Verwaltungsrecht

Erfolglose Klage gegen eine Beseitigungsanordnung in Bezug auf asbesthaltige Eternitplatten

Aktenzeichen  RN 8 K 16.26

Datum:
25.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AVV § Abs. 2 S. 1 Nr. 9
BayAbfG BayAbfG Art. 31 Abs. 1, Abs. 2
GefStoffV GefStoffV § 16 Abs. 2
KrWG KrWG § 3 Abs. 1 S. 1, Abs. 4

 

Leitsatz

1 Eine Entledigung von Abfällen nach § 3 Abs. 4 KrWG ist nur geboten, wenn die vom Gegenstand ausgehende Belastung keine andere Möglichkeit als eine Verwertung oder Beseitigung zulässt. Dadurch reduziert sich die praktische Bedeutung auf Stoffe oder Gegenstände, bei denen die Gefahr nicht durch eine anderweitige vom Besitzer beabsichtigte zulässige Nutzung beseitigt werden kann (Anschluss an VG Berlin BeckRS 2014, 50031). (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine konkrete Gefahr ist für eine Beseitigungsanordnung nicht notwendig, es genügt die abstrakte Eignung des Materials zur Gefährdung der Allgemeinheit. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Landratsamtes Deggendorf (LRA) vom 10. Dezember 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Klage ist daher nach dem Maßstab des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO als unbegründet abzuweisen.
Rechtsgrundlage des streitgegenständlichen Bescheids ist Art. 31 Abs. 2 des Bayerischen Abfallwirtschaftsgesetzes (BayAbfG). Die zuständige Behörde kann danach die erforderlichen Anordnungen treffen, um die Verpflichtung aus § 31 Abs. 1 BayAbfG durchzusetzen. Nach § 31 Abs. 1 BayAbfG ist, wer in unzulässiger Weise Abfälle behandelt, lagert oder ablagert, zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes verpflichtet.
I.
Der Bescheid vom 10. Dezember 2015 ist in Ziffer I. formell rechtmäßig, insbesondere war das LRA nach Art. 29 Abs. 1, 2 BayAbfG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 7 Abfallzuständigkeitsverordnung, Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG zum Erlass des Bescheids zuständig, und der Kläger wurde mit Schreiben vom 12. November 2015 ordnungsgemäß angehört.
Die Anordnung, die auf dem Grundstück des Klägers abgelagerten, sowie bereits verbauten, asbesthaltigen Eternitplatten zu beseitigen und ordnungsgemäß zu entsorgen, ist materiell rechtmäßig.
1. Die vom Kläger auf seinem Grundstück Fl.Nr. 356/5 der Gemarkung … gelagerten bzw. verbauten Eternitplatten sind Abfälle im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 4 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG sind Abfälle alle Stoffe oder Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Vorliegend kommt nur die dritte Alternative in Betracht, da sich der Kläger der Eternitplatten weder entledigt hat, noch sich derer entledigen will. Der Besitzer muss sich gemäß § 3 Abs. 4 KrWG Stoffen oder Gegenständen entledigen, wenn diese nicht mehr entsprechend ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung verwendet werden, auf Grund ihres konkreten Zustandes geeignet sind, gegenwärtig oder künftig das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die Umwelt, zu gefährden und deren Gefährdungspotential nur durch eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung oder gemeinwohlverträgliche Beseitigung nach den Vorschriften des KrWG und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ausgeschlossen werden kann. Eine verpflichtende Begründung der Abfalleigenschaft ist demnach nur dann gegeben, wenn die vom Gegenstand ausgehende Belastung keine andere Möglichkeit als eine Verwertung oder Beseitigung zulässt. Nur in diesen Fällen kann der entgegenstehende Besitzerwille durchbrochen werden. Durch eine solche dem Wortlaut nach gebotene Auslegung reduziert sich die praktische Bedeutung dieser Entledigungsvariante auf Stoffe oder Gegenstände, bei denen die Gefahr nicht durch eine anderweitige vom Besitzer beabsichtigte zulässige Nutzung beseitigt werden kann (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 03. April 2014 – 10 L 49.14 – juris).
Bei den streitgegenständlichen Eternitplatten handelt es sich um asbesthaltige Gegenstände im Sinne der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV). Das Gutachten des Bayerischen Landeskriminalamtes vom 13. Oktober 2015 hat ergeben, dass es sich bei dem eingereichten Bruchstück aus den klägerischen Eternitplatten im asbesthaltiges Material, Varietät Chrysotil, handelt. Ein Masseanteil von 0,1% Asbest sei überschritten. Die Eternitplatten stammen nach eigenen Angaben des Klägers aus einem Garagenumbau im Jahre 1998. Demnach sind die asbesthaltigen Platten bei Arbeiten – hier beim Garagenumbau – angefallen, und hätten nach der GefStoffV, außer zur Abfallbeseitigung und -verwertung, nicht weiter verwendet werden dürfen. Die ursprüngliche Zweckbestimmung war damit weggefallen.
Das Material ist auch geeignet zur gegenwärtigen oder künftigen Gefährdung der Allgemeinheit. Eine konkrete Gefahr ist insoweit nicht notwendig, es genügt die abstrakte Eignung des Materials zur Gefährdung der Allgemeinheit. Gefährliche Abfälle sind nach § 3 Abs. 5 KrWG solche Abfälle, die durch Rechtsverordnung nach § 48 Abs. 2 KrWG oder auf Grund einer solchen Rechtsverordnung bestimmt worden sind. Gemäß § 3 Abs. 1 der Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) sind diejenigen Abfallarten im Abfallverzeichnis, deren Abfallschlüssel mit einem Sternchen (*) versehen sind, als gefährlich im Sinne des § 48 KrWG anzusehen. Unter der Abfallschlüssel-Nummer 17 06 05 finden sich – mit einem solchen Sternchen versehen – asbesthaltige Baustoffe. Die asbesthaltigen Eternitplatten sind asbesthaltige Baustoffe in diesem Sinne und deshalb als gefährlicher Abfall im Sinne der AVV einzustufen.
Es besteht auch keine andere Möglichkeit als die Verwertung oder Beseitigung der Eternitplatten. Gemäß § 16 Abs. 2 GefStoffV bestehen Herstellungs- und Verwendungsbeschränkungen nach Maßgabe der Anlage II zur GefStoffV für die dort genannten Stoffe, Zubereitungen und Erzeugnisse. Nach Nr. 1 Abs. 1 Satz 4 des Anhang II zur GefStoffV ist die weitere Verwendung von bei Arbeiten anfallenden asbesthaltigen Gegenständen und Materialien zu anderen Zwecken als der Abfallbeseitigung oder Abfallverwertung verboten. Damit ist eine Wiederverwendung oder Lagerung der Platten durch den Kläger – entgegen seiner Auffassung – nicht möglich.
2. Der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids steht auch nicht der Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 37 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ist zur näheren Bestimmung der Bindungswirkung eines Verwaltungsakts nach Art. 43 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG der Tenor des Bescheids unter Heranziehung der Gründe und des materiellen Rechts, auf Grund dessen der Verwaltungsakt ergangen ist und an das er anknüpft, auszulegen (vgl. BayVGH, B.v. 3.8.2015 – 11 CS 15.1262 – juris). Aus dem Bescheidstenor ergibt sich, dass der Kläger die auf seinem Grundstück mit der Fl.Nr. 356/5 der Gemarkung … abgelagerten sowie bereits verbauten, asbesthaltigen Eternitplatten zu beseitigen und ordnungsgemäß zu entsorgen hat. Der genaue Standort der Eternitplatten wird in den Bescheidsgründen erläutert: Vier Platten seien am Gartenzaun befestigt, das Dach des Gartenschuppens sei damit abgedeckt, mehrere Platten seien hinter dem Anwesen als Böschungsabstützung vorbaut. Zudem würden zwischen dem Gartenschuppen und dem Wohnhaus weitere fünf Eternitplatten gelagert. In der Zusammenschau zwischen Tenor und Gründen ist damit hinreichend klar und verständlich, wo genau auf dem Grundstück die Eternitplatten gelagert bzw. verbaut sind.
II.
Die mit Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids geforderte Vorlage von Entsorgungsnachweisen ist rechtlich unbedenklich.
Nach § 62 KrWG i.V.m. Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayAbfG kann die Behörde die erforderlichen Anordnungen zur Durchführung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes treffen. Nachdem der Kläger zur Entsorgung des als gefährlicher Abfall eingestuften Eternits verpflichtet ist (s.o. II.) kann der Beklagte die Vorlage von Entsorgungsnachweisen verlangen, um sicher zu gehen, dass der gefährliche Abfall tatsächlich ordnungsgemäß entsorgt wurde. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger während des Verwaltungsverfahrens mehrfach betonte, dass er nicht gewillt sei, die streitgegenständlichen Platten zu entsorgen.
III.
Die Zwangsgeldandrohungen in Ziffern 3. und 4. des streitgegenständlichen Bescheids sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Die maßgeblichen, in Art. 29, 31 und 36 VwZVG normierten Voraussetzungen, sind gegeben. Insbesondere wurde das Zwangsgeld schriftlich angedroht (vgl. Art. 36 Abs. 1 Satz 1 VwZVG) und eine ausreichende Frist gesetzt (vgl. Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG). Auch die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes (250,00 € in Ziffer 3. Sowie 100,00 € in Ziffer 4.) ist nicht zu beanstanden (vgl. Art. 31 Abs. 2 VwZVG).
Nach allem war die Klage daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung im Kostenpunkt war gemäß § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Gründe für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor (§ 124 a Abs. 1 VwGO).

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