Verwaltungsrecht

Erfolgloser Asylfolgeantrag von Roma aus Bosnien und Herzegowina

Aktenzeichen  M 2 S 18.30968, M 2 S 18.30970

Datum:
5.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 7568
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
AsylG § 3e, § 29a Abs. 1, Abs. 2, § 30 Abs. 1, § 36 Abs. 3, Abs. 4, § 75 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1 Gegen die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicherer Herkunftsstaat bestehen weder verfassungsrechtliche noch europarechtliche Bedenken. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2 Von einer Unfähigkeit oder Unwilligkeit des bosnischen Staates, seinen Staatsangehörigen vor strafbaren Handlungen und vor Übergriffen im Rahmen von privaten Konflikten Schutz zu bieten, ist nicht auszugehen. Das gilt auch im Hinblick auf die Volksgruppe der Roma. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3 Insbesondere in größeren Städten besteht die Möglichkeit, dort in urbaner Umgebung mit anonymeren Lebensumständen als in Dörfern und Kleinstädten vor Nachstellungen durch private Dritte Sicherheit zu finden und das Existenzminimum durch Erwerbstätigkeit oder soziale staatliche Absicherung zu erlangen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
4 Sozialhilfeempfänger und Arbeitslose sind in Bosnien und Herzegowina gesetzlich krankenversichert. Allein der Umstand, dass die Behandlung im Heimatland in medizinischer Hinsicht nicht einer im Bundesgebiet vorhandenen bestmöglichen Behandlung mit Nachsorgemöglichkeit entspricht, begründet die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG nicht. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Verfahren M 2 S 18.30968 und M 2 S 18.30970 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Anträge werden abgelehnt.
III. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen.

Gründe

I.
Die Antragsteller, nach eigenen Angaben Eheleute, sind Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina und dem Volk der Roma zugehörig. Die Antragsteller hatten in der Vergangenheit bereits mehrfach Asylanträge in der Bundesrepublik Deutschland gestellt, die sämtlich unanfechtbar abgelehnt worden waren. Am 27. November 2017 stellten sie persönlich einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeverfahren).
Die Antragsteller wurden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 8. Februar 2018 angehört. Mit Bescheiden vom 15. Februar 2018 – dem Antragsteller zugestellt am 19. Februar 2018, der Antragstellerin am 21. Februar 2018 – lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), Asylanerkennung (Nr. 2) und Gewährung von subsidiärem Schutz (Nr. 3) als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde ihnen die Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina oder in einen anderen Staat, in den sie einreisen dürfen oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 7).
Die Antragsteller erhoben zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am 22. Februar 2018 jeweils Klage, die dort unter M 2 K 18.30967 und M 2 K 18.30969 anhängig sind, und beantragen dabei, die Antragsgegnerin unter Aufhebung der Bescheide vom 15. Februar 2018 zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die des subsidiären Schutzstatus, und weiter hilfsweise, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen. Über die Klagen wurde bislang noch nicht entschieden. Zudem wird von ihnen jeweils beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Die Antragsgegnerin hat die Behördenakten elektronisch vorgelegt; sie stellt keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und in den Verfahren M 2 K 18.30967 und M 2 K 18.30969 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts nach § 93 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entsprach es, die Verfahren M 2 S 18.30968 und M 2 S 18.30970 mit Blick auf den im Wesentlichen gleichgelagerten Vortrag der Antragsteller aus Gründen möglichst zweckmäßiger Verfahrensgestaltung zur gemeinsamen Entscheidung zu verbinden.
Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO und § 75 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) statthaften Anträge sind zulässig (vgl. insbesondere § 36 Abs. 3 AsylG), bleiben in der Sache indes erfolglos. Sie sind unbegründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide des Bundesamtes vom 15. Februar 2018 bestehen (vgl. Art. 16a Abs. 4 Grundgesetz – GG, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG).
1. Nach Art. 16a GG, § 36 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (vgl. § 36 Abs. 4 Satz 1 und 2 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i.S.d. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG (und sodann auch § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG) vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.).
Im Rahmen der Entscheidung über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz sonach zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung und auf Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob diese Ablehnung weiterhin Bestand haben kann (BVerfG B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83– juris Rn. 40). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag gemäß § 30 Abs. 1 AsylG dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen. Nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG ist zudem vom Bundesamt in seiner Entscheidung über einen Asylantrag auch festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen.
Nach ständiger Rechtsprechung ist eine offensichtliche Unbegründetheit einer Asylklage dann anzunehmen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – juris).
2. Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen hier keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidungen des Bundesamts für die vorliegend allein noch streitige Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise des subsidiären Schutzes und der Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten. An der Richtigkeit der Feststellungen des Bundesamtes bestehen vernünftigerweise keine Zweifel. Bei dem zur Entscheidung gestellte Sachverhalt drängt sich dem erkennenden Gericht die Abweisung der Rechtsschutzbegehren der Antragsteller auf.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden des Bundesamts vom 15. Februar 2018 verwiesen (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG). Zusammenfassend und ergänzend ist Folgendes festzustellen:
2.1 Für das Gericht ist offensichtlich, dass den Antragstellern die geltend gemachte Ansprüche auf Zuerkennung von internationalem Schutz nach § 1 Abs. 1 Nr. 2, §§ 3 ff. AsylG nicht zustehen.
Die Ablehnung des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet beruht auf § 29a Abs. 1 AsylG. Nach dieser Vorschrift ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat i.S.d. Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG (sicherer Herkunftsstaat) als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht. Das Heimatland der Antragsteller, Bosnien und Herzegowina, ist ein sicherer Herkunftsstaat in diesem Sinne (vgl. § 29a Abs. 2 AsylG i.V.m. Anlage II). Die Gerichte sind an diese Einstufung gebunden, es sei denn, sie sind der Überzeugung, dass sich die Einstufung als verfassungswidrig erweist (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1507/93 – Rn. 65). Gegen die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicherer Herkunftsstaat bestehen weder verfassungsrechtliche noch europarechtliche Bedenken.
Die Antragsteller haben die normative Nichtverfolgungsvermutung auch nicht ansatzweise durch den schlüssigen Vortrag von individuellen Verfolgungstatsachen erschüttern können. Die von ihnen angegebenen Tatsachen und Beweismittel begründen gerade nicht die Annahme, dass ihnen abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht.
§ 3c Nr. 3 AsylG, der gemäß § 4 Abs. 3 AsylG auch bei der Prüfung der Gewährung subsidiären Schutzes entsprechend gilt, setzt zudem bei einer von einem nichtstaatlichen Akteur ausgehenden Verfolgung – allein eine solche geben die Antragsteller mit Blick auf die Bedrohung durch private Dritte äußerst unspezifiziert an –, dass der Staat nicht in der Lage oder nicht willens ist, Schutz zu gewähren. Von einer Unwilligkeit oder Unfähigkeit der bosnischen Behörden, ihre Staatsangehörigen vor strafbaren Handlungen zu schützen, ist aber nicht auszugehen. Das Gericht ist unter Auswertung der vorhandenen einschlägigen Erkenntnismittel, insbesondere des aktuellen Lageberichts des Auswärtigen Amtes im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylVfG vom 16. Januar 2017, davon überzeugt, dass der bosnische Staat grundsätzlich willens und in der Lage ist, vor Übergriffen im Rahmen von privaten Konflikten Schutz zu bieten bzw. hiergegen einzuschreiten oder solchen vorzubeugen. Es ist mit Blick auf die ruhige und stabile sicherheitspolitische Lage in Bosnien und Herzegowina, auch wenn die Methoden der Sicherheitskräfte mit Blick auf Verhältnismäßigkeit und Willkürfreiheit, gerade gegenüber Minderheiten wie namentlich der Volksgruppe der Roma, nicht immer europäischen Standards entsprechen mögen (vgl. Lagebericht, aaO S. 5 und S. 9 f.), für das Gericht nicht ersichtlich, dass die Antragsteller bei den zuständigen Polizei- und Justizbehörden keinen angemessenen Schutz gegen kriminelle Bedrohungen, die von Seiten privater Dritter gegebenenfalls gegen sie unternommen würden, finden könnten. Es liegen dem Gericht keine Erkenntnisse vor, dass das Polizei- und Justizwesen in Bosnien und Herzegowina strukturelle Defizite und Unzulänglichkeiten in asylrechtlich relevanter Weise aufweisen würde; ausreichend ist – wie hier – vielmehr, dass dort staatlicher Schutz gegen kriminelles Unrecht nichtstaatlicher Akteure in einem in asylrechtlicher Hinsicht hinreichenden Ausmaß gewährleistet ist. Dies gilt auch im Hinblick auf die Volksgruppe der Roma.
Wenn die Antragsteller zur Begründung ihrer Asylanträge angeben, sie seien von Personen, die sie bestehlen und von der Mülldeponie, auf der sich ihre behelfsmäßige Unterkunft befinde, vertreiben wollten, körperlich mehrfach angegriffen worden, handelt es sich dabei um einen äußerst oberflächlichen und pauschal gehaltenen Vortrag, der nicht von relevanten Inhalten und verfolgsspezifischen Details der konkreten Abläufe und Umstände der behaupteten Angriffe geprägt ist. Dieser unspezifizierte Vortrag lässt vielmehr darauf schließen, dass er nicht wahrheitsgemäß bzw. maßgeblich asyltaktisch motiviert ist; er erweist sich daher als unglaubhaft.
Selbst wenn man den Vortrag der Antragsteller zu ihrer Bedrohung – entgegen dem Vorstehenden – sogar als wahr unterstellen würde, so könnte dies dem Antrag ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Denn sowohl die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als auch die des subsidiären Schutzes setzen voraus, dass für die Antragsteller keine Fluchtalternative i.S.d. § 3e AsylG gegeben ist. Für die Antragsteller bestünde zur Überzeugung des Gerichts in anderen Landesteilen von Bosnien und Herzegowina, insbesondere in den größeren Städten, die Möglichkeit, dort in urbaner Umgebung mit deutlich anonymeren Lebensumständen als in Dörfern und Kleinstädten mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit vor der Nachstellung durch private Dritte aus Maglaj Sicherheit zu finden. Dabei ist auch davon auszugehen, dass den Antragstellern dort der Zugang zu einer das Existenzminimum sichernden Erwerbstätigkeit zumindest des Antragstellers, eines Mannes im erwerbsfähigen Alter, oder nötigenfalls auch zu (staatlicher) sozialer Absicherung in ausreichender Weise möglich ist (vgl. dazu auch nachfolgend unter 2.2), auch wenn dies für Roma im Einzelfall schwierig sein mag.
Nach alledem fehlt es offenkundig an den Voraussetzungen der internationalen Schutzgewährung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2, §§ 3 ff. AsylG:
2.2 Das Gericht ist ferner davon überzeugt, dass sich für die Antragsteller in Bosnien und Herzegowina weder mit Blick auf die dortige allgemeine wirtschaftliche, soziale und humanitäre Situation noch aufgrund besonderer individueller Umstände eine im Rahmen von § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG für den Abschiebungsschutz relevante Bedrohung, Verfolgung oder Gefährdung ergeben wird.
Allein wegen der Lebensbedingungen in Bosnien und Herzegowina vermögen sich die Antragsteller weder auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG noch auf § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK zu berufen. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse ist nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschlich oder erniedrigende Behandlung zu bewerten, sodass auch nur dann die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt sein können (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 23 ff.). Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Diese Regelung erfasst nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solche ergeben, nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis im Vollzug der Abschiebung berücksichtigt werden können.
Die Voraussetzungen nach § 60 Abs. 7 AufenthG liegen auch mit Blick auf die Erkrankung der Antragsteller nicht vor.
Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot kann sich – stets unter der Voraussetzung eines hinreichenden tatsächlichen Nachweises, der sich insbesondere am Maßstab des § 60a Abs. 2c AufenthG orientiert, – auch aus der Krankheit eines Ausländers ergeben, wenn sich die Erkrankung im Heimatstaat erheblich verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind. Dabei liegt eine für den Abschiebungsschutz relevante Verschlechterung nicht schon dann vor, wenn „nur“ eine bestmögliche Vorsorge, Linderung oder Heilung eines Krankheitszustands im Abschiebungszielland im Vergleich zu einer (Weiter-)Behandlung im Bundesgebiet nicht zu erwarten ist, sondern vielmehr erst dann, wenn im Fall der Rückkehr alsbald eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung mit der Folge einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben zu befürchten wäre. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG regelt dazu, dass eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vorliegt, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Eine solche lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung ist bei den Antragstellern ausweislich der bei den Verfahrensakten der Antragsgegnerin und den Gerichtsakten befindlichen ärztlichen Befunde nicht gegeben. Bei beiden Antragstellern liegt keine Notfallindikation vor. Vielmehr leidet der Antragsteller ausweislich der aktuellen ärztlichen Befunde an unspezifischen linksseitigen Bauchschmerzen und Bluthochdruck. Bei der Antragstellerin wird nach einer Brustkrebsoperation und -behandlung im Jahre 2014 eine regelmäßige Verlaufskontrolle im Rahmen der Nachsorge empfohlen (vgl. zuletzt ärztliche Bescheinigung vom 4. Januar 2018). Zudem leidet die Antragstellerin offenbar auch an einem sehr schlechten Zahnstatus sowie einer Hepatitis B-Infektion.
Ausweislich des vorgenannten Lageberichts sind Sozialhilfeempfänger und Arbeitslose in Bosnien und Herzegowina gesetzlich krankenversichert, auch wenn es bei der Inanspruchnahme entsprechender Leistungen bei Angehörigen der Volksgruppe der Roma in Einzelfällen zu größeren Schwierigkeiten als bei anderen Angehörigen der bosnisch-herzegowinischen Bevölkerung kommen kann. Nach der Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland an das Verwaltungsgericht Schwerin vom 5. Februar 2018 (dort Antwort Nr. 5) werden Roma bei der Krankenversicherung im Übrigen sogar bevorzugt behandelt und können zumindest im Kanton Sarajevo recht schnell Leistungen des Krankenversicherungsschutzes in Anspruch nehmen. Zwar kann der für viele Gesundheitsleistungen zu erbringende Eigenanteil an den Kosten zu einer eingeschränkten Inanspruchnahme führen. Dies deckt sich letztlich auch mit dem Vortrag der Antragsteller, wonach die Behandlung der Erkrankung (Nachsorge) der Antragstellerin einen erheblichen Grund für den Aufenthalt im Bundesgebiet darstellt. Allein der durchaus mögliche Umstand, dass die Behandlung der Antragsteller, insbesondere der Antragstellerin, im Heimatland in medizinischer Hinsicht jedenfalls ohne entsprechende Eigenanteilsleistung nicht einer im Bundesgebiet vorhandenen bestmöglichen Behandlung ihres Krankheitsbildes entspricht und gerade die Antragstellerin bei andauernder optimaler medizinischer Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland durch entsprechende Nachsorge eine höhere Lebensqualität als in ihrem Heimatland erreichen könnte, begründet die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG nicht. Mit Blick auf die normative Wertung von § 60 Abs. 7 Satz 2 und § 60a Abs. 2c AufenthG kommt es jedenfalls im Lichte der zur Antragstellerin vorliegenden aktuellen ärztlichen Befunde letztlich auf weitere Einzelheiten hinsichtlich der Nachsorgemöglichkeiten von Krebserkrankung in Bosnien-Herzegowina nicht an. Gleiches gilt für die Antragstellerin mit Blick auf den sehr schlechten Zahnstatus sowie einer Hepatitis B-Infektion, für den Antragsteller vor dem Hintergrund von Bluthochdruck und unspezifischen linksseitigen Bauchschmerzen. Denn aus alledem ergibt sich für beide Antragsteller kein Nachweis einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit dafür, dass ihnen jeweils eine erhebliche konkrete Gefahr einer abschiebungsbedingten Verschlechterung einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung drohte.
Sonach sind bei der inmitten stehenden Erkrankungen der Antragsteller keine zielstaatsbezogene Gefahren für Leib und Leben i.S.d. § 60 Abs. 7 AufenthG gegeben.
Auch die Voraussetzungen nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind nicht erfüllt. Die Lebensbedingungen sind in Bosnien und Herzegowina grundsätzlich nicht als derart schlecht zu bewerten, dass diese den Schweregrad einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRGK aufweisen (vgl. Lagebericht, aaO). Dies gilt auch im Fall der Antragsteller. Der Antragsteller ist ein Mann im erwerbsfähigen Alter, wenn auch gesundheitlich möglicherweise nicht voll belastbar. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, wieso er nicht in der Lage sein sollte, „durch seiner Hände Arbeit“ in seiner Heimat eine zumindest (noch) existenzsichernde Grundversorgung auf bescheidenem, landesangemessenem Niveau für sich und seine Frau zu erwirtschaften. Das Gericht verkennt nicht, dass sich das Leben in Bosnien und Herzegowina für die Antragsteller bei ihrer Rückkehr durchaus (wieder) als schwierig und hart erweisen kann. Die asylrechtlich sehr hohen Voraussetzungen, unter denen eine wirtschaftlich schlechte Lage im besonderen Einzelfall ausnahmsweise zu einem nationalen zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbot führen kann, sind jedoch im Fall der Antragsteller zur Überzeugung des Gerichts noch nicht erfüllt.
Nach alledem können sich die Antragsteller mit Erfolg weder auf die Gewährung internationalen Schutzes nach § 1 Abs. 1 Nr. 2, §§ 3 ff. AsylG noch auf die Feststellung von nationalen zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG berufen. Vor diesem Hintergrund sind die nach §§ 34, 36 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung und die dazu gesetzte einwöchige Ausreisefrist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Die Anträge waren daher mit der Kostenfolge der § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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