Aktenzeichen M 25 K 16.3546
Leitsatz
Bei einem Serientäter, der jahrelang sein Einkommen durch Wohnungs- bzw. Hauseinbrüche bestritten hat und der über kein gesichertes Einkommen verfügt, ist zu befürchten, dass er nach der Haftentlassung sein Einkommen erneut aus Einbrüchen sichern wird. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die im streitgegenständlichen Bescheid verfügte Ausweisung des Klägers ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Das neun- bzw. zehnjährige Einreise- und Aufenthaltsverbot ist ebenfalls rechtmäßig ergangen (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
I.
Die Ausweisung des Klägers erweist sich im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 12) als rechtmäßig.
1. Rechtsgrundlage für die Ausweisung ist § 53 Abs. 1 AufenthG, wonach ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet, ausgewiesen wird, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen am weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
a.) Die Beklagte war gem. § 71 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 1 S. 1 Nr. 1 ZustVAuslR (in der Fassung bis 31. Juli 2018) sachlich und gem. § 71 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 1 S. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 2 Nr. 1 ZustVAuslR (in der Fassung bis zum 31. Juli 2018) zum Erlass des Bescheides örtlich zuständig, da der Kläger im Zeitpunkt seines Aufgriffs am … Januar 2014 ohne festen Wohnsitz war (vgl. Bl. 563 der Behördenakte).
b.) Der weitere Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet stellt eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit i.S.d. § 53 Abs. 1 AufenthG dar, da mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass der Kläger erneut erheblich straffällig wird (vgl. zum Prognosemaßstab BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris). Beim Kläger handelt es sich um einen Serientäter, der im Zeitraum von 2004 bis 2013 eine Vielzahl von Wohnungseinbrüchen bzw. Hauseinbrüchen begangen hat. Der Kläger ist dabei mit zunehmender Professionalisierung vorgegangen. Der Kläger hat sich im Zusammenwirken mit seiner damaligen Ehefrau auf „lohnende“ Objekte spezialisiert. Alarmanlagen hat der Kläger durch einen selbstgebauten Störsender überwunden. Erbeutete Tresore konnte er in den Räumlichkeiten eines Freundes, der dafür einen Anteil der Beute erhielt, ungestört öffnen.
Auf Grund dieser Professionalisierung ist es dem Kläger gelungen, den Wert des Diebesgutes stetig zu erhöhen. Nach den Feststellungen im Strafurteil belief sich der höchste Wert auf rund 75.000 EUR. Der Ermittlungsbericht im Strafverfahren geht von einer Schadenssumme i.H.v insgesamt rund 2 Mio. EUR aus. Der Kläger, der keiner Arbeit im Bundesgebiet nachging, hat sich dadurch eine fortdauernde Einnahmequelle von erheblichem Umfang verschaffen können. Da der Kläger über kein gesichertes Einkommen verfügt, ist zu befürchten, dass der Kläger nach Haftentlassung sein Einkommen erneut aus Einbrüchen sichern wird, zumal seine Einbrüche lohnend waren und über einen Zeitraum von 9 Jahren unentdeckt blieben.
An dieser Einschätzung ändert auch der positive Führungsbericht der JVA … vom … Januar 2019 nichts, der dem Kläger ein beanstandungsfreies und hausordnungskonformes Verhalten bescheinigt. Es ist davon auszugehen, dass sich der Kläger unter dem Eindruck der Haft entsprechend verhält. Wie dargelegt, verfügt der Kläger über kein gesichertes Einkommen oder eine Arbeitsstelle, die Halt und Stabilität außerhalb der Haftsituation bieten könnten, sodass weiterhin eine Wiederholungsgefahr besteht.
c.) Die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der gegenläufigen Interessen ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausweisung das Bleibeinteresse des Klägers überwiegt und die Ausweisung nicht unverhältnismäßig ist, § 53 Abs. 1 AufenthG.
Allein auf Grund der Verurteilung des Klägers zu 9 Jahren und 8 Monaten Freiheitsstrafe erfüllt der Kläger die Voraussetzungen eines besonders schwer wiegenden Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG.
Ein schwer wiegendes Bleibeinteresse oder besonders schwer wiegendes Bleibeinteresse des Klägers (§ 55 AufenthG) ist nicht zu erkennen. Insbesondere liegt mit Blick auf seinen minderjährigen deutschen Sohn kein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG oder nach § 55 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG vor. Auf Grund seiner Inhaftierung lebt der Kläger derzeit weder in familiärer Lebensgemeinschaft mit seinem Sohn noch übt er einen Umgang mit ihm aus. Auf Grund der Haftsituation kann er auch sein Personensorgerecht nicht ausüben, so er über dieses überhaupt noch verfügt.
Auch aus § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG ergibt sich für den Kläger kein schwerwiegendes Bleibeinteresse, denn die Anwesenheit des Klägers im Bundesgebiet ist für die Belange und das Wohl seines Kindes nicht erforderlich. Zwischen dem Kläger und seinem Sohn besteht keine sozial-familiäre Bindung oder eine persönliche Verbundenheit, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Der Kläger hat seine damalige Ehefrau und seinen Sohn Ende 2012 verlassen und ist nach Hamburg gezogen. Nach seinen Angaben und denen der Zeugin in der mündlichen Verhandlung kam der Kläger auf seinen Fahrten nach Serbien zwei bis dreimal im Monat zu Besuch. Ausweislich der Besuchsliste der JVA … hat der Kläger seit seiner Inhaftierung im Januar 2014 seinen Sohn erstmals wieder am 27. Februar 2017 gesehen. Danach erfolgten bis heute noch 3 weitere Besuche in der JVA und der Kläger hat mit seinem Sohn dreimal am Familientag teilgenommen. Zwischen dem Kläger und seinem Sohn besteht daher mit der Trennung der Eltern Ende 2012 keine gelebte Nähebeziehung mehr. Zwischen Januar 2014 und Februar 2017 hatte der Kläger gar keinen Kontakt zu seinem Sohn. Die danach folgenden Kontakte beschränken sich auf Besuche in der JVA jeweils für wenige Stunden oder zum Familientag. In den vergangenen fünf Jahren hat der Kläger seinen Sohn insgesamt siebenmal immer nur für wenige Stunden gesehen. Er hat damit keinen Anteil mehr am Leben und Aufwachsen seines Sohnes. Dafür spricht auch der Umstand, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht darlegen konnte, welche Schule sein Sohn derzeit besucht, obwohl der Schulbesuch bei einem elfjährigen Kind einen wesentlichen Teils seines Alltags ausmacht und hier nach Angabe der Zeugin ein Schulwechsel im Raum steht, der üblicherweise Anlass für einen intensiven Gesprächsaustausch ist.
Auch unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten persönlichen Belange des Klägers und der Positionen aus Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK überwiegt das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers. Die Entscheidung wahrt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Ausweisung ist insbesondere unter Berücksichtigung des minderjährigen Sohnes mit Art. 6 und Art. 8 EMRK vereinbar. Wie bereits ausgeführt, besteht keine tatsächliche Verbundenheit mehr zwischen dem Kläger und seinem Kind. Der Kläger nimmt wie oben ausgeführt jedenfalls seit der Trennung von seiner Familie Ende 2012 keinen tatsächlichen Anteil mehr am Leben und Aufwachsen seines Sohnes. Die Trennung vom Vater ist für den Sohn gelebte Realität und wird es auf Grund der Haftstrafe über etliche Jahre noch bleiben. Laut Haftzeitübersicht endet die Strafhaft erst am … September 2023, am … Juni 2020 sind zwei Drittel verbüßt. Bei einer Haftentlassung wird der Sohn 16 Jahre alt sein und zunehmend immer weniger auf die Unterstützung seiner Eltern angewiesen sein. Den derzeit bestehenden brieflichen Kontakt und den Kontakt in Form von sporadischen Besuchen kann der Kläger auch aus dem Ausland mit seinem Sohn führen. Ein Kontakt ist auch über die neuen elektronischen Medien möglich. Ein längerer Auslandsaufenthalt im Anschluss an die Haft wird damit für den Sohn keine Umwälzung in seinen bisherigen Lebensverhältnissen darstellen.
Dem Kläger ist eine Rückkehr nach Serbien auch ansonsten möglich und zumutbar. Der Kläger ist in Serbien aufgewachsen und hat dort eine Ausbildung zum Metzger gemacht. Er spricht die Landessprache und ist mit den dortigen Lebensverhältnissen vertraut. Er kann nach eigenen Angaben in Serbien wohnen und voraussichtlich als Metzger arbeiten (vgl. Gerichtsakte, Schreiben der JVA … vom … Januar 2019.)
Unter Berücksichtigung sämtlicher beim Kläger zu beachtender Belange, ist die verfügte Ausweisung im Hinblick auf die vom Kläger weiterhin ausgehende Gefahr der Begehung weiterer Straftaten nicht unverhältnismäßig.
2. Die in Ziffern 2 verfügte Wiedereinreisesperre von 9 bzw. 10 Jahren ist ebenfalls rechtmäßig. Hinsichtlich der Dauer der Sperrfrist gemäß § 11 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG bedarf es der prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen – das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zu Grunde liegt – das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. In diesem Rahmen sind auch verfassungsrechtliche Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG) sowie die Vorgaben aus Art. 7 Grundrechtscharta, Art. 8 EMRK zu berücksichtigen (BVerwG, U.v.13.12.2012 – 1 C 20/11 – juris). Die vom Gericht nur beschränkt überprüfbare Ermessensentscheidung lässt keine Rechtsfehler erkennen. Der Kläger hat fortgesetzt ganz erhebliche Straftaten begangen, so dass die Befristung gem. § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG grundsätzlich fünf Jahre überschreiten durfte.
Ausgehend von der bestehenden Gefahr der Wiederholung von Straftaten und auch unter Berücksichtigung der fehlenden wirtschaftlichen Integration der Klägers in der Bundesrepublik erscheint eine Frist von 9 Jahren im Falle der Straffreiheit und 10 Jahre im anderen Falle als angemessen. Seine sozialen Bindungen insbesondere zu seinem Sohn kann der Kläger über die neuen elektronischen Medien und brieflich aufrechterhalten. Eine besonders schützenswerte Beziehung zu seinem Sohn besteht gerade nicht. Zudem ermöglicht § 11 Abs. 4 AufenthG zur Wahrung schutzwürdiger Interessen oder soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, eine Verkürzung oder Aufhebung des Verbots. Kurzfristige Betretungserlaubnisse können über § 11 Abs. 8 AufenthG gewährt werden.
3. Keinen Bedenken begegnet die Abschiebungsandrohung nach §§ 59, 58 AufenthG. Soweit die Abschiebung aus der Haft angekündigt wird (Ziff. 3 des Bescheides), erfüllt dies die Voraussetzungen von §§ 58 Abs. 3, 59 Abs. 5 AufenthG.
Die für den Fall einer Abschiebung nach Haftentlassung festgesetzte Ausreisefrist von vier Wochen ist angemessen. § 59 Abs. 1 S. 1 AufenthG sieht als Mindestfrist sieben Tage vor. Angesichts des Umstandes, dass der Kläger keinen Haushalt auflösen muss, er auch sonst keinen größeren organisatorischen Aufwand zur Abwicklung seiner hiesigen Lebensverhältnisse ergreifen muss, erscheinen vier Wochen als ausreichend.
II.
Die Klage ist nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
II.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 111 ZPO.