter Furcht vor einer ausweglosen Lage sein Heimatland zu verlassen und im Ausland Schutz zu suchen. An einer gezielten Rechtsverletzung fehlt es regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsland zu erleiden hat, etwa infolge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolution und Kriegen (vgl. OVG NRW, B. v. 28.3.2014 – 13 A 1305/13.A – juris).
Nach § 3c AsylG kann die Verfolgung ausgehen von dem Staat (Nr. 1), Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2), oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3b AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3).
Bezüglich der vom Ausländer im Asylverfahren geltend gemachten Umstände, die zu seiner Ausreise aus dem Heimatland geführt haben, genügt aufgrund der regelmäßig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Flüchtlings die Glaubhaftmachung. Die üblichen Beweismittel stehen ihm häufig nicht zur Verfügung. In der Regel können unmittelbare Beweise im Verfolgerland nicht erhoben werden. Mit Rücksicht darauf kommt dem persönlichen Vorbringen des Ausländers und dessen Würdigung eine gesteigerte Bedeutung zu. Dies bedeutet anderseits jedoch nicht, dass der Tatrichter einer Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO enthoben ist (BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109.84 – juris, Rn. 16 = BVerwGE 71, 180 und U.v. 11.11.1986 – 9 C 316.85 – juris, Rn. 11). Eine Glaubhaftmachung in diesem Sinne setzt voraus, dass die Geschehnisse im Heimatland schlüssig, substantiiert und widerspruchsfrei geschildert werden. Erforderlich ist somit eine anschauliche, konkrete und detailreiche Schilderung des Erlebten. Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag kann dem Ausländer nur geglaubt werden, wenn die Widersprüche und Ungereimtheiten überzeugend aufgelöst werden (BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109.84 – juris, Rn. 16, U.v. 1.10.1985 – 9 C 19.85 – juris, Rn. 16 und B.v. 21.7.1989 – 9 B 239.89 – juris, Rn. 3 = NVwZ 1990, 171).
Der Kläger hat im Verlauf seines Asylverfahrens nicht vorgetragen, sein Heimatland aus Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG verlassen zu haben. Zwar gab der Kläger an, er befürchte, von den Leuten, die ihn nach dem Unfall verfolgten, getötet zu werden. Allerdings knüpft die vom Kläger behauptete Verfolgung nicht an flüchtlingsrechtlich relevante Merkmale im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG an.
Soweit für den Kläger vorgetragen wird, er werde wegen seiner religiösen Weltanschauung mit dem Tode bedroht, genügt dieser pauschale Vortrag nicht den oben genannten Anforderungen an eine Glaubhaftmachung. Der Kläger hat weder bei der Anhörung vor dem Bundesamt noch in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, inwiefern seine religiöse Weltanschauung im Zusammenhang mit seiner Ausreise steht, noch von wem konkret eine Verfolgung ausgehen sollte.
Im Übrigen wird auf die zutreffenden Darstellungen und die Begründungen im angegriffenen Bescheid gemäß § 77 Abs. 2 AsylG verwiesen.
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
Die Gefahr eines ernsthaften Schadens kann ausgehen von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren, da § 3c AsylG gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG entsprechend gilt.
Für die Beurteilung der Frage, ob die Gefahr eines ernsthaften Schadens begründet ist, gilt unabhängig davon, ob ein Antragsteller bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat, der einheitliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25.10 – juris, Rn. 22 = BVerwGE 140, 22). Eine Privilegierung desjenigen, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat, erfolgt aber durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie (QualRL – RL 2011/95/EU vom 13.12.2011, ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9 ff.). Ein bereits erlittener bzw. vor der Ausreise unmittelbar drohender ernsthafter Schaden, sind danach ernsthafte Hinweise darauf, dass ein Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, auch im Falle einer Rückkehr einen ernsthaften Schaden zu erleiden. Dies gilt nur dann nicht, wenn stichhaltige Gründe dagegensprechen, dass der Ausländer erneut von einem solchen Schaden bedroht wird. In der Vergangenheit liegenden Umständen ist damit Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beizumessen (vgl. auch OVG NRW, U.v. 21.2.2017 – 14 A 2316/16.A – juris, Rn. 24).
a) Dass dem Kläger die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung durch staatliche Stellen droht, ist nicht beachtlich wahrscheinlich. Der Kläger selbst hat nicht vorgetragen, von staatlicher Seite irgendetwas befürchten zu müssen.
Der Kläger hat jedenfalls bei der Anhörung vor dem Bundesamt angegeben, dass er wegen des Fahrens ohne Führerschein und der getöteten Menschen eine lebenslange Freiheitsstrafe erwarte. Dabei handelt es sich allerdings um reine Spekulation des Klägers. Dass der Kläger diesbezüglich von der Polizei gesucht würde und eine unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung zu befürchten hätte, hat der Kläger nicht plausibel vorgetragen. Zudem ist es nicht Sinn des Asylverfahrens, den Kläger durch die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus vor einer für eine begangene Tat angemessenen Bestrafung zu schützen. Der Kläger hat bei der Anhörung vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung geschildert, dass er einen Unfall verursacht habe, bei dem Menschen getötet worden seien. Er sei der Fahrer des Unfallfahrzeuges gewesen und habe den Verletzten nicht geholfen, sondern sei weggerannt. Auch in Deutschland wäre der Kläger im Falle des Fahrens ohne Führerschein, einer Trunkenheitsfahrt und Unfallbeteiligung mit Todesfolge bei einem Anfangsverdacht für eine Täterbeteiligung ggf. einem Strafverfahren ausgesetzt.
Selbst im Falle einer Verurteilung wäre jedoch nicht davon auszugehen, dass dem Kläger eine unmenschliche Bestrafung drohen könnte. Es sei darauf hingewiesen, dass die Verfassung von Sierra Leone Folter und andere grausame, inhumane oder entwürdigende Praktiken oder Bestrafungen verbietet. Die Todesstrafe ist für die Kapitalverbrechen Landesverrat und schweren Raub vorgesehen. Bei Mord ist sie zwingend vorgeschrieben. Die Kommission für Wahrheit und Versöhnung hat in ihrem Abschlussbericht aber deren Abschaffung empfohlen (vgl. Informationszentrum Asyl und Migration des BAMF, Glossar Islamische Länder – Band 17, Sierra Leone, Mai 2010). Auch wenn die Todesstrafe noch nicht abgeschafft ist, so wird ein Moratorium beachtet. Seit 1998 wurde sie nicht mehr praktiziert (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Sierra Leone, Wien am 3.5.2017). Die Sanktionierung des Verhaltens des Klägers, soweit dieses nach der sierra-leonischen Rechtsordnung von Relevanz ist, wäre legitim und vom Kläger hinzunehmen.
Ein substantiierter Vortrag dahingehend, dass der Strafvollzug in Sierra Leone grundsätzlich oder im konkreten Einzelfall für den Kläger unverhältnismäßig oder diskriminierend im Sinne von § 3 a Abs. 2 Nr. 3 AsylG sei, erfolgte klägerseits nicht und ist auch sonst nicht ersichtlich.
Selbst wenn man jedoch davon ausgehen wollte, dass die Polizei den Kläger wegen einer Straftat, die im Jahr 2016 begangen wurde, sucht, so müsste sich der Kläger außerdem auf internen Schutz verweisen lassen.
Nach den §§ 4 Abs. 3 Satz 1, 3e Abs. 1 AsylG wird einem Ausländer der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt, wenn in einem Teil seines Herkunftslandes keine Gefahr besteht, dass er einen ernsthaften Schaden erleidet oder er dort Zugang zu Schutz vor einem ernsthaften Schaden nach den §§ 4 Abs. 3 Satz 1, 3d AsylG hat (§ 3e Abs. 1 Nr. 1 AsylG) und er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 Nr. 2 AsylG).
Nach den dem Gericht vorliegenden und in das Verfahren eingeführten Erkenntnissen ist dies dann der Fall, wenn sich der Kläger nicht am Ort der geschilderten Verfolgung niederlässt. Insbesondere in größeren Städten – etwa in Freetown, Waterloo, Makeni, Bo, Kenema oder Port Loko – ist es nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger dort aufgespürt werden könnte. Insbesondere in den größeren Städten Sierra Leones ist es nach der Überzeugung des Gerichts möglich, unbehelligt von nichtstaatlichen Akteuren zu leben. In der Verfassung von Sierra Leone sind uneingeschränkte Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr verankert. Auch wenn es Berichte gibt, wonach Sicherheitskräfte bei Straßensperren außerhalb der Hauptstadt Bestechungsgelder von Fahrzeuglenkern verlangen, ist doch festzustellen, dass die Regierung diese Rechte respektiert (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Sierra Leone, Wien am 4.7.2018). Angesichts der in Sierra Leone bestehenden infrastrukturellen Mängel ist nicht einmal ansatzweise erkennbar, wie etwaige Verfolger den Kläger auffinden sollten, wenn er sich in einer größeren Stadt niederließe. In Sierra Leone existiert kein ordnungsgemäßes Zivilregister (AA, Auskunft an das Bundesamt vom 17.10.2017), so dass es selbst für staatliche Stellen schwierig sein dürfte, eine bestimmte Person in einer Großstadt ausfindig zu machen. So führt das Auswärtige Amt in einer Auskunft an das Verwaltungsgericht Regensburg vom 4.11.2019 (Gz.: 508-9-516.80/52992) aus, dass sich selbst Straftäter, die wegen eines Tötungsdelikts gesucht werden, durch einen Aufenthaltswechsel oder Fernhalten von der ermittelnden Polizeibehörde innerhalb Sierra Leones einer Strafverfolgung entziehen können. Sierra Leone verfüge nicht über ein funktionierendes zentrales Fahndungsbuch, weshalb nur die Polizeidienststelle, welche wegen des Delikts ermittele, Informationen über vermeintliche Straftäter habe. Der Kläger kann sich staatlichen Ermittlungsbehörden und somit einem Strafverfahren durch einen Aufenthaltswechsel relativ einfach entziehen. Es dürfte für staatliche Akteure nahezu unmöglich sein, eine Person ausfindig zu machen, die sich bereits längere Zeit im Ausland aufgehalten hat und dann nach Sierra Leone zurückkehrt, wenn sie sich nicht erneut an ihrem Herkunftsort niederlässt. Eine konkrete Bedrohung des Klägers durch staatliche Akteure ist deshalb nicht beachtlich wahrscheinlich. Das Gericht ist vielmehr nach alledem davon überzeugt, dass die Verfolger des Klägers seine Rückkehr nach Sierra Leone nicht einmal bemerken würden, wenn er sich in einer größeren Stadt niederlassen würde. Dabei ist auch zu bedenken, dass der Kläger eigenen Angaben zufolge sein Heimatland bereits im Jahr 2016 – also vor 5 Jahren – verlassen hat. Nach alledem besteht nach dem eigenen Sachvortrag des Klägers eine inländische Fluchtalternative.
Ferner wäre es dem Kläger auch zuzumuten, in einen anderen Landesteil zu gehen. Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage muss davon ausgegangen werden, dass es ihm möglich ist, sich in jedem Teil Sierra Leones seine Existenz durch Gelegenheitsarbeiten sicherzustellen (vgl. dazu unten 4a)).
b) Es ist auch nicht beachtlich wahrscheinlich, dass für den Kläger die Gefahr besteht, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung durch nichtstaatliche Akteure nach den §§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 3c Nr. 3 AsylG zu erleiden.
Unter Zugrundelegung der eingangs aufgezeigten Maßstäbe zur Glaubhaftmachung von Geschehnissen im Heimatland ist die zur Entscheidung berufene Einzelrichterin davon überzeugt, dass sich die vom Kläger vorgetragenen Geschehnisse in Wirklichkeit nicht ereignet haben. Die Angaben des Klägers sind nicht nur vage und oberflächlich, sondern auch in wesentlichen Punkten widersprüchlich. Sowohl bei der Anhörung vor dem Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung konnte der Kläger weder angeben, zu welcher Tageszeit sich der Unfall ereignete, wie weit der Kläger mit dem Auto gefahren ist, noch wie lange er sich mit seinen Freunden in dem Club aufgehalten hat. Ebenso wenig konnte der Kläger Auskunft darüber geben, von wie vielen Leuten er nach dem Unfallgeschehen verfolgt wurde. Dabei handelt es sich gerade in diesem Punkt um einen wesentlichen Aspekt der Verfolgungsgeschichte, da der Kläger angab, die Leute seien sofort zum Unfallort geeilt, hätten Steine auf ihn geworfen und ihn sowie seine Freunde schließlich bis zu seinem Elternhaus verfolgt.
Darüber hinaus sind die Angaben des Klägers zum Unfallhergang widersprüchlich. Bei der Anhörung vor dem Bundesamt gab der Kläger an, er sei mit einem weißen Auto seines Vaters gefahren. Er habe mit seinen zwei Freunden einen Club aufsuchen wollen als es auf einer Kreuzung zu einem Unfall mit einem Motorrad gekommen sei. Der Kläger könne sich nicht mehr erinnern, aus welcher Richtung das Motorrad hergekommen sei. In der mündlichen Verhandlung gab der Kläger hingegen an, dass Motorrad sei mit hoher Geschwindigkeit aus der entgegengesetzten Richtung gekommen. Der Unfall habe sich ereignet, nachdem sie den Club verlassen hätten. Auf Nachfrage erklärte der Kläger, dass sich der Unfall nachts ereignet habe und er im Club getrunken habe.
Auffällig ist auch, dass der Kläger bei der Anhörung vor dem Bundesamt mehrfach erwähnte, dass er ohne Führerschein gefahren sei und dies in Sierra Leone ein Verbrechen sei. In der mündlichen Verhandlung erwähnte der Kläger seine fehlende Fahrpraxis und den Umstand, dass er keinen Führerschein gehabt habe, in keiner Weise.
Selbst wenn man jedoch davon ausgehen wollte, dass der Kläger von nichtstaatlichen Akteuren – den Leuten, die den Unfallhergang beobachteten – verfolgt worden ist, so muss er sich auf internen Schutz verweisen lassen. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer 3 a) verwiesen.
c) Schließlich ist auch eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Klägers infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nicht gegeben. Der in Sierra Leone 11 Jahre andauernde Bürgerkrieg wurde im Jahr 2002 beendet. Die Sicherheitslage im ganzen Land ist stabil. Armee und Polizei sind landesweit stationiert und haben nach dem vollständigen Abzug der UN-Friedenstruppen im Jahr 2005 die Verantwortung für die innere und äußere Sicherheit übernommen (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Sierra Leone, Wien am 4.7.2018; Informationszentrum Asyl und Migration des Bundesamts, Glossar Islamische Länder – Band 17: Sierra Leone, Mai 2010).
Im Übrigen wird auf die zutreffenden Darstellungen und die Begründungen im angegriffenen Bescheid gemäß § 77 Abs. 2 Asylgesetz verwiesen.
4. Zuletzt liegen auch Abschiebungsverbote im Sinne des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vor.
a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK – (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. In diesem Zusammenhang kommt vor allem eine Verletzung des Art. 3 EMRK in Frage (vgl. BayVGH, U. v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – juris), wonach niemand unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verweist, ist eine unmenschliche Behandlung und damit eine Verletzung des Art. 3 EMRK allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen möglich (BVerwG, U. v. 31.1.2013 – 10 C.15.12 – juris = BVerwGE 146, 12; U. v. 13.6.2013 – 10 C 13.12 – juris = BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489; EGMR, U. v. 21.1.2011 – M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 – NVwZ 2011, 413; U. v. 28.6.2011 – Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 – NVwZ 2012, 681; U. v. 13.10.2011 – Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 – NJOZ 2012, 952). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U. v. 28.6.2011 – Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 – NVwZ 2012, 681, Rn. 278, 282 f.) verletzen humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK zum einen in ganz außergewöhnlichen Fällen, wenn die humanitären Gründe gegen die Rückführung in den Herkunftsstaat „zwingend“ seien. Solche humanitären Gründe können auch in einer völlig unzureichenden Versorgungslage begründet sein (so auch BayVGH, U. v. 19.7.2018 – 20 B 18.30800- juris, Rn. 54).
Bei der anzustellenden Rückkehrprognose, im Rahmen derer zu prüfen ist, welche Gefahren einem Ausländer bei Rückkehr in den Herkunftsstaat drohen, ist eine – zwar notwendig hypothetische aber doch – realitätsnahe Rückkehrsituation zugrunde zu legen (BVerwG, U.v. 8.9.1992 – 9 C 8.91 – juris = BVerwGE 90, 364; BVerwG, U.v. 16.8.1993 – 9 C 7.93 – juris). Lebt der Ausländer auch in Deutschland in familiärer Gemeinschaft mit der Kernfamilie, ist hiernach für die Bildung der Verfolgungsprognose der hypothetische Aufenthalt des Ausländers im Herkunftsland in Gemeinschaft mit den weiteren Mitgliedern dieser Kernfamilie zu unterstellen. Art. 6 GG gewährt zwar keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt (BVerfG, B.v. 5.6.2013 – 2 BvR 586/13 – juris = NVwZ 2013, 1207), enthält aber als wertentscheidende Grundsatznorm, dass der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, und gebietet die Berücksichtigung bestehender familiärer Bindungen bei staatlichen Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung. Bereits für die Bestimmung der voraussichtlichen Rückkehrsituation ist daher im Grundsatz davon auszugehen, dass ein nach Art. 6 GG/Art. 8 EMRK besonders schutzwürdiger Familienverband aus Eltern mit ihren minderjährigen Kindern nicht aufgelöst oder gar durch staatliche Maßnahmen zwangsweise getrennt wird. Die Mitglieder eines solchen Familienverbandes werden im Regelfall auch tatsächlich bestrebt sein, ihr – grundrechtlich geschütztes – familiäres Zusammenleben in einem Schutz- und Beistandsverband entweder im Bundesgebiet oder im Herkunftsland fortzusetzen. Diese Regelvermutung gemeinsamer Rückkehr als Grundlage der Verfolgungsprognose setzt eine familiäre Gemeinschaft voraus, die zwischen den Eltern und ihren minderjährigen Kindern (Kernfamilie) bereits im Bundesgebiet tatsächlich als Lebens- und Erziehungsgemeinschaft (fort-)besteht und infolgedessen die Prognose rechtfertigt, sie werde bei einer Rückkehr in das Herkunftsland dort fortgesetzt werden. Eine im Regelfall gemeinsame Rückkehr im Familienverband ist der Gefährdungsprognose auch dann zugrunde zu legen, wenn einzelnen Mitgliedern der Kernfamilie bereits bestandskräftig ein Schutzstatus zuerkannt oder für diese ein nationales Abschiebungsverbot festgestellt worden ist (ausführlich dazu: BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 45.18 – juris, Rn. 16 ff.). In derartigen Fällen mag sich zwar ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis ergeben. Allerdings ist dieses seitens des Bundesamtes nicht zu prüfen; denn dies ist die Aufgabe der die Abschiebung durchführenden Ausländerbehörde (BVerwG, U.v. 21.9.1999 – 9 C 12.99 – juris = BVerwGE 109, 305; BVerwG, U.v. 11.11.1997 – 9 C 13.96 – juris = BVerwGE 105, 322; BVerwG, U.v. 25.11.1997 – 9 C 58.96 – juris = BVerwGE 105, 383; BayVGH, U.v. 21.11.2018 – 13a B 18.30632 – juris; HessVGH, U.v. 15.2.2016 – 7 TG 106/06 – juris = NVwZ-RR 2006, 826; VG München, B.v. 4.9.2017 – M 25 E 17.3413 – juris).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist davon auszugehen, dass der Kläger allein nach Sierra Leone zurückkehren wird. Aus den Gerichtsakten im Verfahren des Sohnes und der Lebensgefährtin ergibt sich, dass beide in der Neue R. Straße 1 und 3, P wohnhaft sind. Der Kläger hingegen wohnt nicht unter dieser Anschrift, sodass kein gemeinsamer Hausstand besteht und nicht von einem Familienverband im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auszugehen ist.
Der Umstand, dass der Kläger in Deutschland eine Freundin und ein Kind hat, spielt im Rahmen des Asylverfahrens keine Rolle und begründet insbesondere kein in diesem Verfahren zu berücksichtigendes Abschiebungsverbot. In der höchstricherlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass bei der Beendigung des Aufenthalts erfolgloser Asylbewerber das Bundesamt auf die Prüfung und Feststellung von zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen nach den §§ 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG beschränkt ist, die sich der Sache nach aus der Unzumutbarkeit des Aufenthalts im Zielland für den Asylantragsteller herleiten und damit in Gefahren begründet sind, die im Zielstaat der Abschiebung drohen. Nur insoweit kann das Bundesamt im verwaltungsgerichtlichen Asylrechtsstreit zur Feststellung von Abschiebungshindernissen verpflichtet werden. Die Ausländerbehörde bleibt demgegenüber für die Durchführung der Abschiebung und dabei auch für die Entscheidung über alle inlandsbezogenen und sonstigen tatsächlichen Vollstreckungshindernisse zuständig (BVerwG, U.v. 21.9.1999 – 9 C 12.99 – juris = BVerwGE 109, 305; BVerwG, U.v. 11.11.1997 – 9 C 13.96 – juris = BVerwGE 105, 322; BVerwG, U.v. 25.11.1997 – 9 C 58.96 – juris = BVerwGE 105, 383; BayVGH, U.v. 21.11.2018 – 13a B 18.30632 – juris; HessVGH, U.v. 15.2.2016 – 7 TG 106/06 – juris = NVwZ-RR 2006, 826; VG München, B.v. 4.9.2017 – M 25 E 17.3413 – juris). Der Schutz der Familie, in den durch die Abschiebung einzelner Familienmitglieder eingegriffen wird, kann ein von der Ausländerbehörde zu beachtendes inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis begründen (BVerfG, B.v. 1.8.1996 – juris = InfAuslR 1996, 341; BVerwG, U.v. 9.12.1997 – 1 C 19.96 – juris = BVerwGE 106, 13). Im Asylverfahren braucht insoweit jedenfalls keine nähere Aufklärung zu erfolgen.
Trotz der schwierigen Lebensbedingungen in Sierra Leone kann eine Verletzung von Art. 3 EMRK im Falle einer Rückführung der Klagepartei in ihr Heimatland nicht angenommen werden. Die Wirtschaft Sierra Leones ist geprägt von der Landwirtschaft (überwiegend kleinbäuerliche Subsistenzwirtschaft) und der Rohstoffgewinnung. Das Land ist mit einem Bruttoinlandsprodukt von ca. 4,5 Milliarden US-Dollar und einem Pro-Kopf-Einkommen von ca. 700 US-Dollar im Jahr 2015 eines der ärmsten Länder der Welt und belegt nach dem Human Development Index von 2016 Rang 179 der 188 untersuchten Länder. Ein Großteil der Bevölkerung (ca. 77%) lebt in absoluter Armut und hat weniger als 2 US-Dollar pro Tag zur Verfügung. Die Wirtschaft wird mit etwa 51,4% am Bruttoinlandsprodukt vom landwirtschaftlichen Sektor dominiert. Der Dienstleistungssektor trägt mit 26,6% und der Industriesektor mit 22,1% zum Bruttoinlandsprodukt bei. Die Arbeitslosigkeit ist sehr hoch, wobei bisher keine verlässlichen statistischen Daten erhoben wurden. Die Mehrheit versucht mit Gelegenheitsjobs oder als Händler/in ein Auskommen zu erwirtschaften. Die Subsistenzwirtschaft wird in Familien oft parallel oder alternativ genutzt, um den Lebensunterhalt zu sichern (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Sierra Leone, Wien am 4.7.2018).
Die Lebensumstände in Sierra Leone sind damit zwar äußerst schwierig. Gleichwohl muss davon ausgegangen werden, dass es dem Kläger gelingen wird, seinen Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Der Kläger ist jung, gesund und konnte seinen Lebensunterhalt bereits vor seiner Ausreise als Verkäufer erwirtschaften. Er verfügt über eine durchschnittliche Schulbildung und absolviert in Deutschland eine Ausbildung als Pflegefachhelfer, sodass er weitere Berufserfahrung erworben hat. Für das Gericht ist nicht ersichtlich, dass es dem Kläger nicht auch im Falle der Rückkehr in sein Heimatland wieder gelingen würde, seinen Lebensunterhalt sicherzustellen.
Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass der Kläger als alleinerziehender Vater mit seinem Sohn nach Sierra Leone zurückkehren würde, ergibt sich daraus keine andere rechtliche Würdigung. Der Kläger hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er die Vaterschaft für ein weiteres Kind anerkannt hat, dessen voraussichtlicher Geburtstermin der 25.2.2021 gewesen sei. Auf Nachfrage erklärte der Kläger, dass dieses Kind bei der Kindsmutter leben würde. Das erstgeborene Kind, der Kläger im Verfahren RN 15 K 20.31052, würde nun bei ihm leben. Ausweislich der Akten des Bundesamtes und der Akten des Gerichts wurde für den Sohn der Wohnungswechsel und eine neue ladungsfähige Anschrift nicht mitgeteilt. Doch selbst unter der Annahme, der Kläger würde als alleinerziehender Vater mit seinem Sohn nach Sierra Leone zurückkehren, ist davon auszugehen, dass der Kläger für sich und seinen Sohn ein Existenzminimum erwirtschaften kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger nach eigenen Angaben aus einer wohlhabenden Familie stammt, die ihn notfalls auch finanziell unterstützen kann, selbst wenn er nicht in seinen Heimatort … zurückkehren würde.
Auch aufgrund der derzeit herrschenden weltweiten Corona-Pandemie ergibt sich kein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG. Das weltweite Pandemiegeschehen ist sehr dynamisch. Die konkreten wirtschaftlichen Folgen werden sich erst in wenigen Monaten abzeichnen. Es fehlen daher greifbare Anhaltspunkte dafür, dass sich die humanitären Verhältnisse derart verschlechtern, dass im Falle einer Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK droht. Zudem wird in Sierra Leone versucht, etwaige wirtschaftliche Folgen der CoronaPandemie zu mindern. So unterstützten Hilfsorganisationen das Gesundheitssystem und die Sicherstellung von Wasser, um die Einhaltung der Hygienemaßnahmen zu gewährleisten (vgl. https:// www.unicef.org/sierraleone/covid-19-sierra-leone).
b) Ferner besteht auch kein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gewährung von Abschiebeschutz nach dieser Bestimmung setzt grundsätzlich das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG, wird Abschiebeschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist im Einzelfall Ausländern, die zwar einer gefährdeten Gruppe im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG angehören, für welche aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 AufenthG oder eine andere Regelung, die vergleichbaren Schutz gewährleistet, nicht besteht, ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zuzusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer extremen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 GG gebieten danach die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, wenn einer extremen Lebensgefahr oder einer extremen Gefahr der Verletzung der körperlichen Unversehrtheit entgegen gewirkt werden muss, was dann der Fall ist, wenn der Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod ausgeliefert oder erheblichen Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt sein würde (BVerwG, U.v. 17.10.1995 – 9 C 9.95 – juris, Rn. 14 = BVerwGE 99, 324, U.v. 19.11.1996 – 1 C 6.95 – juris, Rn. 34 = BVerwGE 102, 249 sowie U.v. 12.7.2001 – 1 C 5.01 – juris, Rn. 16 = BVerwGE 115, 1). Eine derartige Gefahrensituation kann sich grundsätzlich auch aus den harten Existenzbedingungen und der Versorgungslage im Herkunftsstaat ergeben.
Eine derartige Gefahr besteht jedoch nicht, was bereits oben unter Ziffer 4 a) dargestellt wurde.
Im Rahmen des Verfahrens wurden keinerlei ärztliche Atteste über etwaige Erkrankungen des Klägers vorgelegt, so dass gemäß § 60 a Abs. 2 c AufenthG vermutet wird, dass einer Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen.
Weiterhin ergibt sich eine derartige konkrete Gefahr auch nicht aufgrund der derzeit weltweit und somit auch im Sierra Leone herrschenden Corona-Pandemie; denn es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass der Kläger, der unter keinen erheblichen Vorerkrankungen leidet, in Sierra Leone gleichsam sehenden Auges dem Tod oder schwerster Gesundheitsschäden ausgeliefert wäre. Die Regierung hat Regeln zur Pandemieprävention bei Ein- und Ausreise erlassen. Bei Einreise ist die Durchführung eines weiteren PCR-Tests und eines RDT-Schnelltests verpflichtend. Es gilt eine nächtliche Ausgangssperre von 0 bis 5 Uhr. Nachtclubs sind geschlossen. Gottesdienste sind auf längstens 90 Minuten beschränkt, Sportveranstaltungen sind ohne Zuschauer gestattet. Es gilt die Pflicht, in der Öffentlichkeit Mund- und Nasenschutz zu tragen. Verstöße werden mit hohen Bußgeldern geahndet. (vgl. AA, Sierra Leone: Reise und Sicherheitshinweise, Stand: 10.3.2021, unverändert gültig seit 23.2.2021, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/sierraleone-node/sierraleonesicherheit/203500#content_0). Die Zahl der Infizierten sowie der an COVID-19 Verstorbenen ist darüber hinaus vergleichsweise niedrig. Bei einer Einwohnerzahl von etwa 8 Millionen gab es nach den Auswertungen der WHO am 10.3.2021 3.942 mit SARS-CoV-2 Infizierte und 79 Tote im Zusammenhang mit dem Virus (https://covid19.who.int/region/afro/country/sl). Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass der Anteil der Infizierten in Sierra Leone wesentlich höher ist, als dies die Zahlen der WHO ausweisen, weil weniger getestet wird als in europäischen Ländern, dürfte sich aus den Zahlen ergeben, dass die Ansteckungsgefahr im Heimatland der Klagepartei kaum höher liegt als in Deutschland. Hinzu kommt, dass die Regierung Schutzmaßnahmen angeordnet hat, die sicherstellen sollen, dass eine ungebremste Ausbreitung des Virus unterbunden wird. Ferner hat es jeder Einzelne selbst in der Hand, sich und andere durch die Verwendung von Gesichtsmasken und vor allem durch die Einhaltung der Abstandsregelungen – insbesondere Meidung von Menschenmassen – zu schützen, sodass nicht zwangsläufig davon ausgegangen werden kann, dass sich der Kläger in seiner Heimat mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit dem Virus infiziert.
Selbst bei unterstellter Infektion besteht jedenfalls keine hohe Wahrscheinlichkeit eines schweren oder tödlichen Verlaufs der Erkrankung. Nach den bisherigen Erkenntnissen zu COVID-19 kommt es beim ganz überwiegenden Teil der Erkrankten zu einem milden bis moderaten Verlauf und nur ein geringer Teil entwickelt eine schwere Erkrankung. Das größte Risiko für einen schweren Verlauf besteht bei älteren Personen ab etwa 50 bis 60 Jahren und bei Personen mit Vorerkrankungen. Bei Kindern sind Erkrankungen seltener und verlaufen in aller Regel mild (vgl. Robert Koch Institut [RKI], SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html). Zu einem besonders gefährdeten Personenkreis gehört der …-jährige Kläger nicht.
Im Übrigen wird auf die zutreffenden Darstellungen und die Begründungen im angegriffenen Bescheid gemäß § 77 Abs. 2 AsylG verwiesen.
5. Die in Ziffer 5 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltene Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung ist gleichfalls nicht zu beanstanden. Sie beruht auf den §§ 34 Abs. 1 AsylG, 59 AufenthG. Die dem Kläger gesetzte Ausreisefrist von 30 Tagen beruht auf § 38 Abs. 1 AsylG.
6. Die in Ziffer 6 des angegriffenen Bescheids ausgesprochene Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate ist ebenfalls rechtmäßig. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG – in der zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§§ 77 Abs. 1 Satz 1, 83c AsylG) geltenden Fassung – ist gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG wird über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Ermessen entschieden. Nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG darf sie außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten. Die getroffene Ermessensentscheidung erweist sich als rechtmäßig. Hier wurde die maximale Frist zur Hälfte ausgeschöpft, was nicht zu beanstanden ist. Besondere Umstände, die eine kürzere Frist gebieten würden, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Dem steht auch nicht entgegen, dass das Bundesamt nach dem Wortlaut der Ziffer 6 des streitgegenständlichen Bescheids das Einreise- und Aufenthaltsverbot nur „befristet“ und nicht auch angeordnet hat. § 11 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 3 AufenthG in der seit 21.8.2019 geltenden Fassung regelt, dass das Einreise- und Aufenthaltsverbot nicht mehr von Gesetzes wegen eintritt, sondern von der zuständige Behörde in Form eines Verwaltungsaktes zu erlassen ist. Bei dem Erlass eines Einreise- und Aufenthaltsverbots und dessen Befristung handelt es sich um einen einheitlichen Verwaltungsakt, der nicht zwischen der Anordnung des Verbots und dessen Befristung aufgespalten werden kann (BeckOK MigR/Katzer AufenthG § 11 Rn. 1-4). Folglich liegt in der in Ziffer 6 des Bescheids erlassenen Befristung zugleich auch die Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.
Der Gegenstandswert folgt aus § 30 RVG.