Aktenzeichen W 2 E 18.104
BayVwZVG Art. 22
Leitsatz
Ein Antrag auf Regelungsanordnung ist nur zulässig, wenn auch die Zulässigkeitsvoraussetzungen für ein (noch nicht erhobenes) Hauptsacheverfahren vorliegen; dies erfordert bei einem Antrag auf vorläufige Einstellung der Vollstreckung durch Verwaltungsakt, dass der Antrag durch den Adressat der Zwangsvollstreckung gestellt wird. (Rn. 14 – 15) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 417,59 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin, eine rechtsfähige Stiftung nach Bürgerlichem Gesetzbuch, beantragt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung gegen die Person ihres Einzelvorstands als Privatperson (im Folgenden: R. G.v. T.-H.).
1. Auf der Grundlage von Gebührenbescheiden für Wasser und Abwasser für die Verbrauchstelle „… … 6. K. a. M.“ vom 25. Januar 2013 (Nr. 000308415), vom 21. Januar 2014 (Nr. 000353407), vom 21. Januar 2015 (Nr. 000399637), vom 19. Januar 2016 (Nr. 000443629), vom 15. Februar 2017 (Nr. 000496090) und vom 14. März 2017 (Nr. 000499837) erteilte die Antragsgegnerin, ein Kommunalunternehmen in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts, am 30. Mai 2017 dem Gerichtsvollzieher am Amtsgericht Obernburg den Auftrag zur Zwangsvollstreckung wegen Hauptforderungen in Höhe von 1848,12 EUR sowie bisherigen Vollstreckungskosten in Höhe von 61,15 EUR.
Sowohl die zugrunde liegenden Gebührenbescheide als auch der Auftrag zur Zwangsvollstreckung richten sich ausschließlich gegen R. G.v. T.-H., der als Eigentümer des angeschlossenen Grundstücks als Gebührenschuldner des Antragsgegners in Anspruch genommen wurde.
Im Rahmen des unter dem Aktenzeichen „DRII-0936/17“ betriebenen Zwangsvollstreckungsverfahrens vereinbarte der Gerichtsvollzieher mit G.v.T-H nach Anzahlung von 300,00 EUR am 4. August 2017 einen Vollstreckungsaufschub bei Zahlungsvereinbarung gemäß § 802b ZPO. Es wurde eine monatliche Ratenzahlung von 300,00 EUR bis zur Begleichung der Gesamtschuld vereinbart.
Die daraufhin erfolgten Zahlungseingänge vom 4. August 2017, vom 11. September 2017, vom 6. Oktober 2017 und vom 20. November 2017 wurden, jeweils abzüglich der Gerichtsvollzieherkosten, zunächst auf die Gebühren und Auslagen und dann auf die Hauptforderung angerechnet. Nach Anrechnung der vom Gerichtsvollzieher abzüglich seiner Kosten weitergeleiteten Zahlungseingänge belief sich die Hauptforderung laut Forderungskonto des Antragsgegners vom 21. November 2017 danach noch auf 835,17 EUR.
Nachdem weitere Zahlungen durch G.v.T-H ausgeblieben waren, nahm der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung mit Schreiben vom 8. Januar 2018 wieder auf und setzte für den 24. Januar 2018 einen Termin zu Abgabe der Vermögensauskunft an.
2. Die Antragstellerin, vertreten durch G.v.T-H, erhob daraufhin mit Schreiben, datiert auf den 28. Dezember 2017, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg am 24. Januar 2018 eingegangen, im Rahmen der Klageverfahren W 2 K 17.1514, W 2 K 17.1515 und W 2 K 17.1516, deren Streitgegenstand nicht identisch mit den der Zwangsvollstreckung zugrunde liegenden Gebührenbescheiden ist, einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz.
Sie beantragt,
die „einstweilige vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung DRII-0936/17 (OVG Müller)“.
Zur Begründung wird vorgetragen, dass die Forderung des Gläubigers durch Zahlungen in Höhe von 1.200,00 EUR befriedet worden sei.
Der Antragsgegner stellte im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes keinen Antrag. Er nahm jedoch folgendermaßen dazu Stellung: Wie den vorgelegten Bescheiden und Vollstreckungsunterlagen entnommen werden könne, sei die Antragstellerin nicht die Adressatin des Zwangsvollstreckungsverfahrens. Adressat sei allein G.v.T-H, der jedenfalls bis zu Erlass und Zustellung der Gebührenbescheide im Grundbuch eingetragener Eigentümer des betroffenen Grundstücks gewesen sei. Der Antrag der Antragstellerin sei deswegen unzulässig.
Ergänzend wird zum Sach- und Streitstand auf die Gerichtsakte, die beigezogene Behördenakte sowie die ebenfalls beigezogenen Gerichtsakten der Verfahren W 2 K 17.1514, W 2 K 17.1515 und W 2 K 17.1516 sowie die dort beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO bleibt ohne Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung), oder auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, wenn dies nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden (sog. Regelungsanordnung). Wesentliche Nachteile sind dabei u.a. wesentliche rechtliche, wirtschaftliche oder ideelle Nachteile, die der Antragsteller in Kauf nehmen müsste, wenn er das Recht im langwierigen Hauptsacheprozess erstreiten müsste (vgl. Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 123, Rn. 23).
Zulässig ist ein solcher Antrag jedoch nur dann, wenn auch die Zulässigkeitsvoraussetzungen für ein (noch nicht erhobenes) Hauptsacheverfahren vorliegen (vgl. Schenke, in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl 2016, § 123, Rn. 18). Im Hinblick auf ein solches „fiktives“ Hauptsacheverfahren fehlt es hier jedoch bereits an der Klagebefugnis der Antragstellerin.
Bei verständiger Würdigung des Parteivortrags wäre eine Klage in der Hauptsache darauf zu richten, dass der Antragsgegner die Vollstreckung durch Verwaltungsakt gemäß Art. 22 VwZVG einstellt. Dieses Klagebegehren ist auf dem Verwaltungsrechtsweg in Form der Verpflichtungsklage zu verfolgen (vgl. statt vieler: BayVGH, B.v. 27.3.2012 – 6 CE 12.458 – juris). Klagebefugt wäre dann jedoch ausschließlich G.v.T-H als Adressat der Zwangsvollstreckung, nicht jedoch die Antragsgegnerin. Sie ist weder formelle Beteiligte des unter dem Aktenzeichen „DRII-0936/17“ geführten Zwangsvollstreckungsverfahrens noch ist sie durch dieses Zwangsvollstreckungsverfahren materiell belastet.
Selbst wenn man unterstellen wollte, dass der im Rahmen anderer bei Gericht anhängiger Verfahren erhobene Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz dahingehend auslegungsfähig wäre, dass es sich um eine dem Wortlaut nach fälschliche Parteibezeichnung handele und tatsächliche Partei G.v.T-H selbst sein solle, wäre der Antrag dennoch abzulehnen, so dass es eines richterlichen Hinweises bezüglich einer eventuellen Antragsumstellung oder Klarstellung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht bedurfte.
Denn es ist bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes alleine möglichen, jedoch auch gebotenen summarischen Prüfung des Sach- und Streitstand nicht glaubhaft gemacht, dass ein Anspruch auf Einstellung der Zwangsvollstreckung besteht.
Gemäß Art. 22 Nr. 1 VwZVG sind Vollstreckungsmaßnahmen einzustellen, wenn und soweit sie für unzulässig erklärt werden. Gemäß Art. 21 Satz 1 VwZVG entscheidet über Einwendungen gegen die Vollstreckung, die den zu vollstreckenden Anspruch betreffen, die Anordnungsbehörde. So handelt es sich bei der vorgetragenen Befriedigung des Gläubigers zwar um einen gem. Art. 21 Satz 2 VwZVG grundsätzlich zulässigen Einwand gegen die Vollstreckung, jedoch besteht ausweißlich des nachvollziehbaren Forderungskontos des Antragsgegners vom 21. November 2017 noch immer eine offene Restforderung in Höhe von 835,17 EUR. Die vorgetragene Zahlung in Höhe von 1200,00 EUR wurde dabei vollumfänglich berücksichtigt. Weder der vorherige Abzug der Gerichtsvollzieherkosten noch die vorrangige Anrechnung auf die Position „Gebühren und Auslagen“ sind dabei zu beanstanden, § 367 Abs. 1 BGB.
Das Fehlen von allgemeinen wie besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen gemäß Art. 19 VwZVG und Art. 23 VwZVG ist weder vorgetragen noch bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes alleine möglichen und gebotenen Prüfung der Sach- und Rechtslage anhand der vorgelegten Behördenakten offensichtlich. Der Antrag ist somit – eine Antragsbefugnis unterstellt – auch unbegründet.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.7.1 des Streitwertkatalogs.