Aktenzeichen Au 6 E 19.112
Leitsatz
1 Wird beim afghanischen Generalkonsulat ein Antrag auf Ausstellung eines Heimreisescheins (Transit Pass for Returning to Afghanistan – TPR) gestellt, so liegt eine konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung vor, die die Erteilung einer Ausbildungsduldung ausschließt. (Rn. 27 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis zur Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung nach § 4 Abs. 2 S. 3 AufenthG iVm § 32 BeschV kann im Hinblick auf die fehlende Ausbildungsduldung und die Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ermessensgerecht abgelehnt werden, um eine vertiefte, langjährige wirtschaftliche Integration zu verhindern und dem Vollzug der Ausreise den Vorrang einzuräumen. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller, ein afghanischer Staatsangehöriger, begehrt im Wege einer einstweiligen Anordnung die Verpflichtung des Antragsgegners, ihm die Aufnahme einer Berufsausbildung im Land … durch Erteilung einer Ausbildungsduldung, hilfsweise einer Ermessensduldung, zu ermöglichen.
I.
Der nach eigenen Angaben am … 1995 geborene Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger. Er stellte am 21. August 2015 einen Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 28. Juli 2016 vollumfänglich ablehnte. Die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos (VG Augsburg, U.v. 2.3.2017 – Au 2 K 16.33047; BayVGH, B.v. 9.8.2017 – 13a ZB 17.30340); das klageabweisende Urteil ist seit dem 9. August 2017 rechtskräftig. Anschließend erhielt der Antragsteller befristete Duldungen, zuletzt bis zum 8. Januar 2019, mit räumlicher Beschränkung auf den Freistaat Bayern (Behördenakte Bl. 360).
Im Rahmen mehrerer Vorsprachen bei der Ausländerbehörde anlässlich von Verlängerungen seiner Duldung wurde der Antragsteller wiederholt über seine Mitwirkungspflichten hinsichtlich der Identitätsklärung und der Pflicht zur Vorlage von Identitätsdokumenten belehrt (vgl. nur Behördenakte Bl. 320). Einen Antrag auf Wohnsitzzuweisung nach … prüfte der Antragsgegner; das Land … verlangte hierzu u.a. Nachweise über Erwerbseinkommen zur Deckung des Lebensunterhalts des nicht erwerbstätigen Antragstellers.
Am 8. März 2018 legte der Antragsteller eine Tazkira vor. Mit Schreiben vom 2. August 2018, zugegangen am 8. August 2018, ersuchte die … die Regierung von … um Amtshilfe zur Passersatzpapier-Beschaffung (Behördenakte Bl. 315). Das Schreiben enthält zudem die Mitteilung, dass die Person des Antragstellers der Regierung von … – Sammelrückführung – gemeldet worden sei (S. 219 der Behördenakte). Mit E-Mail vom 15. Oktober 2018 teilte die …Zentrale Passbeschaffung Bayern der … mit, dass ein Antrag auf Ausstellung eines „Transit Pass for Returning to Afghanistan“ (TPR) beim Generalkonsulat der Islamischen Republik Afghanistan in … eingereicht worden sei. Da das Generalkonsulat das Reisedokument weder innerhalb einer Frist von vier Wochen ab Antragseinreichung ausgestellt, noch Einwendungen hiergegen erhoben habe, sei die zuständige Ausländerbehörde befugt, ein (EU) Laissez-Passer auszustellen (Behördenakte Bl. 336).
Am 25. Oktober 2018 begehrte der Antragsteller per E-Mail eine Ausbildungsduldung und eine Beschäftigungserlaubnis unter Verweis auf einen Berufsausbildungsvertrag zur Aufnahme einer zweijährigen betrieblichen Ausbildung im Land … zum Änderungsschneider sowie eine Wohnsitzzuweisung nach … (Behördenakte Bl. 367 ff.), die er zuvor schon zum Zuzug zu seinen dort lebenden Eltern begehrt hatte; am 14. November 2018 legte er der Ausländerbehörde einen afghanischen Reisepass vor (Behördenakte Bl. 351 ff.).
Dem Antragsteller wurde auf Nachfrage seiner Bevollmächtigten per E-Mail die beabsichtigte Ablehnung seines Antrags auf die Erteilung einer Ausbildungsduldung mitgeteilt.
Mit Bescheid vom 28. Januar 2019 lehnte die … den Antrag auf Ausübung einer Beschäftigung im Rahmen einer Ausbildung zum Änderungsschneider (Ziffer 1) und den Antrag auf Ausbildungsduldung gemäß § 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG ab (Ziffer 2). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis im Rahmen einer Duldung nicht in Betracht komme, da ein Duldungsgrund nicht mehr gegeben sei, nachdem nunmehr Heimreisedokumente vorlägen. Ein Anspruch auf die Erteilung einer Ausbildungsduldung bestehe nicht, da zum Zeitpunkt des Antrags auf Ausbildungsduldung durch die Vorlage des Ausbildungsvertrags am 25. Oktober 2018 bereits Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung eingeleitet gewesen seien, nachdem der Antragsteller seit der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht keinen Pass vorgelegt habe, aber im Zeitpunkt der Antragstellung bereits Passersatzpapiere erlangt worden seien.
Vor Erlass des Bescheids ließ der Antragsteller bereits beantragen,
den Antragsgegner zu verpflichten, im Wege der einstweiligen Anordnung gem. § 123 VwGO bis zur Entscheidung der Hauptsache die Ausbildungsduldung nebst Beschäftigungserlaubnis gem. § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG zu erteilen.
Der Antragsteller sei seit dem 9. Juli 2017 vollziehbar ausreisepflichtig, habe der Ausländerbehörde im letzten Jahr einen afghanischen Reisepass vorgelegt und am 25. Oktober 2018 die Ausbildungsduldung nebst Beschäftigungserlaubnis beantragt. Das Ausbildungsverhältnis sei bereits in die Handwerksrolle eingetragen und solle am 1. Februar 2019 beginnen, sonst müsste sich der Ausbilder einen anderen Auszubildenden suchen. Am 22. Januar 2019 habe die Ausländerbehörde der Bevollmächtigten mitgeteilt, ein Bescheid werde erlassen und die Ausbildungsduldung nebst Beschäftigungserlaubnis nicht erteilt. Dem Antragsteller stehe ein Anspruch auf eine Ausbildungsduldung zu, denn konkrete aufenthaltsbeendende Maßnahmen seien weder ersichtlich, noch stünden sie entgegen, da der Antragsteller seinen Reisepass vorgelegt habe. Insbesondere fehle es vorliegend an einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang der Passersatzpapierbeschaffung mit der Abschiebung. Die Passersatzpapierbeschaffung sei bereits im Oktober 2018 abgeschlossen gewesen. Der Antragsteller sei jedoch in den Folgemonaten trotz der Möglichkeit kurzfristiger Flugmeldungen und der vorhandenen Kapazitäten bei den Sammelabschiebungen nicht abgeschoben worden. Damit habe der Antragsgegner die Abschiebung des Antragstellers – wie auch die Abschiebung des überwiegenden Teils der vollziehbar ausreisepflichtigen Afghanen – nicht weiter betrieben. Im Übrigen komme auch eine Ermessensduldung in Betracht, da sich der Antragsteller inzwischen zusammen mit seiner gesamten Familie seit vier Jahren in der Bundesrepublik aufhalte, sich gut integriert und nun einen Ausbildungsplatz gefunden habe. Insofern seien auch der Fachkräftemangel in der Bundesrepublik, die Vollzugshinweise des Bayerischen Innenministeriums vom 1. September 2016 und die Aussagen des Bayerischen Ministerpräsidenten vom 14. Oktober 2018 als weisungslenkende Aussagen zu berücksichtigen. Insoweit könnten derart strittige Rechtsfragen jedenfalls nicht im Eilverfahren entschieden werden.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die am 28. Januar 2019 vorgelegte Behördenakte.
II.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, wenn dies nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
1. Gegenstand des Eilantrags ist die vom Antragsteller begehrte Verpflichtung des Antragsgegners, ihm eine Ausbildungsduldung zu erteilen und ihm vorläufig die Beschäftigungserlaubnis zur beantragten Ausbildung zu erteilen.
2. Ein Anordnungsgrund ist hinsichtlich des Antrags auf eine vorläufige Aussetzung der Abschiebung durch Erteilung einer Ausbildungsduldung gegeben, da nach Vortrag des Antragstellers sonst der Verlust des Ausbildungsplatzes ohne zeitnahe Aufnahme der Ausbildung droht. Auch bezüglich der Beschäftigungserlaubnis als Annex besteht daher ein Anordnungsgrund.
3. Der Antrag auf einstweilige Aussetzung der Abschiebung ist jedoch unbegründet, da kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht wurde.
Im Fall des Antragstellers kommt nach Aktenlage nur die Aussetzung der Abschiebung mit Blick auf die beabsichtigte Aufnahme einer Berufsausbildung in Betracht. So ist nach § 60 Abs. 2 Satz 4 AufenthG eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe zu erteilen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt, die Voraussetzungen nach § 60a Abs. 6 und Abs. 2 Satz 6 AufenthG nicht vorliegen und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen.
Im vorliegenden Verfahren liegen diese tatbestandlichen Voraussetzungen nicht vor.
a) Zunächst ergibt sich aus dem am 25. Oktober 2018 der Ausländerbehörde vorgelegten Berufsausbildungsvertrag die Absicht des Antragstellers, eine qualifizierte zweijährige Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf als Änderungsschneider aufzunehmen. Er begehrte darüber hinaus die Änderung der Wohnsitzbeschränkung auf das Land ….
b) Indes stehen konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevor.
aa) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage, ob der Versagungsgrund konkret bevorstehender Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung einer Ausbildungsduldung entgegensteht, ist der Zeitpunkt der Beantragung einer zeitnah aufzunehmenden, konkret bezeichneten Berufsausbildung unter Vorlage geeigneter Nachweise (BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 10 CE 18.2159 – Rn. 10 m.w.N.). Für die Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG gilt zwar, dass die Voraussetzungen grundsätzlich zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung bzw. bei einem dagegen gerichteten Rechtsschutz zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen müssen. Abweichendes gilt jedoch für die Frage, ob der Versagungsgrund konkret bevorstehender Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung einer Ausbildungsduldung entgegensteht. Würde hinsichtlich des Ausschlussgrundes der bevorstehenden konkreten Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Ausländerbehörde oder auf den des Gerichts abgestellt, so hätte es die Ausländerbehörde sogar nach einem (rechtmäßigen) Beginn der Ausbildung in der Hand, durch Einleitung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die Entstehung des Anspruchs zu verhindern (BayVGH, B.v. 22.1.2018 – 19 CE 18.51 – NVwZ-RR 2018, 588/589 Rn. 18 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall ist daher für die Frage, ob konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung vorliegen, auf den 25. Oktober 2018 abzustellen, da der Antragsteller an diesem Tag einen Antrag auf Erteilung einer Ausbildungsduldung für den Ausbildungsberuf als Änderungsschneider gestellt hat und beabsichtigt, diese Ausbildung zeitnah – ursprünglich nach Absolvierung einer Einstiegsqualifizierung – zum 1. Februar 2019 aufzunehmen.
bb) Indes lagen am 25. Oktober 2018 mit der Beantragung eines Passersatzpapiers an die Zentrale Ausländerbehörde …Zentrale Passbeschaffung Bayern der … bereits konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung vor. Die Ausstellung eines solchen Passersatzpapiers ermöglichte erst eine Abschiebung, ohne dass es darauf ankommt, ob diese bereits unmittelbar bevorstand.
(1) Mit der Voraussetzung, dass konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen, sollen die Fälle aus dem Anwendungsbereich des Rechtsanspruchs auf Ausbildungsduldung ausgenommen werden, in denen die Abschiebung bereits konkret vorbereitet wird, wobei die Gesetzesbegründung die Beantragung eines Pass(ersatz) papiers, die Terminierung der Abschiebung oder den Lauf eines Verfahrens zur Dublin-Überstellung als Beispiele aufführt (BT-Drs. 18/9090 S. 25; dazu BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 10 CE 18.2159 – Rn. 9). In den Fällen, in denen die Abschiebung, Zurückschiebung oder Überstellung absehbar ist, soll daher der Durchsetzung der Ausreisepflicht Vorrang eingeräumt werden (BT-Drs. 18/9090 S. 25). Die Gesetzesformulierung „Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung“ ist bewusst weiter gefasst als die eigentliche Aufenthaltsbeendigung durch Abschiebung, Zurückschiebung oder Überstellung, andernfalls hätte die Verwendung des Begriffs Aufenthaltsbeendigung als gemeinsamer Oberbegriff genügt und würde der Gesetzgeber nicht selbst die Pass(ersatz) beschaffung als ausdrückliches Beispiel nennen. Für den Ausschluss einer Duldung zu Ausbildungszwecken kommt es nicht darauf an, dass der Betroffene Kenntnis von den konkret bevorstehenden Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung hat (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 22.1.2018 – 19 CE 18.51 – NVwZ-RR 2018, 588/589 Rn. 17 m.w.N.). Zu den „konkreten Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung“, deren Einleitung eine Ausbildungsduldung ausschließen, rechnen auch Maßnahmen zur Beschaffung eines Passersatzpapiers. Dass ein derartiges Verfahren zur Beschaffung von Pass(ersatz) papieren eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, entwertet diesen Schritt daher nicht; auch einer Eingangsbestätigung durch die Behörden des Heimatstaates bedarf es nicht. Jedenfalls sofern keine Anzeichen für eine offensichtliche Aussichtslosigkeit der Rückführungsbemühungen ersichtlich sind, kann ein Antragsteller in diesem Fall keine Duldung für die Aufnahme der Ausbildung verlangen, auch wenn ein Ausschlussgrund im Sinn des § 60a Abs. 6 AufenthG nicht vorliegt (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 24.9.2018 – 10 CE 18.1825 – juris Rn. 4 ff., B.v. 24.7.2017 – 19 CE 17.1079 – juris Rn. 8; B.v. 22.1.2018 – 19 CE 18.51 – NVwZ-RR 2018, 588/590 Rn. 23; B.v. 15.12.2016 – 19 CE 16.2025 – juris Rn. 19 f.; vgl. auch OVG NW, B.v. 23.4.2018 – 18 B 110/18 – juris Rn. 7; OVG RhPf, B.v. 5.1.2017 – 7 B 11589/16, 7 D 11595/16 – juris Rn. 7).
Da die Gesetzesbegründung ausdrücklich nicht nur die Beantragung von Passpapieren, sondern auch die Beschaffung von Passersatzpapieren als Regelbeispiel für konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nennt und zu den Passersatzpapiere alle Dokumente gehören, die nach der Bestimmung der ausstellenden Stelle auch zum Grenzübertritt geeignet und bestimmt sind, stellt auch die Beschaffung anderer Dokumente als des Reisepasses, die die Einreise in den Heimatstaat ermöglichen, eine konkrete aufenthaltsbeendende Maßnahme dar (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 10 CE 18.2159 – Rn. 12). Insoweit ist es in rechtlicher Hinsicht gleichwertig, ob sich die Ausländerbehörde um die Beschaffung eines Reisepasses, eines (EU) Laissezpasser oder eines Transit Pass for Returning to Afghanistan bemüht, soweit diese Dokumente jeweils geeignet sind, die Abschiebung in das Heimatland zu ermöglichen und die Rückführungsbemühungen nicht offensichtlich aussichtslos erscheinen.
(2) Im vorliegenden Verfahren hat der Antragsgegner am 8. August 2018 – und damit vor dem hier maßgeblichen 25. Oktober 2018 – über die … / Zentrale Passbeschaffung Bayern beim afghanischen Generalkonsulat einen Antrag auf Ausstellung eines Heimreisescheins (Transit Pass for Returning to Afghanistan – TPR) gestellt. Das afghanische Generalkonsulat prüft im Rahmen der gemeinsamen Absichtserklärung zwischen Deutschland und Afghanistan vom 2. Oktober 2016 binnen vier Wochen die Ausstellung eines TPR. Erfolgt binnen dieser vier Wochen keine Ausstellung eines derartigen Heimreisescheins, kann der Antragsgegner ein (EU) Laissez-Passer ausstellen und damit unabhängig vom Vorliegen eines TPR afghanische Staatsangehörige nach Kabul abschieben. Die Erlangung von Passersatzpapieren für afghanische Staatsangehörige ist demnach nach der Beantragung eines TPR unter Vorlage eines Identitätsnachweises durch die zuständige Ausländerbehörde grundsätzlich nach spätestens vier Wochen – sei es durch die Ausstellung eines TPR durch die afghanischen Behörden binnen vier Wochen, sei es durch Ausstellung eines (EU) Laissez-Passer durch den Antragsgegner mit Ablauf von vier Wochen – möglich. Mit Erhalt des jeweiligen Passersatzpapiers hat die Ausländerbehörde demnach das Abschiebungshindernis des fehlenden Pass(ersatz) papiers beseitigt und steht einer Abschiebung regelmäßig nichts mehr entgegen. Mit der Beantragung eines TPR – nicht erst beim afghanischen Generalkonsulat sondern bereits bei der … als notwendigem ersten Schritt im Verfahren gegenüber einer insoweit unabhängigen Behörde (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 10 CE 18.2159 – Rn. 12) – hat der Antragsgegner daher eine konkrete Maßnahme zur Aufenthaltsbeendigung getroffen.
(3) Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsteller am 14. November 2018 seinen Reisepass vorgelegt hat, denn solange der Ausländerbehörde der Reisepass nicht vorliegt und seine Echtheit nicht bestätigt ist, ist es der Ausländerbehörde nicht verwehrt, parallel dazu (vorsorglich) die Ausstellung eines die Rückführung ermöglichenden Passersatzpapiers in die Wege zu leiten (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 10 CE 18.2159 – Rn. 13). Das Verfahren zur Passersatzbeschaffung war indes schon vor der Vorlage des Reisepasses erfolgreich abgeschlossen.
(4) Angesichts der steigenden Zahl abgeschobener afghanischer Staatsangehöriger und des Entfalls einer früheren behördlichen Selbstbeschränkung auf Straftäter, Gefährder und Identitätsverweigerer (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 10 CE 18.1598 – Rn. 15) erscheint die Abschiebung des Antragstellers auch nicht faktisch unmöglich und die Rückführungsbemühungen nicht offensichtlich erfolglos. Durch die Beantragung von Passersatzpapieren und die Meldung der Person des Antragstellers für eine Sammelabschiebung als konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung wurde die Abschiebung des Antragstellers vielmehr absehbar. Demnach darf der auch nach der Gesetzesbegründung bestehende Vorrang der Durchsetzung der Ausreisepflicht nicht mehr durch die Erteilung einer Ausbildungsduldung eingeschränkt werden. Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsteller nicht unmittelbar nach Erlangung der Passersatzpapiere im Oktober 2018 abgeschoben wurde. Daraus ist weder zu folgern, dass eine Rückführung des Antragstellers offensichtlich erfolglos ist, noch, dass der Antragsgegner eine Abschiebung des Antragstellers nicht mehr beabsichtigen würde. Im Gegenteil zeigen die Tatsachen, dass der Antragsteller der Regierung von … – Sammelrückführung – gemeldet und sein Antrag auf Erteilung einer Ausbildungsduldung abgelehnt wurde, dass der Antragsgegner weiterhin an der Rückführung des Antragstellers festhält – und zwar im Zuge einer kontinuierlichen Vollzugspraxis etwa monatlicher Sammelabschiebungen nach Afghanistan.
Ebenso unerheblich ist, ob der Antragsteller zum Zeitpunkt der Beantragung der Ausbildungsduldung Kenntnis von der eingeleiteten Passersatzbeschaffung hatte oder nicht, da es auf seine subjektive Kenntnis nicht ankommt (BayVGH, B.v. 22.1.2018 – 19 CE 18.51 – NVwZ-RR 2018, 588/589 Rn. 17).
c) Abgesehen von diesem Ausschlussgrund ist auch nicht ersichtlich, dass der Freistaat Bayern nach der föderalen Kompetenzordnung der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 83, Art. 84 Abs. 1 GG befugt wäre, eine für das Land … gültige und dieses mithin verpflichtende Aussetzung der Abschiebung – nichts anderes ist die Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG – zu erteilen. Solange die Wohnsitzbeschränkung des Antragstellers nach § 61 Abs. 1 und Abs. 1d, § 71 Abs. 1, § 72 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nicht mit Zustimmung des Landes, die nach Aktenlage bis heute nicht erteilt worden ist, auf dieses geändert und dieses auch für die Erteilung einer Duldung zuständig geworden ist, richtet sich der Antrag des Antragstellers gegen einen für die Erteilung der Ausbildungsduldung für das Land … unzuständigen Antragsgegner.
5. Die Erteilung einer vorläufigen Beschäftigungserlaubnis zur Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung nach § 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG i.V.m. § 32 BeschV kommt ebenfalls nicht in Betracht.
Die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis steht grundsätzlich im Ermessen des Antragsgegners. Nur ausnahmsweise liegt eine Ermessensreduzierung auf null vor. Da der Antragsteller indes derzeit weder im Besitz einer Ausbildungsduldung ist, noch einen Anspruch auf eine Ausbildungsduldung hat (vgl. oben), bestehen kein intendiertes behördliches Ermessen und keine Ermessensreduzierung auf null (vgl. HessVGH, B.v. 15.2.2018 – 3 B 2137/17 – NVwZ-RR 2018, 586/587 Rn. 12; auch BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 10 CE 18.1598 – Rn. 17). Vielmehr begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass der Antragsgegner im Hinblick auf die fehlende Ausbildungsduldung und die Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen eine Beschäftigung im Rahmen einer Ausbildung nicht gestattet, um eine vertiefte, langjährige wirtschaftliche Integration zu verhindern und dem Vollzug der Ausreise den Vorrang einzuräumen. Ein Anordnungsanspruch auf vorläufige Beschäftigung wurde demnach nicht glaubhaft gemacht.
6. Ebenso wenig kommt die Erteilung einer Ermessensduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG in Betracht.
Denn insoweit sind dringende humanitäre oder persönliche oder erhebliche öffentlichen Interessen des Antragstellers an einem weiteren Verbleib in der Bundesrepublik weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere unterscheidet sich seine Situation nicht von derjenigen vieler anderer ausreisepflichtiger volljähriger Ausländer. Arbeitsmarktpolitische Interesse bleiben insofern aufgrund der diesbezüglichen Sonderregelungen in § 60a Abs. 2 Satz 4 ff. AufenthG – deren Voraussetzungen der Antragsteller nicht erfüllt (s.o.) – außer Betracht. Im Übrigen strebt der Antragsteller auch keinen vorübergehenden Aufenthalt i.S.d. § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG in der Bundesrepublik an, sondern ersichtlich einen dauerhaften Aufenthalt, so dass eine Ermessensduldung auch insoweit nicht in Betracht kommt. Mangels Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Ermessensduldung kommt es auf die Ermessensausübung des Antragsgegners und etwaige Weisungslagen – so sie denn überhaupt beständen – nicht an.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
8. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffern 1.1.1, 1.5 und 8.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, wobei wegen der (teilweisen) Vorwegnahme der Hauptsache eine Reduzierung des vollen Auffangwerts nicht veranlasst war (BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 10 CE 18.1598 – Rn. 19).