Verwaltungsrecht

Erfolglose Klage zu Asylfolgeantrag

Aktenzeichen  M 19 K 16.32660

Datum:
3.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 21045
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 31 Abs. 3 S. 1, § 34, § 71
VwVfG § 51
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1. Ein Folgeantrag gemäß § 71 AsylG wegen einer nachträglichen Änderung der Sach- oder Rechtslage zugunsten des Betroffenen ist bereits zulässig, wenn der Asylbewerber eine Änderung der allgemeinen politischen Verhältnisse oder Lebensbedingungen im Heimatstaat oder der sein persönliches Schicksal bestimmenden Umstände im Verhältnis zu der der früheren Asylentscheidung zugrunde gelegten Sachlage glaubhaft und substantiiert vorträgt (Anschluss an BVerfG BeckRS 2019, 32778 Rn. 20). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat gemäß § 31 Abs. 3 S. 1 AsylG in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge zusätzlich und grundsätzlich festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegen (BVerwG BeckRS 2016, 111567). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Nach gegenwärtiger Erkenntnislage ist davon auszugehen, dass in der Region Kurdistan-Irak keine derart prekäre humanitäre Situation und insbesondere keine derart unzureichende allgemeine Versorgungslage besteht, dass eine Rückführung in Anwendung von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK generell ausgeschlossen wäre. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
4 An einer verfassungswidrigen Schutzlücke im Hinblick auf § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG fehlt es, wenn nach die gegenwärtige ausländerrechtliche Erlasslage dem betroffenen Ausländer einen vergleichbar wirksamen Schutz vor Abschiebung vermittelt (Anschluss an BVerwG BeckRS 2013, 54130). (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Gericht konnte über die Klage verhandeln und entscheiden, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung anwesend oder vertreten waren. Denn in den ordnungsgemäßen Ladungen ist auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
1. Die Klage ist zulässig.
Gegen den Bescheid der Beklagten vom 19. August 2016 ist eine Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft. Die auf der Grundlage von § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG erfolgte Ablehnung des Asylantrags der Klägerin als unzulässig, weil ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist, stellt einen der Bestandskraft fähigen, anfechtbaren Verwaltungsakt dar. Die Unzulässigkeitsentscheidung verschlechtert die Rechtsstellung der Klägerin, weil damit ohne inhaltliche Prüfung festgestellt wird, dass ihr Asylvorbringen nicht zur Schutzgewährung führt und darüber hinaus auch im Falle eines weiteren Asylantrags abgeschnitten wird, weil ein Folgeantrag gemäß § 71 Abs. 1 AsylG nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) zu einem weiteren Asylverfahren führen kann. Der Asylsuchende muss daher die Aufhebung des Bescheids, mit dem sein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wird, erreichen, wenn er eine Entscheidung über seinen Asylantrag erhalten will (vgl. VG Saarlouis, U.v. 12.3.2019 – 6 K 766/18 – juris Rn. 19). Hinsichtlich des begehrten Abschiebungsschutzes nach §§ 60 Abs. 5, 7 AsylG ist hingegen eine Verpflichtungsklage statthaft, weil es insoweit nicht auf die Voraussetzungen des § 51 VwVfG ankommt (siehe hierzu näher Rn. 20).
Der gestellte Klageantrag vom 31. August 2016 lässt sich entsprechend auslegen.
2. Die Klage ist nicht begründet.
a) Das Bundesamt hat zutreffend angenommen, dass es sich bei dem von der Klägerin am 26. Mai 2015 gestellten Asylantrag um einen Folgeantrag im Sinne des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG handelt. Ein Folgeantrag liegt nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG vor, wenn der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags einen weiteren Antrag auf Durchführung eines Asylverfahrens stellt. So liegt es hier. Der Bescheid der Beklagten vom 30. März 2012 lehnte die Anträge der Klägerin ab und ist bestandskräftig.
b) Der Folgeantrag der Klägerin ist jedoch gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) unzulässig, da die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vorliegen. Die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens im Fall eines Folgeantrags nach § 71 AsylG setzt gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG voraus, dass sich entweder die Sach- und Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat (Nr. 1), neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (Nr. 2) oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (Nr. 3). Der Folgeantrag ist darüber hinaus nach § 51 Abs. 2 VwVfG nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außer Stande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf geltend zu machen. Der Antrag muss nach § 51 Abs. 3 VwVfG der Vorschrift binnen drei Monaten gestellt werden, wobei die Frist mit dem Tag beginnt, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.
aa) Ein Folgeantrag gemäß § 71 AsylG wegen einer nachträglichen Änderung der Sach- oder Rechtslage zugunsten des Betroffenen ist bereits zulässig, wenn der Asylbewerber eine Änderung der allgemeinen politischen Verhältnisse oder Lebensbedingungen im Heimatstaat oder der sein persönliches Schicksal bestimmenden Umstände im Verhältnis zu der der früheren Asylentscheidung zugrunde gelegten Sachlage glaubhaft und substantiiert vorträgt. Es genügt mithin schon die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung aufgrund der geltend gemachten Wiederaufgreifensgründe (vgl. BVerfG, B.v. 4.12.2019 – 2 BvR 1600/19 – Rn. 20)
bb) Vorliegend kann offenbleiben, ob die Beklagte eine auch nur mögliche Änderung der Sachlage deshalb verneinen durfte, weil weder im Jahr 2012 noch im Jahr 2016 eine Gruppenverfolgung von Jesiden stattgefunden habe oder ob die Beantwortung der Frage nach einer Gruppenverfolgung nicht dem sich an das Wiederaufgreifen anschließenden Asylverfahren vorbehalten ist. Denn jedenfalls lassen sich dem Vortrag der Klägerin zur Begründung ihres Asylfolgeantrags nicht ansatzweise Angaben entnehmen, die darauf schließen lassen, dass die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 und 3 AsylG, § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG und damit Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens im Hinblick auf die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 13 Abs. 2, § 1 Abs. 1, §§ 3 ff. AsylG) gegeben sein könnten. Der schlichte Verweis auf die Sicherheitslage stellt keinen substantiierten Vortrag dar. Die Geburt der beiden Kinder ändert zwar die Sachlage, dies aber nicht dergestalt, dass sich das im Hinblick auf die Zuerkennung internationalen Schutzes zugunsten der Klägerin auswirken kann. Insoweit ist das Folgeantragsvorbringen von vornherein nach jeder vertretbaren Betrachtungsweise ungeeignet, zur Zuerkennung internationalen Schutzes zu verhelfen.
c) Ebenso wenig erweist sich die Ablehnung der Abänderung des Bescheids bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 AufenthG als rechtswidrig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG.
aa) Zwar ist es rechtswidrig, dass die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid auch die erneute Prüfung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 AufenthG – jedenfalls zunächst – davon abhängig macht, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1-3 VwVfG vorliegen. Denn die Beklagte hat gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge zusätzlich und grundsätzlich festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegen (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – juris Rn. 18 und 20). In Bezug auf § 60 Abs. 5 AufenthG hat sich das Bundesamt somit anlässlich einer Entscheidung über einen Folgeantrag in jedem Fall sachlich mit dem Schutzbegehren zu befassen (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – juris Rn. 20). Es darf sich nicht mit der Prüfung begnügen, ob die Voraussetzungen des § 51 VwVfG für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegen. Vielmehr hat es – so ausdrücklich § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG – „festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen“. Die vom Bundesamt zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. März 2000 (9 C 41/99 – juris Rn. 9) und 15. Januar 2001 (9 B 475.00 – juris Rn. 5) sind wegen § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG als überholt anzusehen (vgl. VG München, U.v. 14.1.2020 – M 8 E 19.32788 – Rn. 58).
bb) Dennoch hat die Klägerin keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG.
(1) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U. v. 11.11.1997 – 9 C 13.96 – BVerwGE 105, 322) umfasst der Verweis auf die EMRK lediglich Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen (zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse). In diesem Zusammenhang kommt vor allem eine Verletzung des Art. 3 EMRK in Frage. Wegen des absoluten Charakters des garantierten Rechts ist Art. 3 EMRK nicht nur auf eine von staatlichen Behörden ausgehende Gefahr, sondern auch dann anwendbar, wenn die Gefahr von Personen oder Gruppen herrührt, die keine staatlichen Organe sind, jedenfalls dann, wenn die Behörden des Empfangsstaates nicht in der Lage sind, der Bedrohung durch die Gewährung angemessenen Schutzes vorzubeugen (NdsOVG, U.v. 24.9.2019 – 9 LB 136.19 – juris Rn. 66 und 105). Für die Beurteilung, ob eine Verletzung des Art. 3 EMRK in Betracht kommt, ist auf den gesamten Abschiebungszielstaat abzustellen und zunächst zu prüfen, ob entsprechende Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet (Nds. OVG, U.v. 24.9.2019 – 9 LB 136.19 – juris Rn. 118; OVG NW, U.v. 28.8.2019 – 9 A 4590/18.A – juris Rn. 175). Der gebotenen Gefahrenprognose ist überdies eine gemeinsame Rückkehr der Klägerin zusammen mit ihren Kindern und ihrem Ehemann als Familie zugrunde zu legen (vgl. BVerwG, U.v. 4.7.21019 – 1 C 45/18 – juris Rn. 15 ff.; U.v. 4.7.2019 – 1 C 49/18 – juris Rn. 11 ff.; BayVGH, U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31960 – juris Rn. 22 ff. und U.v. 21.11.2018 – 13a B 18.30632 – juris Rn. 18 ff.).
(2) Die Verbürgungen der EMRK begründen im vorliegenden Fall der Klägerin (und ihrer Familie) kein Abschiebungsverbot, insbesondere nicht wegen der derzeitigen Sicherheitslage oder wegen den bestehenden humanitären Verhältnissen.
a Es ist zunächst nicht beachtlich wahrscheinlich, dass die Klägerin (und ihre Familie) bei einer Rückkehr in den Irak unmenschliche oder erniedrigende Behandlung auf Grund der allgemeinen Sicherheitslage im Irak droht. Eine solche Gefahr kann sich grundsätzlich auch aus einer allgemeinen Situation der Gewalt ergeben, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beidem. Allerdings begründet nicht schon jede allgemeine Situation der Gewalt eine solche Gefahr. Ein unionsrechtliches Abschiebungsverbot nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG ist nur in äußerst extremen Fällen anzunehmen; es setzt voraus, dass die Situation allgemeiner Gewalt so intensiv ist, dass die betreffende Person dieser Gewalt bei einer Rückkehr in ihr Herkunftsland tatsächlich ausgesetzt ist. Erforderlich ist danach eine Gefahrverdichtung, die zu einer individuellen Betroffenheit des Ausländers führt (vgl. OVG NW, U.v. 28.8.2019 – 9 A 4590/18.A – juris Rn. 146 ff.). Eine solche allgemeine Situation der Gewalt, die zur Folge hätte, dass jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit im Nordirak (Kurdistan-Irak) der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre, ist hier jedoch nicht anzunehmen. Eine besondere Bedrohungslage durch den IS besteht nach der Erkenntnislage des Gerichts in der autonomen Region Kurdistan-Irak nicht mehr. Der IS ist lediglich im Sommer 2014 kurzzeitig dorthin vorgedrungen. Allerdings konnte der Vormarsch des IS durch die kurdischen Sicherheitskräfte und Luftangriffe der internationalen Koalition gestoppt und der IS aus den kurdischen Gebieten zurückgedrängt werden. Schließlich konnte der IS in den Jahren 2016 und 2017 im gesamten Land territorial eingedämmt werden; das sogenannte „Kalifat“ des IS im Irak wurde in der Fläche besiegt. Seit Dezember 2017 gilt der IS im Irak als militärisch besiegt. In der Region Kurdistan-Irak können Kurden unter zumutbaren Bedingungen leben und sind Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt. Dort befinden sich auch viele Flüchtlingslager (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, Stand Dezember 2018, S. 4, 12 und 16; UK Home Office, Country Policy and Information Note, Iraq: Security and Humanitarian Situation, Version 5.0, 11/2018, S. 37; VG Köln, U.v. 10.9.2019 – 17 K 7760/17.A – juris Rn. 36 ff.).
b Schlechte sozio-ökonomische und humanitäre Verhältnisse im Bestimmungsland können nur in ganz außergewöhnlichen Fällen Art. 3 EMRK verletzten; dies ist dann der Fall, wenn die gegen die Abschiebung sprechenden humanitären Gründe „zwingend“ sind (vgl. VGH BW, U.v. 17.7.2019 – A 9 S 1566/18 – juris Rn. 28). Gemessen daran ist ein Ausnahmefall zu verneinen.
Auch wenn die humanitäre Lage im Irak insgesamt und in der Region Kurdistan-Irak im Besonderen nach wie vor äußerst angespannt ist und die Lebensumstände insbesondere bei Binnenvertriebenen oder bei nur geringem Einkommen nach europäischen Standards als schwer erträglich erscheinen, ist nach gegenwärtiger Erkenntnislage mit der überwiegenden Rechtsprechung davon auszugehen, dass am Zielort einer Abschiebung in der Region Kurdistan-Irak keine derart prekäre humanitäre Situation und insbesondere keine derart unzureichende allgemeine Versorgungslage besteht, dass eine Rückführung in Anwendung von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK generell ausgeschlossen wäre. Die humanitäre Lage und die Lebensbedingungen im Zielort einer Abschiebung, die nicht ganz oder überwiegend auf Aktionen von Konfliktparteien beruhen (vgl. VG Aachen, U.v. 3.4.2019 – 4 K 1853/16.A – juris Rn. 25; VG Hamburg, U.v. 23.7.2019 – 8 A 635/17 – UA S. 24 f.), sind für die Klägerin nicht derart ernst, dass er Gefahr liefe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein.
Es bestehen auch keine gefahrerhöhenden individuellen Umstände (vgl. zu dieser Anforderung VGH BW, U.v. 24.1.2018 – A 11 S 1265/17 – juris Rn. 149; VGH BW, U.v. 17.7.2019 – A 9 S 1566/18 – juris Rn. 47; VG Oldenburg, U.v. 21.5.2019 – 15 A 748/19 – juris Rn. 53), die im Fall der Klägerin – einschließlich ihrer Familie – zu einer anderen Bewertung führen könnten. Außerdem besteht für die Klägerin – insbesondere im Fall der freiwilligen Ausreise – die Möglichkeit, in nicht unerheblichem Umfang Rückkehr- und Starthilfen im Rahmen des REAG/GARP- und des ERRIN-Programms sowie weitere Unterstützungsleistungen für Rückkehrer in Anspruch zu nehmen, die ihr die Rückkehr erheblich vereinfachen und auch Startschwierigkeiten vermeiden helfen können (vgl. https://www.returningfromgermany.de/de/programm es/erin; s. a. VG Hamburg, U.v. 23.7.2019 – 8 A 635/17 – UA S. 25 f.; VG Oldenburg, U.v. 21.5.2019 – 15 A 748/19 – juris Rn. 65).
cc) Die Klägerin hat schließlich auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (auch insoweit kommt es nicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 VwVfG an; die Ausführungen zu § 60 Abs. 5 AufenthG in Rn. 20 gelten entsprechend).
(1) Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Konkret ist die Gefahr, wenn sie mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Aus den Tatbestandsmerkmalen der „Konkretheit“ der Gefahr für „diesen“ Ausländer ergibt sich zudem das zusätzliche Erfordernis einer auf den Einzelfall bezogenen, individuell bestimmten und erheblichen, also auch alsbald nach der Rückkehr eintretenden Gefahrensituation. Diese Gefahrensituation muss landesweit drohen. Unerheblich ist allerdings, ob die Gefahr vom Staat ausgeht oder ihm zumindest zuzurechnen ist (OVG NW, U.v. 28.8.2019 – 9 A 4590/18.A – juris Rn. 224).
(2) Die allgemeine humanitäre oder die Sicherheitslage im Irak begründet kein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Der Annahme eines Abschiebungsverbotes wegen allgemeiner Gefahren steht schon die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG entgegen (vgl. VG Aachen, U.v. 1.10.2019 – 4 K 597/19.A – juris Rn. 123; VG Augsburg, U.v. 22.10.2018 – Au 5 K 18.31266 – juris Rn. 69). Zwar dürfen die Gerichte ausnahmsweise und im Einzelfall Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe angehören, für die kein Abschiebestopp besteht, Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG zusprechen, wenn dies zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke wegen einer im Zielstaat bestehenden extremen Gefahrenlage erforderlich ist (vgl. BayVGH, U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31960 – juris Rn. 60). Jedoch kann eine solche Gefahr wegen der weiten Auslegung von § 60 Abs. 5 AufenthG unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverwaltungsgerichts von vorherein nicht angenommen werden, wenn bereits – wie hier – die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG wegen allgemeiner Gefahren zu verneinen sind (vgl. NdsOVG, U.v. 24.9.2019 – 9 LB 136/19 – juris Rn. 264; VGH BW, U.v. 17.7.2019 – A 9 S 1566/18 – juris Rn. 50). Für eine verfassungskonforme Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG besteht daher kein Bedarf mehr.
Darüber hinaus fehlt es ohnehin an einer verfassungswidrigen Schutzlücke, da die gegenwärtige ausländerrechtliche Erlasslage des Bayerischen Staatsministeriums des Innern dem betroffenen Ausländer einen vergleichbar wirksamen Schutz vor Abschiebung vermittelt (vgl. BVerwG, U.v. 13.6.2013 – 10 C 13.12 – juris Rn. 13 ff.; VG Aachen, U.v. 1.10.2019 – 4 K 597/19.A – juris Rn. 123). Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat mit Rundschreiben vom 10. August 2012 (Gz. IA2-2081.13-15) in den Fassungen vom 3. März 2014 und vom 22. Oktober 2018 verfügt, dass eine zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter irakischer Staatsangehöriger grundsätzlich (Ausnahme: Straftäter und sog. „Gefährder“ aus den Autonomiegebieten oder dem Zentralirak – soweit ersichtlich fällt die Klägerin nicht hierunter) nicht erfolgt und ihr Aufenthalt wie bisher weiter im Bundesgebiet geduldet wird (vgl. BayVGH, B.v. 13.7.2017 – 20 ZB 17.30809 – juris Rn. 9; VG Augsburg, U.v. 22.10.2018 – Au 5 K 18.31266 – juris Rn. 70).
(3) Individuelle Anhaltspunkte in der Person der Klägerin, die zu einer konkreten Gefahr führen und einer Abschiebung entgegenstehen könnten, sind ebenfalls nicht ersichtlich.
3. Die von der Beklagten auf § 71 Abs. 4 i.V.m. 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG gestützte Abschiebungsandrohung und das verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot auf der Grundlage der § 11 Abs. 1 AufenthG begegnen keinen rechtlichen Bedenken.
4. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordung (ZPO).

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