Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Duldung

Aktenzeichen  W 4 E 18.315

Datum:
20.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 44145
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123, § 166 Abs. 1 S. 1
AufenthG § 60a Abs. 2 S. 1
AsylG § 26a, § 27a, § 34a Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Soll ein Asylbewerber in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylG) abgeschoben werden, obliegt nicht der Ausländerbehörde, sondern dem Bundesamt im Rahmen einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG, die Prüfung von Duldungsgründen (VGH München BeckRS 2013, 58911). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2 Nur wenn die Abschiebung von Rechts wegen oder tatsächlich unmöglich ist, kann der Ausländer eine Duldungsbescheinigung beanspruchen. Ein solcher Anspruch besteht nicht für den Zeitraum, den die Behörde üblicherweise für die Durchführung der Abschiebung benötigt, denn in dieser Zeit ist die Abschiebung nicht zeitweise unmöglich (BVerwG BeckRS 9998, 170948). (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 1.250,00 EUR festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist somalischer Staatsangehöriger. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) hat seinen Asylantrag mit Bescheid vom 6. Dezember 2017 als unzulässig abgelehnt und unter Bezugnahme auf die Dublin-III-VO die Abschiebung des Antragstellers nach Italien angeordnet.
Diese Abschiebungsanordnung ist seit dem 14. Dezember 2017 vollziehbar. Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsanordnung wurde vom Verwaltungsgericht Würzburg mit Beschluss vom 14. Dezember 2017 abgelehnt (Az. W 4 S 17.50831).
Mit Schriftsatz vom 12. März 2018 an das Verwaltungsgericht Würzburg, hier eingegangen am 13. März 2018, beantragte der Antragsteller, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller eine Duldung auszustellen.
Zur Begründung wurde auf § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG hingewiesen, auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. März 2000 (Az. 1 C 23.99) sowie auf einen Beschluss des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs vom 4. Januar 2016 (Az. 10 C 15.2105). Danach sei eine Duldung zu erteilen, wenn die Abschiebung zwar möglich sei, aber nicht ohne größere Verzögerungen durchgesetzt werden könne, insbesondere der Abschiebetermin noch nicht feststehe.
Der Antragsgegner beantragte mit Schreiben vom 19. März 2018, den Antrag abzuweisen.
Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass ein Duldungsgrund nicht bestehe und der Beklagte im aktuellen Verfahrensstadium auch nicht zuständig sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der mit Schriftsatz vom 12. März 2018 gestellte Antrag, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller eine Duldung auszustellen, überhaupt zulässig ist, er bleibt jedenfalls in der Sache ohne Erfolg.
Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nur dann begründet, wenn der Antragsteller aufgrund summarischer Prüfung einen Anordnungsanspruch hat und ein Anordnungsgrund besteht, mithin die Gefahr, dass eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereiteln oder wesentlich erschweren könnte. Dabei sind die Tatsachen für das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs sowie eines Anordnungsgrundes glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO.
Der Antragsteller hat die Tatsachen für den Anordnungsanspruch auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG wegen eines Abschiebungshindernisses in Form eines Anspruchs auf Erteilung einer Duldung vorliegend jedoch nicht gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO hinreichend glaubhaft gemacht.
1. Ein Anordnungsanspruch besteht wohl, worauf auch der Antragsgegner in seinem Schriftsatz vom 19. März 2018 an das Verwaltungsgericht zutreffend hinweist, bereits deshalb nicht, weil der Antragsgegner nicht passiv legitimiert ist. Zuständig für die Prüfung von Duldungsgründen nach § 60a AufenthG ist zwar grundsätzlich die Ausländerbehörde. Soll allerdings ein Asylbewerber in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylG) abgeschoben werden, obliegt nicht der Ausländerbehörde, sondern dem Bundesamt im Rahmen einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG, die Prüfung von Duldungsgründen (vgl. Hess.VGH, B.v. 25.8.2014 – 2 A 976/14.A – InfAuslR 2014, 457; BayVGH, B.v. 28.10.2013 – 10 CE 13.2257 – juris Rn. 4; VGH BW, B.v. 31.5.2011 – A 11 S 1523/11 – InfAuslR 2011, 310). Denn bei der Anordnung der Abschiebung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG, deren Vollziehung dem Antragsgegner hier im Ergebnis durch die Erteilung einer Duldung untersagt werden soll, hat anders als sonst im Asylverfahren das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge das Vorliegen nicht nur von zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG, sondern auch von inlandsbezogenen Abschiebungshindernissen nach § 60a Abs. 2 AufenthG umfassend zu prüfen, so dass Raum für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde nicht bleibt (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2012 – 10 CE 12.2428 – juris Rn. 4; OVG Berlin-Bbg, B.v. 1.2.2012 – OVG 2 S 6.12 – juris Rn. 4; OVG NRW, B.v. 30.8.2012 – juris Rn. 4; VG Trier, B.v. 5.3.2013 – 5 L 279/13 TR – juris Rn. 2).
2. Abgesehen davon ist für die Kammer bei der hier gebotenen summarischen Überprüfung nicht erkennbar, dass dem Antragsteller ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung und Erteilung einer Duldung zusteht.
Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist der bereits erwähnte § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Nach dieser Vorschrift ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen und diesem eine Duldungsbescheinigung zu erteilen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Wann die Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist, folgt aus der Anwendung zwingenden Rechts und obliegt keiner Ermessensentscheidung. Allerdings kann von einer Unmöglichkeit der Abschiebung nicht schon bei jeder zeitlichen Verzögerung infolge der notwendigen verwaltungsmäßigen Vorbereitungen der Abschiebung ausgegangen werden, sondern nur bei dem zeitweiligen Ausschluss der Abschiebung aufgrund rechtlicher Verbote oder Hindernisse oder aufgrund tatsächlicher Umstände außerhalb der administrativen Organisation der Abschiebung (vgl. Bauer/Dollinger in Bergmann/Dienelt, AuslR, Kommentar, 12. Aufl. 2018, § 60a AufenthG Rn. 18). Mit anderen Worten: Nur wenn die Abschiebung von Rechts wegen oder tatsächlich unmöglich ist, kann der Ausländer eine Duldungsbescheinigung beanspruchen. Ein solcher Anspruch besteht allerdings nicht für den Zeitraum, den die Behörde üblicherweise für die Durchführung der Abschiebung benötigt, denn in dieser Zeit ist die Abschiebung nicht zeitweise unmöglich. Die Ausländerbehörde hat folglich einerseits zu prüfen, ob die Abschiebung des Ausländers überhaupt durchgeführt werden kann, andererseits hat sie auch zu prüfen, innerhalb welchen Zeitraums dies möglich ist. Nur wenn dieser Zeitraum völlig ungewiss ist, ist eine Duldung zu erteilen (vgl. BVerwG, U.v. 25.9.1997 – 1 C 3/97 – juris).
Im vorliegenden Fall hat die Regierung von Unterfranken in ihrem Schreiben vom 19. März 2018 gegenüber dem Verwaltungsgericht glaubhaft versichert, dass die Rücküberstellung des Antragstellers nach Italien derzeit von der ZAB Unterfranken bereits organisiert und vorbereitet werde. Von einem völlig ungewissen Zeitraum für die Durchführung der Abschiebung kann demnach nicht die Rede sein, zumal es auch gerichtsbekannt ist, dass eine solche Rücküberstellung gerade aufgrund der Vielzahl der anstehenden Abschiebungen jeweils einer längeren verwaltungsmäßigen Vorbereitung bedarf. Die Kammer kann daher zum jetzigen Zeitpunkt eine rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit nicht erkennen. Der Antragsteller kann nach dem oben Gesagten somit einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den vom Antragsteller zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 21.3.2000 – 1 C 23.99 – juris) und des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, B.v. 4.1.2016 – 1 C 15.2105). Soweit der Antragsteller das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. März 2000 zitiert, ändert dies an der vorliegenden Beurteilung deshalb nichts, da die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts sich ausschließlich auf Fälle bezogen, in denen die Vollstreckung der Ausreisepflicht wegen ungeklärter Identität und damit wegen tatsächlicher Unmöglichkeit nicht betrieben werden konnte. Auch die Entscheidung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs vom 4. Januar 2016 ändert an der o.g. Auffassung der Kammer nichts, zumal sie dieser nicht widerspricht. Einerseits hat der Bayer. Verwaltungsgerichtshof in dieser Entscheidung lediglich über ein Prozesskostenhilfegesuch entschieden, andererseits spricht auch er davon, dass ein Anspruch auf die Duldung nur dann bestehe, wenn die Abschiebung möglich sei, aber erst mit größeren Verzögerungen durchgesetzt werden könne.
3. Da nach alldem der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht hinreichend glaubhaft machen konnte, war der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 8.3 (entsprechend) des Streitwertkatalogs.
4. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, da dem Antrag in der Sache aus den vorstehenden Gründen die erforderlichen Erfolgsaussichten fehlen (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO).

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