Aktenzeichen M 10 S 16.5668
Leitsatz
1 Das Verhalten des Klägers, mehrfach schwere Straftaten gegen seine Ehefrau zu begehen und diese schwer zu verletzen, legt eine hohe Rückfallgefahr nahe. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2 Wohlverhalten in der Haft oder der Plan, eine Therapie zu beginnen, genügen nicht für die Annahme, es könne von einem Wegfall der konkreten Wiederholungsgefahr ausgegangen werden. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Ausweisungsverfügung.
Der am … Mai 1974 geborene Antragsteller ist serbischer Staatsangehöriger. Er reiste erstmals im Jahr 1992 – mutmaßlich unter falschem Namen – in das Bundesgebiet ein. Nach längerer Duldungszeit heiratete er eine deutsche Staatsangehörige, worauf ihm erstmals am 28. März 1995 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde, die mehrfach verlängert wurde. Die Ehe mit der deutschen Staatsangehörigen wurde am 18. Juni 1999 geschieden; zwei Kinder waren 1995 und 1996 geboren worden.
Mit Bescheid vom 29. August 2001 wurde er vom Landeseinwohneramt Berlin ausgewiesen, da er im Rahmen der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis wahrheitswidrige Angaben über den Bestand der ehelichen Gemeinschaft gemacht hatte. Am 26. Juli 2002 heiratete der Antragsteller in … eine jugoslawische Staatsangehörige. Aus dieser Ehe sind vier Kinder hervorgegangen, die teils die deutsche Staatsangehörigkeit haben. Wohl im Mai 2003 reiste der Antragsteller nach Serbien aus. Nach Befristung der Ausweisungsentscheidung erfolgte eine Wiedereinreise in das Bundesgebiet am 23. Oktober 2007.
Bis zu Beginn seiner Untersuchungshaft am 15. März 2011 war der Antragsteller arbeitslos und lebte mit seiner Frau und den vier Kindern in der gemeinsamen Wohnung in … Die Ehe wurde mit Entscheidung des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck vom 6. Juli 2011 geschieden.
Der Antragsteller ist mehrfach wegen Körperverletzungsdelikten, Verstößen gegen das Pflichtversicherungsgesetz und Diebstahl vorbestraft. Zuletzt wurde der Antragsteller mit Urteil des Landgerichts München II aufgrund der Hauptverhandlung vom 1. Februar 2012, rechtskräftig sei 27. Juni 2012, wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 9 Monaten verurteilt. Nach den Gründen des Strafurteils misshandelte der Antragsteller seine Ehefrau in zwei Fällen. Im ersten Fall stieß er sie in abstrakt lebensbedrohlicher Weise mit dem Kopf gegen eine Fliesenwand; im zweiten Fall schlug und trat er sie derart, dass sie einen Milzriss erlitt und nur im Rahmen einer Notoperation vor dem unmittelbar bevorstehenden inneren Verbluten gerettet werden konnte.
Mit Bescheid des Landratsamtes … vom 8. Dezember 2016 wurde der Antragsteller aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Nr. 1 des Bescheides), der Sofortvollzug der Ausweisung angeordnet (Nr. 2 des Bescheides), das Einreise- und Aufenthaltsverbot für die Bundesrepublik Deutschland für die Dauer von 7 Jahre ab Abschiebung bzw. Ausreise befristet (Nr. 3 des Bescheides), die Abschiebung aus der Haft nach Serbien oder einen anderen zu seiner Übernahme verpflichteten Staat angeordnet (Nr. 4 des Bescheides), soweit seine Abschiebung aus der Haft nicht möglich sein sollte, wurde er aufgefordert, das Bundesgebiet innerhalb von 7 Tagen ab Haftentlassung zu verlassen, andernfalls wurde ihm die Abschiebung nach Serbien oder in einen anderen zur Aufnahme bereiten oder verpflichteten Staat angedroht (Nr. 5 des Bescheides).
Als Ausweisungsanlass wurde insbesondere das Urteil des Landgerichts München II herangezogen. Der Antragsteller habe bei seiner Anhörung angegeben, dass er in Deutschland bleiben möchte, weil sich die gesamte Familie sowie die Kinder im Bundesgebiet aufhielten. Er habe angegeben, nach der Haftentlassung die Kinder zu sich nehmen zu wollen. Darüber hinaus strebe er das alleinige Sorgerecht an und hätte in Serbien keine weiteren Familienangehörigen mehr.
Die Ausweisung erfolge gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG. Der Antragsteller habe mit seinem gesamten bisherigen Verhalten wiederholt erheblich gegen die hier geltende Rechtsordnung verstoßen. Das Ausweisungsinteresse werde insbesondere mit
§ 54 AufenthG konkretisiert. Nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG sei ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse bereits dann erfüllt, wenn ein Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mehr als 2 Jahren verurteilt worden sei. Vorliegend sei dies durch das Urteil des Landgerichts München II geschehen.
Hinsichtlich seines Bleibeinteresses liege keiner der in § 55 Abs. 1 oder 2 AufenthG genannten Tatbestände vor. Der Antragsteller sei nicht im Besitz einer Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis. Eine ihm am 24. September 2009 erteilte Aufenthaltserlaubnis sei seit dem 23. September 2011 abgelaufen. Ein Verlängerungsantrag sei von ihm nicht gestellt worden. Darüber hinaus führe er auch keine familiäre Lebensgemeinschaft mit einem Ausländer oder deutschen Familienangehörigen; seine Ehe sei geschieden worden. Nach vorliegenden Stellungnahmen der betroffenen Jugendämter habe er weder ein Sorgenoch ein Umgangsrecht für seine Kinder. Die Kinder hätten auch kein Interesse an einer Kontaktaufnahme zu ihm.
Bei der Abwägung der Interessen seien insbesondere die Dauer des Aufenthalts,
die persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat sowie die Folgen der Ausweisung für seine Familienangehörigen und Lebenspartner zu berücksichtigen. In seinem Interesse sei zu berücksichtigen, dass er Vater von vier im Bundesgebiet lebenden Kindern sei, die nach Aktenlage zumindest teilweise die deutsche Staatsangehörigkeit hätten. Des Weiteren lebten seine Eltern und Geschwister in Berlin.
In der Haft habe er bisher einige sozialtherapeutische Maßnahmen zur Therapierung seiner niedrigen Aggressionsschwellen absolviert. Jedoch sei es ihm während des langen Aufenthaltes im Bundesgebiet nicht möglich gewesen, sich soweit sozial zu integrieren, um einen ordnungsgemäßen, rechtschaffenen und sozialverträglichen Lebenswandel zu führen. Stattdessen sei er laufend – insbesondere mit Körperverletzungsdelikten – strafrechtlich in Erscheinung getreten. Durch die Tatausführungen – insbesondere der Körperverletzungsdelikte – habe er keinen Zweifel daran gelassen, dass er bereits durch nichtige Anlässe bereit sei, bei Opfern die Verursachung lebensgefährlicher Verletzungen hinzunehmen. Insbesondere seine Ehefrau habe er ohne Provokation und trotz ihrer Schwangerschaft mehrfach mit schwerer Gesundheitsgefährdung misshandelt. Auch in der Haft sei er in eine tätliche Auseinandersetzung verwickelt gewesen. Aufgrund seiner schriftlichen Äußerungen sei eine Reflexion des bisherigen Verhaltens oder eine Schuldeinsicht nicht erkennbar. Das Landratsamt gehe deshalb aufgrund seiner Gesamtpersönlichkeit, der unzweifelhaft vorliegenden erheblichen charakterlichen Mängel, seiner defizitären Persönlichkeitsstruktur und der mehrfach unter Beweis gestellten hohen Aggressivität mit Neigung zu potentiell lebensbedrohlichen Handlungen davon aus, dass von ihm – ungeachtet des Strafvollzugs – auch künftig weitere schwere Straftaten zu erwarten seien. Seiner Familie – Eltern und Geschwistern – sei eine räumliche Trennung zuzumuten.
Die Ausweisung sei aus spezialpräventiven Gründen zulässig und erforderlich, um weitere Straftaten, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühren würden, zu verhindern bzw. zu unterbinden. Die Ausweisung erfolge auch aus generalpräventiven Gründen, da sie geeignet sei, andere von der Begehung derartiger Straftaten abzuhalten und damit der vorbeugenden Verhinderung von Straftaten zu dienen.
Auch die Trennung von seinen Kindern stelle keine unbillige Härte dar; im Rahmen der erforderlichen Güterabwägung müsse das persönliche Interesse an der weiteren Fortführung der familiären Gemeinschaft in Deutschland zurücktreten. Hierbei müsse auch gesehen werden, dass eine familiäre Bindung den Antragsteller nicht davon abgehalten habe, hier gravierende Straftaten zu begehen. Der Eingriff in sein Privat- und Familienleben sei auch unter Berücksichtigung der EMRK verhältnismäßig.
Die sofortige Vollziehung der Ausweisung werde ausnahmsweise angeordnet, weil das öffentliche Interesse am Sofortvollzug über jenes hinausgehe, welches die Ausweisung selbst begründe. Der Antragsteller sei aus einer von ihm ausgehenden konkreten Wiederholungsgefahr – also aus spezialpräventiven Gründen – ausgewiesen worden. Diese spezialpräventive Zielsetzung rechtfertige und erfordere die ausnahmsweise Anordnung des Sofortvollzugs, da ansonsten in Kauf genommen werden müsse, dass sich diese Wiederholungsgefahr gegebenfalls im Rahmen eines längerfristigen Hauptsacheverfahrens realisieren könne. Das öffentliche Interesse am Sofortvollzug gehe deshalb über sein Interesse an einer Anwesenheit bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung hinaus, da ansonsten der Zweck, zukünftige Straftaten durch den Antragsteller konkret zu unterbinden, nicht erreicht werden könne und weitere Gefahren in Kauf zu nehmen wären.
Mit einer weitergehenden Auseinandersetzung mit den betroffenen Interessen wurde unter Abwägung aller für und gegen den Antragsteller sprechenden Umstände die Wirkung der Ausweisung auf die Dauer von 7 Jahren befristet. Abschiebungsankündigung und -androhung wurden näher begründet.
Der Bescheid wurde dem früheren Bevollmächtigten des Antragstellers am 8. Dezember 2016 zugestellt.
Der Antragsteller hat am 15. Dezember 2016 Klage gegen den Bescheid des Landratsamtes vom 8. Dezember 2016 erhoben und Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gestellt.
Eine Begründung von Klage und Antrag erfolgte nicht.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Dabei wurde ergänzend darauf hingewiesen, dass ein vom Antragsteller gewünschtes Umgangsrecht zu seinen Kindern von der Mutter der Kinder nicht gewünscht werde; ein Umgangs- und Sorgerecht des Antragstellers zu seinen Kindern bestehe nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtssowie die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bleibt ohne Erfolg.
1. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die in Nr. 1 des Bescheides vom 8. Dezember 2016 verfügte Ausweisung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, da der Antragsgegner gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung der Ausweisung angeordnet hat.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung einer Klage ganz oder teilweise anordnen oder wiederherstellen. Hierbei trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung, bei der es das private Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung gegen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids abzuwägen hat. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
Aufgrund dieser summarischen Prüfung ergeben sich keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ausweisung.
Nach § 53 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
a) Vom Antragsteller geht nach summarischer Prüfung eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie die freiheitliche demokratische Grundordnung aus, § 53 Abs. 1 AufenthG. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlichen Überprüfung eine eigenständige Prognose hinsichtlich der Wiederholungsgefahr zu treffen, ohne dass sie an die Feststellungen der Strafgerichte rechtlich gebunden sind (vgl. zum Erfordernis etwa BVerwG, U.v. 26.2.2002 – 1 C 21/00 – juris Rn. 22). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Tat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt. Für die Feststellung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr gilt ein differenzierender Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wonach an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BVerwG, U.v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – juris Rn. 18). Der Rang des bedrohten Rechtsguts bestimmt dabei die mögliche Schadens-höhe, wobei jedoch keine zu geringen Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gestellt werden dürfen (BVerwG, U.v. 10.7.2012, a.a.O.).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben geht das Gericht nach summarischer Prüfung davon aus, dass vom Antragsteller eine entsprechende Wiederholungsgefahr ausgeht und sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung besteht unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass vom Antragsteller die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten ausgeht. Der Antragsteller hat schwere Straftaten begangen. Das vergangene Verhalten des Antragstellers, aus dem hinsichtlich der Wiederholungsgefahr Rückschlüsse zu ziehen sind, legt eine hohe Rückfallgefahr nahe. Besonders schwer wiegt, dass der Antragsteller mehrfach schwere Straftaten gegen seine Ehefrau beging. Aufgrund der abgeurteilten Körperverletzungen hat der Antragsteller mit hoher krimineller Energie seine Frau schwer verletzt, sodass für diese Lebensgefahr bestand und sie nur durch eine Notoperation gerettet werden konnte. Es ist nicht ersichtlich, dass es einen einmaligen Anlass für die Straftaten gab, welcher nunmehr weggefallen ist. Die Bestrebungen des Antragstellers, nunmehr eine Therapie zu absolvieren, stehen der Gefahr nicht entgegen, dass der Antragsteller erneut straffällig wird. In Fällen wie dem vorliegenden geht die Rechtsprechung regelmäßig davon aus, dass von einem Wegfall der konkreten Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden kann, solange der Antragsteller nicht eine Therapie erfolgreich abgeschlossen und darüber hinaus die damit verbundene Erwartung künftig straffreien Verhaltens auch nach dem Therapieende glaubhaft gemacht hat (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2014 – 10 ZB 13.71 – juris Rn. 6 m.w.N.). Wohlverhalten in der Haft oder der Plan, eine Therapie zu beginnen, genügen demnach nicht. Die erneute Straffälligkeit des Antragstellers ist wahrscheinlich.
b) Es liegt ein Ausweisungsinteresse vor, dem Bleibeinteressen des Antragstellers gegenüberstehen. Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG zu treffende Abwägung ergibt, dass nach summarischer Prüfung das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Antragstellers überwiegt.
§ 53 AufenthG gestaltet die Ausweisung als Ergebnis einer umfassenden, ergebnisoffenen Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aus. Diese Abwägung ist voll gerichtlich überprüfbar. Sofern das öffentliche Interesse an der Ausreise das Interesse des Ausländers am Verbleib im Bundesgebiet nach dieser Gesamtabwägung überwiegt, ist die Ausweisung rechtmäßig. In die Abwägung nach § 53 Abs. 1 AufenthG sind die in §§ 54, 55 AufenthG vorgesehenen Ausweisungs- und Bleibeinteressen mit der im Gesetz vorgenommenen grundsätzlichen Gewichtung einzubeziehen. Neben den dort explizit aufgeführten Interessen sind aber noch weitere, nicht ausdrücklich benannte sonstige Bleibe- oder Ausweisungsinteressen denkbar. Die in den §§ 54 f. AufenthG genannten Ausweisungs- und Bleibeinteressen werden nur allgemein als schwer bzw. besonders schwer typisiert, ohne im Sinne eines Automatismus die letztliche Interessenabwägung zu bestimmen. Erforderlich ist vielmehr eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalles bereits auf Ebene des Tatbestands (vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 49 f.; HessVGH, B.v. 5.2.2016 – 9 B 16/16 – juris Rn. 5; VG Düsseldorf, U.v. 11.2.2016 – 8 K 1493/15 – juris Rn. 45 ff.; VG München, B.v. 4.4.2016 – M 10 S. 15.5791 – juris; Hailbronner, AuslR, § 53 Rn. 7 ff., 27; VG München, B.v. 7.11.2016 – M 10 K 15.5640).
Es sind für die Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung auch die Kriterien des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte heranzuziehen (vgl. nur EGMR, U.v. 18.10.2006 – Üner, Nr. 46410/99 – juris; EGMR, U.v. 2.8.2001 – Boultif, Nr. 54273/00 – InfAuslR 2001, 476-481). Hiernach sind vor allem die Art und die Schwere der vom Ausländer begangenen Straftaten, die Dauer des Aufenthaltes in dem Land, aus dem er ausgewiesen werden soll, die seit der Begehung der Straftat verstrichene Zeit und das seitherige Verhalten des Ausländers, die Staatsangehörigkeit der betroffenen Personen, die familiäre Situation des Ausländers, ob zu der Familie Kinder gehören und welches Alter diese haben, sowie die Ernsthaftigkeit der Schwierigkeiten, welchen die Familienangehörigen voraussichtlich in dem Staat ausgesetzt wären, in den der Ausländer ausgewiesen werden soll, die Belange und das Wohl der Kinder und die Stabilität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland und zum Zielland zu berücksichtigen (VG Oldenburg, U.v. 11.1.2016 – 11 A 892/15 – juris Rn. 24).
Nach der wertentscheidenden Grundsatznorm des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG hat der Staat die Pflicht, die Familie zu schützen und zu fördern. Jedoch ergibt sich auch hieraus kein unmittelbarer Anspruch auf Aufenthalt (vgl. nur BVerfG, B.v. 9.1.2009 – 2 BvR 1064/08 – juris Rn. 14). Vielmehr verpflichtet Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG die Ausländerbehörde wie auch die Gerichte, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des Antragstellers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen bei der Entscheidung zu berücksichtigen (BVerfG, B.v. 23.1.2006 – 2 BvR 1935/05 – juris – Rn. 16; BVerfG, B.v. 9.1.2009 – 2 BvR 1064/08 – juris Rn. 14). Im Rahmen dieser Einzelfallabwägung ist das Gewicht des Rechts auf Familienleben an der tatsächlichen Verbundenheit zu messen (vgl. VGH München, B. v. 24.11.2008 – 10 CE 08.3014 – juris; VGH München, B. v. 17.5.2013 – 10 CE 13.1065 – juris, VG München B. v. 23.10.2013 – M 10 E 13.3727 – juris).
Es liegt beim Antragsteller das besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vor. Er ist mit Urteil des Landgerichts München II vom 1. Februar 2012, rechtskräftig sei 27. Juni 2012, wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 9 Monaten verurteilt worden.
Demgegenüber hat der Antragsteller kein besonders schwerwiegendes oder insbesondere schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 oder Abs. 2 AufenthG. Der Antragsteller hat seit dem 23. September 2011 keinen Aufenthaltstitel mehr, ein Verlängerungsantrag wurde nicht gestellt. Der Antragsteller übt auch kein Personensorge- oder Umgangsrecht aus. Auch die Belange oder das Wohl eines Kindes sind im vorliegenden Fall nicht zu berücksichtigen, hierfür hat der Antragsteller nichts vorgetragen. Nach Aktenlage wollen die frühere Ehefrau und die gemeinsamen Kinder gerade nichts mehr mit dem Antragsteller zu tun haben. Er hat im Verfahren keine weiteren eventuell zu berücksichtigenden Gesichtspunkte geltend gemacht, solche sind dem Gericht auch nicht ersichtlich. Damit ist nur ein allgemeines Bleibeinteresse des Antragstellers einzustellen. In der Gesamtabwägung überwiegt das Ausweisungsinteresse damit das Bleibeinteresse des Antragstellers.
Nachdem bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung nicht bestehen, wird die Klage erfolglos bleiben.
Der Eilantrag ist deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.