Aktenzeichen 20 ZB 18.30519
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3
Leitsatz
Nicht mit Gründen versehen ist eine gerichtliche Entscheidung, wenn ihre Begründung so mangelhaft ist, dass sie ihre doppelte Funktion, nämlich über die dem Urteil zugrunde liegenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen zu unterrichten und dem Rechtsmittelgericht die Nachprüfung der Entscheidung auf ihre inhaltliche Richtigkeit in prozess- und materiellrechtlicher Hinsicht zu ermöglichen, nicht mehr erfüllen kann (BVerwG BeckRS 9998, 50612). (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
W 4 K 17.31515 2018-01-12 Ent VGWUERZBURG VG Würzburg
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 12. Januar 2018, Az. W 4 K 17.31515, ist nicht begründet, weil der geltend gemachte und dargelegte Zulassungsgrund nicht vorliegt.
1. Der Kläger macht ausschließlich einen revisibelen Verfahrensfehler in der Gestalt eines nicht mit Gründen versehenen Urteils geltend (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 6 VwGO). Ein derartiger Verfahrensmangel liegt jedoch nicht vor.
Nach § 138 Nr. 6 VwGO liegt ein absoluter Revisionsgrund – und damit zugleich ein Verfahrensmangel i.S. von § 78 Abs. 3 Nr. 3 VwGO – vor, wenn “die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist”. Die Vorschrift bezieht sich damit auf den notwendigen (formellen) Inhalt eines Urteils nach § 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO. Danach müssen im Urteil diejenigen Entscheidungsgründe schriftlich niedergelegt werden, welche für die richterliche Überzeugungsbildung leitend gewesen sind (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Sinn dieser Regelung ist es zum einen, die Beteiligten über die dem Urteil zugrunde liegenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen zu unterrichten, und zum anderen, dem Rechtsmittelgericht die Nachprüfung der Entscheidung auf ihre inhaltliche Richtigkeit in prozessrechtlicher und materiell rechtlicher Hinsicht zu ermöglichen. Nicht mit Gründen versehen i.S. des § 138 Nr. 6 VwGO ist eine Entscheidung deshalb nur, wenn sie so mangelhaft begründet ist, dass die Entscheidungsgründe ihre doppelte Funktion nicht mehr erfüllen können (vgl. BVerwG, B.v. 5.6.1998 – 9 B 412.98 – NJW 1998, 3290). Ein Urteil verletzt § 138 Nr. 6 VwGO nicht schon dann, wenn die Entscheidungsgründe lediglich unklar, unvollständig, oberflächlich oder unrichtig sind. Die Lückenhaftigkeit der Entscheidungsgründe kann allerdings dann anders zu beurteilen sein, wenn das Urteil auf “einzelne Ansprüche” oder “einzelne selbständige Angriffs- und Verteidigungsmittel” überhaupt nicht eingeht. Auch das kommt jedoch nur in Betracht, wenn die Gründe in sich gänzlich lückenhaft sind, namentlich weil einzelne Streitgegenstände oder Streitgegenstandsteile vollständig übergangen sind, aber wiederum nicht bereits dann, wenn lediglich einzelne Tatumstände oder Anspruchselemente unerwähnt geblieben sind oder wenn sich eine hinreichende Begründung aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe erschließen lässt (vgl. BVerwG, B.v. 5.6.1998 – 9 B 412.98 – NJW 1998, 3290).
2. Gemessen daran liegt der gerügte Verfahrensmangel nicht vor.
a) Das Verwaltungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Klage auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus, hilfsweise des subsidiären Schutzstatus, weiter hilfsweise auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach nationalem Recht in vollem Umfang abgewiesen. Es hat zum einen den geltend gemachten Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach §§ 3 ff. AsylG verneint, weil es den Vortrag des Klägers wegen Oberflächlichkeit, mangelnder Substantiierung und Widersprüchlichkeit für unglaubhaft gehalten hat (Urteilsabdruck S. 7/8). Des Weiteren hat das Verwaltungsgericht auch einen Anspruch des Klägers auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes verneint. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht zunächst ausgeführt, dass der Kläger, wie vom Verwaltungsgericht ausgeführt, nicht damit rechnen müsse, einen ernsthaften Schaden i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG zu erleiden (Urteilsabdruck S. 9). Zum anderen hat das Verwaltungsgericht dargelegt, dass der Kläger sich auch nicht auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG berufen könne, weil ihm in Somalia keine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes drohe. Hierzu hat das Verwaltungsgericht zunächst allgemeine Feststellungen zur Sicherheitslage in Somalia getroffen (Urteilsabdruck S. 9-12) und abschließend ausgeführt, es könne hiervon ausgehend offen bleiben, ob in der Heimatregion des Klägers (der Region Shabella Dhexe) ein bewaffneter innerstaatlicher Konflikt gegeben sei, denn jedenfalls sei der Kläger nach der Überzeugung des Gerichts bei einer Rückkehr nach Somalia keiner ernsthaften individuellen Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt, da er eine solche auch nicht glaubhaft gemacht habe (Urteilsabdruck S. 12).
b) Dem gegenüber führt der Kläger zur Begründung seines Zulassungsantrags aus, dass die angefochtene Entscheidung angesichts der (im Zulassungsvorbringen ausführlich dargestellten) Sicherheitslage in Somalia anhand der von dem Verwaltungsgericht beigezogenen Erkenntnismittel, insbesondere des beigezogenen EASO-Berichtes Nr. 2/2016 hätte begründen müssen, warum es dem Kläger trotz der massiven Gefährdung durch einen innerstaatlichen Konflikt in der ländlichen Region des Klägers keinen subsidiären Schutz zuerkenne. Bei der Begründung des Gerichtes handele es sich ausschließlich um formelhafte allgemeine Ausführungen, die nicht erkennen ließen, welche Überlegungen für die Entscheidung insgesamt, d.h. nicht nur hinsichtlich einzelner Teilfragen, maßgeblich waren, und denen deshalb für die Entscheidung des konkreten Falles nichts entnommen werden könne (unter Verweis auf Kopp/Schenke, VwGO, Rn. 27 [gemeint wohl: zu § 138 VwGO]). Es könne der Begründung nicht entnommen werden, ob das Gericht dem Kläger die von ihm angegebene Herkunftsregion nicht glaube oder ob das Gericht die Bewertung der Fluchtgründe, die für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft maßgeblich gewesen seien, bei der Prüfung des subsidiären Schutzes zugrunde lege.
c) Diesem Vorbringen kann jedoch nicht gefolgt werden. Aus den Ausführungen des Verwaltungsgerichts auf Seite 9 des Urteilsabdrucks ist zu entnehmen, dass es nach seinen vorstehenden, auf die nicht erfolgte Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes gemäß §§ 3 ff. AsylG bezogenen Erwägungen zur mangelnden Glaubhaftigkeit des vorgetragenen Verfolgungsgeschehens auch keinen Anspruch des Klägers auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 AsylG für gegeben hält. Bei seiner Prüfung zu §§ 3 ff. AsylG hat das Verwaltungsgericht das von dem Kläger vorgetragene individuelle Verfolgungsgeschehen gewürdigt und begründet, weshalb es diesen Vortrag nicht für glaubhaft hält. Davon abgesehen hat der Kläger, der seine Klage auch nicht begründet hatte, keine anderen individuellen Umstände genannt, welche unabhängig von den vom Gericht bereits gewürdigten die Gefahr eines ernsthaften Schadens durch Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder unmenschlichen Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 AsylG begründen könnten. Deshalb musste das Verwaltungsgericht auch nicht erneut in eine Prüfung desselben, für unglaubhaft gehaltenen Sachvortrags einsteigen, die nach seinem Standpunkt zu keinem anderen Ergebnis hätte führen können. Zum anderen hat das Verwaltungsgericht auf Seite 12 des Urteilsabdrucks begründet, weshalb es auch nicht von einer individuellen Gefährdung des Klägers im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ausgeht, nämlich weil es einen entsprechenden glaubhaften Vortrag des Klägers hierzu vermisst. Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass sein Heimatdorf zeitweise von der Al-Shabaab beherrscht werde. Dass das Verwaltungsgericht darauf nicht eingegangen ist, führt aber nicht zu dem hier alleine geltend gemachten Begründungsmangel im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit der Ablehnung der Berufungszulassung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).