Verwaltungsrecht

Erfolgloser Asylantrag eines staatenlosen Palästinensers aus dem Libanon

Aktenzeichen  W 2 K 16.31924

Datum:
15.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 143801
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3
AsylG § 4
AufenthG § 60 Abs. 5
AufenthG § 60 Abs. 7

 

Leitsatz

1 Lebt ein staatenloser palästinensischer Asylantragsteller bis zu seiner Ausreise in einem von UNRWA betriebenen Flüchtlingscamp, ist gem. § 3 Abs. 3 S. 1 AsylG die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausgeschlossen, da der Betroffene den Schutz und den Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung nach Art. 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genossen hat. (Rn. 15) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Im Libanon besteht keine generelle Gruppenverfolgung staatenloser Palästinenser (wie VG Ansbach BeckRS 2017, 126161). (Rn. 20) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Für in den Libanon zurückkehrende Palästinenser, die den Libanon nicht über einen dafür vorgesehenen Grenzübergang verlassen haben, geht das Auswärtige Amt bei deren Rückkehr von einer Befragung und ggf. einem Ermittlungsverfahren, nicht hingegen von einer Inhaftierung oder sonstigen Sanktionen aus.  (Rn. 22) (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Allein die Tatsache, dass ein palästinensischer Flüchtling bei seiner Rückkehr im Libanon einer schwierigen Situation gegenübersteht, die u.a. durch Armut und mangelnde Aufstiegschancen geprägt ist, genügt bei weitem nicht für die Annahme einer unmenschlichen odererniedrigenden Behandlung iSv § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AsylG (wie VG Ansbach BeckRS 2017, 122206). (Rn. 24) (red. LS Clemens Kurzidem)
5 Bei einem gesunden, arbeitsfähigen Mann, der vor seiner Flucht in einer Autolackiererei gearbeitet und ein Auto besessen hat, bestehen trotz der prekären Situation palästinensischer Flüchtlinge im Libanon keine Anhaltspunkte dafür, dass es ihm unmöglich wäre, wenigstens das Existenzminimum zu erwirtschaften. (Rn. 25) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage, über die in Abwesenheit von Beteiligten verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet.
1. Der verfahrensgegenständliche Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 5. Oktober 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Ihm steht zum gemäß § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung kein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter, Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, des subsidiären Schutzstatus, der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG oder der Verkürzung der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes zu.
1.1 Die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter gemäß Art. 16 a Abs. 1 GG ist gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG schon aufgrund seiner Einreise auf dem Landweg und damit über einen der in Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG genannten Staaten ausgeschlossen.
1.2 Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Dies scheitert zum einen daran, dass er bei der UNRWA als palästinensischer Flüchtling registriert ist. Denn gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 AsylG ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausgeschlossen, wenn der Betroffene den Schutz und den Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtstellung der Flüchtlinge genießt. Der Kläger hat nach eigenen Angaben bis zu seiner Ausreise in einem von der UNRWA betriebenen Flüchtlingscamp gelebt. Allein sein Vortrag, die Nahrungsmittelvergabe sei zuletzt eingestellt worden, führt nicht dazu, dass der Schutz und Beistand der UNRWA tatsächlich nicht mehr länger gewährt worden wäre.
Zum anderen hat er zur Überzeugung des Gerichts – auch bezogen auf den Libanon – im Land seines gewöhnlichen Aufenthalts gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 lit. b AsylG keine weitergehende flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung im Sinne der §§ 3a bis 3e AsylG erlitten bzw. zu befürchten.
In den §§ 3a bis 3e AsylG sind in Umsetzung von Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezem-ber 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337/9 vom 20.12.2011) – QRL – (vgl. BT-Drs. 17/13063 S. 19) die Voraussetzungen für Verfolgungshandlungen, Verfolgungsgründe, Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann und Akteure, die Schutz bieten können, und für internen Schutz geregelt. Nach § 3c AsylG kann eine Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 – II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2).
Ob dem Ausländer bei seiner unterstellten Rückkehr eine solche Verfolgung droht, hat das Gericht anhand einer Prognose zu beurteilen (vgl. BVerwG, U.v. 6.3.1990 – 9 C 14.89). So normiert Art. 4 Abs. 4 QRL bei einer Vorverfolgung eine Vermutung für eine erneute Verfolgungsgefahr. Auszugehen ist deshalb zunächst von seinem bisherigen Schicksal. Der Schutzsuchende muss dabei sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darlegen. Er muss die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, zu denen insbesondere seine persönlichen Erlebnisse fallen, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, den geltend gemachten An-spruch lückenlos zu tragen (VG Bayreuth, U.v. 13.7.2015 – B 3 K 14.30344 – juris). Dies ist nicht der Fall, wenn der Schutzsuchende im Laufe der Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen unauflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich erachtet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. VGH BW, U.v. 27.8.2013 – A 12 S 2023/11 – juris, VGH Kassel, U.v. 4.9.2014 – 8 A 2434/11.A – juris). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss das Gericht auch in Asylstreitigkeiten die volle Überzeugung von der Wahrheit – und nicht etwa nur der Wahrscheinlichkeit – des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen (vgl. VG München, U.v. 31.3.2014 – M 25 K 13.31344 – juris). Aufgrund der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Asylbewerbers kann schon allein sein eigener Sachvortrag zur Asylanerkennung führen, sofern sich das Tatsachengericht unter Berücksichtigung aller Umstände von dessen Wahrheit überzeugen kann (BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – InfAuslR 1989, 349). Maßgeblich sind die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und die Glaubwürdigkeit seiner Person (VG München, U.v. 20.12.2012 – M 15 K 12.30068 – juris). Seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung ist daher eine gesteigerte Bedeutung beizumessen. Auch unter Berücksichtigung des Herkommens, Bildungsstands und Alters muss der Asylbewerber im Wesentlichen gleichbleibende möglichst detaillierte und konkrete Angaben zu den Umständen machen.
Nach diesem Maßstab hat der Kläger zur Überzeugung des Gerichts eine Vorverfolgung nicht glaubhaft gemacht. So hat er beim Bundesamt lediglich angegeben, er sei ein Jahr vor seiner Einreise vom „Jihad“ angesprochen worden, dass er zu ihnen kommen solle. Er hätte dafür auch Geld bekommen. Seine Freunde seien teilweise bei der Hamas. Auch sie hätten ihn angesprochen, dass er mitmachen solle. Demgegenüber bezog er sich in der mündlichen Verhandlung primär auf die Hisbollah, zu Anwerbungsversuchen durch den „Jihad“ oder die „Hamas“ trug er hingegen nichts vor. Soweit sich sein Vorbringen nicht ohnehin in allgemeinen Ausführungen zur Sicherheitslage in palästinensischen Flüchtlingslagern erschöpfte, waren seine Ausführungen im Vergleich zu seinen Einlassungen beim Bundesamt erheblich gesteigert. Während beim Bundesamt weder von Drohungen noch von einer Entführung die Rede war, behauptete er nunmehr ca. acht Monate vor seiner Flucht Opfer einer eintägigen Entführung und erzwungenen Befragung geworden zu sein. Dabei blieben seine Schilderungen – trotz mehrfachen Vorhalts des Gerichtes – ohne jede Detailangaben zum Ablauf, zu Hintergrund und Gegenstand der Befragung. Es fehlten jede Angaben zum konkreten Tathergang. Seine Antworten wirkten durchgehend ausweichend. Statt einen tatsächlichen Ablauf zu schildern, flüchtete er sich ins Beispielhafte. Statt einen konkreten Tatablauf zu schildern, beschrieb er lediglich, wie „man“ typischerweise anhand eines fingierten Auftrages „beispielsweise“ von einem Nachbarn aus dem Lager gelockt werde. Auch die Behauptung, man habe ihn verdächtigt, Anhänger der syrischen Opposition zu sein, wurde nicht weiter anhand von genauen Personenangaben und Beschuldigungssituationen konkretisiert. Zwar trug der Kläger vor, nach dem Verschwinden zweier syrischer Arbeitskollegen von der Hisbollah verprügelt worden zu sein. Doch auch die Schilderung dieses Vorfalls ließ jede Detailangabe vermissen. Da sich der Vorfall – ebenso wie die behauptete Entführung – bereits acht Monate vor seiner Flucht zugetragen haben sollen, würde es zudem an einem zeitlich-kausalen Zusammenhang zu seiner Flucht fehlen. Die Behauptung, dass sich dem tätliche Übergriff durch die Hisbollah – seinen Wahrheitsgehalt einmal unterstellt – weitere Drohungen angeschlossen hätten, blieb völlig im Vagen und erschöpfte sich in der pauschal Angabe, er sei bedroht worden. Trotz Vorhalt des Gerichts – wurde auch diese Behauptung nicht mit weiteren Angaben zu konkreten Bedrohungssituationen, handelnden Personen, Art und Weise, sowie Zeitpunkt und Mittel der Drohungen usw. plausibilisiert. Soweit er sich im Übrigen auf das Verschwinden bzw. die Zwangsrekrutierung zweier syrischer Arbeitskollegen bezieht, gibt dies lediglich das Schicksal Dritter wieder, das für den Kläger keine Vorverfolgung begründen kann. Zwar fügen sich seine allgemeinen Schilderungen zur Situation im palästinensischen Flüchtlingslager größtenteils in das aktuelle Lagebild ein, wie es beispielsweise vom UNHCR (The Situation of Palestinian Refugees in Lebanon, Februar 2016, S 17ff.) oder dem Auswärtigen Amt (Lagebericht, Dezember 2015, S. 12f.) dokumentiert ist. In den vom Gericht herangezogenen Erkenntnismitteln wird beispielsweise davon berichtet, dass bewaffnete und politische Gruppierungen die Verletzlichkeit und mangelnde Perspektive palästinensischer Jugendlicher und Kinder zu Rekrutierungszwecken ausnutzen (vgl. Finnish Immigration Service, Syrian and Palestinian Refugees in Lebanon, 29. September 2016, S. 31), und dass libanesische bewaffnete Gruppierungen mit bewaffneten palästinensischen Kräften zusammenarbeiten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 18). Jedoch wird es für sehr unwahrscheinlich gehalten, dass die Hisbollah Zwangsrekrutierungen in palästinensischen Flüchtlingslagern vornimmt (vgl. Danish Immigration Service, Stateless Palestinian Refugees in Lebanon, Fact-Finding Mission vom 25. Mai bis 6. Juni 2014, S. 67; Immigration and Refugee Board of Canada, LBN104638.E, Nr. 3.2). Auch blieben die Ausführungen des Klägers zu den behaupteten Verfolgungsmaßnahmen insgesamt so substanzlos und oberflächlich, dass das Gericht nicht davon ausgeht, dass der Kläger eigenes Erleben wiedergegen hat. Dabei kann offen bleiben, ob es tatsächlich zu den vom Kläger ebenfalls geschilderten wiederholten Beschädigungen seines Autos gekommen ist. Denn selbst wenn man diese als wahr unterstellt und – zugunsten des Klägers – annimmt, dass die Schäden an seinem Auto vorsätzlich herbeigeführt worden sind und der Grund dafür tatsächlich gewesen sei, dass der Kläger im innerpalästinensischen Machtkonflikt innerhalb des Flüchtlingslagers nicht Stellung beziehen wollte, so ist damit jedenfalls nicht die für eine Verfolgungshandlung i.S.v. § 3a AsylG notwendige Erheblichkeitsschwelle überschritten. Weitergehende Rechtsverletzungen hat der Kläger zur Überzeugung des Gerichts nicht glaubhaft gemacht, so dass das Gericht zur Überzeugung kommt, dass der Kläger ohne Vorverfolgung ausgereist ist. Mangels Vorverfolgung kommt dem Kläger damit nicht die Vermutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 QLR zugute.
Zwar ist grundsätzlich möglich, dass auch ohne Vorverfolgung eine flüchtlingsrelevante Verfolgungsgefahr besteht. Im Fall des Klägers kommt das Gericht jedoch nicht zu der Überzeugung, dass bei einer Rückkehr in den Libanon eine solche Verfolgungsgefahr besteht. So besteht im Libanon keine generelle Gruppenverfolgung von staatenlosen Palästinensern (statt vieler: VG Ansbach, U.v. 31.7.2017 – AN 9 K 16.31851 – juris m.w.N). Zwar ist die Lage der im Libanon lebenden palästinensischen Flüchtlinge laut aktuellem Lagebericht des Auswärtigen Amtes prekär. Ihnen sind politische wie wirtschaftliche Rechte verwehrt. Sie dürfen seit 2001 keinen Grund und Boden mehr erwerben. Es sind jedoch keine Repressionen alleine aufgrund der palästinensischen Volkszugehörigkeit bekannt (AA, a.a.O., S.12). Auch die vom Kläger behauptete Gefahr einer Zwangsrekrutierung besteht nach Überzeugung des Gerichtes schon deshalb nicht, weil der 1969 geborene Kläger altersmäßig weit über der für Anwerbeversuche typischen Zielgruppe der jungen Männer und Jugendlichen liegt. Sofern er eine Verfolgungsgefahr daraus herleiten will, dass man ihm aufgrund seiner jahrelangen Abwesenheit unterstellen würde, in einem feindlichen Trainingscamp militärisch ausgebildet worden zu sein, ist bereits sein eigener Vortrag widersprüchlich. Denn er selbst gab in der mündlichen Verhandlung an, dass seine Kinder auf der Straße nach dem Verbleib ihres Vater gefragt würden, so dass das Umfeld in dem von seiner Familie bewohnten Flüchtlingslager wisse, dass er nach Europa gegangen ist und in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat.
Hinzukommt, dass der Kläger – im Einklang mit den Erkenntnismitteln des Gerichts – selbst vorträgt, jederzeit mit seiner Familie das Flüchtlingslager verlassen und sich außerhalb bzw. in einem anderen Flüchtlingslager niederlassen zu können. Selbst wenn man also seinem Vortag folgen würde, er sei aufgrund seiner mehrjährigen Abwesenheit gefährdet, so steht ihm jedenfalls eine inländische Fluchtalternative im Sinne von § 3e AsylG zur Verfügung.
Für in den Libanon zurückkehrende Palästinenser, die den Libanon zuvor nicht über eine dafür vorgesehenen Grenzübergang verlassen haben, geht das Auswärtige Amt zwar bei deren Rückkehr von einer Befragung und ggf. einem Ermittlungsverfahren, nicht jedoch einer Inhaftierung oder sonstigen Sanktionen aus (vgl. AA, Auskunft an das VG Dresden v. 1.3.2017).
Dem Kläger droht bei einer Rückkehr in den Libanon zur Überzeugung des Gerichts mithin keine flüchtlingsrelevante Verfolgung.
1.3 Dem Kläger steht auch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nicht zu. Für das Vorliegen der in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 AsylG genannten Umstände hat das Gericht auf Grundlage der ihm vorliegenden Erkenntnismittel keine Anhaltspunkte. Allein die Tatsache, dass der Kläger als palästinensischer Flüchtling im Libanon einer schwierigen Situation gegenübersteht, die unter anderem durch Armut und mangelnde Aufstiegschancen geprägt ist, genügt bei weitem nicht für die Annahme einer unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG (so auch: VG Ansbach, U.v. 10.8.2017 – AN 9 K 16.31974 – juris). Zwar stuft der UNHCR Zweidrittel der Palästinenser im Libanon als im hohen Maße sozial ausgegrenzt ein (UNHCR, a.a.O., S. 6). Zu Zweidritteln seien sie arm und sehr arm. Dies habe sich durch den Zustrom von mehr als einer Million syrischer Flüchtlinge seit 2011 noch verschlimmert. Laut Finnsih Immigration Service (a.a.O., S. 9) komme es im Niedriglohnsektor zu einem Verdrängungswettbewerb, da syrische Flüchtlinge bereit seien für einen niedrigeren Tageslohn zu arbeiten als Palästinenser. 53 Prozent der im Libanon registrierten Flüchtlinge leben laut UNHCR (a.a.O.) in einem der zwölf registrierten Flüchtlingslagern, die alle unter ernsthafter Überfüllung, unzureichender Unterbringungsbedingungen und ungenügender Infrastruktur (insbesondere Kanalisation, Trinkwasser- und Stromversorgung) leiden. Als registrierter Flüchtling hat der Kläger jedoch grundsätzlich Zugang zu den Unterstützungsleistungen der UNRWA, die beispielsweise die Gesundheitsversorgung oder den kostenlosen Zugang zu Schulbildung betreffen (vgl. Finnish Immigration Service, a..a.O., S. 10fft.).
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. § 60 Abs. 5 AufenthG sieht ein Abschiebungsverbot bei einer Verletzung der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Sinne der EMRK, insbesondere im Fall einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung, vor. Eine solche ist im Fall des Klägers jedoch nicht zu befürchten. Als gesunder, arbeitsfähiger Mann, der vor seiner Flucht eine feste Arbeit in einer Autolackiererei und über ein eigenes Auto verfügt hatte, bestehen – trotz der wirtschaftlich prekären Situation palästinensischer Flüchtlinge im Libanon – keine Anhaltspunkte, dass es ihm unmöglich wäre, wenigsten das Existenzminimum zu erwirtschaften. Hinzukommt, dass der Kläger über eine Registrierung bei der UNRWA verfügt, so dass er sich auch dort um Unterstützung bemühen kann. Daneben verfügt er über ein intaktes familiäres Netzwerk, auf dessen Unterstützung er jedenfalls in einer ersten Ankunftsphase zurückgreifen kann.
2. Die vom Bundesamt verfügte Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind ebenfalls nicht rechtswidrig. Zwar fehlt im Tenor der Abschiebungsandrohung die Benennung des Zielstaates „Libanon“. Dabei handelt es sich, wie sich schon aus dem Anschlusssatz „Der Antragsteller kann auch in jeden anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist.“ um ein offensichtliches Schreibversehen. Da aus den Gründen des Bescheides eindeutig hervorgeht, dass der Libanon Zielstaat der Abschiebung ist, genügt die Abschiebungsandrohung trotz dieses Schreibversehens den rechtstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen, wie sie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 25. Juli 2000 – 9 C 42/99 – BVerwGE 111, 343 (345) für die Bezugnahme auf den “Herkunftstaat“ als Zielstaat aufgestellt hat. Da es sich um ein offensichtliches Schreibversehen handelt, dessen Berichtung jederzeit gemäß § 42 VwVfG möglich ist, betrifft es die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nicht. Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung beruhen auf § 34 Abs. 1 AsylG, § 59 Abs. 1 bis 3 AufenthG, § 38 Abs. 1 AsylG.
3. Schließlich sind auch gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots des § 11 Abs. 1 AufenthG auf 3 Jahre ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6 des Bescheids) keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken vorgetragen worden oder sonst ersichtlich. Insbesondere sind keine Ermessensfehler des Bundesamts bei der Bemessung der Frist nach § 11 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 AufenthG zu erkennen. Es besteht mithin auch kein Anspruch auf Verkürzung der Befristung.
Somit konnte die Klage insgesamt keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708, 711 ZPO.

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