Aktenzeichen 9 ZB 19.31596
Leitsatz
1 Stützt sich das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung auf bestimmte Erkenntnismittel, genügt es den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 S. 4 AsylG nicht, wenn die Behauptung aufgestellt wird, die für die Beurteilung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse stellten sich anders dar als vom Verwaltungsgericht angenommen (Bestätigung von VGH München BeckRS 2019, 2304). (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
RN 14 K 18.30214 2019-03-25 Ent VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Kläger ist Staatsangehöriger Sierra Leones und begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Zuerkennung subsidiären Schutzes sowie die Feststellung von Abschiebungshindernissen. Mit Urteil vom 25. März 2019 wies das Verwaltungsgericht seine Klage ab. Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete, noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine allgemeine, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zugemessen wird (BayVGH, B.v. 22.1.2019 – 9 ZB 18.31719 – juris Rn. 2 m.w.N.). Der Kläger sieht eine grundsätzliche Bedeutung in der Tatsachenfrage, „ob sich abtrünnige Mitglieder einer Geheimorganisation im Falle einer Rückkehr vor Repressalien der Geheimbünde schützen können, indem sie in der Anonymität einer Großstadt untertauchen können“.
Das Verwaltungsgericht hat unter Würdigung aktueller Auskünfte ausgeführt, dass es bereits fraglich erscheint, wie es einem Geheimbund grundsätzlich überhaupt möglich sein soll, von ihm gesuchte Personen zu finden und es dem Kläger auch in Zukunft wieder gelingen sollte, sein bisheriges Leben unbehelligt in Freetown zu leben. Das Zulassungsvorbringen tritt dem nicht substantiiert entgegen und legt weder eine landesweite Aktivität des Geheimbundes Gbangbani noch eine Möglichkeit des Geheimbundes, abtrünnige Personen ausfindig machen zu können, dar. Stützt sich das Verwaltungsgericht – wie hier durch Bezugnahme auf aktuelle Auskünfte des Auswärtigen Amtes – bei seiner Entscheidung auf bestimmte Erkenntnismittel, genügt es den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG nicht, wenn die Behauptung aufgestellt wird, die für die Beurteilung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse stellten sich anders dar als vom Verwaltungsgericht angenommen. Vielmehr bedarf es in diesen Fällen zumindest eines überprüfbaren Hinweises auf andere Gerichtsentscheidungen oder auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte sonstige Tatsachen- und Erkenntnisquellen (z.B. Gutachten, Auskünfte, Presseberichte), die zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit aufzeigen, dass nicht die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Bewertungen in der Zulassungsschrift zutreffend sind, so dass es zur Klärung der sich insoweit stellenden Fragen der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf (vgl. BayVGH, B.v. 12.2.2019 – 9 ZB 18.32016 – juris Rn. 5 m.w.N.). Der bloße Hinweis auf eine über zehn Jahre alte Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 9. Januar 2007 an das Verwaltungsgericht Freiburg genügt hierfür nicht, zumal sich dieser Auskunft nur entnehmen lässt, dass die Geheimbünde Personen suchen und verfolgen, wenn diese Informationen an Nichtmitglieder erteilt und über sie geredet haben, was beim Kläger jedoch nicht der Fall ist. Eine zur deutlich aktuelleren Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 9. Januar 2017 an das Verwaltungsgericht Augsburg gegenteilige Bewertung wird dadurch nicht aufgezeigt. Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht bei seiner Einschätzung auch darauf abgestellt, dass nach dem Kläger in Anbetracht der von ihm vorgebrachten Fluchtgründe nicht noch nach Jahren gesucht werde. Hiermit setzt sich der Kläger im Zulassungsantrag nicht auseinander (vgl. BayVGH, B.v. 12.02.2019 – 9 ZB 18.32016 – juris Rn. 4). Er wendet sich vielmehr im Gewand einer Grundsatzrüge gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Damit wird kein in § 78 Abs. 3 AsylG genannter Zulassungsgrund dargetan (vgl. BayVGH, B.v. 12.2.2019 – 9 ZB 18.33197 – juris Rn. 5).
Soweit das Zulassungsvorbringen dahingehend zu verstehen sein sollte, das Verwaltungsgericht habe seine Aufklärungspflicht verletzt (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3, § 86 Abs. 1 VwGO), weil es hinsichtlich der Bedeutung und Handlungsmöglichkeiten der Geheimbünde in Afrika nicht sachkundig sei, bleibt der Antrag ebenfalls erfolglos. Im Hinblick auf die obigen Ausführungen wird bereits nicht aufgezeigt, dass die vom Verwaltungsgericht eingeführten Erkenntnismittel, die auch die im Zulassungsvorbringen genannten Auskünfte des Auswärtigen Amtes umfassen, nicht ausreichen und weshalb sich eine weitere Beweiserhebung dem Verwaltungsgericht, das die Ausführungen des Klägers, die Mitglieder der Society könnten ihn problemlos mit einem „Spiegel“ wieder finden, zutreffend dem Bereich des Aberglaubens zugeordnet hat, hätte aufdrängen müssen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).