Aktenzeichen 13a ZB 18.30191
Leitsatz
Ein Urteil verletzt nicht schon dann das Begründungsgebot, wenn die Entscheidungsgründe lediglich unklar, unvollständig, oberflächlich oder unrichtig sind (BVerwG BeckRS 9998, 50612). (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
B 3 K 16.31543 2017-12-01 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 1. Dezember 2017 bleibt ohne Erfolg.
Der Kläger macht wegen fehlender Gründe einen Verfahrensfehler nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 Nr. 6 VwGO geltend und rügt, das Verwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung nicht einmal erwähnt, dass er mit seinem neunjährigen Neffen eingereist und für diesen als Vormund bestellt worden sei. Dies sei sowohl dem Bundesamt als auch dem Gericht bekannt gewesen, insbesondere seien in der Bundesamtsakte ein entsprechender Vermerk über die Vormundschaft sowie eine Bestallungsurkunde und auch seine dahingehenden Angaben in der Anhörung enthalten. Weil die Vormundschaft unberücksichtigt geblieben sei, sei die Entscheidung des Verwaltungsgerichts damit mangels umfassender Entscheidungsgründe ungenügend. Bei Berücksichtigung dieses Umstands hätte ihm ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG zugesprochen werden müssen, da die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur Rückkehr von Familien mit minderjährigen Kindern (BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – InfAuslR 2015, 212) auf seine Situation zu übertragen sei. Für ihn könne nichts anderes gelten als für einen Familienvater von minderjährigen Kindern, auch wenn er „nur“ Vormund sei.
Ein Verstoß gegen das Begründungsgebot nach § 138 Nr. 6 VwGO, das sich auf den notwendigen (formellen) Inhalt eines Urteils nach § 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO bezieht, liegt vor, wenn im Urteil nicht diejenigen Entscheidungsgründe schriftlich niedergelegt werden, welche für die richterliche Überzeugungsbildung leitend gewesen sind (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Sinn dieser Regelung ist es, die Beteiligten über die dem Urteil zugrunde liegenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen zu unterrichten und dem Rechtsmittelgericht die Nachprüfung der Entscheidung auf ihre inhaltliche Richtigkeit in prozessrechtlicher und materiell-rechtlicher Hinsicht zu ermöglichen. Nicht mit Gründen versehen im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO ist eine Entscheidung deshalb nur, wenn sie so mangelhaft begründet ist, dass die Entscheidungsgründe ihre doppelte Funktion nicht mehr erfüllen können. Das ist allerdings nicht nur dann der Fall, wenn dem Tenor der Entscheidung überhaupt keine Gründe beigegeben sind, sondern auch dann, wenn die Begründung völlig unverständlich und verworren ist, so dass sie in Wirklichkeit nicht erkennen lässt, welche Überlegungen für die Entscheidung maßgebend gewesen sind (BVerwG, B.v. 15.7.2010 – 8 B 94.09 – juris; B.v. 5.6.1998 – 9 B 412.98 – DVBl 1998, 1085).
Mit seiner Rüge vermag der Kläger keinen Begründungsmangel im dargelegten Sinn zu belegen. Das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen von nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ausweislich der Entscheidungsgründe geprüft und festgestellt, dass insbesondere das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG nicht in Betracht komme, da dem Kläger keine gegen Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung drohe (UA S. 10).
Dass das Verwaltungsgericht den Neffen des Klägers, für den ihm in Deutschland die Vormundschaft übertragen worden ist, in die Überlegungen nicht mit einbezieht, vermag hieran nichts zu ändern. Ein Urteil verletzt § 138 Nr. 6 VwGO nicht schon dann, wenn die Entscheidungsgründe lediglich unklar, unvollständig, oberflächlich oder unrichtig sind (BVerwG, B.v. 15.7.2010 a.a.O.). Zwar kann die Lückenhaftigkeit der Entscheidungsgründe dem Bundesverwaltungsgericht zufolge dann anders zu beurteilen sein, wenn das Urteil auf „einzelne Ansprüche“ oder „einzelne selbständige Angriffs- und Verteidigungsmittel“ überhaupt nicht eingeht, jedoch kommt das nur in Betracht, wenn die Gründe in sich gänzlich lückenhaft sind, namentlich weil einzelne Streitgegenstände oder Streitgegenstandsteile vollständig übergangen sind. Dies wiederum ist aber nicht bereits dann der Fall, wenn lediglich einzelne Tatumstände oder Anspruchselemente unerwähnt geblieben sind oder wenn sich eine hinreichende Begründung aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe erschließen lässt (BVerwG, B.v. 5.6.1998 a.a.O.). Gemessen an diesen Anforderungen liegt der behauptete Verfahrensmangel nicht vor. Es trifft bereits nicht zu, dass das Verwaltungsgericht auf einen einzelnen Anspruch nicht eingegangen wäre. Vielmehr hat es die Voraussetzungen der nationalen Abschiebungsverbote geprüft. Da das Verwaltungsgericht hierbei auf die Rückkehr eines alleinstehenden arbeitsfähigen Mannes abgestellt hat, ergibt sich im Umkehrschluss, dass es die Einbeziehung des Neffen nicht für geboten erachtet hatte. In Wahrheit wendet sich der Antrag auch nur dagegen, dass die Begründung zum Anspruch des Klägers auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG inhaltlich unvollständig sei, weil sie sich nicht damit auseinandersetze, dass sich der Kläger nicht alleine in Deutschland befinde, sondern für seinen Neffen als Vormund eingesetzt sei. Diese Frage ist aber zum einen für das Vorliegen der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots beim Kläger ohne Bedeutung. Zum anderen rügt der Kläger letztlich allein die mögliche sachliche Fehlerhaftigkeit der ergangenen Entscheidung, weil nicht oder jedenfalls nicht erkennbar in die Prüfung einbezogen worden sei, dass für ihn als allein sorgeverpflichteten Mann nichts anderes gelten könne als für einen Familienvater von minderjährigen Kindern. Damit ließe sich der behauptete Verfahrensmangel bzw. wohl eher ein Verstoß gegen die Gewährung rechtlichen Gehörs allenfalls dann begründen, wenn der Kläger hierzu erhebliche Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht hätte, welche das Verwaltungsgericht zu einer Auseinandersetzung hiermit gezwungen hätte. Das ist indessen weder vorgetragen noch nach Aktenlage ersichtlich. Vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger vielmehr eine Erklärung seines Bruders vorgelegt, wonach dieser ihn ermächtigt, seinen Sohn in Deutschland in Obhut zu nehmen, weil ihm selbst die Flucht nach Deutschland nicht gelungen sei. Diese Ermächtigung bezieht sich offensichtlich aber allein auf den Aufenthalt in Deutschland. Die Frage einer Rückkehr zusammen mit dem Neffen wurde weder vom Bruder des Klägers noch von diesem selbst problematisiert und hat sich in der Folge für das Verwaltungsgericht auch nicht gestellt. Aus der Erklärung des Bruders des Klägers ergibt sich zudem keinerlei Anhaltspunkt, dass der Vater selbst bei einer Rückkehr nicht in der Lage wäre, für seinen Sohn ebenso wie für seine weiteren Kinder zu sorgen. Die Rüge kann deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.