Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag eines Senegalesen auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft

Aktenzeichen  M 4 S 16.31011

Datum:
13.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3e, § 3d, § 29a, § 30 Abs. 1, § 34, § 36 Abs. 1, Abs. 4 S. 1, § 75 Abs. 1 , § 77 Abs. 2
AufenthG AufenthG § 59, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
GG GG Art. 19 Abs. 4, Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Die Antragstellerinnen (Mutter und ihre jüngere Tochter) begehren einstweiligen Rechtsschutz gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt), mit dem ihr Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist.
1. Die im Mai 2015 in das Bundesgebiet eingereisten Antragstellerinnen geben an, die senegalesische Staatsangehörigkeit zu besitzen. Sie hätten den Senegal im Dezember 2011 verlassen. Grund seien familiäre Probleme gewesen. Die Antragstellerin zu … sei 1983 zwangsverheiratet worden und jetzt sollte ihre ältere Tochter ebenfalls zwangsverheiratet werden und ihre jüngere Tochter sollte beschnitten werden.
Mit Bescheid vom 26. April 2016 lehnte das Bundesamt sowohl den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte (Ziffer 2. des Bescheids) als auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1. des Bescheids) als offensichtlich unbegründet ab, ebenso wurde der Antrag auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus als unbegründet abgelehnt (Ziffer 3. des Bescheids). Das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG wurde verneint (Ziffer 4. des Bescheids), die Antragstellerinnen wurden zur Ausreise aufgefordert, die Abschiebung wurde bei nicht fristgerechter Ausreise angedroht (Ziffer 5. des Bescheids). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 7 AufenthG wurde auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Ziffer 6. des Bescheids), das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet ab dem Tag der Abschiebung auf 30 Monate (Ziffer 7. des Bescheids).
Die Antragstellerinnen stammten aus einem sicheren Herkunftsland im Sinne von § 29a Abs. 2 AsylG. Sie hätten nichts vorgetragen, was ein Abweichen von dieser allgemeinen Einschätzung gebieten würde. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sei als offensichtlich unbegründet, die Zuerkennung des subsidiären Schutzes als unbegründet abzulehnen. Auch individuelle Gefahren, die das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes begründen könnten, seien nicht erkennbar.
Auf die Begründung des Bescheids wird im Einzelnen verwiesen.
2. Am 09. April 2016 erhoben die Antragstellerinnen gegen den Bescheid des Bundesamtes Klage (…).
Mit dieser wird unter Aufhebung des Bescheids die Verpflichtung der Beklagten, den Antragstellerinnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen hilfsweise den subsidiären Schutz zuzuerkennen bzw. bei ihnen das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen, verfolgt.
Über die Klage ist noch nicht entschieden.
Gleichzeitig wurde im vorliegenden Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Abschiebungsandrohung anzuordnen.
Zur Begründung wird auf das bisherige Vorbringen des Antragstellers verwiesen;
Die Antragsgegnerin hat sich im Verfahren nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte des Bundesamtes Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig, er bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Der Eilantrag richtet sich ausdrücklich nicht gegen die Einreise- und Aufenthaltsverbotsentscheidungen in den Ziffern 6. und 7. des Bescheids des Bundesamtes vom 11. Januar 2016, sondern nur darauf, dass das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gegen die kraft Gesetzes ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5. Satz 2 des Bescheids anordnen soll.
Dieser Antrag ist zulässig, da nach § 75 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) i. d. F. d. Bek. 2. September 2008 (BGBl I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 1 Nr. 50 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl I. S. 3474), Klagen gegen ablehnende Asylentscheidungen nur im Falle einer mit der Ablehnung verbundenen Ausreisefrist von 30 Tagen (§ 38 Abs. 1 AsylG) aufschiebende Wirkung haben. Dies ist nach § 36 Abs. 1 AsylG bei den als offensichtlich unbegründeten abgelehnten Asylanträgen der Antragstellerinnen nicht der Fall, der Antrag richtet sich zulässig damit auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung (§ 36 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 AsylG).
Der Antrag wurde rechtzeitig innerhalb der Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG gestellt.
2. Der Antrag ist unbegründet.
a) Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG i. V. m. § 30 Abs. 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung in den Fällen, in denen der Asylantrag und der Antrag auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sind, nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Diese ernstlichen Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (grundlegend zur Ablehnung des Asylantrags als „offensichtlich unbegründet“ und zum Umfang der gerichtlichen Prüfung: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/189 ff. = juris Rn. 86 ff.).
Anknüpfungspunkt zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht muss daher die Prüfung sein, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann.
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur Rechtslage nach dem dem Abschiebungsverbot gemäß § 60 AufentG entsprechenden § 51 Ausländergesetz 1990: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
b) Nach der Maßgabe dieser Grundsätze bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, an die Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung. Das Gericht folgt zunächst den Ausführungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird ausgeführt:
aa) Im Antragsvorbringen ist zur Frage der Ablehnung des Flüchtlingsschutzes der Antragstellerinnen nichts vorgetragen, was eine Abweichung von der gesetzlichen Wertung begründen könnte.
Der Senegal ist in der Anlage II zu § 29a Abs. 2 AsylG als sogenannter sicherer Herkunftsstaat gelistet. Von den Antragstellerinnen sind keine Tatsachen oder Beweismittel angegeben, die eine von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat abweichende Bewertung rechtfertigen (vgl. § 29a Abs. 1 AsylG). Der Asylantrag war somit nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Die gleiche Beurteilung gilt für die Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet.
(1) Das Vorbringen der Antragstellerinnen – dieses als wahr unterstellt – genügt nicht den Anforderungen an eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure. Hinsichtlich der Gefahr der Beschneidung der Antragstellerin zu … wird auf die Ausführungen des Bundesamts verwiesen.
(2) Unabhängig davon bleibt das Begehren der Antragstellerinnen auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aber jedenfalls deshalb ohne Erfolg, weil ihnen in Anwendung von § 3d, § 3e AsylG ausreichender interner Schutz bei einer Rückkehr in den Senegal zur Verfügung steht. Es ist nach der Auskunftslage davon auszugehen, dass der senegalesische Staat willens und in der Lage ist, seine Staatsangehörigen zu schützen. Jedenfalls finden sie innerhalb der Großstädte des Landes ausreichende Ausweichmöglichkeiten (Bericht des Auswärtigen Amtes, a. a. O. S. 12 f.). Hinsichtlich des Vorbringens der Beschneidung wird ebenfalls auf die Ausführungen des Bundesamtes verwiesen.
bb) Die Ablehnung der Zuerkennung subsidiären Schutzes ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Insoweit gilt das Vorstehende in gleicher Weise, weil auch insoweit die Antragstellerinnen ausreichenden internen Schutz im Senegal vorfinden (§ 4 Abs. 3 i. V. m. § 3d, § 3e AsylG).
cc) Die Ablehnung mit der Folge des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung erfasst auch die Verneinung des Vorliegens von (nationalen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Auch zum Vorliegen von Abschiebungsverboten haben die Antragstellerinnen bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung nichts vorgetragen, was ein Abweichen von der Bewertung im angegriffenen Bescheid rechtfertigt.
(1) Die allgemein harten Lebensbedingungen im Senegal eröffnen keine Berufung auf den Schutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Zwar ist nach der Auskunftslage (Bericht des Auswärtigen Amtes im Hinblick auf die Einstufung der Republik Senegal als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG vom 21.11.2015 (Stand August 2015), dort zu Ziffer IV.1 – S. 15) davon auszugehen, dass die Versorgungslage im Senegal schlecht ist. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen kann der zurückkehrende Ausländer Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aber nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei seiner Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, d. h. gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 – 1 C 5/01 – BVerwGE 115, 1 m. w. N.; BVerwG, U. v. 29.9.2011 – 10 C 24/10 – NVwZ 2012, 451 Rn. 20).
(2) Das kann bei den Antragstellerinnen nicht angenommen werden.
Diese sind in der Lage, wie jeder andere dort Lebende in der vergleichbaren Situation, ihren Lebensunterhalt im Senegal durch eigene Tätigkeit sicherzustellen. Eine drohende Lebensgefahr ist bei einer Rückkehr nach der Auskunftslage nicht erkennbar.
dd) Die Ablehnung mit der Folge des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung erfasst auch die Verneinung des Vorliegens von (nationalen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch insoweit haben die Antragstellerinnen bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung nichts vorgetragen. Hinsichtlich der vorgetragenen Erkrankung wird auf den Bundesamtsbescheid verwiesen.
ee) Damit ist insgesamt die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassenen Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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