Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung in einem subventionsrechtlichen Verfahren

Aktenzeichen  6 ZB 20.216

Datum:
22.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14700
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 60, § 124a Abs. 5 S. 2
GG Art. 3 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die Erkrankung des Prozessbevollmächtigten an einem Magen-Darm-Virus begründet nicht zwingend dessen durchgehende Handlungsunfähigkeit; im Rahmen eines Wiedereinsetzungsantrages ist diese aber jedenfalls durch ein ärztliches Attest zu belegen. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine analoge Anwendung oder erweiternde Auslegung von behördlichen Förderrichtlinien durch die Verwaltungsgerichte ist ausgeschlossen. (Rn. 9 – 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 8 K 18.171 2019-11-11 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 11. November 2019 – B 8 K 18.171 – wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 60.000 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Klägerin‚ die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen‚ bleibt ohne Erfolg. Er ist bereits unzulässig, weil er nicht rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO gestellt worden ist und Wiedereinsetzung in die versäumte Frist nach § 60 VwGO nicht gewährt werden kann. Im Übrigen wäre er unbegründet, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO nicht vorliegen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unzulässig. Die Klägerin hat die am 16. Januar 2020 abgelaufene Monatsfrist, innerhalb der nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils die Zulassung der Berufung zu beantragen ist, versäumt.
Ihr ist auf den Antrag vom 20. Januar 2020 keine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist gemäß § 60 Abs. 1 VwGO zu gewähren, weil sie nicht glaubhaft gemacht hat, die Frist zur Stellung des Antrags auf Zulassung der Berufung unverschuldet nicht eingehalten zu haben (§ 60 Abs. 1, 2 Satz 2 VwGO). Es verbleibt die Möglichkeit, dass die Versäumung der Frist auf einem Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten beruht, das sich die Klägerin wie eigenes Verschulden zurechnen lassen muss (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. mit § 85 Abs. 2 ZPO). Das steht einer Wiedereinsetzung entgegen.
Der Prozessbevollmächtigte macht als Wiedereinsetzungsgrund unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung geltend, er sei in der Nacht vom 15. auf den 16. Januar 2020 überraschend und schwer an einem Magen-Darm-Virus erkrankt, weshalb es nicht möglich und zumutbar gewesen sei, seine Kanzlei am 16. und 17. Januar 2020 aufzusuchen. Sein Kanzleipartner, von dem er grundsätzlich in solchen Fällen vertreten werde, habe sich am 15. Januar 2020 wegen eigener Erkrankung überraschend zur stationären Behandlung in ein Krankenhaus begeben müssen. Aufgrund der heftigen und kurzfristigen Erkrankung sei es nicht möglich gewesen, einen anderen Vertreter zu organisieren.
Es ist aus der Darlegung bereits nicht, jedenfalls nicht ohne weiteres ersichtlich, inwiefern die Erkrankung am fristgerechten Stellen eines Zulassungsantrags (ohne Begründung), einer überschaubaren, nur wenige Minuten in Anspruch nehmenden Tätigkeit, gehindert haben soll. Jedenfalls aber fehlt es an der erforderlichen Glaubhaftmachung einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit. Die Richtigkeit des Vortrags im Wiedereinsetzungsantrag ist zwar anwaltlich versichert worden. Im Fall einer Verhinderung durch Krankheit ist es jedoch in der Regel erforderlich, diese durch ein ärztliches Attest glaubhaft zu machen (BayVGH, B.v. 17.7.2011 – 22 ZB 11.1250 – NJW 2011, 3177 Rn. 7 f. m.w.N.). Das gilt auch hier, zumal ein Magen-Darm-Virus nicht zwingend und durchgehend zur Handlungsunfähigkeit führt.
2. Der Zulassungsantrag wäre im Übrigen unbegründet, weil die – für sich betrachtet fristgerecht – dargelegten Gründe die Zulassung der Berufung nicht rechtfertigen.
Die Klägerin, ein medizinisches Versorgungszentrum in der Form einer gGmbH, begehrt staatliche Zuwendungen für die Anstellung eines Hausarztes in einem neu gegründeten Versorgungszentrum nach der Richtlinie zur Förderung der Niederlassung von Ärztinnen und Ärzten im ländlichen Raum vom 2. Oktober 2013 (AllMBl. S. 420), die zuletzt durch Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 9. November 2015 (AllMBl. S. 529) geändert worden ist. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin gehöre als juristische Person nach der Förderrichtlinie und der Förderpraxis nicht zum Kreis der Zuwendungsempfänger. Die Einwände, die die Klägerin dem entgegenhält, stellen das erstinstanzliche Urteil nicht in Frage und bedürfen keiner Prüfung in einem Berufungsverfahren.
Besondere rechtliche Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ergeben sich nicht aus der im Zulassungsantrag aufgeworfenen Frage, ob Raum für eine analoge Anwendung der Förderrichtlinie gegeben ist, damit die Klägerin als juristische Person aus Gründen der Gleichbehandlung auch außerhalb der in der Förderpraxis anerkannten Fallkonstellationen staatliche Förderung für die medizinische Versorgung im ländlichen Bereich erhält.
Sind die Fördervoraussetzungen – wie hier – zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, so müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den selbst gegebenen Richtlinien zum Ausdruck kommt. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. Entscheidend ist daher allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht – wie Gesetze oder Rechtsverordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (vgl. BVerwG, B.v. 11.11.2008 – 7 B 38.08 – juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 26 m.w.N.; B.v. 9.3.2020 – 6 ZB 18.2102 – juris Rn. 9).
Gemessen an diesem Maßstab kommt die von der Klägerin angestrebte „analoge Anwendung“ oder „erweiternde Auslegung der Förderrichtlinie“, die der Sache nach auf eine Änderung und Ausdehnung des Förderzwecks hinausläuft, von vornherein nicht in Betracht. Dass der behauptete Gleichheitsverstoß nicht vorliegt, hat das Verwaltungsgericht ausführlich und überzeugend dargelegt. Dem hält der Zulassungsantrag nichts Stichhaltiges entgegen.
Die Rechtssache weist auch nicht die ihr von der Klägerin beigemessene grundsätzlicher Bedeutung auf, die nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zur Berufungszulassung führen würde. Die Frage, „ob eine Förderrichtlinie ergänzend auszulegen ist …, um ihren Förderzweck … überhaupt noch erfüllen zu können“, ist auf der Grundlage der oben genannten Rechtsprechung ohne weiteres – im Sinn des Verwaltungsgerichts – zu beantworten und bedarf keiner Klärung in einem Berufungsverfahren.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47‚ § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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