Verwaltungsrecht

Erfolgloser Asylantrag eines Rohingya aus Bangladesch

Aktenzeichen  M 17 K 16.34183

Datum:
17.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 1, § 59, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
AsylG AsylG § 34, § 36 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Angehörige der Volksgruppe der Rohingya werden in Myanmar nicht als Staatsangehörige anerkannt. (redaktioneller Leitsatz)
2 Dem Kläger, der durch Heirat mit einer Bangladeschi die Staatsangehörigkeit von Bangladesch erworben haben will, steht vor Nachstellungen durch die Familie seiner Ehefrau in anderen Landesteilen von Bangladesch, dem – abgesehen von Stadtstaaten – mit ca. 160 Mio. Einwohnern am dichtesten besiedelten Staat der Welt, eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung.   (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung am 12. Januar 2017 entschieden werden, obwohl die Beklagte nicht erschienen war. Denn in der frist- und formgerechten Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet, da der streitgegenständliche Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 und 5 VwGO).
1. Ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Flüchtling rechtfertigen würde, ist vorliegend aus dem Vortrag des Klägers nicht erkennbar. Vielmehr hat er sich primär auf Bedrohungen durch die Familie seiner Ehefrau berufen. Dies begründet aber keine Verfolgung im Sinne von Art. 16 a GG oder § 3 AsylG. Das Gericht folgt daher der zutreffenden Begründung der Beklagten im angegriffenen Bescheid, auf die verwiesen wird (§ 77 Abs. 2 AsylG).
2. Das Bundesamt hat auch zu Recht den subsidiären Schutzstatus (§ 4 AsylG) nicht zuerkannt sowie Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AsylG verneint.
2.1 Das Gericht muss sowohl von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals als auch von der Richtigkeit der Prognose drohenden Schadens die volle Überzeugung gewinnen. Dem persönlichen Vorbringen des Rechtssuchenden und dessen Würdigung kommt dabei besondere Bedeutung zu. Insbesondere wenn keine weiteren Beweismittel zur Verfügung stehen, ist für die Glaubwürdigkeit auf die Plausibilität des Tatsachenvortrags des Asylsuchenden, die Art seiner Einlassung und seine Persönlichkeit – insbesondere seine Vertrauenswürdigkeit – abzustellen. Der Asylsuchende ist insoweit gehalten, seine Gründe für eine Verfolgung bzw. Gefährdung schlüssig und widerspruchsfrei mit genauen Einzelheiten vorzutragen (vgl. BVerwG, U. v. 12.11.1985 – 9 C 27.85 – juris).
2.2 Der Vortrag des Klägers war aber sowohl bei der Anhörung vor dem Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung am 12. Januar 2017 sehr pauschal und detailarm, zudem auch teilweise widersprüchlich und damit nicht glaubwürdig.
So gab der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung z. B. an, dass in Myanmar bei den Auseinandersetzungen seine Eltern zusammengeschlagen bzw. verletzt worden seien, während er beim Bundesamt ausführte, dass auch er geschlagen und verletzt worden sei. Vor Gericht erläuterte er, zweimal, nämlich zwei Monate sowie ungefähr eine Woche vor der Ausreise, d. h. jeweils 2013, von den Verwandten seiner Ehefrau geschlagen worden zu sein. Vor dem Bundesamt sagte er lediglich, einmal und zwar zwei Monate nach der Hochzeit, d. h. September 2012, geschlagen worden zu sein. Der Kläger gab in der Verhandlung zwar an, dass die Angaben in der Niederschrift des Bundesamts zum Zeitpunkt der Schläge falsch seien und diese tatsächlich nicht zwei Monate nach der Hochzeit, sondern zwei Monate vor der Ausreise erfolgt seien. Warum er beim Bundesamt nicht von zwei Vorfällen sprach und warum er den vermeintlichen Fehler nicht berichtigte, obwohl ihm die Niederschrift des Bundesamts rückübersetzt wurde, erklärte der Kläger dagegen nicht. Auch die Aussage in der mündlichen Verhandlung, die Verwandten der Ehefrau hätten ihn bei der Polizei angezeigt, weil er seine Frau mit Gewalt genommen habe, erfolgte vor dem Bundesamt nicht. Im Übrigen kann der Kläger durch die auch dem Gericht vorgelegte Bestätigung des Imams vom 3. Februar 2016 belegen, dass er seine Frau ordnungsgemäß geheiratet hat.
2.3 Außerdem besteht in derartigen Fällen auch grundsätzlich eine inländische Fluchtalternative (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. der entsprechenden Anwendung von § 3e AsylG). Der Kläger kann sich bei einer Rückkehr zusammen mit seiner Ehefrau, einer Bangladeschi, in einem anderen Landesteil niederlassen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Verwandten seiner Frau den Kläger in einem anderen Teil Bangladeschs, dem – von reinen Stadtstaaten abgesehen – mit 159,5 Millionen Einwohnern am dichtesten besiedelten Staat der Welt (vgl. Auswärtiges Amt, Länderinfos Bangladesch, Stand August 2015; http://www.auswaertigesamt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-nodes_Uebersichtsseiten/Bangladesch_node.html), in dem kein landesweites Meldewesen existiert, finden könnten (vgl. z. B. VG München, U. v. 4.8.2016 – M 17 K 15.30817 – juris Rn. 31 ff.).
2.4 Nachdem der Kläger nach eigenen Angaben seine Ehefrau unter anderem geheiratet hat, um die Staatsangehörigkeit von Bangladesch zu erwerben, ist auch nicht damit zu rechnen, dass er bei einer etwaigen Rückkehr nach Bangladesch von diesem Staat nach Myanmar abgeschoben wird.
3. Nach alledem ist auch die vom Bundesamt nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung rechtmäßig.
Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass die Abschiebung nach Bangladesch und nicht nach Myanmar angedroht wurde. Der in der Abschiebungsandrohung genannte Zielstaat muss nicht zwingend mit dem Staat identisch sein, dessen Staatsangehörigkeit der Betreffende besitzt (vgl. Gemeinschaftskommentar zum AsylG, § 34 AsylG, Rn. 45, 47). Selbst wenn man aber die Auffassung vertritt, dass im Rahmen der Abschiebungsandrohung vorrangig der Staat der Staatsangehörigkeit als Zielstaat anzugeben ist, ist es nach der Rechtsprechung für die rechtliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung grundsätzlich unerheblich, ob der Antragsteller die Staatsangehörigkeit des Zielstaates tatsächlich besitzt (vgl. Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, zum vergleichbaren § 34 AsylVfG Rn. 25f. m. w. N.). Ob eine Abschiebung nach Bangladesch später tatsächlich durchgeführt werden kann oder nicht, ist vielmehr eine Frage der Vollstreckung des streitgegenständlichen Bescheids.
Hinzukommt, dass der Kläger nach eigenen Angaben Rohingya ist. Angehörige dieser Volksgruppe werden aber bekanntermaßen in Myanmar nicht als Staatsangehörige anerkannt (vgl. UNHCR, Auskunft v. 10.12.2015 an das VG Augsburg). Selbst wenn der Kläger durch seine Heirat nicht sowieso die Staatsangehörigkeit von Bangladesch erworben haben sollte, wäre daher die Androhung der Abschiebung nach Bangladesch als dem Land des gewöhnlichen Aufenthalts rechtmäßig.
4. Schließlich begegnet auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG in Nr. 6 des Bescheids vom 21. Oktober 2016 keinen rechtlichen Bedenken.
Die Ermessenserwägungen der Beklagten sind im Rahmen der auf den Maßstab des § 114 Satz 1 VwGO beschränkten gerichtlichen Überprüfung nicht zu beanstanden, zumal die Klägerseite diesbezüglich keine substantiierten Einwendungen vorgebracht und insbesondere kein fehlerhaftes Ermessen gerügt hat.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V. m. §§ 708 ff. ZPO.

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