Aktenzeichen B 6 E 17.638
Leitsatz
Hat der ausländische Vater eines deutschen Kleinkindes während seines Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland bereits freiwillig und eigenverantwortlich mehrere Trennungen von seinem Kind herbeigeführt, kann er sich nicht darauf berufen, dass die Nachholung eines Visumverfahrens im Ausland unzumutbar sei. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin … wird abgelehnt.
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
3. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Der Streitwert wird auf 3.750,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen seine beabsichtigte Abschiebung.
Der Antragsteller, senegalesischer Staatsangehöriger, reiste am 18.06.2016 ohne Visum in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 04.07.2016 einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 03.01.2017, dem Antragsteller zugestellt am 10.01.2017, als offensichtlich unbegründet ablehnte, verbunden mit der Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, einer Abschiebungsandrohung nach Senegal unter Bestimmung einer Frist von einer Woche für die freiwillige Ausreise, der Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG, befristet auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise, und der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Dagegen hat der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 06.08.2017 beim Verwaltungsgericht München Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist.
Am 07.07.2016 erkannte der Antragsteller mit Zustimmung der deutschen Kindsmutter die Vaterschaft zu deren Kind, geboren am …2016, an. Am 19.07.2017 erklärten die Kindsmutter und der Antragsteller, die elterliche Sorge für das Kind gemeinsam übernehmen zu wollen.
Am 25.07.2017 wurde der Antragsteller in Bremen, wo die Kindsmutter mit dem Kind lebt, festgenommen. Auf Antrag des Antragsgegners ordnete das Amtsgericht B mit Beschluss vom 26.07.2017 gegen den Antragsteller Sicherungshaft bis zum 18.08.2017 an. Bei seiner diesbezüglichen Anhörung am 26.07.2017 gab der Antragsteller an, er sei immer mal für ein paar Tage von A nach B gefahren, weil seine Frau bei der Geburt des Kindes einen Kaiserschnitt gehabt habe und sich danach nicht gut habe bewegen können. Irgendwann sei sein Asylantrag abgelehnt worden. Deshalb sei er zu einem Anwalt nach München und dann wieder nach B gefahren. Bei seiner Rückkehr nach A sei sein Zimmer geräumt gewesen, und man habe ihm mitgeteilt, dass andere dort einziehen würden. In A sei ihm dann die Ausreiseverfügung zugestellt worden. Er sei dann zunächst für 2 Monate nach Frankreich zu seiner Familie gegangen. Als seine Familie nach Senegal geflogen sei, sei er nach B zu seiner Frau und seinem Kind zurückgekehrt. Er habe die Vaterschaft anerkannt, danach habe er seine Frau zum Flughafen gebracht, weil sie seine Familie in Senegal habe besuchen wollen. Sie sei gestern (25.07.2017) geflogen.
Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 13.08.2017, beim Verwaltungsgericht München an diesem Tag auch eingegangen, hat der Antragsteller gemäß § 123 VwGO beantragt,
1.den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen
2.von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen bis zur Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abzusehen
3.dem Antragsteller Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten zu gewähren.
Zur Begründung wird ausgeführt, der Antragsteller solle am 16.08.2017 abgeschoben werden, obwohl seine Prozessbevollmächtigte am 03.08.2017 telefonisch und am 06.08.2017 mit E-Mail die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den Antragsteller beantragt habe. Der Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG. Eine Nachholung des Visumverfahrens, das mindestens 5 Monate dauern würde, sei dem Antragsteller nicht zuzumuten. Darüber hinaus habe das Bundesamt eine Wiedereinreisesperre von 10 Monaten verhängt, vor deren Ablauf kein Visum erteilt werden würde. Bei dem Kind handele es sich um einen 14 Monate alten Jungen, der eine sehr enge Bindung zu seinem Vater habe. Aufgrund seines jungen Alters sei das Kind nicht in der Lage, eine Trennung vom Vater als vorübergehend zu begreifen. Bis zu seiner Verhaftung habe der Antragsteller mit dem Kind und der Kindsmutter, mit der er nach islamischem Recht verheiratet sei, zusammengelebt. Die absehbare Dauer der Trennung lasse Nachteile für das Kind erwarten, deren Ausmaß jedes öffentliche Interesse an der Nachholung des Visumverfahrens weit übertreffen würde.
Mit Beschluss vom 14.08.2017 erklärte sich das Verwaltungsgericht München für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Bayreuth.
Der Antragsgegner verteidigte in einer „Schutzschrift“ vom 11.08.2017 die geplante Abschiebung des Antragstellers. Die Nachholung des Visumverfahrens sei zumutbar. Insbesondere wies er darauf hin, dass der Antragsteller sich im Zeitraum 29.06.2016 bis 02.02.2017 dauerhaft in Aufnahmeeinrichtungen in X, Y und A, also nicht bei seinem Kind in B, aufgehalten habe.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachfolgend dargestellten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Infolgedessen kommt auch die Beiordnung eines Rechtsanwaltes gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 121 Abs. 2 ZPO nicht in Betracht.
2. Der Antrag nach § 123 VwGO hat keinen Erfolg.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
Die beantragte Verpflichtung des Antragsgegners im Wege einer einstweiligen Anordnung, dem Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, scheitert bereits am Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache, weil effektiver Rechtsschutz zur Sicherung eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis durch eine Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen vorübergehenden Aussetzung der Abschiebung (Duldung) des Antragstellers gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG bis zur (rechtskräftigen) Entscheidung über die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gewährleistet werden kann. Denn die Abschiebung des Antragstellers wäre aus rechtlichen Gründen unmöglich, wenn dadurch die Verwirklichung eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 AufenthG (Nachzug zum minderjährigen deutschen Kind zur Ausübung der Personensorge) vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
Einen solchen Anspruch hat der Antragsteller aber nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO), weil er die allgemeine Erteilungs-voraussetzung des Visumerfordernisses gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht erfüllt und das Ermessen der Ausländerbehörde gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, hiervon abzusehen, jedenfalls nicht im Sinne einer Entscheidung zugunsten des Antragstellers auf Null reduziert ist.
Ausgehend von den eigenen Angaben des Antragstellers erscheint es nicht glaubhaft, dass das Kind auf die Betreuung durch ihn angewiesen ist und durch eine vorübergehende Trennung zwecks Nachholung des Visumerfordernisses ernstlichen Schaden nehmen würde. Nach eigenem Bekunden hat der Antragsteller nicht von der Geburt des Kindes an bis zu seiner Verhaftung mit dem Kind und der Kindsmutter zusammengelebt, sondern ist lediglich „immer mal für ein paar Tage von A nach B gefahren“, um sich um die Kindsmutter zu kümmern. Nach der Ablehnung seines Asylantrages hat er – ohne das Kind und die Kindsmutter – zwei Monate bei seiner Familie in Frankreich verbracht. Schließlich hat er die Kindsmutter und das Kind zum Besuch seiner Familie alleine nach Senegal fliegen lassen, obwohl es sich angesichts seiner vollziehbaren Ausreisepflicht ja geradezu angeboten hätte, die beiden zu begleiten und den gemeinsamen Aufenthalt in Senegal für die Einleitung des Visumverfahrens zu nutzen. Angesichts der vom Antragsteller freiwillig und eigenverantwortlich herbeigeführten Trennungen von seinem Kind ist nicht ersichtlich, warum die Nachholung des Visumverfahrens unzumutbar sein sollte.
Hat der Antragsteller somit einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ohnehin nicht glaubhaft gemacht, kommt es mit Blick auf die Titelerteilungssperren des § 10 Abs. 1 und Abs. 3 AufenthG nicht darauf an, ob das Asylverfahren schon bestandskräftig abgeschlossen ist oder nicht.
3. Der Antrag wird daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der Antragsteller als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens trägt, abgelehnt.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG (halber Auffangstreitwert für den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und viertel Auffangstreitwert für den sinngemäßen Antrag auf Duldung des Antragstellers bis zur Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis).