Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag gegen eine beabsichtigte Genehmigung einer Windkraftanlage

Aktenzeichen  W 4 E 18.557

Datum:
10.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 26932
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 2, § 80 Abs. 5, § 123 Abs. 1
BImSchG § 5
BNatSchG § 44

 

Leitsatz

1 Der Antrag, die Erteilung einer zukünftigen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zum Betrieb einer Windkraftanlage zu versagen, ist im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO unzulässig. Anträge, die in der Sache auf ein allgemeines Leistungsbegehren gerichtet sind, hier die Unterlassung des Erlasses eines künftigen Verwaltungsakts, scheiteren am fehlenden Rechtsschutzinteresse.     (Rn. 13 – 19) (redaktioneller Leitsatz)
2 Entsprechende Begehren müssen den Erlass des Verwaltungsakts abwarten und sich mittels Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage gem. § 42 VWGO bzw. einstweiligem Rechtsschutz gem. § 80 VwGO zur Wehr setzen. Ausnahme ist, dass der zukünftige Verwaltungsakt nach seinem Erlass nicht mehr aufhebbar wäre oder durch seine Vollziehung vollendete Tatsachen geschaffen würden bzw. ein nicht wieder gutzumachender Schaden entstünde. Dies ist vorliegend nicht der Fall. (Rn. 15 und 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine vom Antragsgegner beabsichtigte Genehmigung einer Windkraftanlage zugunsten der Beigeladenen.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin der landwirtschaftlich genutzten Grundstücke Fl.Nrn. 16… und 191… der Gemarkung Oberleinach sowie der Fl.Nr. 190… der Gemarkung Hettstadt. Die Grundstücke Fl.Nrn. 191… und 16 … der Gemarkung Oberleinach befinden sich nördlich bzw. nordwestlich des Grundstücks Fl.Nr. …48 der Gemarkung Hettstadt (Baugrundstück) und sind nur durch einen Flurweg von diesem getrennt. Das Grundstück Fl.Nr. 190… schließt sich im Westen des Baugrundstücks, ebenfalls nur durch einen Feldweg getrennt, mit einer Länge von ca. 70 m an dieses an. Das Baugrundstück weist in Nord-Süd-Richtung eine Länge von ca. 400 m und eine Breite zwischen 155 m (im Norden) und 250 m (im Süden) auf. Auf dem ca. 8,2 ha großen Baugrundstück, das im Flächennutzungsplan der Gemeinde Hettstadt als Sondergebiet für Windkraftanlagen dargestellt ist, wurde vom Antragsgegner mit Bescheid vom 26. September 2013 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 5. März 2014, 31. Juli 2014, 13. Oktober 2014 und 8. September 2015 eine Windkraftanlage genehmigt.
Durch Urteil vom 19. Mai 2015 (Az. W 4 K 14.604) wurde der Genehmigungsbescheid aufgehoben. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde mit Beschluss des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Oktober 2015 abgelehnt.
Unter dem 5. Januar 2016 ordnete der Antragsgegner die Stilllegung der streitgegenständlichen Windkraftanlage an.
Auf Antrag der B. … GmbH wurde im Jahr 2016 durch den Antragsgegner das Verfahren fortgeführt. Der Antragstellerin wurde der Entwurf eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheids zur Errichtung und zum Betrieb einer Windkraftanlage, Enercon E 101, 3 MW Leistung, 135,40 m Nabenhöhe, auf dem Grundstück Fl.Nr. …48 der Gemarkung Hettstadt zur Kenntnisnahme und Anhörung übersandt.
Die Antragstellerin ließ am 25. April 2018 durch ihren Bevollmächtigten beantragen,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, es bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu unterlassen, eine Genehmigung zu Gunsten der streitgegenständlichen WKA Hettstadt Enercon E 101, Flurstück …48, Gemarkung Hettstadt, Az. FB 53- … … … zu erteilen.
Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass die in Aussicht genommene Regelung offensichtlich nichtig wäre aufgrund eines Verstoßes gegen das artenschutzrechtliche Eingriffsverbot gemäß § 44 BNatSchG, aber auch rechtswidrig, was der Antragsgegner aufgrund einer fehlerhaften und defizitären UVP zu beurteilen beabsichtige. Schließlich würde die Genehmigung gegen drittschützende Rechte der Antragstellerin verstoßen, weil die Zulassung des Betriebs der Anlage zu unzulässigen optischen und akustischen Immissionen auf den Spalierobstanlagen der Antragstellerin führen würde. Darüber hinaus würde eine Genehmigung auch gegen die behördliche Schutzpflicht verstoßen, weil ein konkreter Gefahrenverdacht hinsichtlich erheblicher nachteiliger Auswirkungen i.S.v. § 5 BImSchG auf den Gutshof und die Spalierobstanlagen der Antragstellerin in Folge von Infra- und Körperschall bestehe, der dazu führe, dass die Anlagen bis zur endgültigen Klärung und Ausräumung dieses Verdachts nicht betrieben werden dürften. Auf sämtliche der vorgenannten Aspekte könne sich die Antragstellerin auch berufen.
Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz vom 9. Mai 2018,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antrag sei unzulässig. Zum einen fehle es dem Antrag wegen seines Charakters als vorbeugendem Unterlassungsantrag an einem Rechtsschutzinteresse. Deswegen werde der Antrag durch die Antragstellerin auch rechtsmissbräuchlich eingesetzt, so dass auch aus diesem Grund kein Rechtsschutzbedürfnis bestehe.
Die Beigeladene beantragte mit Schreiben vom 22. Mai 2018, den Antrag abzulehnen.
Das Eilgesuch sei offensichtlich unzulässig. Insbesondere sei schon ein Sicherungsgrund weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag, mit dem die Antragstellerin erreichen will, dass dem Antragsgegner untersagt wird, der Beigeladenen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zum Betrieb einer Windkraftanlage zu erteilen, bleibt ohne Erfolg.
Für dieses Begehren kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO nicht in Betracht. Der Antrag ist unzulässig, weil der Antragstellerin für dieses Begehren jedenfalls ein Rechtsschutzinteresse nicht zur Seite steht.
Der Antrag ist in der Sache offensichtlich auf ein allgemeines Leistungsbegehren gerichtet, mit dem Ziel, die Unterlassung eines Verwaltungsakts im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO sichern zu lassen. Die Antragstellerin hat allerdings nicht glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise die Notwendigkeit vorbeugenden Rechtsschutzes anerkannt ist, vorliegen. Bereits eine Leistungsklage auf Unterlassung eines Verwaltungsakts ist grundsätzlich nur als Ausnahme zulässig, weil nach der Systematik der VwGO die allgemeine Leistungsklage überall dort ausgeschlossen ist, wo die Verwaltung befugt ist, über die Gewährung oder Versagung der begehrten Leistung durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Wie sich aus § 42 Abs. 2 VwGO entnehmen lässt, ist die Zulässigkeit von Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen zwingend an das Vorliegen bzw. die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts geknüpft. Hieraus ergibt sich, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen bei Streitigkeiten, in denen es – wie hier – um Verwaltungsakte geht, insoweit durch § 42 VwGO abschließend geregelt sind. Darüber hinaus würde die Zulässigkeit einer allgemeinen, einen Verwaltungsakt betreffenden Leistungsklage, zu einer Umgehung der für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen speziellen Zulässigkeitsvoraussetzung der Klagefrist führen. Geht die VwGO daher vom Grundsatz eines repressiven Rechtsschutzes gegen Verwaltungsakte aus, so ist der Adressat bzw. der Drittbetroffene eines künftigen Verwaltungsakts gehalten, den Erlass des Verwaltungsakts abzuwarten, um sich danach gegen diesen zur Wehr zu setzen. Nur dann, wenn der Verwaltungsakt nach seinem Erlass nicht mehr aufhebbar wäre oder durch seine Vollziehung vollendete Tatsachen geschaffen würden bzw. ein nicht wieder gutzumachender Schaden entstünde, ist eine Unterlassungsklage gegenüber einem drohenden Verwaltungsakt zulässig (vgl. zum Ganzen: Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, Rn. 33 f. vor § 40).
Wird – wie im vorliegenden Fall – der Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO begehrt, ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass § 123 Abs. 1 VwGO grundsätzlich keinen vorbeugenden Rechtsschutz mit dem Ziel gewährt, die Entscheidungsfreiheit der Verwaltung im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeiten und Aufgabenerfüllung durch richterliche Anordnungen einzuengen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt daher nur in Betracht, wenn der von einem belasteten Verwaltungsakt Betroffene keinen wirksamen Rechtsschutz gegen drohende schwere und unzumutbare Nachteile erlangen kann, die nicht mehr beseitigt werden können (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., Rn. 3 zu § 123 m.w.N.). Der Bayer. Verwaltungsgerichtshof führt in seinem Beschluss vom 28. April 1992 (Az. 21 CE 92, 949 – juris) diesbezüglich aus:
„Abgesehen davon gewährt § 123 Abs. 1 VwGO im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Prinzip der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG, Art. 4 und 5 BayVerf) grundsätzlich keinen vorbeugenden Rechtsschutz mit dem Ziel, die Entscheidungsfreiheit der Verwaltung im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeiten und Aufgabenerfüllungen durch richterliche Anordnungen einzuengen, in dem ihr durch Gerichtsbeschluss der Erlass eines in die Rechte des Bürgers eingreifenden Verwaltungsaktes verboten werden soll. In diesen Fällen ist es deshalb dem Bürger zuzumuten, den Erlass des Verwaltungsaktes abzuwarten und sodann die nach der Verwaltungsgerichtsordnung gegebenen Rechtsbehelfe und Rechtsmittel (… Anfechtungsklage und Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO) auszuschöpfen (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO, wonach einstweilige Anordnungen bei für sofort vollziehbar erklärten Verwaltungsakten ausgeschlossen sind). Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass in Fällen, die unter § 80 Abs. 5 VwGO fallen, Anträge nach § 123 Abs. 1 VwGO nicht statthaft sind, ist wegen der in Art. 19 Abs. 4 GG enthaltenen Garantie umfassenden Rechtsschutzes nur dann geboten, wenn der von einem belasteten Verwaltungsakt Betroffene – auch wenn dessen Erlass erst angekündigt ist – über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO keinen wirksamen Rechtsschutz gegen drohende schwere und unzumutbare Nachteile, die auch durch eine spätere Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden können, erlangen kann.“
Beurteilt man den vorliegenden Fall nach diesen Grundsätzen, kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung vorliegend nicht in Betracht. Es ist unter Berücksichtigung des Vortrags der Antragstellerin in den Schriftsätzen an das Verwaltungsgericht nicht ersichtlich und von der Antragstellerin auch nicht substantiiert vorgetragen, dass eine der Beigeladenen später eventuell erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung aus rechtlichen Gründen nicht aufgehoben werden könnte. Die Antragstellerin hat auch nicht behauptet, mit einer der Beigeladenen erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung als solche würden bereits vollendete Tatsachen geschaffen und es entstünde ein nicht wieder gutzumachender Schaden. Dies anzunehmen, geben auch die Verwaltungsvorgänge keinen Anlass.
Die Antragstellerin hat im Übrigen die Möglichkeit, innerhalb der Klagefrist jederzeit gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung durch den Antragsgegner, sollte eine solche denn ergehen, Anfechtungsklage einzureichen. Sollte der Antragsgegner die sofortige Vollziehung anordnen, besteht für sie die weitere Möglichkeit, einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO bei Gericht zu stellen. Solche Verfahren werden von den Verwaltungsgerichten mit der gebotenen Eile betrieben. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass es bei einem entsprechenden Hinweis der Antragstellerin auf die besondere Eilbedürftigkeit für das Verwaltungsgericht die Möglichkeit gibt, darauf hinzuwirken, vom Antragsgegner und dem Beigeladenen unmittelbar nach Eingang des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO eine Erklärung zu erhalten, wonach diese bis zur gerichtlichen Entscheidung von Vollziehungsmaßnahmen absehen. Sollte diese – im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO übliche – Erklärung vom Antragsgegner bzw. vom Beigeladenen nicht abgegeben werden, dürften der Antragstellerin gleichwohl keine irreparablen Nachteile drohen, denn in diesem Fall kann das Verwaltungsgericht (gegebenenfalls durch den Vorsitzenden, vgl. § 80 Abs. 8 VwGO) ohne weitere Sachprüfung die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung des Gerichts wiederherstellen (vgl. Schmidt in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 80 Rn. 111; Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl., § 123 Rn. 3). Einen solchen „Hängebeschluss“ kann die Antragstellerin auch zusammen mit ihrem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragen oder anregen.
Da nach alldem ein besonders qualifiziertes, d.h. gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse nicht vorhanden ist und von der Antragstellerin in dem Schriftsatz vom 25. April 2018 auch nicht substantiiert geltend gemacht wird, dieser sich vielmehr mit der Nichtigkeit bzw. Rechtswidrigkeit des Genehmigungsentwurfs auseinandersetzt, war der Antrag mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO abzulehnen. Mit Rücksicht darauf, dass die Beigeladene ebenfalls einen Sachantrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, der Antragstellerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen.
Die Streitwertfestsetzung beruht im Hinblick darauf, dass der vorliegende Antrag nur auf vorläufigen Rechtsschutz gerichtet ist, auf § 52 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.

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