Aktenzeichen 9 ZB 19.32353
VwGO § 138 Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1
Leitsatz
1. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung ist eine Frage auszuformulieren und darzulegen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchem Grund ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind kein Grund für die Zulassung der Berufung. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ist das Gericht zu der Einschätzung gelangt, der Kläger könne trotz der schlechten wirtschaftlichen Lage in Sierra Leone als junger, ausgebildeter und arbeitsfähiger Mann sein Existenzminimum sichern, lässt der Vortrag, er müsse bei einer Rückkehr unter dem Existenzminimum bleiben, keine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung erkennen. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Anspruch auf rechtliches Gehör statuiert keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
RN 14 K 17.35082 2019-05-08 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 26.2.2019 – 9 ZB 19.30057 – juris Rn. 2). Dem wird das gesamte Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
a) Hinsichtlich der aufgeworfenen Frage, ob die Poro-Society in Sierra Leone als nichtstaatlicher Akteur i.S.d. § 3c AsylG landesweit tätig ist und der Kläger von deren Mitgliedern Gewalt i.S.d. § 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG zu befürchten hat, ist jedenfalls die über den Einzelfall des Klägers hinausgehende Klärungsbedürftigkeit nicht ausreichend dargelegt. Das Zulassungsvorbringen setzt sich nicht ausreichend mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts auseinander, wonach es Geheimbünden aufgrund verschiedener Umstände nicht möglich ist, von ihnen gesuchte Personen zu finden, und zudem im Fall des Klägers kein Interesse nachvollziehbar sei, ihn noch immer in ganz Sierra Leone zu suchen. Stützt sich das Verwaltungsgericht – wie hier – bei seiner Entscheidung auf bestimmte eingeführte Erkenntnismittel, ist erforderlich, dass das Zulassungsvorbringen zumindest einen überprüfbaren Hinweis auf andere Gerichtsentscheidungen oder auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte sonstige Tatsachen- oder Erkenntnisquellen enthält, etwa entsprechende Auskünfte, Stellungnahmen, Gutachten oder Presseberichte, die den Schluss zulassen, dass die aufgeworfene Frage einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich ist und damit einer Klärung im Berufungsverfahren bedarf (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2019 – 9 ZB 19.31227 – juris Rn. 4 m.w.N.). Der Kläger kritisiert letztlich die tatrichterliche Sachverhaltswürdigung durch das Verwaltungsgericht. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind nach § 78 Abs. 3 AsylG aber gerade kein Grund für die Zulassung der Berufung (vgl. BayVGH, B.v. 4.4.2019 – 9 ZB 17.31736 – juris Rn. 4).
b) Auch die Frage, ob angesichts der im Zulassungsvorbringen geschilderten Armut in Sierra Leone, der Schwierigkeiten beim Finden von Wohnraum, der Gefahr willkürlicher Festnahmen und Inhaftierungen und der fehlenden staatlichen Unterstützung Feststellungen dazu getroffen hätten werden müssen, ob der Kläger mit Unterstützung einer Familie bzw. Freunden rechnen könnte oder dürfte, sowie die Frage, „Muss angesichts der Tatsache, dass der überwiegende Teil der Bevölkerung am Rande des Existenzminimums lebt, zu dem Vorhanden – oder Nichtvorhandensein von Familienangehörige bzw. einer Großfamilie keine Feststellungen getroffen wurden, davon ausgegangen werden, dass sich der Kläger zumindest sein Existenzminimum sicher kann oder muss davon ausgegangen werden, dass angesichts der Gesamtumstände und auch den speziellen Umstände beim Kläger bei einer Rückkehr davon ausgegangen werden muss, dass er unter dem Existenzminimum (und somit unter den inländischen Maßstäben unter Verstoß eines selbstbestimmten würdevollen Lebens) bleiben muss“, lassen keine allgemeine, über den Einzelfall des Klägers hinausreichende Bedeutung erkennen. Ob der Kläger in Sierra Leone auf familiäre Unterstützung zählen kann, war für das Verwaltungsgericht bereits nicht entscheidungserheblich. Es ist zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger, der über Schulausbildung und Berufserfahrungen verfügt, als junger und arbeitsfähiger Mann trotz der schlechten wirtschaftlichen Lage in Sierra Leone sein Existenzminimum wird sichern können. Dem tritt das Zulassungsvorbringen nicht entgegen.
c) Die im Zulassungsantrag erstmals aufgeworfene Frage, ob der Kläger bei Bekanntwerden der Asylantragstellung mit politischer Verfolgung rechnen muss, genügt den Darlegungsanforderungen nicht, da sich dem Zulassungsvorbringen insoweit keine Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit entnehmen lassen (vgl. BayVGH, B.v. 12.2.2019 – 9 ZB 18.32531 – juris Rn. 7).
2. Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund einer Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) wird ebenfalls nicht dargelegt. Dem Zulassungsvorbringen lässt sich über die bloße Benennung des Zulassungsgrundes schon kein Rechtssatz oder verallgemeinerungsfähiger Tatsachensatz entnehmen, den das Verwaltungsgericht abweichend von einem der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten übergeordneten Gerichte aufgestellt haben soll (vgl. BayVGH, B.v. 14.12.2017 – 9 ZB 15.30129 – juris Rn. 10).
3. Auch ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör ergibt sich aus dem Zulassungsvorbringen nicht (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG).
Der Kläger kann seinen Zulassungsantrag insoweit nicht mit Erfolg darauf stützen, dass das Verwaltungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen habe, ob der Kläger im Fall seiner Rückkehr mit Unterstützung einer Familie bzw. durch Freunde rechnen könne. Eine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht statuiert Art. 103 Abs. 1 GG nicht (vgl. BVerfG, B.v. 5.3.2018 – 1 BvR 1011/17 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 10.4.2019 – 9 ZB 18.33046 – juris Rn. 5). Wie bereits ausgeführt, ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger in der Lage sein werde, sein Existenzminimum eigenständig zu sichern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der nach § 80 AsylG unanfechtbaren Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).