Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufszulassungsantrag mangels Vorliegens eines Zulassungsgrundes

Aktenzeichen  13a ZB 16.30591

Datum:
22.12.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 112332
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3
VwGO § 138 Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1
AufenthG§ 60 Abs. 5

 

Leitsatz

Es stellt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs gem. Art. 103 Abs. 1 GG durch das Verwaltungsgericht wegen Nichtberücksichtigung der Tatsache der Unterhaltspflicht dar, wenn das Verwaltungsgericht nach dem klägerischen Vortrag und den Gesamtumständen davon ausgehen durfte, dass der Unterhalt der Unterhaltsberechtigten anderweitig sichergestellt ist und es dementsprechend einer Würdigung im Urteil nicht bedurfte. Für eine Schutzgewährung nach § 60 Abs. 5 AufenthG besteht insoweit keine Veranlassung. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 6 K 16.30939 2016-09-23 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 23. September 2016 ist unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO nicht vorliegen.
Der Kläger macht geltend, das Verwaltungsgericht habe gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstoßen, indem es auf seinen in der mündlichen Verhandlung dargelegten Sachvortrag nicht vollumfänglich Bezug genommen habe. Er habe dort vorgetragen, dass er verheiratet sei und eine Tochter habe. Das Gericht habe jedoch zu diesem Vortrag Ausführungen unterlassen. Hätte es die Tatsache berücksichtigt, dass er unterhaltsverpflichtet sei, hätte es zu dem Ergebnis kommen müssen, als nicht lediger Mann könne er im Fall seiner Rückkehr seiner Unterhaltspflicht nicht nachkommen und ein menschenwürdiges Dasein sei für ihn in Afghanistan nicht möglich.
Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden (BVerfG, B. v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1/02 – BVerfGE 107, 395/409 = NJW 2003, 1924). Es soll sichergestellt sein, dass das Gericht die Ausführungen der Beteiligten würdigt (BayVerfGH, E. v. 13.3.1981 – Vf. 93-VI-78 – BayVBl 1981, 529). Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet das Gebot des rechtlichen Gehörs das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern auch in Erwägung zu ziehen. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wonach vor Gericht jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör hat, kann allerdings nur dann festgestellt werden, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte von ihnen entgegengenommenes Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Deshalb müssen, damit ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG festgestellt werden kann, im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvorbringens eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen (BVerfG, B. v. 29.10.2015 – 2 BvR 1493/11 – NVwZ 2016, 238), sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfG, B. v. 23.7.2003 – 2 BvR 624/01 – NVwZ-RR 2004, 3; B. v. 19.5.1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133/146; BayVerfGH, E. v. 7.7.2015 – Vf. 3-VI-15 – BayVBl 2015, 853). Gegebenenfalls kommt es darauf an, ob dem Gesamtzusammenhang des Urteils bei verständiger Würdigung unter Zugrundelegung der Rechtsanschauung des urteilenden Gerichts entnommen werden kann, dass es das Vorbringen zwar erwogen, aber als unwesentlich beurteilt hat (BVerfG, B. v. 24.2.2009 – 1 BvR 188/09 – NVwZ 2009, 580; B. v. 25.2.1994 – 2 BvR 50/93 – NJW 1994, 2279; B. v. 19.5.1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133/146).
Gemessen an diesen höchstrichterlichen Grundsätzen war dem Kläger das rechtliche Gehör nicht versagt. Dass das Gericht sich mit dem entsprechenden klägerischen Vortrag befasst hat, ergibt sich bereits aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung (vgl. BVerwG, B. v. 20.7.2016 – 2 B 17.16 – NVwZ-RR 2016, 831 Rn. 22), wo der Kläger ausführt, dass er verheiratet sei und eine Tochter habe. Auch in den Entscheidungsgründen wird das Kind im Zusammenhang mit der Glaubwürdigkeit des Klägers erwähnt (UA S. 5). Für das Gericht war dieser Sachverhalt jedoch offensichtlich unerheblich. Dies ist auch nicht zu beanstanden, nachdem der Kläger weder vor dem Bundesamt noch vor dem Verwaltungsgericht in irgendeiner Form vorgetragen hat, dass seine Ehefrau und sein Kind unversorgt seien. Vielmehr hat er in der Anhörung vor dem Bundesamt ausweislich der Niederschrift vom 11. Mai 2016 angegeben, seine Frau und seine Tochter lebten ebenso wie seine Geschwister bei seinen Eltern in Kabul. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sind zwar Unterhaltsverpflichtungen nicht außer Betracht zu lassen (BayVGH, U. v. 21.11.2014 – 13a B 14.30284 – Asylmagazin 2015, 197 = NVwZ-RR 2015, 598 -LS-; U. v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – AuAS 2015, 43 = InfAuslR 2015, 212). Für eine Schutzgewährung nach § 60 Abs. 5 AufenthG besteht aber dann keine Veranlassung, wenn der Unterhalt anderweitig sichergestellt ist. Hiervon konnte das Verwaltungsgericht nach dem Vortrag des Klägers und den Gesamtumständen ausgehen. Damit bedurfte es auch keiner Würdigung im Urteil.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

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