Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung

Aktenzeichen  9 ZB 19.32517

Datum:
16.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15945
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3
VwGO § 138
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Zur Darlegung Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH BeckRS 2019, 3477). (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die im Zulassungsantrag erstmals aufgeworfene Frage, ob der Kläger bei Bekanntwerden der Asylantragstellung mit politischer Verfolgung rechnen muss, genügt den Darlegungsanforderungen nicht (vgl. BayVGH BeckRS 2019, 2308). (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 14 K 17.35185 2019-05-21 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 26.2.2019 – 9 ZB 19.30057 – juris Rn. 2). Dem wird das gesamte Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
a) Die Frage, ob angesichts der im Zulassungsvorbringen geschilderten Armut in Sierra Leone, der Schwierigkeiten beim Finden von Wohnraum, der Gefahr willkürlicher Festnahmen und Inhaftierungen und der fehlenden staatlichen Unterstützung Feststellungen dazu getroffen hätten werden müssen, ob der Kläger mit Unterstützung einer Familie bzw. Freunden rechnen könnte oder dürfte, sowie die Frage, „Muss angesichts der Tatsache, dass der überwiegende Teil der Bevölkerung am Rande des Existenzminimums lebt, zu dem Vorhanden – oder Nichtvorhandensein von Familienangehörige bzw. einer Großfamilie keine Feststellungen getroffen wurden, davon ausgegangen werden, dass sich der Kläger zumindest sein Existenzminimum sicher kann oder muss davon ausgegangen werden, dass angesichts der Gesamtumstände und auch den speziellen Umstände beim Kläger bei einer Rückkehr davon ausgegangen werden muss, dass er unter dem Existenzminimum (und somit unter den inländischen Maßstäben unter Verstoß eines selbstbestimmten würdevollen Lebens) bleiben muss“, lassen keine allgemeine, über den Einzelfall des Klägers hinausreichende Bedeutung erkennen. Ob der Kläger in Sierra Leone auf familiäre Unterstützung zählen kann, war für das Verwaltungsgericht bereits nicht entscheidungserheblich. Es ist zu der Einschätzung gelangt, dass der junge und gesunde Kläger, der über überdurchschnittliche Schulbildung und Berufserfahrungen verfügt, trotz der schlechten wirtschaftlichen Lage in Sierra Leone sein Existenzminimum wird sichern können. Dem tritt das Zulassungsvorbringen nicht entgegen.
b) Die im Zulassungsantrag erstmals aufgeworfene Frage, ob der Kläger bei Bekanntwerden der Asylantragstellung mit politischer Verfolgung rechnen muss, genügt den Darlegungsanforderungen nicht, da sich dem Zulassungsvorbringen insoweit keine Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit entnehmen lassen (vgl. BayVGH, B.v. 12.2.2019 – 9 ZB 18.32531 – juris Rn. 7).
2. Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund einer Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) wird ebenfalls nicht ausreichend dargelegt. Dem Zulassungsvorbringen lässt sich kein Rechtssatz oder verallgemeinerungsfähiger Tatsachensatz entnehmen, den das Verwaltungsgericht abweichend von einem der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten übergeordneten Gerichte aufgestellt haben soll (vgl. BayVGH, B.v. 14.12.2017 – 9 ZB 15.30129 – juris Rn. 10).
3. Die Berufung ist auch nicht wegen der geltend gemachten Verletzung rechtlichen Gehörs zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 VwGO).
Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden. Das Gericht hat sich mit den wesentlichen Argumenten des Klagevortrags zu befassen, wenn sie entscheidungserheblich sind. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann jedoch nur dann festgestellt werden, wenn sich aus besonderen Umständen klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (BayVGH, B.v. 19.10.2018 – 9 ZB 16.30023 – juris Rn. 10). Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist allerdings nicht schon dann verletzt, wenn der Richter zu einer unrichtigen Tatsachenfeststellung im Zusammenhang mit der ihm obliegenden Tätigkeit der Sammlung, Feststellung und Bewertung der von den Parteien vorgetragenen Tatsachen gekommen ist. Auch die bloße Behauptung, das Gericht habe einem tatsächlichen Umstand nicht die richtige Bedeutung für weitere tatsächliche oder rechtliche Folgerungen beigemessen oder das Gericht habe es versäumt, Beweis zu erheben, vermag einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht zu begründen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 15.2.2017 – 2 BvR 395/16 – juris Rn. 5 m.w.N.).
a) Soweit mit dem Zulassungsvorbringen zu einer von der Polizei und der Bondo-Society ausgehenden Verfolgungsgefahr für den Kläger ein Gehörsverstoß dargelegt werden soll, liegt ein solcher jedenfalls nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat sich, wie den Entscheidungsgründen seines Urteils (vgl. UA S. 7 ff.) entnommen werden kann, ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt, ob dem Kläger wegen der Umstände, die nach seinen Angaben zur Ausreise aus Sierra Leone geführt haben sollen, im Fall der Rückkehr Verfolgungsmaßnahmen drohen. Es hat allerdings eine von der Auffassung des Klägers abweichende Beweiswürdigung vorgenommen, indem es diese Frage verneinte. Der Kläger kritisiert letztlich die tatrichterliche Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind nach § 78 Abs. 3 AsylG aber gerade kein Grund für die Zulassung der Berufung (vgl. BayVGH, B.v. 9.10.2018 – 9 ZB 16.30738 – juris Rn. 6).
b) Der Kläger kann einen Gehörsverstoß auch nicht mit Erfolg darauf stützen, dass das Verwaltungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen habe, ob der Kläger im Fall seiner Rückkehr mit Unterstützung einer Familie bzw. durch Freunde rechnen könne. Eine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht statuiert Art. 103 Abs. 1 GG nicht (vgl. BVerfG, B.v. 5.3.2018 – 1 BvR 1011/17 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 10.4.2019 – 9 ZB 18.33046 – juris Rn. 5). Wie bereits ausgeführt, ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger in der Lage sein werde, sein Existenzminimum eigenständig zu sichern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der nach § 80 AsylG unanfechtbaren Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

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