Verwaltungsrecht

Erfolgloser Asylantrag eines pakistanischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  M 32 K 17.44273

Datum:
3.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 55928
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung hat; dies ist für Pakistan der Fall. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden, da die Beklagtenseite ordnungsgemäß geladen worden war (die Beklagte hat mit allgemeiner Prozesserklärung auf die Einhaltung der Ladungsfrist und die förmliche Ladung gegen Empfangsbekenntnis verzichtet) und in der Ladung darauf hingewiesen worden war, dass bei Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der streitgegenständliche Bescheid stellt sich im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) als rechtmäßig dar und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat auch unter Einbeziehung seines Vorbringens in der mündlichen Verhandlung weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG), noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG). Ebenso wenig liegen Abschiebungsverbote (§ 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG) vor. Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes erweist sich als rechtmäßig (§ 11 AufenthG). Die Klage war daher sowohl in Bezug auf den Hauptantrag, als auch in Bezug auf die als Hilfsanträge gem. § 88 VwGO auszulegenden Anträge abzuweisen.
Das Gericht folgt den Feststellungen und der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzt wie folgt:
1. Ein Anspruch auf die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz besteht nicht. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
1. aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2. außerhalb des Landes befindet,
a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will
und kein Ausschlussgrund nach § 3 Abs. 2 bis 4 AsylG vorliegt.“
Weitere Einzelheiten zum Begriff der Verfolgung, den maßgeblichen Verfolgungsgründen sowie zu den in Betracht kommenden Verfolgungs- und Schutzakteuren regeln die §§ 3a bis 3d AsylG.
Für die Beurteilung dieser Frage gilt der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Dieser setzt voraus, dass bei zusammenfassender Würdigung des zur Prüfung stehenden Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung vorzunehmen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – juris Rn. 24; B.v. 7.2.2008 – 10 C 33/07 – juris Rn. 37). Der Vorverfolgte wird dabei privilegiert durch die – durch stichhaltige Gründe widerlegbare – Vermutung, dass sich eine frühere Verfolgung oder Schädigung bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen wird (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5.09 – juris Rn. 23).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss das Gericht auch in Asylstreitigkeiten die volle Überzeugung von der Wahrheit – und nicht etwa nur der Wahrscheinlichkeit – des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet. Auf die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und die Glaubwürdigkeit seiner Person kommt es entscheidend an. An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. BVerfG, B.v. 29.11.1990 – 2 BvR 1095/90 – juris Rn. 14; BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – juris Rn. 3).
Gemessen an diesen Kriterien liegen die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylG für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vor. Es besteht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Pakistan Verfolgung i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG droht.
Das Gericht hat Zweifel an der Glaubhaftigkeit des klägerischen Vorbringens, da sich der klägerische Vortrag als widersprüchlich darstellt, er unterschiedliche Angaben gemacht hat und seine Darstellung nach der Lebenserfahrung unplausibel erscheint.
Zu seinen Verfolgern gab er in der Anhörung an, dass es sich um Anhänger der Gruppe Sipah-e-Sahaba handele und er auch mit dem Leiter der Gruppierung einen persönlichen Konflikt habe; nur am Rande erwähnte er in der Anhörung, dass er bei einer Rückkehr generell die Sunniten fürchte. In der mündlichen Verhandlung antwortete er auf die Frage, wie viele Mitglieder die Verfolgergruppe habe, dass es sechs verschiedene Gruppen gebe und nur eine davon Sipah-e-Sahaba sei. Etwa 80% der pakistanischen Bevölkerung seien einer solchen Gruppe zugehörig. Dies erscheint unplausibel, weil man ansonsten beinahe allen Nicht-Schiiten Pakistans (Anteil der Schiiten liegt bei ca. 15-20%, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der islamischen Republik Pakistan, 2018, S. 12, 14) eine Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppierung unterstellen würde. Des Weiteren gab der Kläger in der Anhörung an, er habe erst von den polizeilichen Ermittlungen gegen ihn erfahren, als er 2015 wieder nach Gujrat zurückgekehrt sei. Im Gegensatz dazu hat er in der mündlichen Verhandlung ausgesagt, dass er nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus im Jahre 2009 davon erfahren habe. Der vom Kläger erzählte Vorfall aus dem Mai 2011, wo er von einer unbekannten Person mit einer Peitsche bedroht worden sei, weist keinen erkennbaren Bezug zu der bisherigen Verfolgungsgeschichte auf. Auch der Vorfall im August 2013 bezog sich nicht auf den Kläger persönlich. Das gleiche gilt für den in der mündlichen Verhandlung erwähnten Vorfall im Restaurant in Karachi. Zu seiner schulischen Ausbildung sagte der Kläger in der Anhörung, er habe nach 12 Jahren die Schule abgeschlossen, in der mündlichen Verhandlung erklärte er hingegen, auf Grund der Verfolgung habe er die Schule abbrechen müssen und habe zur Koranschule gewechselt. Unterschiedliche Aussagen gibt es auch zu seiner Position bei der schiitischen Gemeinde: Laut Anhörung sei er der Leiter der Jugendlichen seiner Gemeinde gewesen, in der mündlichen Verhandlung ließ sich dem von ihm eingereichten Zeitungsartikel entnehmen, dass er Generalsekretär einer schiitischen Gemeinde war.
Auch die vom Kläger vorgelegten Unterlagen vermögen seinem Vortrag nicht zur Glaubhaftigkeit zu verhelfen. Zum einen ist bei pakistanischen Unterlagen bekanntermaßen die Zahl inhaltlich ge- oder verfälschter Unterlagen sehr hoch. Es ist problemlos möglich, ein (Schein-) Strafverfahren gegen sich selber in Gang zu bringen, in dem die vorgelegten Unterlagen (z.B. First Information Report) dann formal echt sind. Ebenso ist es leicht möglich, Zeitungsartikel gegen Bezahlung oder über Beziehungen veröffentlichen zu lassen (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, 2018, S. 25). Zum anderen sind die vorgelegten Unterlagen auch inhaltlich unplausibel. Das Schreiben des pakistanischen Anwalts vom 24. Juli 2017 steht zeitlich in sehr engem Zusammenhang mit dem ablehnenden Bescheid, obwohl das Urteil laut Vermerk im Dezember 2016 ergangen war. Zudem führt der Anwalt darin aus: „The accused took the pre arrest bail.“, was ungefähr bedeutet, dass der Kläger, noch bevor es zu einer Verhaftung kommen konnte, eine Kaution gezahlt habe. In der mündlichen Verhandlung führte der Kläger auf eine mit der Verhaftung in Zusammenhang stehende Kautionszahlung angesprochen aus, dass dies nicht stimme und er nur fünf bis zehn Minuten bei der Polizei gewesen sei. Zudem erscheint das Urteil, das dem Gericht zunächst in englischer Version vorgelegt worden ist, grammatikalische Fehler aufzuweisen, was ebenfalls für eine Fälschung sprechen würde. Die Übersetzerin, die das englischsprachige Urteil ins Deutsche übersetzt hat, schreibt in Ihrer Abschlussfeststellung, dass das von ihr übersetzte Originaldokument eine Übersetzung aus Urdu in die englische Sprache sei. Dies ergibt sich mangels entsprechendem Vermerk oder Stempel auf dem Originaldokument für das Gericht nicht. Zudem ist für das Gericht nicht plausibel, warum im Urteil als Tatzeitpunkt der 10. November 2012 genannt wird, obwohl der vom Kläger als ausschlaggebendes Ereignis in der Anhörung der 25. September 2009, in der mündlichen Verhandlung dann „nach April im Jahr 2009“ genannt worden ist. Die Erklärung des Klägers, diese zeitliche Differenz von drei Jahren ergebe sich dadurch, dass der Kläger im Jahre 2009 noch nicht volljährig und damit nicht strafmündig gewesen sei und die Gegner erst 2012 ein Ermittlungsverfahren gegen ihn einleiten konnten. Diese Erklärung greift jedoch nicht, da in Pakistan Jugendliche mit 14 Jahren uneingeschränkt strafmündig werden (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, 2018, S. 16). Zudem steht die Einleitung des Strafverfahrens erst mit dem FIR aus 2012 im Widerspruch zu der klägerischen Aussage, er habe von den polizeilichen Ermittlungen gegen ihn erfahren, als er im Jahre 2009 aus dem Krankenhaus entlassen worden sei. Schließlich ist zu bezweifeln, dass die FIRs vom 10. November 2012, 23. Januar 2013 und 7. März 2016 inhaltlich den darin behaupteten Tatsachen entsprechen, da diese abgesehen davon, dass sie trotz des zeitlichen Abstände sehr ähnlichen Wortlauts sind, ausnahmslos von Anzeigeerstattern herrühren, die offensichtlich bei der Polizei angegeben haben, Mitglieder der verbotenen Gruppierung „Sapah Sahaba Ahle Hadees“ zu sein (vgl. Home Office, Country Information and Guidance Pakistan: Shia Muslims = Independent Advisory on Country Information (IAGCI) Home Office, 2015, S. 9).
Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob der Vortrag des Klägers glaubhaft ist. Denn auch bei unterstellter Glaubhaftigkeit der Aussage liegen die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylG für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft jedenfalls nicht vor.
Der Sachvortrag des Klägers knüpft zwar an ein flüchtlingsrelevantes Merkmal nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG, und zwar der Religion, an.
Auf eine Gruppenverfolgung auf Grund seiner Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Schiiten kann sich der Kläger jedoch nicht berufen. Die Gefahr einer gegen Schiiten gerichteten Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure in Gestalt sunnitischer Extremisten, wie der Gruppe Sipah-e-Sahaba, scheitert daran, dass die hierzu notwendige Verfolgungsdichte nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht vorliegt: Die Bevölkerung Pakistans wurde wird auf über 200 Millionen geschätzt (vgl. EASO, Herkunftsländerinformationen, Pakistan Länderüberblick, 2015, S. 19; Home Office, Pakistan: Background information, including actors of protection, and internal relocation, 2017 = Independent Advisory on Country Information (IAGCI) Home Office, Inländische Fluchtalternative, 2017, S. 8). Über 95% davon sind Muslime. Der Anteil der Schiiten wird auf 5 bis 25% der Gesamtbevölkerung (vgl. Home Office, Country Information and Guidance Pakistan: Shia Muslims = Independent Advisory on Country Information (IAGCI) Home Office, 2015, S. 7; UNHCR, Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Members of Religious Minorities from Pakistan, 2017, S. 54) bzw. 20 bis 25% der Muslime (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, 2018, S. 16; EASO, Herkunftsländerinformationen, Pakistan Länderüberblick, 2015, S. 20) geschätzt.
Dem gegenüber zu stellen ist die Zahl der Verfolgungshandlungen. Dazu finden sich in den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln insbesondere folgende Angaben: Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes kommt es in Pakistan zwischen radikalen und gemäßigten Sunniten sowie vor allem zwischen radikalen Sunniten und der schiitischen Minderheit immer wieder zu Gewaltakten. 2015 seien bei religiös motivierten Anschlägen 220 Menschen getötet und 283 Personen verletzt worden. Zu besonderen Feiertagen der Glaubensgemeinschaften setze die Polizei große Kontingente ein, um Übergriffe zu verhindern; radikale Prediger erhielten mitunter Redeverbot. Die Regierung gehe verstärkt gegen die illegale Nutzung von Moscheelautsprechern für kriegerische Botschaften sowie gegen Hassprediger vor und habe in erheblichem Umfang Material beschlagnahmt, das zu interreligiöser Intoleranz und Hass aufrufe sowie religiös motivierte Gewaltanwendung verherrliche (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, 2018, S. 16). Das britische Home Office stellt fest, dass schiitische und sunnitische Gemeinschaften im Allgemeinen integriert sind und im Alltag Seite an Seite leben. Eine erhebliche Anzahl Schiiten ist danach in vielen Landesteilen zu finden; große schiitische Gemeinschaften gibt es in vielen urbanen Zentren Pakistans, einschließlich Karachi, Lahore, Rawalpindi, Islamabad, Peschawar, Multan, Jhang und Sarghoda. Es gebe viele Städte ohne interkonfessionelle Spannungen. Im Allgemeinen seien die pakistanischen Behörden auch gewillt, Schiiten zu beschützen, insbesondere während des für die Schiiten besonders wichtigen Monats Muharram, und auch schiitischen Pilgern auf dem Weg in den und aus dem Iran sei Schutz gewährt worden. Begrenzt werde die Schutzfähigkeit durch knappe Ressourcen (Home Office, Pakistan: Shia Muslims, 2015, S. 5). Gleichwohl habe das South Asia Terror Portal im Jahr 2013 eine Zahl von 81 gegen Schiiten gerichteten Ereignissen mit 504 Toten und 965 Verletzten aufgezählt (Home Office, Pakistan: Shia Muslims, 2015, S. 7 f.). In den meisten Fällen gebe es für Schiiten die Möglichkeit, in andere Teile Pakistans auszuweichen (a.a.O. S. 5). Einem Bericht des Home Office über interreligiöse Gewalt aus dem Jahr 2014 lässt sich entnehmen, dass diese seit 2010 stark angestiegen und im Wesentlichen auf Quetta, Kurram, Teile Karachis und Gilgit Balistan konzentriert ist. Die Mehrheit der Anschläge sei gegen die schiitische Gemeinschaft gerichtet. Antischiitische und militante Gruppen stellten die größte Gefahr für Schiiten in Pakistan dar, wobei es in Bezug auf die Intensität und Häufigkeit regionale Unterschiede gibt (a.a.O. S. 4). Nach Auskunft des European Asylum Support Office sind Schiiten in größerer Zahl zu finden in Peschawar, Kohat, Hangu und Derat Ismael Khan in Khyber Pakthunkhwa, in den Agenturen Kurram und Orakza in den FATA (Stammesgebieten unter Bundesaufsicht), in und um Quetta und an der Makran-Küste in Belutschistan, in Gebieten im Süden und der Mitte von Punjab und im ganzen Sindh. Große Schiitengemeinschaften fänden sich in vielen Städten in Pakistan. Der schiitische Glaube sei in Pakistan nicht auf bestimmte ethnische, sprachliche oder Stammesgruppen beschränkt. Mit Ausnahme der Hazaras ließen sich pakistanische Schiiten äußerlich oder sprachlich nicht von den pakistanischen Sunniten unterscheiden. Überall im Land seien sunnitische und schiitische Gemeinschaften im Allgemeinen gut integriert, lebten in gemischten Dörfern und heirateten auch untereinander. Auch wenn die Mehrheit der Bevölkerung in Pakistan sunnitisch sei, hätten Schiiten immer herausragende und machtvolle Positionen inne gehabt und Einfluss auf Struktur und Entwicklung des pakistanischen Staates genommen. Der Gründer Pakistans, Mohammed Al Jinnah, habe der schiitischen Gemeinschaft zugehört, genauso wie der politisch wohlbekannte Bhutto-Clan. Schiiten könnten Regierungsämter übernehmen und hätten hohe Ämter inne, so wie der frühere Präsident Asif Ali Zadari. Sie seien vertreten im pakistanischen Council of Islamic Ideology, dem in der Verfassung vorgesehenen Organ, das die Regierung in Fragen der islamischen Rechtsprechung und Praxis berate. Es gebe keine Gesetze oder Regierungsstrategien, die Schiiten diskriminierten. Auch werde die freie Religionsausübung der Schiiten durch kein Gesetz eingeschränkt. Es gebe wenig gesellschaftliche Diskriminierung, die Schiiten in ihrem Alltag einschränken könne. Gelegentlich komme es aber zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Gemeinschaften der Sunniten und Schiiten. Anschläge sunnitischer extremistischer Gruppen gegen die Schiitengemeinschaft hätten zahlreiche Todesopfer gefordert (EASO, Pakistan, Länderüberblick, 2015, S. 108 ff.). Der UNHCR berichtet ebenfalls von konfessioneller Gewalt zwischen Sunniten und Schiiten, zwischen 2012 und 2015 seien 1.270 Menschen Opfer interkonfessioneller Gewalt geworden, zwischen Januar und gegen Ende November 2016 seien 24 Schiiten getötet und drei verletzt worden (UNHCR, Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Members of Religious Minorities from Pakistan, 2017, S. 58 f.).
Bei Würdigung und Bewertung dieser Erkenntnismittel im Wege einer Gesamtschau ist das Gericht in Anwendung der vorgenannten Maßstäbe der Überzeugung, dass Schiiten allein aufgrund ihrer Glaubenszugehörigkeit, also ohne hinzukommende persönliche erhebliche Gefährdungsmerkmale, in Pakistan keiner hieran anknüpfenden landesweiten gruppengerichteten religiösen oder politischen Verfolgung durch extremistische Sunniten ausgesetzt sind. Eine religiöse oder politische Verfolgung von Schiiten durch die derzeitige pakistanische Regierung – in Gestalt eines staatlichen Verfolgungsprogramms – ist nach der Auskunftslage nicht ersichtlich und wird auch von den Klägern nicht behauptet. Danach ist festzustellen, dass bei einer wertenden Betrachtungsweise nicht für jeden Schiiten in Pakistan ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit besteht. Angesichts des Verhältnisses von Bevölkerungsgruppe und Übergriffen liegt nicht für jedes Gruppenmitglied im flüchtlingsrechtlichen Sinn eine aktuelle und hinreichend konkrete Gefahr, Opfer eines Anschlages zu werden, vor (vgl. auch VG Köln, U.v. 3.7.2015 – 23 K 581/14.A – juris Rn. 25 ff; VG Augsburg, U.v. 22.8.2013 – Au 6 K 13.30182 – juris Rn. 20; VG München, U.v. 30.1.2019 – M 23 K 17.45205 – noch nicht veröff.). Gefahrerhöhende Merkmale sind hier nicht ersichtlich.
Darüber hinaus fehlt es gem. § 3c AsylG an einem relevanten Verfolgungsakteur. Individuelle Probleme mit staatlichen Behörden oder deren Vertretern hat er nicht vorgetragen. Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass das gegen ihn anhängige Strafverfahren seitens der Behörden auf Grund eines relevanten Verfolgungsgrundes betrieben wird.
Zwar kann eine relevante individuelle oder Gruppenverfolgung auch von nichtstaatlichen Akteuren, wie Anhängern extremistischer sunnitischer Gruppierungen, ausgehen, sofern die staatlichen Strukturen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten (§ 4 Abs. 3 Satz 1, § 3c Nr. 3 AsylG). Sollte der Kläger tatsächlich von Sipah-e-Sahaba oder anderen extremistischen Gruppierungen verfolgt werden, so muss er sich darauf verweisen lassen, staatlichen Schutz in Anspruch zu nehmen und könnte dies auch. Es ist nicht ersichtlich, dass eine im Einzelfall möglicherweise fehlende Schutzbereitschaft des Staates Ausdruck einer grundsätzlichen Schutzunwilligkeit oder Schutzunfähigkeit des pakistanischen Staates gegenüber Bedrohungslagen, wie sie der Kläger geschildert hat, wäre. Kein Staat ist in der Lage, lückenlosen Schutz vor kriminellen Übergriffen Dritter zu bieten. Dies wird – unter Hinweis auf bestehende Defizite – auch durch die vorliegenden Erkenntnismittel bestätigt (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, 2018, S. 9f.).
Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen Gruppenverfolgung oder wegen individueller Verfolgung scheidet jedenfalls aus, weil sich der Kläger auf internen Schutz nach § 3e AsylG verweisen lassen muss. Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nach Abs. 1 Nr. 1 dieser Vorschrift nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat. Nach der aktuellen Erkenntnislage (Auswärtiges Amt, Lagebericht, a.a.O., S. 19) können potentiell Verfolgte in den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Karachi, Peshawar oder Multan aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Land leben; selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, können in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben. In einem flächen- und bevölkerungsmäßig großen Land wie Pakistan (Fläche 880.254 km², über 200 Millionen Einwohner) ohne funktionierendes Meldewesen ist es grundsätzlich möglich, bei Aufenthaltnahme in einer der größeren Städte dauerhaft der Aufmerksamkeit der lokalen Behörden oder eines Verfolgers zu entgehen (Auswärtiges Amt, Stellungnahme an VG Leipzig v. 15.1.2014). Gemäß der Auskunft von Accord vom 5. Februar 2015 führt der Ermittlungsbericht des Vertrauensanwalts der österreichischen Botschaft in Islamabad vom Juli 2013 aus, dass selbst eine Person, die von einem Konfliktherd mit Taliban fliehe, durchaus in einer pakistanischen Stadt in den Provinzen Sindh oder Punjab Zuflucht finden könne. Hinsichtlich der Sicherheit würden in Pakistan – schon aufgrund der Größe des Landes – interne Fluchtalternativen bestehen (vgl. allgemein zur Annahme einer inländischen Fluchtalternative: VG Augsburg, U.v. 30.3.2015 – Au 3 K 14.30437 – juris Rn. 49ff; VG Ansbach, U.v. 7.8.2014 – AN 11 K 14.30589 – juris Rn. 27ff).
Es ist nicht erkennbar, dass es dem Kläger nicht möglich sein sollte, sich in einer dieser Großstädte niederzulassen und dort unbehelligt von seinen mutmaßlichen Verfolgern zu leben. Der Kläger hat eine solche Exponiertheit, dass ihm landesweite Verfolgung drohen würde, nicht glaubhaft gemacht. Zwar mag er – die Glaubhaftigkeit seines Vortrags unterstellt – in seinem Heimatdorf sowie in der Region Gujrat durch sein Engagement bei der schiitischen Gemeinde, durch Zeitungsberichte und Plakataktionen Bekanntheit erlangt haben. Jedoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass angesichts des Bevölkerungsreichtums Pakistans sowie der ins Land gegangenen Jahre die Glaubensgemeinschaft Sipah-e-Sahaba bzw. andere sunnitisch-extremistische Gruppierungen ihn landesweit suchen würden, so dass eine solche Verfolgung beachtlich wahrscheinlich wäre.
Auch kann vom Kläger vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich in diesem Landesteil niederlässt (§ 3e Abs. 1 Nr. 2 a.E. AsylG). Es ist davon auszugehen, dass der Kläger in den Großstädten Pakistans bzw. in anderen Landesteilen sein Existenzminimum sicherstellen kann. Mit Blick auf die Zumutbarkeit innerstaatlicher Schutzalternativen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass von dem Betroffenen nur dann vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in dem verfolgungsfreien Landesteil aufhält, wenn er am Zufluchtsort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfindet, d.h. dort das Existenzminimum gewährleistet ist. Im Falle fehlender Existenzgrundlage ist eine interne Schutzmöglichkeit nicht gegeben; dies gilt auch dann, wenn im Herkunftsgebiet die Lebensverhältnisse gleichermaßen schlecht sind. Für die Frage, ob der Betroffene vor Verfolgung sicher ist und eine ausreichende Lebensgrundlage besteht, kommt es danach allein auf die allgemeinen Gegebenheiten im Zufluchtsgebiet und die persönlichen Umstände des Betroffenen an (BVerwG, U.v. vom 29.5.2008 – 10 C 11/07 – juris Rn. 32). Ein verfolgungssicherer Ort bietet erwerbsfähigen Personen das wirtschaftliche Existenzminimum in aller Regel dann, wenn sie dort, sei es durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen können. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder auf dem Bausektor, ausgeübt werden können (BVerwG, U.v. 1.2.2007 – 1 C 24/06 – juris Rn. 11).
Zwar ist festzustellen, dass die wirtschaftliche Situation in Pakistan schwierig, aber dennoch relativ stabil ist. Insbesondere in den Städten, die hier als verfolgungsfreier Landesteil zur Verfügung stehen, gibt es Beschäftigungsmöglichkeiten (vgl. Home Office, Pakistan: Background information, including actors of protection, and internal relocation = Independent Advisory on Country Information (IAGCI) Home Office, Inländische Fluchtalternative, 2017, S. 35 f.; EASO, Pakistan Länderüberblick, 2015, Seite 43). Es ist auch davon auszugehen, dass der Kläger als erwachsener, junger und arbeitsfähiger Mann mit einer 12-jährigen Schulbildung und Berufserfahrung als Nachhilfelehrer und in der Gastronomie sowie mit Hilfe seiner religiösen Gemeinschaft in einer pakistanischen Großstadt bzw. in anderen Landesteilen sein Existenzminimum sicherstellen kann. Weiterhin ist davon auszugehen, dass der Kläger, möglicherweise nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten, gewissen Übergangszeiten seinen Lebensunterhalt eigenständig sicherstellen kann.
2. Ferner sind die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach einer der Alternativen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 AsylG nicht gegeben.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt dabei neben der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG) die Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) sowie eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). Dabei muss die Art der Behandlung oder Bestrafung eine Schwere erreichen, die dem Schutzbereich des Art. 3 EMRK zuzuordnen ist und für den Fall, dass die Schlechtbehandlung von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht, muss der Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sein, Schutz zu gewähren (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3c Nr. 3 AsylG). Für die Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG gelten nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend. Damit werden die dortigen Bestimmungen über den Vorverfolgungsmaßstab, Nachfluchtgründe, Verfolgungs- und Schutzakteure und internen Schutz als anwendbar auch für die Zuerkennung subsidiären Schutzes erklärt.
Gemessen daran hat der Kläger keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG.
Im Herkunftsstaat erlitt er keinen ernsthaften Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG; weshalb ihm bei der Rückkehr ein ernsthafter Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG drohen würde, ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers nicht. Die Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG) hat der Kläger nicht ausdrücklich geltend gemacht und erscheint auch nicht beachtlich wahrscheinlich.
Es droht ihm auch keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG (zu den Begriffen vgl. VGH BW, U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 156 ff) durch einen Verfolgungsakteur i.S.d. § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3c AsylG. Der Kläger hat zwar vorgetragen, gegen ihn sei ein Strafurteil ergangen, er sei zur Fahndung ausgeschrieben und werde polizeilich gesucht. Ihm drohten 7 Jahre Freiheits- und 1 Million Rupien Geldstrafe. Allerdings ist der klägerische Vortrag diesbezüglich nicht glaubhaft (siehe oben). Das Gericht ist angesichts der dargestellten Widersprüche nicht davon überzeugt, dass der Kläger tatsächlich polizeilich gesucht wird. Im Übrigen ist dem Kläger zuzumuten, sich dem angeblich gegen ihn in Pakistan anhängigen Strafverfahren zu stellen. Denn es ist ihm abzuverlangen, dass er beweist, dass der Tatvorwurf nicht zutreffend ist. Zusätzlich ist einerseits nach Einschätzung des Auswärtigen Amts ein Entdecktwerden von mit Haftbefehl gesuchten Personen bei regulären Polizeikontrollen angesichts des unzuverlässigen und auf örtlicher bzw. regionaler Ebene schlecht organisierten Polizeiwesens höchst unwahrscheinlich (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Gießen vom 2. Mai 2017). Andererseits wurde weder vom Kläger vorgetragen, noch dem Gericht ersichtlich, dass dem Kläger im Falle eines Aufgreifens durch die Polizei sowie eines gegebenenfalls folgenden Gefängnisaufenthalts Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG droht. Die Verhältnisse in Pakistans Gefängnissen sind zwar sehr schlecht, jedoch kann eine systematische Verletzung des Art. 3 EMRK noch nicht festgestellt werden. Insbesondere ist nach einer Gesamtabwägung unter Zuhilfenahme der zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger als Angehöriger des schiitischen Glaubens, der weder der Blasphemie beschuldigt wird, noch zum Tode verurteilt worden ist oder dem eine mit der Todesstrafe bedrohte Straftat vorgeworfen wird, einen ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zu befürchten hat (vgl. UK Home Office, Country Information and Guidance, Pakistan: Prison Conditions, Juni 2016, S. 6, 15f.).
Auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG (ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts) liegen nicht vor, da in Pakistan gegenwärtig kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vorliegt. Zum anderen weisen die dem Kläger in Pakistan drohenden allgemeinen Gefahren keine derart hohe Dichte bzw. keinen derart hohen Grad auf, dass praktisch jede Zivilperson bei einer Rückkehr allein durch ihre Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung für Leib und Leben ausgesetzt ist (zu den rechtlichen Maßstäben einschl. des lokalen Anknüpfungspunktes vgl. BVerwG, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9.08 – juris Rn. 15,17,18; BayVGH, B.v. 9.1.2015 – 13a ZB 14.30449 – juris Rn. 10). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichts ist bei einer geschätzten Gesamtbevölkerung von über 200 Millionen Menschen in Pakistan das Risiko, als Zivilperson Schaden an Leib oder Leben durch Anschläge zu erleiden, verschwindend gering (vgl. VG München, B.v. 29.1.2019 – M 32 K 16.35462 – noch nicht veröffentlicht; U.v. 21.1.2019 – M 32 K 16.35510 – noch nicht veröffentlicht; so auch bereits VG München, U.v. 19.5.2016 – M 23 K 14.31121 – juris Rn. 58).
Im Übrigen steht dem Kläger – wie oben ausgeführt – die Möglichkeit internen Schutzes offen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG).
3. Die Voraussetzungen für ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor.
a) Anhaltspunkte für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind nicht gegeben. Danach darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 4 AuslG (BVerwG, U.v. 11.11.1997 – 9 C 13/96 – juris Rn. 8ff) umfasst der Verweis auf die EMRK lediglich Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen. Insbesondere sind zu nennen das Recht auf Leben (Art. 2 Abs. 1 EMRK) und das Verbot der Folter (Art. 3 EMRK). Für die Frage, wie die Gefahr beschaffen sein muss, mit der die Rechtsgutverletzung droht, ist auf den asylrechtlichen Prognosemaßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ zurückzugreifen.
Ein solches zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis liegt nicht vor. In den Fällen, in denen gleichzeitig über die Gewährung eines subsidiären Schutzstatus (§ 4 AsylG) und eines nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet bei Verneinung der Voraussetzungen des § 4 AsylG regelmäßig – so auch hier – die Annahme eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Gründen aus (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 36).
b) Es liegt auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Unerheblich ist dabei, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Umständen sie beruht. Für die Annahme einer „konkreten“ Gefahr im Sinne dieser Vorschrift genügt aber nicht die bloße Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in die geschützten Rechtsgüter zu werden. Vielmehr ist insoweit der Maßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ anzuwenden und zwar unabhängig davon, ob der Ausländer vorverfolgt ausgereist ist oder nicht. Zudem muss eine auf den Einzelfall bezogene, individuell bestimmte und erhebliche, also auch alsbald nach der Rückkehr eintretende Gefährdungssituation vorliegen und es muss sich um Gefahren handeln, die dem Ausländer landesweit drohen, denen er sich also nicht durch Ausweichen in sichere Gebiete seines Herkunftslandes entziehen kann. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfasst also nur einzelfallbezogene, individuell bestimmte Gefährdungssituationen. Gefahren, denen die Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppen allgemein ausgesetzt ist bzw. sind, werden indes allein bei Entscheidungen über eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG berücksichtigt. Allgemeine Gefahren in diesem Sinn unterfallen § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG selbst dann nicht, wenn sie den Einzelnen konkret und individualisierbar zu treffen drohen. Angesichts der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG kann ein Ausländer daher in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG Abschiebungsschutz nur dann beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr in sein Heimatland aufgrund der dortigen Existenzbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre oder sonst eine individuelle existenzielle Gefahr für ihn besteht. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 zu gewähren. Die Abschiebung muss somit ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen“ ausgeliefert würde und sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren würden.
Hiervon ausgehend vermag das Gericht keine erhebliche individuelle Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit des Klägers i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bei seiner Rückkehr in sein Heimatland zu erkennen. Der Kläger ist ein junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann mit Arbeitserfahrung, von dem zu erwarten ist, dass er seinen Lebensunterhalt in Pakistan wird sichern können.
4. Gegen die auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG gestützte Abschiebungsandrohung bestehen keine Bedenken.
5. Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 75 Nr. 12 AufenthG i.V.m. § 11 Abs. 2 und 3 AufenthG erfolgte ermessensgerecht. Die Länge der Frist liegt exakt in der Mitte des von § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vorgegebenen Rahmens und begegnet keinen Bedenken. Besondere Anhaltspunkte für ein Abweichen liegen nicht vor. Auch insoweit wird auf die Ausführungen im Bescheid des Bundesamts verwiesen.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG und mit dem Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO abzuweisen.

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