Aktenzeichen W 8 S 19.870
SchfHwG § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 2, § 25 Abs. 1, Abs. 2
Leitsatz
1. Ein Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO kann auch noch nach der in der Hauptsache erfolgten Verkündung des Urteils gestellt werden, bis die Entscheidung in der Hauptsache rechtskräftig wird. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Verwaltervertrag nach dem Wohnungseigentümergesetz kann die an die Eigentümerstellung anknüpfenden Verpflichtungen nach dem Schornsteinfegerhandwerksgesetz (hier: zur Feuerstättenschau und Durchführung der fälligen Kehr- und Überprüfungsarbeiten) nicht übertragen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 250,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen den Zweitbescheid des Landratsamts Aschaffenburg (im Folgenden: Landratsamt) vom 5. Februar 2019.
Mit bestandskräftigem Feuerstättenbescheid des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers vom 30. Juli 2013 wurde der Antragsteller unter anderem verpflichtet, die fachgerechte Ausführung bestimmter Kehr- und Überprüfungsarbeiten innerhalb des angegebenen Zeitraums durch einen zulässigen Schornsteinfegerbetrieb zu veranlassen. Die durchzuführenden Kehr- und Überprüfungsarbeiten im Jahr 2018 hätten im Zeitraum vom 15. September 2018 bis 1. Oktober 2018 erfüllt werden müssen.
Mit Schreiben vom 30. Oktober 2018 kündigte der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger Herr W. eine Feuerstättenschau und die Durchführung der fälligen Kehr- und Überprüfungsarbeiten für den 29. November 2018 an. Der Antragsteller sagte diesen Termin ab und verwies auf sein Schreiben vom 10. März 2018, in dem er den Kaminkehrer bat, nur im Zeitraum vom 15. Mai bis 15. September mit achtwöchiger Vorankündigung die fälligen Arbeiten zu verrichten. Zudem könne der Antragsteller keine Termine in den nächsten Monaten wahrnehmen. Ein weiterer Versuch zur Kehrung des Anwesens Anfang Dezember wurde von dem Antragsteller ebenfalls aus terminlichen Gründen abgesagt.
Nachdem der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger dem Landratsamt am 7. Januar 2019 mitgeteilt hatte, dass nach Ablauf der Frist am 1. Oktober 2018 kein Nachweis eingegangen sei, hörte das Landratsamt den Antragsteller mit Schreiben vom 7. Januar 2019 zu dem Erlass eines Zweitbescheids mit Ersatzvornahme an und setzte dem Antragsteller eine Frist bis 18. Januar 2019. Mit Schreiben vom 18. Januar 2019 forderte der Antragsteller Akteneinsicht. Mit Schreiben vom 22. Januar 2019 bot das Landratsamt dem Antragsteller die Akteneinsicht nach vorheriger Terminabsprache zu den allgemeinen Öffnungszeiten des Landratsamtes an. Der Antragsteller nahm keine Akteneinsicht vor und es erfolgte auch keine weitere Stellungnahme.
Mit Zweitbescheid vom 5. Februar 2019, der laut Postzustellungsurkunde dem Antragsteller am 12. Februar 2019 zugestellt wurde, ordnete das Landratsamt gegenüber dem Antragsteller die Veranlassung und Durchführung der im Feuerstättenbescheid des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers vom 30. Juli 2013 für das Anwesen …, G. unter Ziffer 1, Lfd. Nummer 1 und 2 festgesetzten Kehr- und Überprüfungsarbeiten bis spätestens 19. Februar 2019 an (Nr. 1) und, dass der Nachweis über die Ausführung der unter Nr. 1 des Bescheides genannten Arbeiten dem Landratsamt bis zum 19. Februar 2019 schriftlich anzuzeigen ist (Nr. 2). Für den Fall, dass der Antragsteller die genannten Schornsteinfegerarbeiten nicht innerhalb der eingeräumten Frist ausführen lässt, wurde ihm die Ersatzvornahme angedroht, indem der für das Anwesen zuständige bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger durch das Landratsamt beauftragt wird, gegebenenfalls gegen den Willen des Betroffenen, die Arbeiten durchzuführen (Nr. 3). Die voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme wurden mit circa 300,00 EUR beziffert (Nr. 4). Für den Zweitbescheid wurde eine Gebühr in Höhe von 80,00 EUR und Auslagen in Höhe von 3,68 EUR festgesetzt (Nr. 5). In den Gründen des Bescheides ist im Wesentlichen ausgeführt: Die zuständige Behörde setze in einem Zweitbescheid gegenüber dem Eigentümer gemäß § 25 Abs. 2 SchfHwG fest, welche Kehrungen oder Überprüfungen innerhalb welches Zeitraums durchzuführen seien, wenn die im Feuerstättenbescheid festgelegten Arbeiten nicht fristgerecht ausgeführt worden seien. Der Antragsteller habe dem zuständigen bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger die Durchführung der Schornsteinfegerarbeiten nicht innerhalb der ihm für die Durchführung gesetzten Frist nachgewiesen. Daher werde dem Antragsteller im Zweitbescheid eine neue Frist bis zum 19. Februar 2019 gesetzt. Die Frist sei aus Gründen der Betriebs- und Brandsicherheit kurz zu bemessen. Für den Fall, dass die vorgeschriebenen Kehr- und Überprüfungsarbeiten nicht fristgerecht durchgeführt würden, werde deren Durchführung im Wege der Ersatzvornahme angedroht. Auf Grund der Regelung des § 25 Abs. 2 Satz 2 SchfHwG komme allein die Ersatzvornahme in Betracht.
Mit Schreiben vom 19. Februar 2019, eingegangen bei Gericht per Fax am selben Tag, erhob der Antragsteller Klage gegen den Zweitbescheid des Landratsamts vom 5. Februar 2019 und beantragte im Verfahren W 8 S 19.175 die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Mit Beschluss vom 8. März 2019 hat das Gericht den Antrag abgelehnt. Die eingelegte Beschwerde wurde vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 10. Mai 2019 als unzulässig verworfen (BayVGH, B.v.10.5.2019 – 22 CS 19.771). Mit Beschluss vom 28. Juni 2019 hat das Gericht im Verfahren W 8 S 19.723 den Antrag auf Änderung oder Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 8. März 2019 (W 8 S 19.175) abgelehnt.
Mit Schreiben vom 14. Juli 2019 beantragte der Antragsteller im vorliegenden Verfahren,
die Änderung oder Aufhebung der Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 8. März 2019 (W 8 S 19.175) und vom „1. Juli“ 2019 (W 8 S 19.723) wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände (§ 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO).
Zur Begründung brachte der Antragsteller unter Vorlage eines von ihm als Verwaltervertrag für Sondereigentum bezeichneten Schreibens vom 1. Juli 2019 und einem weiteren Schreiben an den Kaminkehrer W. vor, um den Pflichten und Aufgaben am Sondereigentum vom Kläger nachzukommen, sei nach § 20 WEG die Bestellung einer Verwaltung im Heizbedarf bestimmt worden. Gemäß § 10 Abs. 6 WEG könne deshalb die Bestellung nicht ausgeschlossen werden.
Das Landratsamt beantragte mit Schriftsatz vom 24. Juli 2019 für den Antragsgegner, den Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO abzuweisen.
Zur Begründung wurde auf die Ausführungen in den Stellungnahmen in den Verfahren W 8 S 19.175, W 8 K 19.174 und W 8 S 19.723 verwiesen und darüber hinaus im Wesentlichen vorgetragen, der vom Antragsteller vorgelegte Verwaltervertrag sei unbeachtlich. Als Grundstückseigentümer sei er weiterhin der richtige Adressat des Bescheids und damit verpflichtet, die Schornsteinfegerarbeiten durchführen zu lassen. Bei dem Verwaltervertrag handele es sich nicht um einen veränderten oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachten Umstand. Der Verwaltervertrag sei auch erst am 1. Juli 2019 geschlossen worden und somit erst nach Erlass des Zweitbescheides am 5. Februar 2019.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Streitstandes wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Verfahren W 8 K 19.169, W 8 S 19.170, W 8 K 19.174, W 8 S 19.175, W 8 S 19.723) sowie die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO gerichtet auf die Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 8. März 2019 ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO kann das Gericht Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit ändern oder aufheben. Nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Der Antrag kann auch noch nach der in der Hauptsache erfolgten Verkündung des Urteils gestellt werden – wie vorliegend geschehen – bis die Entscheidung in der Hauptsache rechtskräftig wird (vgl. Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 129).
Der Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist begründet, wenn die dort genannten Umstände unter Berücksichtigung der auch sonst für das Aussetzungsverfahren geltenden Grundsätze zu einer anderen Entscheidung als im ursprünglichen Aussetzungsverfahren führen (vgl. Kopp/Schenke, 24. Aufl. 2018, § 80 Rn. 202). Prüfungsmaßstab ist, ob nach der jetzigen Sach- und Rechtslage die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage geboten ist (BVerwG, B.v. 25.8.2008 – 2 VR 1.08 – juris Rn. 5).
Nach der derzeitigen Sach- und Rechtslage bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zweitbescheids vom 5. Februar 2019. Das Gericht hat bereits in den vorangegangenen Beschlüssen vom 8. März 2019 (W 8 S 19.175) und vom 28. Juni 2019 (W 8 S 19.723) deutlich gemacht, dass die Entscheidung des Landratsamts keinen ernstlichen Zweifeln begegnet. Zudem wurde inzwischen die Klage in der Hauptsache W 8 K 19.174 mit Urteil vom 15. Juli 2019, auf dessen Entscheidungsgründe das Gericht vollumfänglich verweist, abgelehnt. Bei dieser Entscheidung wurde auch bereits das Schreiben des Antragstellers vom 14. Juli 2019 einschließlich des sogenannten Verwaltervertrags, welche der Antragsteller vor Beginn der entsprechenden mündlichen Verhandlung am 15. Juli 2019 noch vorlegte, berücksichtigt. Das Vorbringen zu diesem Verwaltervertrag führte dabei zu keiner anderen Beurteilung der Rechtslage. Denn der Kläger ist nach wie vorher Eigentümer des Grundstücks auf dem sich die Feuerungsanlage befindet. Folglich ist der Kläger der Träger der Verpflichtungen nach dem Schornsteinfegerhandwerksgesetz (vgl. § 1 Abs. 1 SchfHwG) und auch der richtige Adressat des Bescheids. Ein vermeintlicher Verwaltervertrag nach dem Wohnungseigentümergesetz kann weder die Eigentümerstellung noch die daran anknüpfenden Verpflichtungen nach dem Schornsteinfegerhandwerksgesetz übertragen. Zudem hat der Kläger weder konkret dargelegt noch entsprechende Unterlagen vorgelegt, dass hinsichtlich des streitgegenständlichen Grundstücks tatsächlich eine Wohnungseigentümergemeinschaft besteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 GKG. In der Hauptsache wäre der Streitwert in Höhe von 500,00 EUR anzusetzen, da der Zweitbescheid lediglich der behördlichen Durchsetzung des (bestandskräftigen) Feuerstättenbescheids dient. Insoweit erscheint es interessengerecht, die gesetzliche Wertung des § 14b SchfHwG auch hier anzusetzen (vgl. BayVGH, B.v. 5.9.2018 – 22 ZB 18.1784 – Rn. 6; VG Würzburg U.v. 16.7.2018 – W 8 K 17.425 – juris; VG Magdeburg B.v. 11.4.2018 – 3B 319/17 – juris Rn. 33). Der in der Hauptsache anzusetzende Streitwert in Höhe von 500,00 EUR (§ 52 Abs. 2 GKG) war im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu halbieren (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit), so dass 250,00 EUR festzusetzen waren.